Arklitten, den 24.5.78
Geliebte Frau Gräfin!Betrachten Sie dies Blatt als Abschiedswort eines 83-jährigen Pilgers Unleserliche Stelle [...] (1 Mose 49,18 Römer 8,23), denn ich fühle mich am Ende meiner langen Pilgerschaft und möchte gern nach allen Richtungen mein Haus bestellen.
So hat mir Ihr letztes gütiges Schreiben bei allem Vertrauen, welches es für mich ausspricht, doch den Eindruck gemacht, dass Sie mich in meinen Ansichten(?) befangen halten hinsichtlich meiner Tätigkeit für das Reich Gottes unseren Standesgenossen gegenüber, und das legt mir die Pflicht auf, Ihnen gegenüber, obschon wiederwillig, weil meine Person dabei so nahe beteiligt ist, diesen Gegenstand noch einmal zu berühren.
Vgl. Swat, Tadeusz, Dzieje
Wsi, in: Bałanda, Aniela u. a., Kętrzyn. Z dziejów miasta i okolic.
Pojezierze, Olsztyn 1978, S. 161 (Seria monografii miast Warmii i
Mazur); Wagner, Wulf D., Stationen einer Krönungsreise. Katalog zur
Ausstellung vom 14. April 2001 – 31. Oktober 2001 im Renaissance-Schloss
Demerthin, Berlin 2001, S. 121–125; Ders., Kultur im ländlichen
Ostpreußen. Geschichte. Güter und Menschen im Kreis Gerdauen, Bd. 1,
Husum 2008.
[Schließen]Als ich die Güter vor fast 50 Jahren nach dem Heimgang
meines Vaters übernahm, fand ich sie in dem traurigsten
Zustande, gänzlich desavouiert, die Gebäude in Ruinen,
die Wälder ausgehauen, das Inventarium in den Kriegsjahren weggenommen. Dabei
schwere Majoratsverpflichtungen, Ehrenschulden für meinen Vater und nicht einen
Groschen Allodial-Vermögen. Mit geborgtem Geld fing ich an zu wirtschaften,
konnte aber nur die Hälfte der Güter in Administration nehmen. Um mir zu helfen,
richtete ich eine Brennerei ein, erkannte aber nur zu bald das Verderben des
Branntweins und dass ich es nicht mit meinem christlichen Gewissen verbinden
könne, mich bei der Produktion dieses Getränks zu beteiligen. Ich ließ die
Brennerei eingehen, obschon ich nicht wusste, was nun aus meiner Wirtschaft
werden würde, die ganz auf die Brennerei basiert war, wobei Ihr verstorbener
Carl Friedrich Ludwig Graf von
Lehndorff. Vgl. GStA PK, XX. HA, Rep. 54 Gutsarchiv
Lehndorff-Steinort, Nr. 743 und 744.
[Schließen]Schwiegervater mir seinen Rat
erteilt hatte. Ich hoffte, Gott werde mir wenigstens eine gute Ernte schenken,
statt dessen ließ er mich total verhageln (ich habe es nie vermocht, mich
dagegen zu assekurieren), die Felder der Pächter aber blieben intakt. Vgl.
Boettcher, Johann Heinrich, Geschichte der Mäßigkeits-Gesellschaften in
den norddeutschen Bundes-Staaten oder General-Bericht über den Zustand
der Mäßigkeitsreform bis zum Jahre 1840, Hannover 1841, S. 178.
[Schließen]Ich gründete einen Enthaltsamkeitsverein und hatte oft
im Garten 800 Mitglieder. Da kam das Jahr der Strafe 1848 und von den 800 blieben nur 8.
Das hat mich nicht irre gemacht. Aber wo sind die Standesgenossen, die meinem
Beispiel folgten? Im Herrenhaus wurde sogar opponiert gegen die vom Staat
beabsichtigte Erhöhung der Branntweinsteuer. Ich ließ meinen Aufruf zur
Sonntagsheiligung ergehen an meine Standesgenossen, er fand keinen Anklang noch
Folge. Man suchte seine Prärogative und Geldbeutel zu konservieren, keinerlei
Interessen aber für die Förderung des reiches Gottes, für Innere und Äußere
Mission waren vorhanden und ich verlor alle Freudigkeit dazu, meine
Standesgenossen aufzufordern, welche sich immer mehr von mir zurückzogen, so
dass ich bald ganz isoliert mich fühlte und unter solchen Umständen doch nicht
mich geeignet halten konnte, der Auserkorene zu Werken der Liebe im Glauben zu
sein, wo die Prämissen bei mir fehlten, die ich in Anspruch hätte nehmen müssen.
Können Sie mich, liebe Frau Gräfin, unter solchen Umständen wohl der Passivität
anklagen, wie Sie es doch, wenn auch nur indirekt in Ihrem Brief tun? So lange
der Adel nicht erkennt, was der rechte Adel ist, nämlich ein Christ ohne Tadel
sein zu wollen, zu Unleserliche Stelle [...]
(denn der Geist ist stets ein Unleserliche Stelle [...]
), so lange es möglich ist, dass der Adel bei allem
nominellen politischen Konservatismus den alten Menschen zensuriert, sind auch
pekuniäre Beiträge für einzelne Liebeswerke ohne Wert und ohne Segen von oben.
Dass ich ohngeachtet meiner Isolierung mich nicht habe abhalten lassen, meinen
Standesgenossen gegenüber Zeugnis abzulegen, mögen sie Unleserliche Stelle [...]
Anlagen bekennen, auch meine Ihnen mitgeteilten gedruckten Zeugnisse. Was hilft
der Johanniter-Orden und Johanniterkrankenhäuser, wenn die tiefste Krankheit
nicht erkannt wird vom Adel, das Hängen am irdischen Besitz und Gewinn? Die
falsche Ehre?
Und hat der Adel bei dem Gründer Unleserliche Stelle [...] , der so viel Verderben ins Volk gebracht und der Pionier des Sozialdemokratismus geworden, nicht die schwersten Schulden auf sich geladen? Hat er da nicht das erste Wort: Noblesse oblige ganz vergessen? Möchten Sie das vor Gott erwägen, liebe Frau Gräfin, und mit mir trauern, statt mich, ich sage es nochmals, wenn auch nur indirekt, der Passivität anzuklagen.
Auch auf dem Gebiet der Armenhilfe habe ich die traurigsten Erfahrungen gemacht,
besonders an den abscheulichen Heucheleien Unleserliche Stelle [...]
. Ich bin zu
dem Entschluss gekommen, keine Bittschrift eines mir unbekannten Hilfesuchenden
mehr zu berücksichtigen, weil ich Lüge und Heuchelei nur zu oft befördert habe
bei meinen Gaben. Ich habe den betreffenden Geistlichen in Angerburg, Buddern, Drengfurth
Geldmittel übersandt, damit sie nach bestem Wissen und Gewissen, aber nicht in
meinem Namen helfen. Ein Liegt nicht bei.
[Schließen]Brief des Pfarrers
Tribukait, welchem ich abermals 50
Mark als milde Gabe übersandte, dürfte Sie interessieren. Ich muss es Ihrer
Prüfung überlassen, teure Frau Gräfin, was Sie nach dieser Darstellung über
meinen Standpunkt und mein Handeln denken und urteilen. Ich glaube es aber
Ihnen, deren Urteil ein nicht gleichgültiges sein darf, da wir einem Herrn
dienen, nach einem Ziele streben, schuldig zu sein, ausführlich darauf
einzugehen.
Vor 65 Jahren war ich in diesen Tagen nach der verlorenen Schlacht von Lützen und Bautzen auf dem Rückzug nach Schlesien. Als freiwilliger Jäger war ich ausgezogen fürs Vaterland, selbst aber noch in der Knechtschaft des Unglaubens und der Sünde aller Sünden (Joh. 16,9). Wir hielten unsere Sache für verloren. Da trat Österreich dem Bunde bei und nun meinten wir, könne der Sieg nicht fehlen. Statt dessen wurden wir bei Dresden total geschlagen und in Böhmen drohte uns Vernichtung. Da musste, nach Gottes Willen, im entscheidenden Augenblick das Unleserliche Stelle [...] Preußische Corps Unleserliche Stelle [...] dem siegestrunkenen Feinde in den Rücken kommen und uns ward der völlige Sieg zuteil. Als wir noch zum Dankgottesdienst (ich aber noch ohne Gott) geschart standen, kamen die Nachrichten der gewonnenen Schlacht bei Berlin und an der Katzbach, Nun ging es zur Völkerschlacht nach Leipzig und über den Rhein nach Frankreich hinein, und endlich, nach manchen Niederlagen, durch welche wir wieder ganz entmutigt waren, kam es zum Einzug in Paris, das moderne Babel.
Das ist das Bild des Christenlaufs hienieden, nur Unterliegen Unleserliche Stelle [...] und zuletzt Einzug in die Stadt Gottes, denn Babel muss fallen! Editorische Auslassung [...]
Liebe Frau Gräfin, betrachten Sie es als das Vermächtnis eines bald Scheidenden, was er Ihnen aus seinem Herzen geschrieben. Das verweltlichte Christentum hat das jetzt zu Tage geförderte Verderben mit hierher gebracht, umso mehr gilt es jetzt, in allen Stücken Ernst zu machen mit dem Christentum. Dazu helfen aber nicht adlige Fräuleinstifte, ja nicht einmal Frauenvereine für christliche Zwecke, welche die Welt mit hineinziehen durch allerlei Kunststücke, theatralische Darstellungen, Aufforderungen. Wer in unseren Tagen sehen will, wie es aussieht, und sich mit dem Herzen getrieben fühlt, bedarf keiner äußeren Aufforderung. Und bei anderen bringt sie keinen Segen, sondern Schaden. In herzlicher Liebe bis zum Ende Ihr alter väterlicher Freund EgloffsteinZitierhinweis