Im Namen des Königs

In Sachen betreffend die Ablösung der auf der Fideikommissherrschaft Steinort, Kreis Angerburg, haftenden Reallasten, insonderheit in Sachen der evangelischen Kirchengemeinde zu Drengfurth, vertreten durch den Gemeindekirchenrat,

Klägerin

wider

den Grafen von Lehndorff auf Steinort, vertreten durch den Oberinspektor Droz,

Beklagten,

hat die Königliche Generalkommission für die Provinzen Ost- und Westpreußen und Posen zu Bromberg in der Sitzung am 2. Dezember 1884, an welcher Teil genommen haben:

der Präsident Beutner,
der Regierungspräsident und Landesökonomie-Rat Kummer,
die Regierungsräte Kuthe, Knatz, Lüdemann, Thomas, Kneuper, Perrin, Dr. Pelizaens,
der Ökonomie-Kommissions-Rat Picht,
der Regierungsassessor Ramkoff,
der Gerichtsassessor Stobbe,

in Erwägung,

  • 1.  Siehe das Dokument vom 27. Dezember 1883.
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    dass der Beklagte unterm 27. Dezember 1883 auf Ablösung der auf seiner Herrschaft Steinort und den dazu gehörigen Gütern für die Kirchen, Schulen etc. haftenden Reallasten provoziert hat
    ;
  • 2.  APO, Bestand 382 FA Lehndorff, Nr. 540: Rezess betr. die Ablösung der auf dem Fideikommiss Steinort, Krs. Angerburg für die geistlichen Institute in Drengfurth haftenden Reallasten (1885).
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    zu den hiernach Berechtigten auch die katholischen Institute zu Drengfurth, und zwar die Kirche, die polnische Pfarrstelle und die Rektorstelle gehören;
  • 3. der Verpflichtete außer anderen Abgaben auch aus den Steinorter Forsten alljährlich 23 und 16 Kubikmeter weiches Klobenholz an die polnische Pfarrstelle zu Drengfurth und zwar mit Anfuhr zu leisten hat;
  • 4. die Parteien die kommissarische Abblösungsberechnung vom 29. Mai 1884 mit alleiniger Ausnahme der daselbst ausgenommenen Entschädigung für die Anfuhr des Holzes als richtig und zutreffend anerkannt haben;
  • 5. gegen letztere Berechnung, nach welcher eine Entfernung von 2 1/2 Meilen zugrunde gelegt ist, aber von dem Beklagten protestiert ist, weil die durchschnittliche Entfernung der Gräflich Lehndorffschen Forsten, aus welchen die Lieferung und Anfuhr des Holzes für die polnische Pfarrstelle zu bewirken, nur auf eine Weile anzunehmen sei, was klägerischerseits auch zugestanden und daher bei der Berechnung der Entschädigung auch nur diese Entfernung, und zwar gemäß der kommissarischen Berechnung mit 90 Pf. pro Kubikmeter zugrunde gelegt werden dürfe;
  • 6. demgegenüber aber Klägerin behauptet hat, dass die Entfernung der nächsten Königlichen Forst, aus welcher demnächst der Ankauf des Holzes für die berechtigte Kirche zu besorgen sein würde, für die Berechnung der Anfuhr entscheidend sei;
  • 7. diese Entfernung aber, worüber die Parteien einig sind, auf drei Meilen anzunehmen ist:
    8. in weiterer Erwägung, dass bei der Berechnung des Preises für die Holzanfuhr nur der Zustand resp. die Verhältnisse zugrunde gelegt werden können, welche mit der Ablösung aufhören, nicht dagegen diejenigen, welche event. künftig stattfinden sollen, weil anderenfalls die qu. Reallast, welche trotz Umwandlung und Übernahme durch die Rentenbank immer als solche in gleichem Umfange bestehen bleibt, ihrer Natur nach und nicht nur der Art der Leistung nach, was allein durch das Reallasten-Ablösungsgesetz bezweckt ist, geändert würde (Striethorst Archiv 95 Seite 149) demnach die klägerische Behauptung hinfällig ist, und die Entfernung, welche bisher für die Naturalleistung maßgebend war, auch für die Ablösungsberechnung maßgebend bleiben muss;
    endlich hinsichtlich des Kostenpunktes § 87 der Zivilprozessordnung in Verbindung mit § 1 des Gesetzes vom 18. Februar 1880

für Recht erkannt:

  • 1. der Ablösungsberechnung bezüglich der Entschädigung für die Holzanfuhr ist die Entfernung der Gräflich Lehndorffschen Forsten von der polnischen Pfarrstelle und zwar in einer Ausdehnung von einer Meile zugrunde zu legen.
  • 2. die Kosten des Rechtsstreits fallen der Klägerin zur Last.

Von rechts Wegen.

Urkundlich unter Beidrückung unseres größeren Siegels und der verordneten Unterschrift ausgefertigt.

Königliche Generalkommission für die Provinzen Ost- und Westpreußen und Posen

[Unterschrift]

Zitierhinweis

Gerichtsurteil. 2. Dezember 1884. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: lebenswelten-lehndorff.bbaw.de/lehndorff_oxz_yfz_pcb