Steinort, den 9. November 1821

Liebster bester Heinrich.

Ich habe nun recht lange nichts von Dir gehört. Ob ein Haus in Königsberg gemeint ist, ist ungewiss. Das Berliner Haus war zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits verkauft.
 [Schließen]
Jetzt, da die Dohnas in meinem Hause eingezogen sind, so schreibe mir doch bald, wie es Dir geht. Deine Stube bleibt Dir gewiss, denn nach meinen Nachrichten werden Dohnas Dich darin nicht stören, da sie kein Recht dazu haben, davon Gebrauch zu machen, sondern der Graf wird oben herauf in die Dachstuben ziehen.
Ich fürchte aber, dass Du die Male sehr vermissen wirst, obgleich die Dohnas gern Dich von ihren Leuten bedienen lassen würden. Du bedarfst ja so wenig, nur eine warme Stube und des Morgens einen Café höchstens einmal die Woche, nur habe ich durch einen Brief von der Hofmannin verstanden, dass sie die Male nicht gern im Hause behalten wollten, oder vielleicht hat die Hofmannin selbst sie herausgewünscht aus Eifersucht und aus Furcht, dass sie in ihrer Abwesenheit (denn ich lasse jetzt die Hofmannin hierher kommen) eine Liebschaft anspinnen könnte, wofür ich freilich auch gar nicht bürgen kann. Ich habe die arme Male also entlassen mit einem Geschenk von einem achtel Holz für ihre vorigen Dienste und einem ehrenvollen Abschied. Es ist mir aber leid um Deinetwillen, da Du sie gewöhnt warst.

Sage mir doch, lieber Heinrich, ob Du an deinen Bruder und  Seinen Schwager
 [Schließen]
an Dönhoff
den  Es bleibt unklar, worum es geht.
 [Schließen]
Geheimen Schatz
entdeckt hast; ich habe nichts an sie bemerken können, ob sie es wissen oder nicht. Dönhoff ist freilich immer sehr verschlossen, aber Dein Bruder, sollte ich glauben, hätte mir es gewiss gesagt. Wenn Du nicht starke Gründe hast, um es ihnen noch vorzuenthalten, so würde ich wünschen, dass Du jetzt ihnen ihren Teil geben könntest, wenigstens an Dönhoff, weil er schon aus Mangel an Geld beinahe ein Jahr aufgeschoben hat den Paul auf eine andere Universität zu schicken, was dieser so sehr wünscht, und was der Vater ihm auch jetzt so gern gewähren würde.

Dieses sage ich Dir auch als Geheimnis, ich weiß es selbst nur von Deinem Bruder als Geheimnis, denn Du kennst die Verschlossenheit aller Dönhoffs, Vater und Söhne.

Lebe wohl, lieber Heinrich, mache hiervon den Gebrauch, den Du kannst und willst. Deine treu liebende Mutter Lehndorff

Zwar wenn Du etwa schon über die Summe anders verfügt hast und sie vor der Hand nicht mehr teilen kannst, so will ich Dir nichts weiter darüber einreden.

Ich erhalte Deinen Brief. Es ist mir lieb, dass die Male Dir ersetzt ist durch die Witwe Dusiken, die Dir doch auch lieber sein wird als eine ganz Fremde, und da dadurch eine Wohltat geschieht, die ihr wegen ihrer bitteren Armut und ihren kleinen Kinder wohl zu gönnen ist. Die Male, ganz kräftig, rüstig, ohne Kinder, kann sich besser helfen und ein Unterkommen finden.

Zitierhinweis

Amalie Caroline Gräfin von Lehndorff an ihren Sohn Heinrich August. Steinort, 9. November 1821. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: lebenswelten-lehndorff.bbaw.de/lehndorff_k11_g2g_j1b