Online Workshop | 16.11.2020 | 9:30 – 17:00 Uhr
Der Zoologe und Botaniker Christian Gottfried Ehrenberg (1795–1876) gehört zu den Mitbegründern der Mikrobiologie und der Mikropaläontologie. Forschungsreisen führten ihn von 1820 bis 1825 in den Nahen Osten sowie 1829 mit Alexander von Humboldt in den Ural und nach Westsibirien. Der Workshop thematisiert Ehrenbergs Sammlungstätigkeit auf Reisen, die mikroskopischen Untersuchungen in Berlin sowie die Bedeutung seiner wissenschaftlichen Zeichnungen für die heutige Forschung. Auf Grund der Corona-Pandemie kann der Workshop nur mit einer weitaus kleineren Zahl von Teilnehmer/-innen als geplant durchgeführt werden.
Programm:
9:30 Uhr
Begrüßungskaffee
10:00 Uhr
Einführung: Friederike Krippner, Ulrich Päßler
10:30–12.00 Uhr
Panel I: Ehrenbergs Reisen (Moderation: Friederike Krippner)
Die Inszenierung naturforschender Gelehrsamkeit beim Sammeln: C. G. Ehrenbergs und Wilhelm Hemprichs afrikanische Forschungsreise, 1820–1825
Anne MacKinney, Museum für Naturkunde, Berlin
Im Jahr 1820 traten zwei Universitätsabsolventen, Christian Gottfried Ehrenberg und Wilhelm Hemprich, eine Forschungsreise nach Nordafrika ein, die eine der ersten vom preußischen Staat maßgeblich getragenen Reiseunternehmen darstellt. Wesentliches Ziel der Reise war das Sammeln von naturkundlichen Exemplaren für die junge Berliner Museumslandschaft. Der Beitrag ordnet die afrikanische Forschungsreise in die wissenschaftliche Laufbahn Ehrenbergs ein, der als einzige Reisender überlebte, sowie in die Geschichte der Berliner Wissenschaftsinfrastruktur im frühen 19. Jahrhundert. Dabei konzentriert der Beitrag auf die Medien—insbesondere Sammlungsverzeichnisse und Sammlungsobjekte—die die Reisenden im Feld einsetzen mussten, um ihre Identität als gelehrte Naturforscher gegenüber ihren Förderern zu inszenieren und damit ihre Position in der preußischen Wissenschaft strategisch zu sichern.
C. G. Ehrenberg und die Biogeographie: Die russisch-sibirische Reise mit A. v. Humboldt (1829)
Ulrich Päßler, BBAW
Ehrenbergs neunmonatige „Sommerexcursion“ in den Ural und durch Westsibirien, die er gemeinsam mit A. v. Humboldt im Jahr 1829 unternahm, stellt im Vergleich zur afrikanischen Forschungsreise ein kürzeres und kleiner dimensioniertes Unterfangen dar. Doch fällt die russisch-sibirische Reise in eine für Ehrenbergs wissenschaftliche Laufbahn entscheidende Phase. Das Feldtagebuch und die auf der Reise entstandenen Zeichnungen dokumentieren einen neuen Fokus auf die Erforschung von Mikroorganismen. Die zahlreichen Beobachtungen zur Pflanzen- und Tiergeographie zeigen, wie Ehrenberg eine Kombination von Mikro- und Makroperspektive erprobt, die seine Infusorienforschung der folgenden Jahrzehnte prägen sollte: Neben die Klassifikationsarbeit am Mikroskop tritt die weltweit vergleichenden Erforschung der Verbreitung und Verteilung von Kleinstlebewesen.
Mittagspause
13:00–14:30 Uhr
Panel II: Die Welt im Kleinen (Moderation: Anne MacKinney)
Zu spät, zu früh, gerade recht? C.G. Ehrenberg, die „Infusionsthierchen“ und die Mikrobiologie
Mathias Grote, Humboldt-Universität zu Berlin
Die Geschichte der Mikrobiologie als Laborwissenschaft, die mit Louis Pasteur und Robert Koch im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts ansetzt, hat für Ehrenberg keinen Platz. Unmodern, ja fehlerhaft scheinen die Theorien und Techniken dieses Humboldt en miniature, eines Forschungsreisenden und Naturbeobachters, der die Belebtheit von Wasser oder Luft mikroskopisch untersuchte, der Proben aus aller Welt sammelte, und der so zahlreiche Kleinstlebewesen und ihre Effekte etwa bei Blutwundern oder der Gesteinsbildung beschrieb. Zugleich scheint sein ökologischer Blick auf die Vielfalt und Wirksamkeit des Mikrokosmos unsere Gegenwart auf überraschende Weise anzusprechen – dies weil Mikroben ein omnipräsentes Faszinosum wie eine Bedrohung bleiben, und Prämissen von Koch und Pasteur überholt erscheinen. Der Vortrag untersucht diese zwiespältige Position Ehrenbergs und fragt, warum er möglicherweise gerade deswegen spannender ist, als ihn die Historiographie bislang hat erscheinen lassen.
C.G. Ehrenbergs Zeichnungen: eine frühe wissenschaftliche Dokumentation von Mikroorganismen
Regine Jahn und Wolf-Henning Kusber, Botanischer Garten und Botanisches Museum, Freie Universität Berlin
Ehrenberg nutzte sein Zeichentalent zur Dokumentation seiner organismischen Funde in seinem Berliner Arbeitszimmer wie auch auf allen seinen Reisen. Neben Stift und Papier hatte er immer sein Mikroskop dabei, mit dem er die gesammelten Organismen analysierte. Diese detaillierten teils farbigen Zeichnungen mit Fundortangabe und Datum waren entscheidende Grundlagen für die wissenschaftliche Beschreibung neuer Arten. Die Zeichnungen waren Vorlage von Kupferstichen, Hilfsmittel für die Analyse mikroskopischer Typuspräparate (Eichexemplare der Arten) und können selbst als Typus ausgewählt werden, wenn weiteres Belegmaterial verloren ist.
Kaffeepause
15:00–16:30 Uhr
Panel III: Ehrenberg und Berlin (Moderation Ulrich Päßler)
C. G. Ehrenberg und die Entwicklung der Mikroskop-Technik im 19. Jahrhundert
Ferdinand Damaschun, Museum für Naturkunde, Berlin
Ende der 20er Jahre des 19. Jh. begann Christian Gottfried Ehrenberg mit mikroskopischen Untersuchungen. Während seiner Zeit als Mikroskopiker in den nächsten mehr als 50 Jahren erfuhr die Mikroskop-Technik eine stürmische Entwicklung: die Auflösung verbesserte sich um den Faktor 10 von 3 µm auf 0,3 µm und es gelang nach und nach optische Fehler zu korrigieren. Gegen Ende von Ehrenbergs wissenschaftlicher Laufbahn entwickelten Carl Zeiss, Ernst Abbe und Otto Schott in Jena die ersten modernen Mikroskope mit gerechneten Optiken. Der Vortrag stellt diese Entwicklung vor und versucht die Frage zu beantworten inwieweit Ehrenberg diese Entwicklungen nutzte und von ihnen profitierte.
C. G. Ehrenberg und die Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin
Katrin Böhme, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
Die 1773 gegründete Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin (GNF) gehörte im 18. und 19. Jahrhundert zu den bedeutendsten gelehrten Gesellschaften mit Schwerpunkt Naturgeschichte im deutschsprachigen Raum. In Berlin gewann sie im Zusammenhang mit der Universitätsgründung eine wichtige Rolle als Kandidatenpool für die Besetzung der Professuren und als elitärer Treffpunkt für die Naturforscher der Stadt. Christian Gottfried Ehrenberg war langjähriges Mitglied der GNF und Bewohner des gesellschaftseigenen Hauses in der Französischen Straße 29. Er beteiligte sich aktiv am gesellschaftlichen Leben. Seine Aktivitäten in der GNF sollen anhand von Beispielen kurz vorgestellt werden.
16:30 Uhr
Abschlussdiskussion
Ein Online Workshop des Akademienvorhabens Alexander von Humboldt auf Reisen - Wissenschaft aus der Bewegung und des Jahresthemas 2019|20 „Naturgemälde“.
Die Veranstaltung findet via Zoom statt. Den erforderlichen Zugangslink bekommen Sie am Morgen der Veranstaltung per E-Mail zugeschickt.
Die Anmeldung erfolgt hier.