Berlin NW 21, 4. Juni 1913

Hochgeehrter Herr Graf,

ich Sachen Marschallheide habe ich von Ihrer Exzellenz Frau Gräfin Margarete von Lehndorff  Liegt der Akte bei, Bl. 169.
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die in Kopie beiliegende Erklärung vom 17. v. Mts.
erhalten.

Wie Sie sehen, ist diese Erklärung am 23. Mai d. Js. auch von Seiner Exzellenz Herrn Oberlandstallmeister a. D. Grafen Georg von Lehndorff vollzogen worden. Er war an diesem Tage bei uns und schloss sich in der Erklärung seiner Schwägerin an.

Auch Herr Graf  Sohn der oben Genannten, er fiel 1914.
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Heinrich Lehndorff
hat aus Wien  Liegt der Akte bei, Bl. 168.
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den in Kopie beiliegenden Brief vom 30. d. Js.
eingesandt.

Herr Graf Manfred endlich war am 30. v. Mts. bei mir und ließ sich über die Details Ihrer Absichten genau unterrichten. Er war mit Ihren Plänen durchaus einverstanden. Seiner Ansicht nach ist es, wenn nur eine Differenz von 15.000 bis 20.000 Mark in Frage steht, wünschenswert, den Wald an Herrn Grafen Stolberg zu verkaufen und nicht an einen Holzhändler. Gerade aus den Bestimmungen des Fideikommissstifters über die Erhaltung des Waldes hält er es für den Interessen und dem Ansehen der Familie nicht entsprechend, wenn der Wald an einen Holzhändler zum Abholzen vergeben wird.

Herr Graf Manfred betonte weiter, dass der Verkauf der Marschallheide natürlich nur einheitlich mit den übrigen in unser neulichen Denkschrift behandelten Transaktionen vorgenommen werden könne. Es müsse also auch die Sicherheit dafür gegeben sein, dass nach Verkauf der Marschallheide das Gut Rosengarten zugeschlagen werde. Ich konnte ihm darauf antworten, dass dies selbstverständlich den Wünschen Euer Hochgeboren entspricht und dass jederzeit, soweit das nach dem früheren Vertrage noch notwendig sei, eine Erklärung gegeben werden könne, in der Euer Hochgeboren sich verpflichten, Rosengarten Zug um Zug gegen den Verkauf der Marschallheide dem Fideikommiss zu den in unserem Bericht erwähnten Bedingungen zum Taxwert zuzuschlagen. Vielleicht kann ich eine derartige Erklärung entwerfe und gelegentlich zur Vollziehung vorlegen.

Heute morgen rief mich Herr Graf Stolberg-Wernigerode an und teilte mir mit, es sei für ihn äußerste Eile geboten. Er habe seine anderweiten Pläne schon mehr als zulässig hinausgeschoben und möchte nun gern innerhalb der nächsten Tage wissen, ob aus der Sache noch etwas werde. Man habe ihm sogar schon erzählt, Karlswalde sei inzwischen verkauft worden. Ich habe ihm geantwortet, dass letzteres nicht der Fall sei und ihn gebeten, sich noch etwas zu gedulden. Er erklärte, dass er höchstens noch acht Tage warten wolle und meinte dann, dass er ungeachtet seiner neulichen Erklärung, den Preis von 320.000 Mark nicht mehr aufrecht erhalten zu wollen, sich doch zu diesem Preis verstehen wolle, wenn die Sache zum Abschluss komme. Herr Graf Stolberg hat mir nämlich inzwischen den in Kopie beiliegenden Brief vom 23. Mai d. Js. zugesandt und darin, wie Sie sehen, sein Angebot auf 310.000 Mark ermäßigt. Nach seiner heutigen Erklärung scheint es ihm damit aber nicht so sehr ernst zu sein.

Ich bitte Sie, hochgeehrter Herr Graf, nun sehr ergebenst, baldgefälligst eine Entscheidung darüber zu treffen, ob Sie die Marschallheide für die 320.000 Mark an Herrn Grafen Stolberg-Wernigerode verkaufen wollen. Wegen einer Differenz von nicht mehr als 20.000 Mark würde ich persönlich den Verkauf an einen Holzhändler nicht vorziehen, denn wenn der Wald zum Zweck der Abholzung verkauft wird, würden wir erhebliche Schwierigkeiten bei der Fideikommissrechtlichen Durchführung der Sache haben. Außerdem befürchte ich, dass man Ihnen einen solchen Verkauf vielleicht doch hier und da verübeln würde, und auch das Oberlandesgericht würde diese Gelegenheit benutzen, sei es aus eigener Initiative, sei es auf Veranlassung des Herrn Grafen Schwerin-Mildenitz, als „Aufsichtsbehörde‟ tätig zu werden. Über die neulichen Einwirkungen des Herrn Grafen Schwerin auf das Oberlandesgericht sprach übrigens Herr Graf Manfred Lehndorff seine lebhafte Verwunderung aus. Wir kamen auf diese Einwirkung zu sprechen, da das Königliche Oberlandesgericht eine ähnliche Verfügung wie Ihnen auch ihm und seinem Bruder, Herrn Grafen Heinrich, hatte zugehen lassen.

Sollte auf die mir mit dem geehrten Schreiben Euer Hochgeboren vom 25. Mai d. Js. übersandte Anfrage bei Herrn Grafen Eulenburg-Prassen eine Antwort eingegangen sein, dann darf ich wohl um eine freundliche Übermittlung bitten.

Herrn Kuchenbecker in Gumbinnen, der erneut bei mir angefragt hat, habe ich zunächst noch einmal hinhaltend geschrieben.

In ausgezeichneter Hochachtung ergebenst Siebert
Rechtsanwalt

Zitierhinweis

Karl Siebert an Carol Graf von Lehndorff. Berlin, 4. Juni 1913. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: lebenswelten-lehndorff.bbaw.de/lehndorff_ekf_5tq_pz