Steinort, den 30. August 1854

Hochgeborener Herr Graf,
Gnädigster Graf und Herr!

Ew. Hochgeboren vielfache Beweise eines gnädigen Wohlwollens gegen mich ermutigen mich, mit einer untertänigsten Bitte Hochdenselben zu nahen.

Alle übrigen Lehrer in Hochdero Begüterung genießen schon sehr lange die Vorteile der Separation ihres Schullandes in einem Plane, während ich der einzige bin, der diese Vorteile entbehren muss.

Das hiesige Schulland liegt in drei Feldern verteilt in einer solchen Entfernung vom Gute, dass die anderen Lehrer ihre halbe Feldarbeit wohl verrichtet haben können, ehe ich nur dahin komme. Will ich einmal meine Felder an einem Tage nachsehen, was oft notwendig ist, um mich zu überzeugen, ob sie nicht verhütet sind, so habe ich einen Weg von beinahe einer Meile zu machen. Doch dieses ist nicht der einzige, auch nicht der größte Nachteil. Die ungünstige Lage derselben ist es hauptsächlich, welche mir sehr oft bedeutende Verluste verursacht. Diese gilt namentlich von den Morgen am kleinen Eichwald und am Orgelberg.

Bei schneereichen Wintern setzt sich gewöhnlich der Schnee daselbst, vom Sturm zusammengetrieben, in solcher Masse, dass die Frühlingssonne ihn erst sehr spät bewältigen kann und die Wintersaat gewöhnlich wenn nicht ganz, so doch zum größten Teil erstickt. Im gleichen verhält es sich bei nassen Jahren mit dem Ausfall und Untergang der Saaten und Feldfrüchte im Wasser.

Wiewohl dieses Jahr ein gesegnetes in jeder Beziehung für Feldfrüchte genannt werden kann, so sind die Erträge von meinen Morgen sehr spärlich, ja kümmerlich. So habe ich von 2 Schfl. Kornaussaat kaum 5 Schfl. erbaut, also das 2 1/2 te Korn. Von 2 Schfl. Weizen 10 - also das 5. Korn. Hieraus mögen Ew. Hochgeboren gnädigst beurteilen, wieviel ich in schlechten Jahren erbaut habe.

Nehme ich nun von diesem Ertrage die Saat und den Drescherlohn ab, so bleibt mir zu meinem Unterhalte sehr wenig übrig, dass ich nur mit trüben Blicken der Zukunft entgegensehen kann.

Um in Zukunft vielleicht glücklichere Resultate von meiner Feldwirtschaft zu erzielen, habe ich Ew. Hochgeboren hiermit untertänigst bitten wollen, die Separation des hiesigen Schullandes nach dem vorhandenen Flächenmaße in einem Plane nicht zu weit vom Gute gnädigst zu bewilligen.

In tröstender Hoffnung einer gnädigen Erhörung meiner Bitte verharre ich ehrerbietigst
Ew. Hochgeboren ganz untertänigster Diener
Friedrich Puschke

Zitierhinweis

Friedrich Puschke an Carl Meinhard Graf von Lehndorff. Steinort, 30. August 1854. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: lebenswelten-lehndorff.bbaw.de/lehndorff_grm_vwy_fjb