Boulay vor Metz, den 20. Januar 1814

Mein lieber Berent!

Ich habe Ihren Brief vom 19. November schon vor länger als 4 Wochen erhalten und mit wahrer Betrübnis die traurige Lage, in der mein Vaterland noch immer ist, sowie alle Hiobsnachrichten von den Gütern daraus erfahren.   Editorische Auslassung [...]

Ich fühle sehr die Notwendigkeit meiner Anwesenheit in Preußen sowohl zur Erhaltung und Anordnung der Angelegenheiten der Güter, als zur definitiven Begründung meiner Familienverhältnisse, und habe alles angewandt, was mit Ehren geschehen konnte, um zu Ihnen zu kommen.   Editorische Auslassung [...] Da ich meinen Abschied vor begründetem Frieden nicht wohl nehmen konnte, schrieb ich an den König mit der Bitte, mich meines Kommandos des Regiments zu entbinden und mir einen Urlaub von einigen Monaten nach Preußen zu bewilligen, um meine in Unordnung hinterlassenen Familienangelegenheiten in Ordnung bringen zu können. Der König schlug mir den Urlaub auf eine recht gütige Art ab, machte mich aber zum Oberstlieutenant und gab mir das Eiserne Kreuz Erster Klasse.   Editorische Auslassung [...]

Ich hoffe, dass Majewsky nun die 2 mal 500 Rtlr. wird gezahlt haben. Wenn es nicht geschehen, so dringen Sie darauf. Sie werden solche gewiss nötig brauchen. Die 2.000 Rtlr. - wenn Sie sie irgend noch auf das halbe Jahr entbehren können - lassen Sie ihm bis zu der verlangten Zeit, die in April oder Mai trifft. Es ist allerdings schwer für einen Kaufmann bei der Stockung des Kornhandels jetzt durchzukommen. Ich hoffe, dass der  Zur Belagerung Danzigs 1813 hier.
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Fall von Danzig
eine günstige Veränderung im Kornhandel machen wird.

Die erstaunend geringe Winteraussaat dieses Jahres, welche die Nässe verursacht, ist wirklich das größte Unglück, welches diese unselige Witterung hervorgebracht. Denn dadurch wird selbst aufs künftige Jahr die Hoffnung vereitelt, den Schaden dieses Jahres zu ersetzen, und da alles so schlecht eingebracht, so haben wir leider mit Gewissheit eine Missernte zu gewärtigen.   Editorische Auslassung [...]

Dass  Anbau an das Schloss
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der Flügel
unter Dach gekommen, freut mich. Vergessen Sie doch nicht, den Winter über Vorkehrungen zu dessen Ausbau zu treffen. Dahin gehört, dass der Tischler das Holz zu den Fensterläden präpariere, wenn er auch solche nicht ganz anfertigt. Ich wünsche, dass die Fensterköpfe in denen für mich bestimmten beiden Stuben so gemacht werden, dass der untere Teil im Ganzen aufgemacht werden könne, Landbaumeister Vogt wird Ihnen das Weitere erklären, das Holz zu den beiden Türen vorbereitet und vor allen Dingen, dass alles gut austrockne. Auch die Bretter zu den Dielen müssen, wenn solche vorrätig sind, schon jetzt zur völligen Austrocknung an eine trockenen Ort gebracht werden, etwa auf einen der oberen Räume des Speichers. Denn sonst wirft sich alles, und ich habe nach 4 Monaten wieder einen Fußboden, wo man Hals und Beine darauf bricht, wie in allen Stuben von Steinort, und sollten unglücklicherweise keine solchen Bretter vorrätig sein, so würde das Beste sein, welche zu kaufen. Herr Bless müsste sich danach umtun. Die Bretter müssten recht breit von schönem, gleichen Tannenholz (nicht Fichte) sein, welches wenig Äste hat. Denn wenn man jetzt erst solche Bretter schneiden wollte, so werden sie in 3 Jahren nicht so trocken sein, wie sie sein müssten.

Der Verlust der  Fürstenau bei Drengfurth. Der Wald grenzt an den von Serwillen, Stawken und Pristanien. Die Jagd war bisher von Graf Lehndorff gepachtet worden, durch die Teilnahme am Feldzug war sie ihm bei der Neuverpachtung entgangen.
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Fürstenau-Jagd
kränkt mich noch immer sehr. Ich hoffe doch, wenn ich nach Preußen komme, sie auf irgend eine Art wieder zu erhalten, damit der ganze Rehbestand nicht auf einmal draufgehe. Auch selbst auf die Hunde erstreckt sich all unser diesjähriges Unglück.  Die Akten zur Hundezucht fehlen, es ist nur eine Korrepondenzakte vom Ende des 19. Jahrhunderts im APO überliefert.
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Sorgen Sie doch, lieber Freund, dass wenigstens unsere gute Rasse Wind- und Hühnerhunde nicht ganz ausgehe.
Aus den Jagdhunden mache ich mir nichts. Um den guten alten Zephir tut es mir besonders leid.

Auch unser Tuchhandel will also nicht glücken. Es ist ein undankbares Land, unser gutes Vaterland. Keine Spekulation reüssiert, welche an anderen Orten mit weniger Muße glückt. Das Land, wo wir jetzt sind, gehört zu den besonders auserwählten, Klima, Industrie, Absatz, allgemeine Wohlhabenheit begünstigen es. Wir haben hier einen wunderschönen Winter, gelinden trockenen Frost. Wie ist es denn damit bei uns? Erlauben die Wege, das Versäumte nachzuholen?

Ihre Nachrichten über die Schäferei sind die einzigen tröstlichen, wenn nur das Übel nicht nachkommt, und gegen das Frühjahr die Folgen der großen Nässe sich zeigen. Gehen Sie doch mit dem Schäfer zu Rate, oder lieber mit sonst einem Tierarzneiverständigen, ob man nicht Präservative gebrauchen kann, etwa Salz etc. Wenn der Schäfer bis zur Schur alles glücklich durchbringt, so geben Sie ihm doch eine kleine Gratifikation, etwa 3 Taler ihm und jedem Knecht 1. Sollte die Herde in Klein Steinort sich zu sehr anhäufen, so rangieren Sie das schlechteste in der Wolle von den Schafen 1. Generation aus und geben es nach Pristanien, um diese zu vermehren, lassen Sie doch auch fortwährend Listen über die Schäferei halten, wie ich das Schema dazu gegeben. Wilimzig, der einmal weiß, wie ich es wünsche, müsste das Geschäft und die Zählung übernehmen. Haben Sie im Herbst viele Hammel verkauft, und zu welchen Preisen? Mästet Hr. Gaeler welche? Von ihm erfahre ich ja gar nichts. Hat er eine reiche Kartoffelernte gehabt? Wie hat er sie in Stawisken aufbewahrt? Sagen Sie ihm doch, das er mir einige Details über seine Wirtschaft gebe. - Die Wolle steigt hier und in Berlin erstaunlich im Preise. Das macht der eröffnete Handel, die enorme Konsumtion an Tüchern und durch die Armeen, die Verheerung der Herden in Sachsen, und es ist zu vermuten, dass sich sehr hohe Preise einstellen und wenigstens ein paar Jahre anhalten werden. Haben Sie daher den diesjährigen Wollertrag noch nicht verkauft und die Preise sich nicht gebessert, so asservieren Sie ihn bis zur neuen Schur oder bis ich Ihnen weitere Nachricht davon gebe. Man hat mir schon früher aus Berlin sehr ansehnliche Preise für die durch Sie an Schröder geschickten Wollproben geboten, und seitdem ist die Wolle auf 25-30 pr. c. gestiegen. Antworten Sie mir doch ja auf diesen Artikel.

Nun noch einige Fragen, lieber Berent:

Wie ist es mit Rohde? Haben Sie einen anderen, guten, tüchtigen und vorzüglich ganz sicheren und ehrlichen Kassenführer? Wie gesagt, der Bless junior wäre mir der allerliebste, da seine nun 2-jährige Praxis ihn in Übung gebracht. Ich will mich aber der erwähnten Ursachen halber nicht darin mengen.

Wie geht es mit dem Holzverkauf in den Waldungen überhaupt? Hat Hr. Bless einige Kenntnisse davon? Ich weiß nicht, ob unter den Büchern, welche ich dem Wittke gegeben hatte, und die als Inventarium zurückgeblieben, eins war, betitelt:  Haertig, Georg Ludwig. Erschienen im Cotta'schen Verlag, Stuttgart 1861.
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Lehrbuch für Förster und die es werden wollen von G. L. Hartig
? Wenn es da ist, so empfehlen Sie es doch H. Bless ganz besonders zum Lesen und Studieren. Es ist ein vortreffliches Werk. Freilich ist nicht alles, was darin steht, auf unsere Verhältnisse, Klima etc. anwendbar. Darum muss man es nicht verwerfen. Keine Lehre in der Welt passt auf alle Verhältnisse, und es ist die Sache eines denkenden und vernünftigen Menschen, das Anwendbare herauszuwählen und das Nützliche den Umständen anzupassen. Sollte es nicht da sein, so schreiben Sie es mir, dass ich es hier kaufe und einst mitbringe.

Lassen Sie doch  Kleines Gehöft am Weg von Steinort nach Kittlitz, unmittelbar am Mauersee gelegen.
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Amalienruh
nicht ganz verfallen, bei gutem Schlittweg alle dort sich befindenden Möbel, alten Familiengemälde etc. laut Register nach Steinort schaffen und auf einen Raum auf dem Boden oder sonstwo zusammen hinstellen. Lassen Sie Bohlen, Schwellen und auch Steine und etwas Kalk nach Amalienruh bringen, um künftigen Sommer die Reparatur vorzunehmen. Das Dach ist noch gut und brauchbar, nur müsste ein gutes Fundament, wie zu den Forsthäusern, untergemauert werden, die Wände repariert etc. nach Ihrer besten Einsicht. Die innere Einrichtung wünsche ich verändert und so, wie alle anderen Forsthäuser eingerichtet. Da es aber, wie ich glaube, die Breite nicht hat, so werde es meines Erachtens ungefähr nach beigefügter kleiner  Die Zeichnung folgt mit weiteren Hinweisen zum Ausbau.
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Zeichnung
eingerichtet sein, damit eine Seite allenfalls etwas hübscher zu einem Absteigequartier eingerichtet werden könnte.   Editorische Auslassung [...]

Hat der Schweinehof dieses Jahr meinen Wünsche gemäß gepflastert werden können, und sind die Fresstonnen darauf angebracht?

Dass der Stall gut geglückt ist, freut mich sehr. Ist auch das Erkerfenster von dem Hause vom Werder über der Tür angebracht? Ist eine neue recht feste und hübsche Tür vor dem Stall gemacht und die Gittertür nach dem Model in Trakehnen? Wenn alles so weit ist, so lassen Sie es nur bis zu meiner Ankunft. Die inneren Einrichtungen sind bald vervollständigt. Ich habe ohnedem noch so manches gesehen, was ich dabei nachahmen möchte. Sorgen Sie nur für trockene Bretter.

Meine Mutter sprach mir in einem ihrer Briefe von Wittke in einem Ton, als wenn er abziehen wollte. Es schien sich auf eine frühere Benachrichtigung zu beziehen, die ich wahrscheinlich nicht bekommen habe. Ich habe deshalb bei ihr nachgefragt, aber nichts erfahren. Sagen Sie mir doch, was damit ist, auch wie es dem Graumann geht.

 Zur Pferdezucht in Steinort liegen Akten im APO, darunter Stammbäume und Abstammungsverzeichnisse.
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Da ich nun einmal im Schreiben bin, muss ich Ihnen noch von den Pferden sprechen.
Ich wünsche, dass dieses Frühjahr alles belegt werde, was irgend ein halbwegs Füllen produzieren kann, auch die 4-jährigen Stuten, welche stark und ausgewachsen sind. Was zurück geblieben ist, muss übergangen werden oder gar nicht angespannt; nur alles nach Stand und Würden. Ich werde einen ausgezeichneten Hengst aus Trakehnen erhalten, und Landstallmeister von Below wird Sie wegen dessen Abholung benachrichtigen. Im Monat März oder auch schon im Februar und wenn Sie etwa bei letztem Schlittwege eine gute Gelegenheit dazu haben, lassen Sie doch die beiden Hengste von meinem Bruder holen. Wenn ich noch Zeit habe, werde ich Ihnen mit diesem Schreiben, wo nicht mit nächstem, einen Brief an meinen Bruder schicken, den Sie ihm zugleich übersenden können. Die Hengste müssen aber durch einen nüchternen Menschen, und der fahren kann, abgeholt werden. Dann kommen wieder die allerbesten Stuten zu Farenheid, der mir 3 belegen zu lassen versprochen hat. Sie können nach Umständen unter den 2 Englischen Braunen, der Schimmelstute, der Reißenschen Schimmelstute und den beiden schwarzen wählen. Die übrigen recht guten Stuten erhält der Trakehner und die schlechteren der Herkules. Sorgen Sie nur, dass der Augenblick der vollkommenen Roßigkeit angepasst werde, damit sie bleiben und sparen nicht die Sprünge. In der guten Zeit kann die Stute alle drei Tage einen erhalten. Die 4-jährigen Pferde, welche Sie aufstellen wollen, und die Sie künftige Jahre denken arbeiten zu lassen, würde es mir lieb sein, wenn sie jetzt aufgestellt würden, aber unter Ihren Augen, um noch im leichten Schlitten und auf kleinen Touren eingefahren zu werden. Es wäre mir schon ganz recht, wenn Sie alles zur Arbeit gewöhnen könnten, auch die kleine 5-jährige Trakehnsche, die Reißensche Schimmelstute etc. Was die jungen Hengste anbetrifft, so bin ich noch nicht recht deshalb entschlossen. Ich hatte erst den Gedanken, mir ein paar Pferde mit der Ersatzmannschaft, die monatlich aus Preußen und von dem Depot meines gewesenen Regiments kommt, mitkommen zu lassen. Doch scheint mir auf die gewaltige Entfernung, welche sich mit jedem Tage vermehrt, zu viel Risiko dabei. Ich glaube also, Sie täten gut, wenn Sie den jungen Schimmelhengst, welcher ohnedem, wie mir Farenheid schreibt, noch nicht vollkommen ausgewachsen ist, aufs Frühjahr wieder in den Roßgarten nach Serwillen brächten, den großen braunen aber allmählich anspannen ließen. Ist er aber noch nicht ganz formiert, so könnte er auch noch wieder auf die Weide kommen. Der Ressort müsste aufgestellt bleiben und an eine mäßige Arbeit gewöhnt. Ich habe immer noch die Idee, ihn einmal als Reitpferd zu berauchen. Schreiben Sie mir doch überhaupt, wie diese Hengste eingeschlagen. Farenheid hält fast am meisten von dem Ressort. Lassen Sie nur ja die Ställe luftig und offen halten.

Vergessen Sie doch nicht, wenn es irgend möglich ist, nach Lindenau zur Abholung der Ackerbauwerkzeugen zu schicken, und sagen Sie mir, ob wir Schlitttweg haben.

Ich wollte meiner Mutter noch gerne einige Worte sagen, habe aber nicht Zeit dazu, empfehlen Sie mich Ihr zu Gnaden und herzlichst. Sie können Ihr diesen Brief mitteilen, ich habe keine Geheimnisse für meine geliebte Mutter.

Wir stehen hier zwar in einem gesegneten Land und im Überfluss, aber wie der Vogel auf dem Dache 2 Meilen von der großen und mächtigen Festung Metz, wo sich ein Rache schnaubender Feind in ungeheurer Anzahl sammelt. Unsere Stellung ist sehr ausgedehnt und dünn, und es sollte mich sehr wundern, wenn wir nicht dieser Tage heftig ins Feuer kommen sollten. Unsere Fortschritte sind ungeheuer, doch, wenn ich aufrichtig reden soll, sehr gewagt, und unserem Feinde bleibt noch eine starke Macht, die täglich anschwillt. Der gehoffte Volksaufstand will sich nicht zeigen, und in Paris und den nicht von uns besetzten Provinzen ist alles ruhig und man legt dort Napoleon keine Hindernisse in den Weg. Manche glauben an Frieden, die meisten bezweifeln ihn und ich auch. Gibt es keinen, so wird es noch viele blutige Köpfe setzen. Lassen Sie sich von dem ewigen Zurückziehen der Franzosen nicht blenden. Napoleon muss seine Kräfte konzentrieren, um etwas Großes und Entscheidendes tun zu können.

Gott mit Ihnen Lehndorff

 Anlässlich der Ankunft Blüchers am 17. Januar, der dort mit großer Parade seinen Einzug hielt.
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Ich bin schon in Nancy gewesen,
und es war mir recht froh ums Herz, diesen Ort unter so günstigen Verhältnissen zu besuchen, wo ich mich vor 6 Jahren so unglücklich fand.

Zitierhinweis

Carl Friedrich Ludwig Graf von Lehndorff an Friedrich August Berent. Boulay vor Metz, 20. Januar 1814. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: lebenswelten-lehndorff.bbaw.de/lehndorff_hxy_ldm_zcb