Köln, den 18. Mai 1819

Meine teure, geliebte Mutter!

  Editorische Auslassung [...]

Seit einem Jahr habe ich den Fuß im Bügel zur Reise nach dem guten Vaterlande, ein Zeitraum zum anderen brachte Hindernisse diesem Plane, oft wohl besiegbare. Aber so sehr auch der Wunsch Sie zu umarmen, alle, die mir teuer sind, wiederzusehen, mich nach den heimischen Fluren zog, so graute es mich zugleich für alle die mancherlei Unannehmlichkeiten und Mühseligkeiten, die mich im Gefolge des unseligen  Vgl. den Brief vom 24. März 1818.
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Orkans
des vorigen Jahres,  Vgl. GStA PK, XX. HA, Rep. 54 Gutsarchiv Lehndorff-Steinort, Nr. 608: Rechtsstreit vor dem Patrimonialgericht in Groß-Steinort zwischen der Gutsherrschaft und 11 Bauern um die Verwirklichung des Regulierungsediktes vom 11. September 1811 und der Deklaration vom 29. Mai 1816 (1817/18).
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der Auseinandersetzung mit den Einsassen auf den Steinortschen Gütern
und tausend anderer Unheil bringender Ereignisse dort erwarteten.   Editorische Auslassung [...] Nun kann ich Ihnen mit Gewissheit sagen, dass ich diesen Sommer und wohl schon im Monat Juli bei Ihnen sein werde. Der Himmel wolle mich stärken, dass ich all die namenlosen Widerwärtigkeiten meiner ländlich ökonomischen Verhältnisse mit Mut und Einsicht beseitigen möge. Bisher kann ich beteuern, dass ich von meinem mir sonst so teuren väterlichen Erbe weder einen frohen Augenblick noch einen wirklichen Genuss gehabt habe, und ohne meinen auch eben nicht mit großen Freuden umgebenen Posten würde ich tiefer stehen, als irgend einer meinen bankrotten Landsleute, die mit Hintansetzung ihrer Verpflichtungen leben wie die Lilien auf dem Felde  von einem Tag zum anderen
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et du jour au lendemain
.

Im Folgenden schreibt er über das vergangene Jahr, die  Vgl. den Brief vom 25. Oktober 1817
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Reise in die Schweiz im Spätherbst 1817
,  Vgl. GStA PK, XX. HA, Rep. 54 Gutsarchiv Lehndorff-Steinort, Nr. 924.
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den Aufenthalt in Paris
, einen Badeaufenthalt in Pyrmont, die Revue der Okkupationstruppen, seine Rückkehr nach Paris, dem „Tummelplatz der Welt“, und die Verlegung nach Köln, wo er sich seit Mitte Dezember befinde.

  Editorische Auslassung [...] und so schön auch die Rheingegenden sind, hat das hiesige Dienstverhältnis, die Stadt selbst, die erstaunende Versplitterung meiner Truppenabteilungen und manche andere Erwägungen viel Widerwärtige, und ich gestehe offenherzig, dass das Prestige des Deutschtums hier keinen Ersatz gewährt für den Verlust des ungleich günstigeren Standpunktes in Frankreich.   Editorische Auslassung [...]

Ohne die Folgen des Orkans hätte er seinen Entschluss, das Militär zu verlassen, wohl schon in Frankreich in die Tat umgesetzt.

Bald küsst Ihnen die Hand Ihr treu liebender Sohn Carl

Zitierhinweis

Carl Friedrich Ludwig Graf von Lehndorff an seine Mutter Amalie. Köln, 18. Mai 1819. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: lebenswelten-lehndorff.bbaw.de/lehndorff_njn_m3g_cdb