Im Auftrag der russischen Zarin Katharina der Großen erschien Achatz Ferdinand von der Asseburg, der nach einer Braut für den russischen Thronfolger Ausschau halten sollte, 1772 am Darmstädter Hof. Landgräfin Henriette Karoline wurde mit ihren drei Töchtern nach St. Petersburg eingeladen, wo sich Zarin Katharina angeblich schon beim Eintreffen der Reisegesellschaft für Wilhelmine entschied. Friedrich der Große hatte das Heiratsprojekt unterstützt, das seinen Thronfolger mit dem russischen Hof verschwägerte. Am 9. Juli 1773 erhielt die Prinzessin den Sankt-Katharinen-Orden und konvertierte am 15. August 1773 unter dem Namen Natalia Alexejewna zur russisch-orthodoxen Kirche. Am 10. Oktober 1773 heiratete sie in St. Petersburg den nachmaligen Zaren Paul I. Das russische Eheprojekt konsolidierte die maroden Finanzverhältnisse des Landes Hessen-Darmstadt. Die beiden anderen Töchter wurden nach Baden bzw. Sachsen-Weimar-Eisenach verheiratet.
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Es heißt, dass die Landgräfin von Darmstadt mit ihren beiden Prinzessin-Töchtern eine Reise nach Petersburg unternehmen werde, wovon der Großfürst eine zur Gemahlin wählen wird
, die andere Prinzessin aber soll sodann 10.000 Rubel jährlich erhalten und ihr frei stehen werde, entweder nach Darmstadt zurückzukehren oder in Russland zu bleiben.

Aus Kassel sind kurz hintereinander zwei Kuriere mit der unangenehmen Nachricht von der Maladie der Landgräfin hier angekommen. Sie ist zwar schon etwas krank von hier abgereist, indem sie öfters mit Krampfungen akomodiert worden, allein die starken Verkältungen auf der Reise haben das Übel so verschlimmert, dass sie an Krücken gehen muss. Ihr Leibchirurgus Beyer von Prinz Ferdinand ist dieserhalb schleunig mit Extra-Post nach Kassel abgegangen.

Das alles gegen den 1. Juni in vorschrittigem Stande sein soll, deshalb ist die Ordre an das General-Directorio ergangen.

Mons Mara, der Sohn eines hiesigen Königl. Kammermusici, den der König das  Violoncello
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Violoncet
hat lernen lassen und durch seine darin erlangte Geschicklichkeit in Dienste des Prinzen Heinrich kam, welcher ihn nach Frankreich und Italien reisen ließ,  1732, vgl. Nachträge, Bd. 2, S. 231 und 278.
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er wurde bei diesem Prinzen so gut als ein Kavalier vom Hofe gehalten, sein hochmütiges grobes Betragen und noch mehrere Taten brachten ihn aus den Diensten dieses sonst so gnädigen Prinzen,
er war der amant déclaré der hiesigen großen Königin. Demois. Schmeling, die sich durch seine Gestalt hatte blenden lassen, die Liebe war vor einiger Zeit wirksam gewesen, und sie wurde beinahe mit Verlust ihres Lebens mit einem toten Sohn entbunden. Die ferneren üblen Aufführungen dieses Mara und noch andere Umstände, welche man befürchtet, haben Sr. Majestät veranlasst, ihn durch einen Unteroffizier und 4 Soldaten aus dem Logis der Königin in der Nacht aufheben zu lassen (wo er in ein Kleiderspind versteckt war), er ist nunmehr geschlossen nach Marienburg als Rekrut unter dem neuen Krockowschen Füsilier-Regiment transportiert worden.

Zitierhinweis

Tagebuchnotiz von Ernst Ahasverus Heinrich Graf von Lehndorff. Berlin, 22. März 1773. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: lebenswelten-lehndorff.bbaw.de/lehndorff_ny4_4hg_vbb