Jahresthema 2019I20 „Naturgemälde“

 

Das Jahresthema 2019|20 „Naturgemälde“ widmet sich mit ganz unterschiedlichen Veranstaltungen der Darstellung von Naturphänomenen in Wissenschaft und Kunst.

Ein „Naturgemälde der Anden“ – so hat Alexander von Humboldt eine Zeichnung aus dem Jahr 1807 untertitelt. Sie zeigt den südamerikanischen Vulkan Chimborazo, von dem man damals annahm, er sei der höchste Berg der Welt. Humboldt selbst hatte ihn fünf Jahre zuvor auf seiner Südamerikareise bestiegen. Er zeichnete den Vulkan im Querschnitt, eine Entscheidung, die ihm ermöglichte, die Pflanzennamen jeweils auf der Höhe einzutragen, wo sie tatsächlich wuchsen. Mit dieser auf die klimatischen Bedingungen abzielenden Darstellung distanzierte er sich von bisherigen Darstellungsformen, die streng auf eine tabellarisch erfasste Taxonomie der Pflanzen ausgerichtet waren. Daneben integrierte er in die Zeichnung die Angabe unzähliger weiterer Informationen, angefangen bei Höhenangaben anderer Berge über Daten zu Luftdruck und Bodenbeschaffenheit bis hin zu Beobachtungen der Fauna. Humboldts „Naturgemälde“, das seine ganzheitliche Weltsicht auf ein Blatt Papier bannte,  wurde von den Zeitgenossen enthusiastisch aufgenommen. Für die Wissenschaftsgeschichte ist es zur Ikone geworden: Es gilt heute unter anderem als Ursprung der Infografik und seine Entstehung wird als Sternstunde der neuen Disziplin der Pflanzengeographie verstanden.

In den kommenden zwei Jahren knüpft das Jahresthema 2019I20 „Naturgemälde“ an diesen Humboldt’schen Begriff an, der offenlegt, wie eng Darstellungstechnik und Weltsicht miteinander verwoben sind. Bei ganz unterschiedlichen Veranstaltungen werden die Fragen im Mittelpunkt stehen, wie der Begriff in den Naturwissenschaften gefasst werden kann und welche ästhetischen Implikationen er besitzt: Was können wir heute unter einem modernen Naturgemälde verstehen? Wie funktioniert Modellierung, interpretiert als Form des modernen Naturgemälde? Welche ethischen und politischen Dimensionen haben moderne Naturgemälde?  Auf welche Weise wird der Klimawandel visualisiert und welche Auswirkungen hat das auf politische Entscheidungen? Welche Möglichkeiten bieten Computersimulationen für das Naturgemälde der Zukunft? Wie können Naturgemälde von kollektiven Wissenschaftsformen wie citizen science profitieren? Wie sind Landschaftsdarstellungen des 19. Jahrhunderts mit der Perspektive des Kolonialismus verwoben? Welche Bedeutung hat die Auseinandersetzung mit der Natur in der modernen Kunst? Was heißt nature writing in der Literatur? Und wie hört sich eigentlich ein Naturgemälde in der Klangkunst an?

Wir laden Sie herzlich ein, gemeinsam mit uns in den nächsten zwei Jahren bei Vorträgen, Konzerten, Ausstellungen und Lesungen diese und andere Fragen zu stellen und dabei alte, neue und zukünftige Naturgemälde zu entdecken.