Königsberg, 26. Juli 1870

Sehr wertgeschätzte, gnädige Frau Gräfin

Unaussprechlich erfreut über Frau Gräfin sehr gütiges und liebevolles Schreiben sage ich Ihnen meinen innigsten und ergebensten Dank dafür. Es hat mich sehr beruhigt und unendlich beglückt, aus demselben zu ersehen, dass Frau Gräfin mir nicht zürnen und ihre gütige und freundliche Meinung von mir nicht geändert haben. Auch freut es mich außerordentlich, dass Sie mich nicht falsch beurteilen, wenn Frau Gräfin annehmen, dass ich auch nicht im Entferntesten darauf gerechnet habe, diesmal wieder von Ihnen eingeladen zu werden. Ich glaube wohl, Frau Gräfin kennen mich in dieser Beziehung schon hinlänglich, dass ich nicht so unverschämt bin, eine so große Güte, wie wir beide dieselbe im vergangenen Jahr genossen, wieder anzunehmen.

Leider ist jetzt eine so ernste und schwere Zeit über unser geliebtes Vaterland hereingebrochen, dass wohl jeder davon berührt wird und mit banger Besorgnis in die Zukunft blickt. Und so sind wir beide auch recht besorgt, wie es Ihnen allen in Steinort geht.  Auf sein Immediatgesuch vom 16. Juli 1870 wurde Lehndorff zum 2. Garde-Dragoner-Regiment eingezogen, siehe das Dokument vom 26. Juli 1870.
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Gewiss macht Herr Graf auch den Feldzug mit
und sicher sind aus Ihren Gütern auch recht viele von Ihrem Dienstpersonal zum Militärdienst ausgehoben worden, was jetzt bei der Ernte wohl fast allen Gutsbesitzern viele Sorgen bereitet.

Gott schütze unsere tapferen Vaterlandsverteidiger und gebe uns durch dieselben einen ruhmvollen Sieg.  Agnes von Weiß und Rosalie Dörn, ihre Freundin und Lebenspartnerin, vgl. deren Brief an Anna von Lehndorff vom 22. Dezember 1866 in: APO, Bestand 382 FA Lehndorff, Nr. 578, Bl. 4.
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Wir beide
sind jetzt sehr damit beschäftigt, für die lieben Krieger von alter Leinwand Scharpien zu zupfen und Kompressen zu schneiden. Herrn Geheimrat Burow und dessen Schwiegersohn, welche beide nächsten Sonnabend ausrücken, geben wir schon ein Paket mit.   Editorische Auslassung [...]

Frau Gräfin sind so außerordentlich gütig und liebevoll, mir Ihre Hilfe anzubieten; ich danke Ihnen zwar unendlich für die große Güte, will mich aber für jetzt lieber aufs äußerste einschränken, als dieselbe in Anspruch zu nehmen. Ich leugne zwar nicht, dass mir für den Herbst große Sorge und Ausgaben bevorstehen, wie z. B. der Umzug, Wohnungsmiete, Heizmaterial und wer weiß was sonst noch die Folgen des Krieges mit sich bringen. Sollte ich also vielleicht später in zu große Verlegenheit geraten, so würde ich dann so frei sein, Frau Gräfin freundliches Anerbieten in Anspruch zu nehmen.

In den ersten Tagen des September können wir, so Gott will, wieder hierher zurück; sollten Frau Gräfin dann etwas von hier gebrauchen, so bitte ich mir das Vertrauen zu schenken und mich mit einem Auftrag zu erfreuen.

Sie grüßt Komtess Anna, die lieben Kinder,  Später verheiratete Schumacher, Gouvernante der Lehndorffs, vgl. APO, Bestand 382 FA Lehndorff, Nr. 316.
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Fräulein Petit-Pierre
, Herrn Pfeiffer und Dunkerchen.

Ihre Ihnen stets dankbar ergebenste Agnes v. Weiß

Zitierhinweis

Agnes von Weiß an Anna Gräfin von Lehndorff. Königsberg, 26. Juli 1870. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: lebenswelten-lehndorff.bbaw.de/lehndorff_awf_s1z_ny