Friedrichstein, 8. Dezember 1870

Meine liebe treueste Änny!

Mein Herz jubelt mit Dir über die Ankunft Deines geliebten Mannes!, welche so lange ersehnt und erhofft nun schließlich doch überraschend früher eingetreten ist, als Du und derselbe zu hoffen wagten.

Mein August schreibt: Dass Onkel Carl nun endlich das  GStA PK, XX. HA, Rep. 54 Gutsarchiv Lehndorff-Steinort, Nr. 557.
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Eiserne Kreuz
erhalten und wenn es ihm ja auch natürlich gewiss war, so freut es mich doch so herzlich, dass er es schon vor Eurem ersten Wiedersehen erhielt, und das ehrwürdige Haus seiner Väter, über dessen Pforte das Eiserne Kreuz steht, betreten durfte, geschmückt mit diesem teuren glorreichen Ehrenzeichen!, dass er so redlich erworben hat im Heldenkampf für König und Vaterland!, wie einst unser teurer verklärter Vater - der treue Herr segne seinen Einzug und Auszug! und schenke, dass die Freude des Wiedersehens auf deinen armen Mann einen wunderbar belebenden und stärkenden Einfluss ausüben möge, was ich mit Zuversicht hoffe, da ich schon ähnliches bei Deinen Zuständen erlebte.

Wenn Carl auch jetzt wohl bald Dich wird verlassen müssen, um zum Reichstag nach Berlin zu gehen, so ist er doch jetzt nicht mehr so unerreichbar und wird Deinen Geburtstag und das liebe, teure, heilige Weihnachtsfest zu Haus feiern können, am heimischen Herd bei Weib und Kindern - was nach allen überstandenen Kriegsgefahren und Strapazen, aus denen Gottes Barmherzigkeit ihn so wunderbar errettet! ihm höchster und lieblicher und festlicher erscheinen wird als je zuvor!

Ich kann mir so lebhaft den Jubel der Kinder vorstellen, die ihren direkt vom Kriegsschauplatz heimkehrenden Papa gewiss mit einem Gefühl stolzer Ehrfurcht betrachten, die ihrer kindlichen Liebe für ihn gewissermaßen noch eine höhere Weihe geben wird.

Auch unserer geliebten Mama wird die Freude des Wiedersehens gewiss doppelt wohltun, da ihr Herz durch den Tod der lieben  Schlippenbach?
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Tante
  Unleserliche Stelle [...] jetzt eben betrübt worden war. Aber sie und auch die liebe Tante Reichenbach werden sich doch an ihrem seligen Ende erquickt und getröstet haben. Bitte sprich ihnen beiden meine tiefe Teilnahme an ihrem Verlust aus.   Unleserliche Stelle [...]

Deine getreue Schwester Pauline Dönhoff

Zitierhinweis

Pauline Gräfin von Dönhoff an Anna Gräfin von Lehndorff. Friedrichstein, 8. Dezember 1870. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: lebenswelten-lehndorff.bbaw.de/lehndorff_ms1_zzf_4y