Hannover, 1. November 1908

Hochverehrter Herr Generallandschaftsdirektor!

Vor ca. 14 Tagen erhielt ich ein Schreiben von der Landschaft, die mir im Interesse des Fideikommisses Steinort zum Ankauf von Stobben 1 und 3 sowie von dem im Allodbesitze meines Vetters befindlichen Engelstein 46 aus verschiedenen, mir sehr triftig erscheinenden Gründen rät. Ich bitte nun auf dieses Schreiben an Sie persönlich hiermit antworten zu dürfen, da für mich bei der Erwägung dieser eventuellen Käufe Momente mitsprechen, die ich glaube besser Ihnen persönlich mitteilen zu können, zumal sie zum Teil nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Dass der Ankauf von Stobben 1 und 3 sowie Engelstein 46, wie die Verhältnisse jetzt liegen, für das Fideikommiss von zweifellosem Wert sein würde, leuchtet mir vollständig ein, und ich würde mich auch zu dem Ankauf bereiterklären unter gewissen Vorbedingungen, die noch ihrer Realisierung harren. Sie werden es begreiflich finden, dass es für mich als eventuellem Nachfolger meines Vetters eine sehr peinliche und sehr wenig sympatische Sache ist, mich durch den Ankauf der besagten Grundstücke soweit in die Angelegenheiten des Fideikommisses hinein zu begeben, dass es den Anschein haben könnte, als wollte ich schon meine Finger auf das Fideikommiss legen. Wenn mir auch selbstverständlich kein Gedanke ferner liegt als dieser, so ist die Situation, die sich hier ergeben würde, den Angehörigen meines Vetters gegenüber, bei denen zum Teil die Möglichkeit eines solchen unbegründeten Soupcons durchaus nicht fern liegt, eine sehr wenig angenehme. Dieses veranlasst mich dazu, der Frage des Ankaufs der Grundstücke nur dann näher zu treten, wenn er dem ausdrücklichen Wunsch meines Vetters entspricht. Ich habe an denselben schon geschrieben und erwarte die Antwort.

- Diese Antwort geht mir soeben zu, und zwar in bejahendem Sinne, d. h. mein Vetter bittet mich, die Grundstücke zu kaufen. Da ich nun momentan das ganze Geld zum Ankauf nicht flüssig habe, wird er voraussichtlich ganz oder zum Teil aus dem Vermögen meiner Schwester Paula erfolgen, deren gesetzlicher Vormund meine Mutter ist. Ob diese nun beabsichtigt, meine Schwester als Eigentümerin eintragen zu lassen, oder es lieber sieht, dass ich als Eigentümer eingetragen werde, ist ja Nebensache. Ich habe ihr die Entscheidung darüber ganz überlassen und ihr geschrieben, sie solle die ganze Angelegenheit, den Ankauf sowie Sicherstellung der Verzinsung des Ankaufskapitals mit Ihnen besprechen. Sie wird Sie also in den nächsten Tagen aufsuchen.

Zum Schluss möchte ich noch mitteilen, dass ich auf 2 Jahre zum Militärreitinstitut nach Hannover abkommandiert bin und dass meine Adresse ist: Hannover, Ferdinand-Wallbrecht-Straße 88.

Indem ich die Gelegenheit ergreife, um Ihnen von Herzen für das warme Interesse zu danken, welches Sie stets den Angelegenheiten meiner Familie entgegenbringen, verbleibe ich

Ihr aufrichtig ergebenster Dr. Manfred Graf Lehndorff

Zitierhinweis

Manfred Graf von Lehndorff an Wolfgang Kapp. Hannover, 1. November 1908. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: lebenswelten-lehndorff.bbaw.de/lehndorff_scf_31c_gy