(Königsberger Allgemeine Zeitung)

Die Bestattung des verstorbenen Grafen Carl Lehndorff in Steinort.

Es war ein langer Zug, der sich in der gestrigen Sonntagfrühe von dem Südbahnhofe aus nach Rastenburg in Bewegung setzte. Er führte einundachtzig Personen nach dem Trauerhause in Steinort, wo die Freunde und Verehrer des zu früh Verstorbenen von allen Seiten sich versammelt hatten, um ihm die letzte Ehre zu erweisen. Eine lange Wagenreihe brachte die von Königsberg mit dem Zuge in Rastenburg Angelangten nach Steinort, wo gegen zwei Uhr die Trauerfeierlichkeiten begannen. In dem großen Parterresaal des altertümlichen Gebäudes lag der verewigte Schlossherr aufgebahrt. Der seine irdischen Reste bergende Sarg war vollständig bedeckt von Palmen, Blumen, Kränzen und Sträußen, der große Saal würde- und weihevoll mit den Kindern der Flora ausgeschmückt. Eine glänzende Versammlung umstand den Sarg und füllte den Raum des Saales bis auf den letzten Platz. Außer den Gutsbesitzern der Umgegend, zum Teil Träger berühmter Namen, waren u. a. zugegen: der Bruder des Verstorbenen, der Flügeladjutant unseres Kaisers, Graf Lehndorff, die mit dem Lehndorffschen Hause verschwägerte gräflich Dohnasche Familie, ferner der Herr kommandierende General von Gottberg, der Divisions-Kommandeur Herr von Verdy, der Herr Oberpräsident von Schlieckmann, Herr Regierungspräsident Studt, Herr Polizeipräsident Devens, Herr Landrat von Hüllesem, Herr Geheimer Kommerzienrat Simon, der Direktor der Südbahn Herr Wendland, Herr Stadtrat Hagen als Vertreter des Vorsteheramtes der Kaufmannschaft, außerdem viele Offiziere der umliegenden Garnisonstädte und Königsbergs. Speziell seien noch hervorgehoben die Deputationen des 3. Kürassier-Regiments, der studentischen Verbindung Masovia, welcher der Verstorbene einst angehörte, und des Personals der Südbahn. Auch die hiesige Presse hatte ihre Vertreter gesandt. Die  Siehe das Exemplar mit Widmung „Meinem lieben Kordack-Taberlack C. Gf. v. Lehndorff 1883“ in: EZA 507/5220
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Weiherede im Schloss hielt zu Häupten des Verstorbenen Herr Superintendent Braun aus Angerburg
; es war eine ergreifende Rede, die jedem der Anwesenden tief zu Herzen ging. Vor und nach der Rede ertönte Gesang mit Orgelbegleitung, in welchen die Trauerversammlung einstimmte. Der Schlosshof hatte sich mittlerweile mit einer großen Menschenmenge angefüllt; es waren die Bewohner des Gutes, die ihrem allverehrten und vielgeliebten Herrn den letzten Abschiedsgruß bringen wollten, es waren ferner die Einwohner der umliegenden Dörfer, die mit tränenerfüllten Herzen herbeigeeilt waren, denn allen war der Verstorbene ein Freund und Berater gewesen, der keinen Hilfesuchenden von seiner Tür gewiesen.  In seinem Kondolenzschreiben an die Gräfin schreibt Pfarrer Westphal aus Drengfurth: „Da der Begräbnistag auf einen Sonntag fiel, konnte ich wegen Amtshandlung nicht zeitig genug abreisen, traf daher zur Feier erst beim Anfang des Gesanges ein und vermochte nicht mehr, bis zum Sarg mich vorzudrängen. Auf dem Wege nach der Kapelle übersah ich erst die ungeheure Menge der Leidtragenden aus dem Volk, und hätte ich vorher gewusst, dass diese alle von den Reden nichts hören würden, so hätte ich mich auf eine Ansprache vorbereitet, die ich von der Treppe der Kapelle ins Freie gehalten hätte, denn ich sah gar viele weinende Augen; aber dort an der Stelle war keine Zeit auch nur zu einer kurzen Sammlung für mich. Am nächsten Sonntage wird auch in hiesiger Kirche die Danksagung und Fürbitte für den seligen Herrn Grafen und sein Haus gehalten werden.“ LASA, StA L, Bestand 21950 FA Lehndorff, Nr. 394, Bl. 208-209v.
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Nach Beendigung der Feierlichkeit im Schloss wurde der Sarg mit der Hülle des Entschlafenen nach der Grabkapelle auf der Landzunge des Mauersees überführt. Dort hielt der Pastor Ziegler aus Rosengarten die Grabrede.
Die Spitze des langen Trauerzuges bildete der  Lehndorff war neben Hermann Griguscheit sen., Schonsteinfegermeister a. D., Gustav Bartsch, Kürschnermeister, und Heinrich Woitkowitz, Rentier, Ehrenmitglied des am 2. September 1874 gegründeten Angerburger Kriegervereins, vgl. Kriegerverein Angerburg (1874-1927). Festschrift zur Einweihung des Denkmals für die im Weltkrieg Gefallenen des Kirchspiels Angerburg am 25. September 1927, Druck: Hugo Priddat, Angerburg 1927, S. 20. Für die Information danke ich Torsten Woitkowitz.
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Kriegerverein aus Angerburg
, ihm folgten die Forstbeamten des Gutes, dem Sarge mit den Orden und Ehrenzeichen des Verstorbenen und dem Trauermantel der Johanniter die Angehörigen des Grafen, an welche sich der lange Zug des Trauergeleites schloss. Gegen halb 4 Uhr nachmittags waren die Feierlichkeiten beendet. Die Teilnahme an dem Begräbnis war eine so allgemeine, die Betrübnis über den Hingang des Majoratsherren von Steinort bei allen eine so aufrichtige, dass auch der Fremde den Eindruck erhalten musste, in dem Verstorbenen sei ein Biedermann, ein edler Freund der Menschheit zu Grabe getragen. Friede seiner Asche!

Zitierhinweis

Nachruf. Oktober 1883. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: lebenswelten-lehndorff.bbaw.de/lehndorff_qdc_xsp_dbb