Potsdam, den 5. Januar 1857

Meine liebe Anna

Er dankt für Annas Brief, gratuliert zum neuen Jahr und übermittelt beste Wünscher für Anna und deren Familie.

Zu meiner größten Befriedigung ist es mir gelungen,  aufgrund der Neufchâteller Frage
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mir im Fall des Krieges
eine Stellung im vordersten Vordergrunde fest zu sichern, und zwar mit die schönste und nicht unwichtigste, die man haben kann in meiner untergeordneten Stellung. Indes sehe ich der Entwicklung getrost entgegen. Dieses ist wirklich eine   Unleserliche Stelle [...] Adjutantenstelle beim Kommandierenden des ersten und größten mobilen Corps, dem General von Werder aus Königsberg, der die betreffenden Truppen in der Garde und I. Corps unter sich haben wird. Ich habe die Sache vollkommen geheim betrieben und bis dato auch noch geheim halten können; jedoch hat der General den König bereits persönlich um mich gebeten und ich stelle die Sache nicht als bestimmtes Faktum hin, nur weil man nichts so Erwünschtes sicher haben muss. Auch Dich bitte ich unter der Familie niemanden hierüber etwas erfahren zu lassen.

Nun aber hab ich Dir über meine Kriegsgedanken noch gar nicht gedankt für dein schönes und fast beschämend blendendes Geschenk, was mich ungeheuer gefreut hat und als fast zu hell glänzender Stern über meiner sonst ziemlich  armen
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pauvren
Menage leuchtet und mir täglich von neuem Spaß macht. Vielen vielen Dank dafür, sowie ich Dich bitte, meinen herzlichen Dank in Basedow für die unglaubliche Gans auszusprechen, die meinen Magen für die ganzen Feiertage unter ihre Fittiche genommen hat und immer noch mit ihren überströmenden Schmalzgedanken umgaukelt. Ich habe das ganze Fest als einziger Offizier fest an Potsdam gekettet ziemlich langweilig zugebracht, und die Gans bildete ziemlich meinen einzigen Umgang, da alles ausgeflogen war von meinen hiesigen Bekannten.

Auf Euren in Aussicht gestellten hiesigen Aufenthalt freue ich mich von Herzen, und erwarte hierüber mit Ungeduld nähere Nachrichten. Wenn es bestimmt sein wird, so lasst mich etwas darüber wissen, denn ich präveniere Dich von der großen Schwierigkeit, eine Wohnung zu finden. Wir machen also unsere Visite(?) für unser altes Steinort dann zusammen.

Herzliche Grüße für Carl, Werner, Max, deine  Anna, geb. 1853 und Meinhard, geb. 1855, gest. 1858.
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Babys
und die Basedowsche Herrschaft und Gäste - Bogdan besonders.

von Deinem treu unter  Unleserliche Stelle [...] Heinz

Zitierhinweis

Heinrich (Heinz) Graf von Lehndorff an Anna Gräfin von Lehndorff. Potsdam, 5. Januar 1857. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: lebenswelten-lehndorff.bbaw.de/lehndorff_qlr_q5l_2db