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FORUM | 14.07.2009, 06:30 pm Uhr – 09:00 pm Uhr

FORUM Evolution des menschlichen Sozialverhaltens: Die geselligen Affen

Flyer_Forum_SozialverhaltenWerden Institutionen wie Familie, Arbeitsteilung oder das Inzesttabu von der Umwelt oder durch Gene beeinflusst? Wie kann Sozialverhalten angesichts der Bedeutung von Kultur und der biologischen Natur des Menschen erklärt werden? Wenn Menschen nur ein Organismus wie alle anderen sind, aber offensichtlich in ihrer Evolution durch den Faktor Kultur stärker beeinflusst, was unterscheidet uns dann von anderen Arten?

Sollten Erklärungsmodelle auf biologischen Eigenschaften von Individuen beruhen und sich der Evolutionstheorie bedienen oder muss ein ganz andersartiger Zugang gewählt werden, der auf „Kultur“ als einem besonderen Gegenstand basiert? Obgleich die Träger von Eigenschaften nicht Individuen, sondern Gene sind, kann dennoch nicht erwartet werden, dass bestimmte Gene für spezifische Eigenschaften gefunden werden.

Seit mehr als hundert Jahren besteht ein Konflikt zwischen der Soziologie und der Biologie um die Deutungshoheit gesellschaftlicher Prozesse. Wechselseitige Ignoranz und ein Denken in den Gegensätzen „Natur“ und „Kultur“ behindern oftmals einen fruchtbaren Austausch. Dabei liefert die Evolutionstheorie durchaus Grundlagen für Modelle, die menschliches Sozialverhalten erklären. Inwieweit diese allseits befriedigende Antworten geben können, diskutieren die Teilnehmer des Forums nach kurzen Einführungsvorträgen (à 15 min.).


PROGRAMM

 

Begrüßung

Prof. Dr. Klaus Lucas, Vizepräsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften

Kurzbeiträge


Wie viel Biologie vertragen die Sozialwissenschaften?
Prof. Dr. Peter Weingart, Professor für Soziologie und Wissenschaftsforschung, Universität Bielefeld

 

Der Vortrag betrachtet die Berührungspunkte zwischen Soziologie und Biologie. Vorgestellt werden verschiedene evolutionstheoretische Modelle, auch aus der Zeit vor Darwin, die zur Erklärung gesellschaftlichen und kulturellen Wandels herangezogen wurden. Problematisiert wird, ob solche biologischen Theorien und Modelle zur Erläuterung sozialen Verhaltens direkt anwendbar oder allenfalls im übertragenen Sinn brauchbar sind. Anhand einiger Kritiken lässt sich zeigen, warum die Soziologie der Anwendung der Evolutionstheorie auf den sozialen Wandel kritisch gegenübersteht und es noch nicht zu der „Evolutionären Synthese“ gekommen ist, wie sie die Biologie erlebt hat.


Wie viel Gesellschaft erklären die Biologen?
Prof. Dr. Peter Hammerstein, Professor für Theoretische Biologie, Humboldt-Universität zu Berlin

 

Staatenbildende Insekten legen Plantagen an, verfügen über Armeen und sind in der Lage, Bauten zu errichten, die den Vergleich eines Hochhauses mit Klimaanlage nicht zu scheuen brauchen. Zweifellos gibt es im Tierreich hoch entwickelte Formen sozialen Verhaltens, die von Kooperation und Arbeitsteilung geprägt sind. Dies hat Biologen bereits in den 1970er Jahren dazu verleitet, im Menschen so etwas wie „die andere Ameise“ zu sehen und eine herausragende Rolle der Biologie bei der Erklärung sozialer Phänomene zu postulieren. Aus Sicht der theoretischen Biologie stellen sich die Beziehungen zwischen den Sozial- und Naturwissenschaften jedoch differenzierter dar: Während die Sozialität der Insekten mit mathematischen Modellen der genetischen Evolution erklärt werden kann, lässt sich das Prinzip nicht direkt auf den Menschen übertragen. Offenbar besitzt Kulturevolution eigene Gesetzmäßigkeiten, die sich von denen der genetischen Evolution wesentlich unterscheiden.

Was bedeutet begrenzte Rationalität? Von Optimierung zu Homo Heuristicus.
Prof. Dr. Gerd Gigerenzer, Direktor am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Berlin

 

Die Verhaltensbiologie hat in vielen Fällen gezeigt, dass Tiere Probleme wie die Suche nach einem Partner mit erstaunlich einfachen Heuristiken lösen, die nur wenig Information berücksichtigen. Menschliches Sozialverhalten beruht oft auf ähnlich einfachen Prozessen, von Werten, welche sich in der Imitation der Peers begründen, bis hin zu politischem Wahlverhalten, das selten auf gründlicher Kenntnis der Sachverhalte beruht. All dies steht im Kontrast zu klassischen rationalen Theorien des Verhaltens. Warum analysieren Menschen nicht alle Informationen? Ich beantworte diese Frage mit den Ergebnissen der Forschung zur begrenzten Rationalität, nach der in einer unsicheren Welt das Ignorieren eines Teils der verfügbaren Information notwendig ist, um gute Entscheidungen zu treffen. Weniger kann mehr sein.

Eines für alle(s): Wie viele Menschenbilder brauchen die Sozialwissenschaften?
Prof. Dr. Hartmut Esser, Professor für Soziologie und Wissenschaftslehre, Universität Mannheim

 

Lange Zeit standen sich die Ökonomie und Soziologie mit scheinbar gegensätzlichen Menschenbildern gegenüber: Homo oeconomicus, der nur seinem Interesse folgt, perfekt informiert ist und seinen Nutzen maximiert, und homo sociologicus, der gesellschaftliche Normen verinnerlicht hat und ihnen mehr oder weniger blindlings folgt. Inzwischen sind beide Modelle überholt und es gab etliche Versuche, Alternativen dazu zu entwickeln wie die Vorschläge zur „begrenzten“ Rationalität bei den Ökonomen,  diverse Handlungstypen in der Soziologie oder die Befunde in der Sozialpsychologie, dass Menschen vereinfachende „Heuristiken“ benutzen und damit ganz gut fahren. Es gibt aber Hinweise darauf, dass der Mensch situationsbedingt ganz verschiedene Grade an Rationalität „wählen“ kann. Gezeigt wird, wie ein solches Modell mit neueren Ergebnissen der Gehirnforschung zusammen hängt und welche möglichen evolutionstheoretischen Hintergründe es hat.

Podiumsdiskussion, Ab 20 Uhr

Moderation: Dr. Norbert Lossau, Ressortleiter Wissenschaft bei der WELT

 

 

Der Eintritt ist frei. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

Kontakt:

Anita Hermannstädter
hermannstaedter@bbaw.de
Veranstaltungsort:

Akademiegebäude am Gendarmenmarkt, Leibniz-Saal, Markgrafenstraße 38

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