Steinort, den 25. Juni 1870/Berlin, den 29. Juni 1870

Geliebte Alte.

indem ich Dir die Regentschaft über meine Kinder und meine Güter für die Zeit meiner Abwesenheit übergebe, lebe ich der festen Hoffnung, dass Du bei deinen Anordnungen nicht so sehr das, was Dir das Angemessenste erscheint, zu treffen suchen wirst, als vielmehr das, was dann Du glaubst, dass ich es, wenn ich eingeweiht wäre, getan haben würde. Kinder und Leute würden sonst das Gefühl haben,  Die Abwesenden haben Unrecht.
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que les absents ont tort.

Betreffs des Carolus halte ich gegenwärtig für das Wichtigste alles zu tun, um ihn zu willigem Gehorsam gegen seinen Lehrer, zu mehr Zuverlässigkeit und Treue anzuhalten.

 
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Wo niemand weiß, ob es in wenigen Monaten nicht am Notwendigsten fehlen wird, da ist es gewiss angemessen, wenn alle Mitglieder des Haushalts, vornehmlich natürlich hier die Kinder, kleine Mängel der Annehmlichkeit, der Bequemlichkeit, der Bedienung u. dergl. nicht nur gütig hinnehmen, sondern gern sich gefallen lassen.   Siehe die von Anna Gräfin von Lehndorff 1854 verfasste Instruktion mit Angaben zur Beköstigung des Personals in: APO, Bestand 382 FA Lehndorff, Nr. 118 (auch in Nr. 148). Zu den „üblichen‟ Ausgaben vor den Kriegsjahren ebd., Nr. 147 (1851-1870), Nr. 159 und 160 (1871-1880, 1881-1890) und Nr. 149 und 158: Warenlieferungsbuch für Steinort des Angerburger Kaufmanns Rohrer (1854-1859, 1871-1872).
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So würde ich z. B. den Kindern den Wein, dem Kammertisch das Bier streichen
; nie mehr als eine große und eine kleine Lampe anzünden lassen, die Flur- und Treppenbeleuchtung einschränken, die Kinder zu Fuß zum Baden schicken und dergl.; Handwerker nur in wirklich dringenden Fällen ins Haus kommen lassen. Ich bin überzeugt, Tante Reichenbach u. Mama werden glücklich sein, auch mit ihren Bedürfnissen sich diesem allgemeinen Ton der Zeiten anzuschließen, sobald Du zu verstehen gibst, dass Du mehr eine Landadelfrau, deren Land in Nöten ist, sein willst - als die Herrin der Güter eines Grand Seigneurs.

 Vgl. APO, Bestand 382 FA Lehndorff Nr. 577: Durch Anna von Lehndorff bewilligte Armenunterstützungen (1894-1894; 352 Blatt), Nr. 578: Dankschreiben für gewährte Unterstützungen (1854-1893; 73 Blatt), Nr. 579: Abgelehnte Unterstützungsgesuche (1856-1893; 174 Blatt). Atteste und Gutachten zu verschiedenen Bittstellern ebd., Nr. 581 (1869-1892; 103 Blatt).
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Generositäten bitte ich Dich während dieses Zeitraums persönlich gar nicht, aus baren Mitteln nur im allerbeschränktesten Maß und aus meinen Mitteln gar nicht zu bewilligen.

Alle diese Bitten magst Du gern in den Wind schlagen an dem Tag, an dem wir in Paris einrücken; solange die Gefahr einer Bedrängnis besteht, wirst Du sie gewiss im Sinn halten aus Liebe zu

Deinem treuen alten Lehndorff

Zitierhinweis

Carl Meinhard Graf von Lehndorff an seine Ehefrau Anna. Steinort, 25. Juni/ Berlin, 29. Juni 1870. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: lebenswelten-lehndorff.bbaw.de/lehndorff_ggl_25c_5bb