Garz bei Wildberg, 14. Februar 1878

Gnädigste Frau Gräfin!

Mit der größten Freude habe ich aus Ihrem heut eingehenden Brief ersehen, dass Sie mir nach so vielen Jahren noch ein so freundliches Andenken bewahrt haben; mit welch innigster Dankbarkeit ich an die Steinorter Tage und an die ganze Zeit zurückdenke, da ich durch Sie vielfache Anregung und Förderung empfing, und des Herrn Grafen Güte mir so vielfache Freude verschaffte, brauche ich wohl kaum versichern! Komtess Anna war eine Schülerin, wie ich sie mir oft wieder gewünscht hätte, und ich hoffe, sie hat auch mir etwas von der alten Zuneigung bewahrt, die ich für sie stets bewahren werde. Wie glücklich es mich also macht, Ihnen, gnädigste Gräfin, heut schreiben zu dürfen, werden Sie mir deshalb gewiss glauben; wenn es mir nur möglich wäre, in irgendeiner Weise Ihnen in Beziehung auf das kunstvolle Werk zu dienen! Bekannt sind mir von kleinen Bildergalerien, aus denen sich brauchbare Motive entnehmen ließen, nur zwei: 1. etwa 250 Bilder (historische und biblische Bilder) von großer Innigkeit und Feinheit im Detail à 10 D.;   https://de.wikipedia.org/wiki/Benziger
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Verlag von Benziger in Einsiedeln
, vorrätig auch in der (kath.) Buchhandlung von Schoppmeyer, Berlin, hinter der Hedwigskirche. Ich erlaube mir beizulegen, was ich von diesen Bildern noch besitze; andere ansprechende Bilder dieser Art habe ich vielfach verschenkt. 2)  Möglicherweise der 1869 gegründete Wilhelm Köhler Theaterverlag in München
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biblische Bilder von König und Thäter(?) in München, für die ganze Heilige Schrift
. Der Preis ist mir nicht mehr genau erinnerlich, ich glaube ca. 5 D. pro Stück. Das einzige Bild, das ich noch vorfinde, lege ich gleichfalls bei, und würden die Bilder in jeder Kunst- oder Buchhandlung zur Ansicht beschafft werden. Wie weit diese Sammlungen brauchbares bieten, werden Sie aus den Proben beurteilen können; heut fällt mir Mehreres nicht ein, doch will ich weiter Umschau halten, ob ich vielleicht passenderes finde. Ihre gütige Anfrage nach meinem Ergehen erlaube ich mir dahin zu beantworten, dass ich mich seit 6 Jahren nun hier als Pfarrer (mit Emeritus) befinde, zu wenig Arbeit bei 450 Seelen und sehr unangenehme Gemeindeverhältnisse habe,  Garz befand sich seit Beginn des 15. Jahrhunderts im Besitz der Familie von Quast.
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da mein Herr Patron mir sehr schroff gegenübertritt.
Ich habe deshalb die Absicht, sobald es sich irgend tun lässt, von hier fortzugehen und mir Arbeit und Frieden zu suchen. Ich habe mich um Golßen (Patron Graf Solms-Baruth) beworben, leider aber keine Beziehung zu dem Herrn Grafen, die mich empfehlen könnte. Doch fehlt es auch nicht an Freude im Amt und Haus; eigene Kinder hat uns der liebe Gott bisher versagt, doch haben wir seit 5 ¼ Jahre eine nun bald 11 Jahre alte Waise aufgenommen, an der wir viel Freude haben und die uns eine gute Tochter ist.

Meine liebe Frau empfiehlt sich mit mir Ihnen, gnädigste Frau Gräfin, gehorsamst und bitte ich, dem Herrn Grafen meine herzlichste Empfehlung auszusprechen und treuen Gruß an Comtes Anna und den jungen Herrn Grafen übermitteln zu wollen, sowie ferner Ihr gütiges Wohlwollen zu bewahren Ihrem ganz gehorsamsten D. Gerlach

Zitierhinweis

D. Gerlach an Anna Gräfin von Lehndorff. Garz bei Wildberg, 14. Februar 1878. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: lebenswelten-lehndorff.bbaw.de/lehndorff_lqw_ws4_jdb