Bonn, den 4. 12.46
Lieber Lehndorff!Dein Brief von gestern hat mich eigentlich nicht in Erstaunen gesetzt, indem ich schon vermutet habe, dass Du Dich in dieser Sache noch einmal an mich wenden würdest. Um Dir die Sache klar vor Augen zu legen, will ich Dir noch einmal, was ich Dir mündlich gesagt, auseinandersetzen.
Schon lange, wie Du wissen wirst, war die Meinung gegen Dich, schon oft, das
weißt Du auch, warst Du in Reibung mit unseren Freunden; so früher mit Vgl. Biographisches Corpsalbum der Borussia Bonn.
[Schließen]Moltke, wenn ich nicht irre auch mit Uechtritz, dann
zweimal mit Frentz. Die
Sachen waren beigelegt und abgemacht. Diese letzten Geschichten mit Lenep und
Waldow wärmten indes das frühere wieder auf, und die Meinung gegen Dich wurde,
wie Du selbst fühlen musst, dadurch nicht besser. Wir sind aber zunächst dem
Rufe unseres Corps schuldig, dasselbe vorzugsweise frei zu halten von Streit und
Zwistigkeit zwischen seinen Angehörigen. Nach dem Abitur studierte Lehndorff von 1844 bis
1848 an der Albertus-Universität Königsberg, der Rheinischen
Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und der
Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin Rechtswissenschaft. Ostern 1844
war er Mitglied des Corps Borussia Bonn geworden, das ihn im Sommer 1845
recipierte und Michaelis 1846 inaktivierte. Im Wintersemester 1844/45
war er im Corps Masovia Königsberg aktiv.
[Schließen]Dass Dir der
Umgang mit dem Corps resp. seinen Angehörigen eben nicht von großem
Interesse war, dass Du nicht die Vorzüge dabei sahst, dass hast Du
aufgezeigt; hierin liegt aber natürlich nichts entehrendes für Dich,
wohl aber Vorwurf für Dich als Corps-Burschen. Da Du heute
geradezu salen, absalen, versalen (rheinisch) - schlagen, prügeln
[Schließen]abgesalt
hast, das will ich nicht behaupten, dass Du sie eben hättest interesselos,
gleichgültig
[Schließen]lau machen können, dafür führe ich einen Beleg an,
Der Name ist nicht
lesbar.
[Schließen]indem Du Unleserliche Stelle [...]
beim letzten R.
C. gesagt, er brauche nicht hinzugehen, er könne es nachher
lernen etc. Dieses sind zwar Kleinigkeiten, aber für einen unerfahrenen Von
"verzichten". Bezeichnung für Studenten, aus denen ein Corps seine
Mitglieder wählte, woraus sich der Fuxenstatus entwickelte. Später wurde
dafür der Begriff Fux üblich und Renoncen waren Mitglieder ohne volle
Rechte und Pflichten.
[Schließen]Renoncen von Wichtigkeit, es von einem
früheren Corps-Burschen zu hören. Alles dieses entehrt Dich nicht, und wie ich
Dir mündlich gesagt, habe ich speziell wie jeder andere nichts entehrendes gegen
Dich; wir haben aber auch nichts entehrendes gegen Dich beschlossen, und es
fällt uns nicht im geringsten ein, Dich in Verruf zu setzen. Nur um Einigkeit zu
haben, um dem vorzubeugen, dass einer von den Renoncen abgesalt werden könnte
von sein Pflichten, wenn auch nicht mittelbar, haben wir den Renoncen
anbefohlen, sich möglichst viel des Umgangs mit Dir zu enthalten. Franz I.
wünscht, dass ich Dir bemerke, dass er sich bei dieser Sache nicht beteiligt
hat, wie er Dir früher versprochen hat. Dass Du Dich nicht selbst verteidigt
hast, das hätte Dir nicht angenehm sein können, und zudem war es nicht
notwendig, da Du nicht mittelbar wegen dieser letzten Geschichte dieses hören
musstest, sondern wegen Deines Gesamtbenehmens im Corps.
Auf Deinen Wunsch werde ich die Renoncen, falls sie es missverstanden, dahin verständigen, dass Du nicht in Verruf bist. Übrigens musst Du einsehen, dass dieses das gelindeste Mittel war, unser Corps vor neuen Unannehmlichkeiten zu sichern. Wie Du überhaupt so etwas sehr Hartes in dieser Maßregel finden kannst, begreife ich nicht, da Du, wie gesagt, meiner Meinung nach nie viel Spaß an dem Corps-Leben gehabt hast. Gut wäre es allerdings, wenn Du mit Philipp Lange in Korrespondenz trätest, damit wir alle die Gewissheit, dass Du in dieser Sache Dir nicht diese große Judelikatesse(?) hast zuschulden kommen lassen.
Dass es natürlich keinem verboten ist, mit Dir zu sprechen etc. an einem dritten Ort oder sonst in Gesellschaften, das versteht sich von selbst, nur den näheren Umgang aufzugeben haben wir bezweckt.
Hierdurch wirst Du hoffentlich beruhigt sein und in unserem Verfahren keine Ungerechtigkeit finden können.
Dein Fh. von WredeZitierhinweis