Halle, 10. Februar 1778

Monsieur et très gracieux Oncle.

Sie werden sich wundern, von mir einen Brief zu erhalten, der so geschwinde dem ersteren folgt. Der Bewegungsgrund hierzu ist gewesen, dass wir vorgestern eine Ordre erhalten, uns binnen 8 Tagen marschfertig zu halten, damit wir, sobald noch eine Ordre kommt, unsere Beurlaubten einziehen und sogleich abmarschieren können.   Am 3. Juli 1778 erklärte Preußen Österreich den Krieg. Am 5. Juli begann mit dem Vorrücken preußischer und sächsischer Truppen in das habsburgische Böhmen der Bayerische Erbfolgekrieg.
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Wo der Marsch hingehen soll, weiß man noch nicht, einige sagen, es geht nach der Pfalz, weil daselbst laut den Zeitungen 20.000 Franzosen eingerückt sein sollen. Einige wollen uns hingegen mit Österreich den Krieg prophezeien.

Es sei nun wie ihm wolle, so halte ich es für meine traurige Situation, in welcher ich mich jetzo befinde, für sehr zuträglich, dass wir ins Feld gehen. Werde ich nicht totgeschossen, so kann ich nunmehr vielleicht mein Glück machen, es geschieht das erstere, so habe ich ja nichts mehr nötig. Was bleibt mir nunmehro übrig, als von Ihnen, gnädigster Vater, wenn ich Ihnen so nennen darf, Abschied zu nehmen. Werden Sie mir wohl Ihren Segen mitgeben? Werden Sie mir vergeben und alles dasjenige vergessen, womit ich Ihnen in meinem Leben beleidigt habe? Tun Sie dieses beides, Sie sollen auch dafür die Satisfaktion haben zu hören, dass ich mein Devoir getan habe.

Schande sollen Sie niemalen von mir erleben, auf diesen Punkt können Sie ruhig sein.

 Friederike Amelie, spätere Herzogin zu Schleswig-Holstein-Sonderburg-Beck
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Meiner Schwester Friederique
empfehle mich bestens, ich bitte untertänigst, ihr zu sagen, dass ich sie um ihre Freundschaft bitte, sie wird mich selbige nicht versagen, ich bin dieserhalb ganz getröstet.

Ich bitte nochmalen gehorsamst, versagen Sie mir, gnädigster Vater, meine Bitte nicht, und seien Sie versichert, dass Ihnen Gott zärtlich und reich dafür belohnen wird.

Es ist mit dem tiefsten Respekt, dass ich zu verharren die Gnade habe
Monsieur er très gracieux Oncle Votre très humble et très obéissant serviteur
Schlieben

Zitierhinweis

Ludwig Friedrich Leopold von Schlieben an Ernst Ahasverus Heinrich Graf von Lehndorff. Halle, 10. Februar 1778. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: lebenswelten-lehndorff.bbaw.de/lehndorff_u2x_z5x_rz