Finckenstein, den 12. November 1810

Nach einer so langen Trennung Sie wiederzusehen hätte mir eine sehr lebhafte Freude verursacht, umso mehr, da ich mir diese Hoffnung seit meinem Aufenthalt auf dem Lande nicht gestattet habe. Jetzt, da Sie mich zu dieser Aussicht berechtigt, wäre es sträflich von Ihnen gehandelt, wenn Sie sie nicht bald erfüllten. Ich werde mich beehren, mich Ihnen als ein tätiger Landwirt vorzustellen, um dadurch den großen Mangel an Kenntnissen in dieser weiten Sache zu ersetzen. Sehr begierig bin ich, von Ihnen viele Nachrichten über die Bekanntschaft Thaers, des berühmten Lehrers aller preußischen Economen zu erfahren, welche mir manche Zweifel lösen sollen. Erlaubten es mir meine Geschäfte, so würde ich nicht säumen, zu Ihnen hinzueilen, um durch Augen und Ohren Belehrung und Aufmunterung zu sammeln.

Ihrer Meinung stimme ich vollkommen bei, dass Schafzucht und Propination jetzt die einzigen Quellen der Einnahme sind. Durch   Unleserliche Stelle [...] Eifer hatte mein verstorbener Vater seit dem Kriege schon viel hierin geleistet, und meine Mutter hat mit gleichem Eifer beträchtliche Summen zur Belebung dieser beiden Zweige der Economie verwendet. In Schlobitten hat bis jetzt weniger darin geschehen können; ohne Zweifel wird aber mein Bruder nach seiner baldigen Ankunft daselbst alle Kräfte aufbieten, un diese Mittel auch zu benutzen.

Die guten Wollpreise verdanken wir einem Handel mit dem Hause Simon et Lutz in Frankfurt, wozu eine sehr sorgfältige Behandlung und gute Sortierung der Wollgattungen auch beigetragen hat. Möchten die Wollpreise im nächsten Jahr eben so gut sein, dann könnte der Gewinn bedeutender sein.

Von unserem Freunde Larrey habe ich ebenfalls lange keine Nachrichten erhalten. Diese Klage erfüllt mich zugleich aber auch mit Beschämung, da die Schuld des langen Stillschweigens mir zur Last fällt. Um gegen Sie nicht ähnliche Sünden zu begehen, benutze ich den ersten Augenblick der Muße, im Vertrauen auf Ihre Nachsicht, die mein Geschmiere dem wirtschaftlichen Eifer zu gute halten wird. Ihren gnädigen Eltern bitte ich meinen   Textverlust [...] Respekt zu Füßen zu legen, und mit einiger Güte auch meiner sich zu entsinnen

Ihres alten Freundes und treu ergebenen Dohna

Zitierhinweis

Alexander Fabian Burggraf und Graf zu Dohna-Schlobitten an Carl Friedrich Ludwig Graf von Lehndorff. Finckenstein, 12. November 1810. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: lebenswelten-lehndorff.bbaw.de/lehndorff_o34_lsp_h3b