Endlich erlebe ich einmal eine freudige Überraschung nach jahrelangem Kummer und Gram. Der König erteilt mir die Erlaubnis, nach Preußen zu reisen. Ich freue mich unendlich darauf, meine Heimat wiederzusehen und aus diesem Zanknest Berlin herauszukommen.
Editorische Auslassung [...]
Nachdem ich den 27. zu Hause verlebt habe, reise ich am 28. um 4 Uhr von Berlin ab und übernachte in Oranienburg. In Zehdenick treffe ich mit einem Offizier vom Kavallerieregiment des verstorbenen Prinzen Heinrich zusammen, einem Herrn v. Trenck aus Preußen, der mir in rührenden Worten die Betrübnis schildert, die in seinem Regiment über das schmerzliche Ereignis herrscht. Am 29. komme ich um 8 Uhr abends in Prenzlau an. Ich halte mich einen Augenblick bei dem Oberst Blankenburg auf, bei dem ich Gröben und Winterfeld treffe, reise dann, nachdem ich die Pferde gewechselt, die ganze Nacht durch weiter und komme am 30. um 6 Uhr morgens in Stettin an. Mit Vergnügen sehe ich hier meine Schwester Podewils wieder, die mir einen herzlichen Empfang bereitet. Ihre jüngste Tochter hat sich sehr zu ihrem Vorteil verändert. Nachmittags besuche ich den General Puttkamer, bei dem ich am folgenden Tage mit dem Prinzen von Bevern zusammen speise. Dieser erzählt mir näheres über die Art und Weise, wie man dem König im Lager von Stargard den Tod seines Neffen mitteilte.
Editorische Auslassung [...]
1. Juni. Ich speise beim Prinzen von Bevern mit einer ganzen Anzahl von Generalen Nachher sehe ich mir Schiffe an: Ich begebe mich auf das eines Holländers, der mich mit großer Freundlichkeit und der den Holländern eigenen Offenherzigkeit aufnimmt. Mit Bedauern sehe ich, wie der Handel infolge der Beunruhigung durch die Neuerungen der Franzosen zurückgeht. Ich mache auch mit dem Präsidenten Schöning Bekanntschaft, der sich äußerst nett gegen mich benimmt.
2. Juni. Ich verlasse Stettin und fahre direkt nach Treptow, der Residenz des Prinzen von
Württemberg. Am 3. lange ich dort an und bin in großer Verlegenheit,
ein Unterkommen zu finden, bis mich schließlich ein Herr v. Krummensee aufs freundlichste in seinem Haus
aufnimmt. Der Prinz und die Prinzessin erweisen mir die größten Aufmerksamkeiten.
Ich werde sofort von einer Equipage abgeholt, und da schon alle bei Tisch sind,
erweist man mir die freundliche Rücksicht, so lange zu bleiben, bis ich mit dem
Essen fertig bin. Die Familie des Prinzen zählt fünf Prinzen und drei Prinzessinnen,
lauter prächtige Kinder. Man würde wirklich einen so hübschen und reizenden Hof, an
dem ein so guter Ton herrscht wie hier in Treptow, wohl kaum in Pommern suchen. Ich treffe hier die Gräfin
Skorzewska mit ihrer ganzen Familie.
Sie hat zwei kleine Töchter, wahre Wunderkinder an Geist und Talent. In ihrer
Begleitung befindet sich noch ein Onkel, ein sehr reicher polnischer Graf, der aus
Neigung Kapuzinermönch geworden ist und der mir mit großer Lebhaftigkeit
auseinandersetzt, dass er der glücklichste Mensch auf Gottes Erdboden sei. Den
ganzen Nachmittag verbringe ich bei der Prinzessin, indem sie mir ihren Garten zeigt
und, um mir ein besonderes Vergnügen zu bereiten, für den folgenden Tag einen
Fischfang arrangiert. Kurz, man erweist mir so viel Aufmerksamkeiten jeglicher Art,
dass es mir schwer wird, von Treptow wieder loszukommen. Am 4. nachmittags reise ich
weiter. Ich hatte mir vorgenommen, ohne Unterbrechung bis Danzig durchzufahren, wie ich aber um
Mitternacht in Köslin anlange, sind keine
Pferde da, so dass ich übernachten muss. Am anderen Morgen lässt man mir früh um 5
Uhr schon sagen, der Lehndorffs Schwester und Schwager
[Schließen]Graf und die Gräfin
Podewils sowie Fräulein v.
Morrien hätten gleichfalls in
Köslin übernachtet und würden sich
sehr freuen, mich zu sehen. Das war für mich eine zu angenehme Überraschung, um der
Einladung nicht Folge zu leisten, und es war dann sofort beschlossene Sache, dass
ich in ihrem Wagen Platz nahm und mit ihnen nach ihrem Landsitz fuhr. Das ließ sich
alles vortrefflich einrichten, wir dinierten noch bei einem ehrsamen Bürger in
Köslin, einer recht hübschen Stadt,
und kamen dann um 5 Uhr nachmittags in Wusterwitz an. Ich hätte nie geglaubt, an der Grenze von Kassubien
ein so hübsches Landgut zu finden - eine prächtige Lage, ein wohnliches Haus und
Wirt und Wirtin reizend. Um indes ein gegebenes Wort einzulösen, ging ich noch am
selben Abend zum Übernachten nach dem Gute Suckow, das einem anderen Herrn v. Podewils, einem Sohn des verstorbenen Staatsministers gehört. Hier
fand ich eine ebenso herzliche Aufnahme. Das Haus ist gleichfalls schön, der Garten
hat Wasserkünste, kurz, lauter Überraschungen, auf die ich hier in Pommern
keineswegs gefasst war. Anderen Tags kehrte ich mit einem Geheimrat v. Behn nach Wusterwitz zurück. Fräulein v. Morien und ich besprechen zusammen die Vorgänge, die wir vor zwei
Monaten miterlebt, und stellen Betrachtungen darüber an, wie angenehm es sei, nach
all den Stürmen die Dinge an einem hübschen ruhigen Ort, ohne Bitterkeit und ohne
Vorurteil zu besprechen. Fräulein v. Morien bleibt in Wusterwitz, um Herrn v.
Kalckreuther zu erwarten, der hierher
kommt, um sie zu heiraten. Am 6. Juni reise ich nach dem Abendessen von Wusterwitz
ab, fahre über Zanow und komme um 3 Uhr
morgens in Stolp an. Von dort fahre ich
über Lupow, bin um 5 Uhr nachmittags in
Lauenburg, reise noch die ganze
Nacht durch und lange am 8. mittags in Oliva an, das eine wundervolle Lage hat. Ich steige in einem
Gasthause ab. Da der Wirt mir weismacht, der Abt diniere um 12 Uhr, so bestelle ich
mir im Gasthaus ein Mittagessen und lasse dann um 2 Uhr beim Abt, der aus dem Hause
Rybinski stammt, anfragen, ob ich ihn
besuchen könne. Er lässt mir sofort sagen, ich solle unbedingt zum Diner zu ihm
kommen. Ich finde ihn königlich eingerichtet. Er hat eine große Gesellschaft zu
Tisch, unter anderen den russischen Residenten Rehbinder, der mich während meines ganzen Aufenthaltes in Danzig mit Aufmerksamkeiten überhäuft. Nach dem
Kaffee gehen wir im Garten spazieren, der an Schönheit alles übertrifft. Da sind
erstaunlich hohe Spaliere, über die man überall einen Blick aufs offenen Meer hat,
das an dieser Stelle immer von Schiffen bedeckt ist, da hier die Danziger Reede ist.
Diese Aussicht lässt sich höchstens mit einer reizenden Operndekoration vergleichen,
denn das die Natur etwas so Vollkommenes zustande bringen könnte, erscheint fast
unglaublich. Ich beteilige mich nachher an mehreren Spielen und bin sehr erfreut
über die Bekanntschaften, die ich hier mache. Um 6 Uhr begebe ich mich nach
Danzig. Etwas so Schönes wie die
Straße von Oliva nach Danzig gibt es nirgend wieder, rechts wie Gärten bepflanzte
Höhen und links das offene Meer. Erst kommt man durch prächtige Vororte und dann
durch eine sehr schöne Allee in die Stadt selbst. Im nehme im Schiffergildehaus?
[Schließen]Schippergilhaus Quartier. Am folgenden Tage statte ich
Herrn Rehbinder einen Besuch ab, der mich
nach Langfuhr zu einer Frau Kammerherr
v. Goltz mitnimmt. Hier treffe ich die
Generalin Goltz, die Witwe des früheren
sächsischen Gesandten Goltz, der kurz nach
seiner Ernennung zum General der Konföderation der Dissidenten plötzlich starb. Sie
ist in tiefer Trauer. Wir machen reizende Spaziergänge in den Bergen. Da heute der
letzte Tag des Pfingstfestes ist, so ist alles von Spaziergängern belebt, was sich
besonders hübsch ausnimmt. Nachher soupieren wir bei Frau v. Goltz, und ich kehre
dann mit Herrn und Frau v. Rehbinder und deren Schwester, Fräulein
v. Kalnein, die alle sehr liebenswürdig
sind, nach Danzig zurück. Bei meiner
Rückkunft finde ich die Pferde meiner Mutter und meines Schwagers, des Grafen Schlieben, vor, die mich hier abholen sollen. Ich
schicke daher Fräulein Chaselons und die
Sverus
(?) nach Steinort voraus und soupiere bei Herrn v. Rehbinder in sehr guter Gesellschaft. Darunter
ist auch ein dänischer Resident, ein sehr hübscher Mann. Am 11. speise ich in
Ohra zu Mittag bei einem sehr
reichen englischen Kaufmann, Herrn Gibson,
mit seiner ganzen Familie. Eine Tochter von ihm hat einen Baron Keyserlingk geheiratet; sie ist eine hübsche
Frau. Abends speise ich bei Herrn Rehbinder. Ich mache die Bekanntschaft unseres Residenten, des Herrn
Junk, der ein sehr eingebildeter
Mensch ist und wegen seines schlechten Benehmens gegen die ganze Stadt in Danzig verabscheut wird. Ferner lerne ich noch
die Fürstin Sanguszko, eine sehr reiche
und sehr liebenswürdige Dame, kennen. Als eine geborene Dönhoff ist sie eine
Verwandte von mir. Sie ist von ihrem Gatten geschieden und hat Danzig als Wohnsitz
gewählt. Ich werde von ihr mit Aufmerksamkeiten überhäuft und zu einem Fastenmahle
eingeladen, was eine ganz vortreffliche Sache ist. Dabei lerne ich eine junge
polnische Gräfin kennen, welche die Prinzessin bei sich hat, eine reizende und
geistreiche Dame, die mich vortrefflich unterhält. Die Fürstin ist außerordentlich
fromm und besonders für die Jesuiten eingenommen, von denen sie immer einen in ihrer
Begleitung hat. Als wir auf die Religion zu sprechen kommen, zitiert mir dieser alle
ihre guten Autoren, ich versichere ihm aber, dass ich diese zwar auch kenne, aber in
katholischen Dingen
Blaise Pascal
[Schließen]Pascal als meinen besonderen Gewährsmann betrachte. Sobald er diese Namen
hört, geht er sofort auf ein anderes Thema über, und von Religion ist nicht weiter
die Rede.
Ich suche einen alten Oberst Krockow auf und mache noch verschiedene andere Besuche. Danzig gefällt mir ausgezeichnet. Der holländische Resident, Herr Zoermanns bezeigt mir tausend Freundlichkeiten. Er gibt mir mit seiner ganzen Familie ein großes Mahl in seinem Garten bei Oliva, der auch eine wunderbare Lage und Aussicht auf das offene Meer hat und voll köstlicher Früchte ist. Das Mahl verrät den gutbürgerlichen Danziger Geschmack; es gibt Rheinwein mit Zucker und viele schlecht servierte Gerichte. Ich sehe indes immer auf die gute Absicht des Gastgebers, und diese lässt nichts zu wünschen übrig.
Nachdem ich so Danzig gründlich
durchstreift habe, reise ich am 14. Juni wieder weiter. Ich fahre durch die reichen
Güter des Werders, die nur in Holland ihresgleichen haben, und komme abends in
Elbing an, das eine recht hässliche
Stadt ist. Am 15. breche ich um 5 Uhr morgens wieder auf und bin um 11 Uhr in
Preußisch-Holland, wo ich auf einen
Augenblick beim Hauptmann Kunheim
absteige. Vgl. hierzu Straubel, Rolf, Er möchte nur wißen, daß
die Armée mir gehört." Friedrich II. und seine Offiziere: Ausgewählte
Aspekte der königlichen Personalpolitik, Berlin 2012, S.
285.
[Schließen]Ich treffe hier den jungen Grafen Wartensleben, einen Sohn unseres
Oberhofmeisters, der Schulden halber aus dem Garderegiment Tadden
ausscheiden musste und sich hier in Preußen sehr unglücklich fühlt, während ich den Augenblick nicht erwarten kann, wo ich wieder mit
meiner Familie zusammen bin. Die Veranlagung des menschlichen Geistes wirkt eben
verschieden auf unsere Herzen. Am gleichen Tage komme ich noch zum Diner beim Grafen
Dönhoff in Quittainen, einem alten Bekannten von mir,
dessen Wiedersehen mir Freude macht. Sein Haus ist sehr gut bestellt und seine
Gattin eine vortreffliche Frau. Ich beschließe meinen Tag bei ihnen recht angenehm.
Anderen Tags fahre ich nach Carwinden,
wo die verwitwete Gräfin zu
Dohna-Schlodien, geborene Gräfin Schwerin, eine alte Bekannte von
mir, wohnt. Zu Mittag komme ich in Schlodien an und werde mit größter Freundlichkeit aufgenommen. Der
regierende Graf ist der rechtschaffendste Mann, den es nur geben kann, und seine
ganze Gesellschaft setzt sich aus vortrefflichen Personen zusammen, denen man sofort
ansieht, dass sie aus sehr vornehmem Hause sind. Vgl.
Foelsch, Torsten, Schlodien & Carwinden. Zwei Schlösser in Ostpreußen
und die Burggrafen und Grafen zu Dohna, Groß Gottschow 2014; Dohna, Lothar
Graf zu, Die Dohnas und ihre Häuser, 2 Bde., Göttingen 2013.
[Schließen] Ich bin
entzückt von allem, was Dohna heißt. Da
ist die Tante des Grafen, die Gräfin
Sophie, die am Hofe Friedrich
I. aufgewachsen ist und noch das ganze feine Wesen jener Zeit an sich
hat. Sie erzieht eine sehr hübsche und reizende Nichte, die Tochter des verstorbenen
Generals Dohna. Ferner sind da zwei
liebenswürdige Gräfinnen v. Carolath; die eine ist die Schwester der regierenden
Gräfin und die andere eine Schwester von ihm. Nachmittags fahre ich nach Schlobitten. Dieses prachtvolle Vgl. Dohna,
Alexander zu, Grommelt, Carl, Mertens, Christine von, Das Dohnasche Schloß
Schlobitten in Ostpreußen. Bau- und Kunstdenkmäler des Deutschen Ostens,
Reihe B, Band 5, Stuttgart 1965.
[Schließen]Schloss zeigt noch den Glanz, in den
diese Familie zu Friedrich I. Zeiten
lebte; der 1622 bis 1624 ließ
Abraham zu Dohna das Schloss
im frühbarocken Stil nach holländischen Vorlagen errichten. Die
Kellergewölbe des Vorbaus aus dem 16. Jahrhundert wurden dabei integriert.
Im polnisch-schwedischen Krieg wurde das Schloss verwüstet und nur
notdürftig wiederhergestellt. Während nach Dohnas Tod dessen Witwe Teile des
Anwesens noch einige Jahre bewohnte, residierte sein Neffe und Erbe
Friedrich von Dohna am Genfer
See. Erst dessen Sohn Alexander zu
Dohna-Schlobitten baute das Schloss 1695 bis 1722 nach
Entwürfen von Jean Baptiste Broebes
im Stil des Hochbarock wieder auf, erweiterte es um eine zweite
Galerie und setzte zwei rechtwinklig anschließende Flügel an, so dass das
Gebäude einen Ehrenhof hufeisenförmig umschloss. Der weitere Ausbau ab 1704
durch Johann Caspar Hindersin.
Dabei wurde der äußere Marstallhof mit niedrigen Verbindungstrakten umgeben,
das Herrenhaus um ein drittes Geschoss erweitert und ein Mansarddach
aufgesetzt.
[Schließen]Marschall Graf Dohna hat es erbauen und
einrichten lassen. Sein Enkel, der jetzige Besitzer, ist abwesend,
aber ein französischer Offizier, den er im Dienst hat, macht den Wirt. Am folgenden
Tag fahren wir nach dem Mittagessen nach Lauck, wo eine andere Linie der Dohna ihren Sitz hat, und wo ich
eine ebenso freundliche Aufnahme finde. Alle diese Häuser sind sehr hübsch
eingerichtet und haben alle schöne Gärten. Am 18. reise ich von Schlodien ab, tief
gerührt von der Freundlichkeit der ganzen Familie Dohna. Der Graf erweist mir dazu
noch die Aufmerksamkeit, mir Pferde zu stellen, wodurch meine Reise bedeutend
beschleunigt wird. Ich fahre durch das Bistum Ermland. In Heilsberg
feiert man das Fronleichnamsfest und ich komme gerade zu einer schönen Prozession.
In Schippenbeil, wo der Oberstleutnant
Rohr mich sehr freundlich aufnimmt,
will ich übernachten, da aber Pferde von Steinort dort eintreffen, so reise ich weiter, komme nachts in
Dönhoffstädt an, das ein Vgl.
Lorck, Carl von, Die deutsche Herrenhäuser. Band 1: Herrenhäuser
Ostpreußens. Bauart und Kulturgehalt. Mit beschreibendem Verzeichnis,
Königsberg 1933.
[Schließen]prachtvolles Schloss ist, und am anderen Mittag treffe ich
glücklich in Steinort ein. In Drengfurth fand ich schon die Mehrzahl meiner
Bauern vor; sie warteten zu Pferde auf mich, um mir das Geleite zu geben, und ich
war tief gerührt über diesen Beweis der Anhänglichkeit der armen Leute. In der
großen Allee traf ich meinen Schwager Schlieben mit seiner Familie und meinen Nichten Ysenburg, die mich
alle aufs herzlichste begrüßten, und im Dorfe kam mir auch meine Schwester Schlieben entgegen, die ich seit 17 Jahren nicht
mehr gesehen hatte. Eine unendliche Rührung überkam mich, besonders, als ich an das
Bett meiner kranken Mutter trat. Ein so
herrliches Gefühl wie die Freude, des Wiedersehens geht über alle Freuden und
Genüsse, welche die große Welt gewöhnlich bietet und die stets von Missgunst, Ärger
und Verdruss begleitet sind.
Mit süßem Behagen genieße ich das Landleben, das ich tausendmal angenehmer finde,
als ich es mir gedacht hatte. Ich lasse im Garten einige Veränderungen vornehmen,
lasse Alleen aushauen und bin so mit Leib und Seele bei diesen Arbeiten, dass ich
mit Josua ausrufen möchte: Sonne, bleibe stehen! Eine wahre Angst erfasst mich, wenn
ich so einen Tag um den andren verfliegen sehe. Meine Nachbarn kommen zu mir auf
Besuch, unter anderen ein Major Graf
Schlieben vom Regiment Tettenborn, ein sehr liebenswürdiger Herr. Die Gesellschaft meiner
Nichten bereitet mir ebenfalls viel Vergnügen; es sind anmutige, unschuldsvolle und
hübsche junge Mädchen. So habe ich nach all dem Leid, das mir widerfahren, doch
wieder einmal ein paar frohe Tage. Aus Berlin schreibt man mir, dass die Vgl. Militär und Gesellschaft in Preußen Quellen zur
Militärsozialisation 1713 - 1806. Archivalien in Berlin, Dessau und Leipzig,
hrsg. von Jürgen Kloosterhuis, Bernhard R. Kroener, Klaus Neitmann und Ralf
Pröve, bearb. von Peter Bahl, Claudia Nowak und Ralf Pröve, Berlin
2015.
[Schließen]Affaire
Schmettow bezüglich der Misshandlung des Knaben nun entschieden und er zu
drei Monaten Festungshaft in Spandau verurteilt worden ist.Herr v. Larrey ist in Berlin angekommen, um für den Prinzen von
Oranien um die Hand der Prinzessin Wilhelmine anzuhalten. Die Feste, die
bei dieser Gelegenheit veranstaltet werden, locken mich nicht im geringsten; einen
Tag in unserem Steinorter Garten spazieren zu gehen, ist mir lieber als aller
Berliner Festlichkeiten.
Julie. ich mache mit meiner Schwester Schlieben, ihren beiden Töchtern und meinen Nichten Ysenburg einen Besuch in Dönhoffstädt. Die schönen Promenaden und der prächtige Park dieses Ortes bereiten uns einen köstlichen Tag. Am folgenden Tag begeben wir uns nach Heiligelinde, einem hierzulande berühmten Markte. Hier treffe ich eine große Zahl unseres Adels, darunter ziemlich lächerliche Persönlichkeiten, so eine Frau v. Hirsch, geborene Gräfin Geßler, die beschuldigt wird, ein paar Ohrringe gestohlen zu haben. Auch die Obermarschallin Gröben, geborene Gräfin Truchseß, ist da, eine reizende Dame, die am größten Hofe glänzen könnte. Der Ort liegt prächtig, und wir gehen lange darin spazieren. Anderen Tags gehe ich mit meinem Schwager und meiner Schwester nach Prassen zu einem Freiherrn Eulenburg. Dieses Gut ist gleichfalls sehr hübsch. Abends begeben wir uns wieder nach Dönhoffstädt, und Tags darauf kehre ich mit Vergnügen nach Steinort zurück, wo es mir doch immer am besten gefällt.
10. Juli. Herr von Klinckowström, Hauptmann im Regiment Lehwald, ein sehr
achtungswerter Mann, den ich seinerzeit als Adjutanten des Prinzen Heinrich kennengelernt hatte, besucht
mich. Er erzählt mir, er plane eine Reise nach Polen und besonders nach Bialystok, der Residenz des Großhetmanns Branicki, des Schwagers des Königs von Polen.
Kurz entschlossen erkläre ich mich bereit, ihn zu begleiten. Graf Schlieben macht die Reise mit. Die erste Nacht
bleiben wir in Lawken, einem königlichen
Amt bei Rhein. Die dortige Amtmännin
Scholtz nimmt uns sehr freundlich auf.
Ihre Tochter, die nach sechswöchiger Ehe mit dem Baron von Eulenburg auf Romsdorf sich von diesem hat scheiden
lassen, ist eine recht sonderbare Person. Sie unterhält uns mit der Erzählung ihrer
sämtlichen Abenteuer mit ihrem Baron. Wir reisen weiter, passieren den Durch einen engen
Kanal ist der Spirdingsee mit dem Nikolaiker See, dem Beldahnsee und dem
Lucknainer See verbunden.
[Schließen]Spirdingsee und den neuen Kanal, der dem Lande von geringem
Nutzen zu sein scheint, und übernachten dann in Arys, einer kleinen Stadt an der polnischen
Grenze, die noch zu Preußen gehört und eine Garnison vom Regiment Malachowski hat.
Wir logieren beim Bürgermeister. Am folgenden Tag kommen wir mittags in Bentschkowo in Polen an. Das Gasthaus gehört einem Edelmann. Wie sehen Towarcy
darin, eine Art polnischer Miliz, die sich hier noch immer erhalten hat. Ich finde
Polen in einem viel besseren Zustande, als ich es mir gedacht hatte. Die Felder sind
gut bestellt, die Herbergen ziemlich sauber und das Volk sehr dienstfertig. Wir
übernachten in Ossowez, wo der Amtmann,
gleichfalls Jude, uns alle möglichen Bequemlichkeiten verschafft. Er lässt und zum
Übernachten eine Scheune recht sauber herrichten. Am folgenden Tage überschreiten
wird in Booten den Bobr, einen ziemlich großen Fluss, und speisen zu Mittag in der
polnischen Stadt Knyszyn, einem
abscheulichen Nest mit Holzhäusern, die so leicht gebaut sind, dass man glaubt, der
geringste Wind müsse sie umwerfen. Regen und Schnee dringen überall durch, aber das
Volk ist daran gewöhnt und fühlt sich nicht unglücklich dabei. Die Juden verwalten
sämtliche Ämter. Vgl.
Hanna, Georg-Wilhelm, Ministerialität, Macht und Mediatisieren. Die
Ritteradligen von Hutten, ihre soziale Stellung in Kirche und Staat bis
zum Ende des Alten Reiches Dissertation, Hanau 2007
[Schließen]Die Stadt gehört den Czapski, einer in Polen sehr angesehenen
Familie, aber der jetzige Besitzer ist aus dem Lande verbannt und seine
Güter sind daher ganz in Verfall.
Nachmittags kommen wir nach Dobrzniew,
seinem früheren Wohnsitz. Das Schloss samt der dazu gehörigen Stadt bildet eine
vollkommenen Ruine. Sämtliche Häuser sind eingestürzt, und das Schloss, das ein
schöner Bau im italienischen Stil war, könnte jetzt ebenso gut in Herculanum stehen.
Man sieht noch die Spuren eines sehr schönen Gartens. Trotz der damit verbundenen
Gefahr treten wir in das Schloss ein, wo man noch schöne Skulpturen und
Goldverzierungen sieht, die der Zeit widerstanden haben. Die Bibliothek ist noch
vollständig erhalten; es sind hübsche Statuen, schöne Schränke und viele
Goldverzierungen zu sehen, aber da der Schlüssel dazu verlegt ist, so kann ich mir
über die Auswahl der Bücher kein Urteil verschaffen. Wir scheiden wieder von diesen
Resten vergangener Pracht, überschreiten nochmals den Bobr auf einer eine halbe
Viertelmeile langen Brücke und langen gegen 5 Uhr abends in Bialystok an. Die Alleen sind prächtig, Sobald
man das Gebiet des Großhetmanns Branicki
betreten hat, ist von der bekannten polnischen Liederlichkeit nichts mehr zu spüren.
Die Gebäude sind schön, und Vgl.
Büsching, Anton Friedrich, Auszug aus einer Erdbeschreibung. Erster Teil,
welcher Europa und den nördlichen Teil von Asia enthält. Hamburg
1771.
[Schließen]Herr Büsching hat recht, wenn er diesen Ort
das Versailles Polens nennt. Es ist eine schöne Stadt, die in mancher Hinsicht an
Leipzig erinnert. Vor dem Rathaus ist
ein großer, mit einer Statue der Gerechtigkeit geschmückter Platz. Auf dem
Paradeplatz steht das Standbild des Mars. Die schnurgeraden und mit Bäumen
bepflanzten Straßen haben schöne Läden. Man findet hier fast alle Nationen
vertreten. Ich bin höchst überrascht, einen so hübschen Ort hier zu finden, der
sicherlich bekannter zu werden verdiente. Was zu dem Übrigen nicht passt, das sind
die Gasthäuser, die Juden gehören und denen es darum an den nötigen Bequemlichkeiten
fehlt. In unserer großen Betrübnis erfahren wir, dass der Großhetmann abwesend ist
und seine Gemahlin ebenfalls. Dieser ganze Hof hat sich nach Wengrow begeben, um die Konföderation gegen den
König zu unterstützen. Wir müssen uns also mit dem Vergnügen trösten, das uns die
Besichtigung der Schönheiten dieses Ortes bereiten wird. Der Kommandant, Oberst
Zakrzewski, lässt uns sofort begrüßen,
worauf wir ihn besuchen. Er stellt uns seine Gemahlin und seine Tochter vor, die
eine wahre Schönheit und ein Muster guter Erziehung ist. Wir erfahren hier, dass
eine junge Prinzessin Poniatowski, eine
Tochter des Oberkammerherrn und Nichte des Königs, sich mit ihrer Gouvernante in
Bialystok aufhält. Ich schicke
sofort zu ihr und lasse fragen, wann ich ihr meine Aufwartung machen könne.
Unterdessen begeben wir uns in den Park, und ich bin überrascht über seine Schönheit
und Großartigkeit und den Geschmack, der überall herrscht. Gebäude, Gärten, Alleen
und Kolonnaden, alles ist einer königlichen Residenz würdig. Der Park ist vor allem
so großartig, dass ich ihm in ganz Deutschland nur den Potsdamer und den Kasseler
vorziehen würde. Auf unserem köstlichen Spaziergang stoßen wir alle Augenblicke auf
neue angenehme Überraschungen. Mittlerweile hat die Prinzessin hergeschickt und
lässt uns begrüßen und für den folgenden Tag zum Diner einladen. Der Kommandant hat
die Freundschaft, uns zum Frühstück einzuladen. Um 11 begeben wir uns ins Schloss,
die Janitscharengarde steht unter dem Gewehr, und wir werden zu der jungen
Prinzessin geführt. Sie ist ein reizendes Kind und ihre Gouvernante, Frau Munier aus Lothringen, eine feingebildete Dame.
Man zeigt uns das ganze Schloss. Seine prachtvolle Ausstattung ist ganz in
französischem Stile gehalten; man glaubt sich förmlich nach Paris versetzt, wenn man diese reichen Möbel und
diese Einrichtung der Zimmer vor Augen hat. Wir verbringen diesen Tag sehr angenehm.
Ich mache die Bekanntschaft des Herrn Husarzewski-Postolniko, eines sehr freundlichen Alten, sowie der
Generale
Puschetti
(?) und Raucourt, die alle zum Hofe des Großhetmanns gehören. Wir
besichtigen das Opernhaus, das sehr hübsch gebaut ist, sowie die prächtigen
Lustschlösser im Park. Alles verrät eben den großen Herrn. Er hat ja auch 1.200.000
Rubel an eigenem Einkommen ohne das, was ihm seine Ämter und Starosteien einbringen;
im Ganzen verfügt er demnach über ganz gewaltige Summen. Der Kommandant macht uns
den liebenswürdigen Vorschlag, uns auch die übrigen Schlösser des Großhetmanns zu
zeigen. Nachdem wir bei ihm gefrühstückt und in Bialystok die herrliche Kirche besichtigt haben, fahren wir
zunächst durch eine sehr schöne Allee nach Bisovistok. Es ist das ein nett ausmöbliertes niedliches Häuschen,
ringsum mit Lauben umgeben und darüber eine Plattform mit einer Galerie, von der man
einen prächtigen Blick ins Land hat. Überall herrscht größte Sauberkeit, was ich in
Polen von allem am wenigsten erwartet hätte. Von hier gehen wir nach Choroszcz, einem zum Witwensitz der Gemahlin
des Großhetmanns bestimmten Schlosse, das anderthalb Meilen von Bialystok entfernt
ist und, obwohl in ganz anderem Stil gehalten, dem ersteren an Pracht und
Großartigkeit nicht nachsteht. Bevor man zum Schloss gelangt, kommt man zunächst
durch eine schöne Allee, an deren Ausgang man ein Hauptgebäude und sechs
Seitengebäude, je drei an jeder Seite, vor sich hat. Eine Steinbrücke führt zum
Eingang. Beim Eintritt in den Garten staune ich über den reizenden Blick, den der
Garten und besonders seine Perspektive dem Beschauer bietet. Der ganze Garten war
früher ein Sumpf, und er ist deshalb auch noch von breiten Kanälen umgeben und
durchzogen, auf denen man in reizenden Gondeln spazieren fährt. Das Schloss ist
nicht so groß wie prächtig. Seine innere Einteilung ist vortrefflich. Es hat zwei
Stockwerke. Das obere enthält die Fremdenzimmer, während in den unteren die Räume
ungefähr folgendermaßen verteilt sind: Rechts und links vom Eingang ist je eine
Garderobe, nach vorn liegt der in grün und gold möblierte Mittelsaal mit
chinesischen Figuren, an ihn schließt sich rechts das Vorzimmer der Prinzessin an,
das in Pekingseide mit gemalten Blumen auf weißem Grunde gehalten ist, links das
Vorzimmer des Herrn. Zwischen den Vorzimmern und den Garderoben befindet sich auf
beiden Seiten noch je ein Nebenzimmer, das auf der rechten mit einer Nische. Die
Seitengebäude sind alle gut ausmöbliert und sehr praktisch eingerichtet. Nachdem wir
unseren Rundgang durch sämtliche Gebäude beendet haben, begeben wir uns zum Amtmann,
der uns ein sehr gutes Mittagessen vorsetzt. Nachher kehren wir wieder nach dem
Garten zurück, gondeln auf dem Kanal und besichtigen dann die sehr schöne Kirche,
die der Großhetmann ganz neu hat bauen lassen. Von dort gehen wir zur Fasanerie, die
über 100 Fasanen zählt und einen prächtigen Park hat. Hier befindet sich noch ein
weiteres hübsches Haus. Dann kehren wir nach Bialystok zurück und steigen am großen Park ab, wo wir die junge
Prinzessin und den ganzen Hof beisammen finden. Frau Munier, ihre Gouvernante, ist eine so liebenswürdige und geistvolle
Frau wie kaum eine zweite; ich unterhalte mich lange mit ihr. Obgleich wir am
folgenden Tage in aller Frühe abreisen wollen, ladet man uns nochmals zum Diner ein,
um uns noch eine Menge Dinge zu zeigen, die uns entgangen sind. Am selben Abend
speisen wir beim Kommandanten, Herrn Zakrzewski, der uns ein ausgezeichnetes Souper gibt, obgleich alle
10 Gerichte aus Kalbfleisch bereitet sind. Von Wengrow sind Nachrichten eingetroffen, nach denen der Großhetmann
entweder nach Warschau weiterreisen oder
zurückkehren wird. Herr v. Klinkowström
beschließt deshalb, noch in derselben Nacht abzureisen, um ihn noch in Wengrow
anzutreffen, da er von dort nach Warschau weiterreisen will. Er verabschiedet sich
daher von uns und wir verbringen die Nacht noch im Weißen Schwan. Nachdem wir am
folgenden Tage nochmal bei unserem guten Kommandanten gefrühstückt haben, besteigen
wir den Wagen und durchstreifen alle die ungeheuren Parke, die eine Ausdehnung von
anderthalb Meilen haben und Hirsche, Damhirsche und Rehe in Menge beherbergen. Dann
fahren wir bei sämtlichen Kavalieren vor und besuchen auch eine Sängerin. Wir
dinieren bei der Prinzessin, und nachdem wir uns von ihr verabschiedet haben, sehen
wir noch den Tänzen junger Polen und Polinnen zu, die für ein Opernballet eingeübt
werden. Auch eine sehr schöne italienische Sängerin besuchen wir noch. Sehr
befriedigt treten wir dann unsere Rückreise an, übernachten in Knyszyn, überschreiten am folgenden Tag den
Bobr bei Ossowez, wo wir zu Mittag
speisen, und kommen abends in
Szcuyzyn
[Schließen]Schtschutschin an, einer kleinen Stadt an der
preußischen Grenze, wo wir übernachten. Ich besuche hier das Jesuitenkloster, mit
welchem ein Kolleg verbunden ist, in dem die polnische Jugend erzogen wird und das
zur Zeit über 200 Schüler hat. Am folgenden Tage kommen wir nach Drygallen, wo uns der Amtmann Saffran zum Kaffee einladet. Zu Mittag sind wir
in Arys und abends in Lawken, wo wir bei der Baronin Eulenburg sehr gut aufgenommen werden.
Wir übernachten hier und fahren am folgende Tag zu einem Herrn v. Foller, bei dem wir zu Mittag zu speisen
gedachten. Da wir aber bemerken, dass wir den Wirt in Verlegenheit bringen, so
steigen wir schleunigst wieder in unseren Wagen und speisen sehr einfach im
Rosengarten. Am 18. um 4 Uhr nachmittags lange ich wieder in Steinort an und freue mich, wieder glücklich zu
Hause im Kreise meiner Familien zu sein. Mit köstlichem Behagen genieße in die Reize
des Landlebens. Nachts schlafe ich mit dem Grafen Schlieben auf einer kleinen Insel, die wir in der Mitte eines großen
Sees haben. Es ist das die reizendste Einsiedelei, die es nur geben kann; man hat
hier das Gefühl, als sei man der einzige Mensch auf der Welt. Den ganzen Vormittag
fahren wir im Boot auf dem weiten See umher und durchstöbern die Inseln, die darin
liegen. Es handelt sich um den
Pächter Columbus in Amalienruh,
vgl. LASA, StA L, Bestand 21950 FA Lehndorff, Nr. 270, Bl. 1. Sein
Verwandter Johann Daniel Columbus
war Waldhüter in Taberlack, GStA PK, XX. HA, Rep. 54 Gutsarchiv
Lehndorff-Steinort, Nr. 694.
[Schließen] Auf einer von ihnen hat ein Mann namens
Collumbus eine ganz hübsche
Ansiedlung gegründet; er hat ein Haus gebaut, Felder hergerichtet und einen
Garten angelegt. Mit der Zeit können wir daraus eine Erhöhung unserer Einkünfte erzielen.
Nachmittags kommt meine Schwester mit
meinen Nichten zu uns herüber, die uns mitteilen, dass wir am folgenden Tag nach
Angerburg zum Diner zu Herrn v.
Gröben eingeladen sind. Diese
Nachricht kommt uns sehr unerwünscht, denn wir hatten vor, noch einige Tage in
unserer reizenden Einsiedelei zu verbleiben. Im Sommer 1706 war auf dem dortigen Werder ein
Gartenhaus erbaut worden, vgl. GStA PK, XX. HA, Rep. 54 Gutsarchiv
Lehndorff-Steinort, Nr. 316 (Vertrag von Maria Eleonora Gräfin Lehndorff mit
dem Baumeister Hedaman, 18. Juli 1706).
[Schließen]Anderen Tags
begebe ich mich daher nach Pristanien, kleide mich dort um und fahre mit meiner
Mutter, die von Steinort hergekommen ist, nach Angerburg. Dort werden wir sehr freundlich
aufgenommen und ich mache da die Bekanntschaft der Offiziere vom Regiment
Tettenborn. Dieses Offizierskorps stellt das Berliner weit in den Schatten. Generalleutnant Hans
Heinrich von Katte, 1718-1741 Chef des in Angerburg stehenden Kürassierregiments
Nr. 9, war vom preußischen König mit den Gütern Reußen und Thiergarten belehnt worden. Im Dezember
1734 verkaufte von Katte anscheinend das Gutshaus Reußen an den polnischen
Kron-Schatzmeister Grafen von Ossolinski (GStA PK, II. HA, Abt. 7 Ostpreußen und Litauen
Gen.-Dir. II Nr. 5722), vielleicht als ein mögliches Quartier für den
gestürzten König Stanislaus I.
Leszczynski von Polen, dem Friedrich Wilhelm I. in Königsberg Asyl gegeben hatte; 1734 und 1736 hielt sich
Stanislaus I., mit dessen Geleitschutz der preußische König von Katte
beauftragt hatte, auch in Angerburg auf und wohnte dort im Schloss. Graf
Franciszek Maxymilian von Ossolinski beherbergte im Gutshaus Reußen von ca.
April 1736 bis zum Aufbruch aus Angerburg in sein neues Herzogtum Lothringen
am 5. Mai 1736 Stanislaus I. Leszczynski eine Zeitlang und folgte ihm später
nach. Wahrscheinlich hat von Katte dann das Gut zurückerlangt. - Für die
Anmerkung danke ich Dr. Torsten Woitkowitz, Sächsische Akademie der
Wissenschaften zu Leipzig. Zu Reußen: https://ostpreußen.net/ostpreussen/orte.php?stadt=45. - Das
Gutshaus in Ruska Wieś ist erreichbar über die Straße Przemysłowa, die
direkt in den Gutshof mündet (Gebäude Nr. 17).
[Schließen]Bei Angerburg sehe ich ein sehr hübsches Gut, das
Reußen heißt und das König
Stanislaus einst verschönert und bewohnt hat.
August. In aller Ruhe genieße ich das Landleben. Ich reite aus, sehe bei der Ernte zu und fahre auf dem See spaziere, kurz, es gefällt mir in Preußen ausgezeichnet, und wenn Gott es so will, werde ich mit Freuden hier bleiben. Ich bekomme oft Briefe von Berlin. Was ist das doch für eine Welt der Aufregungen Editorische Auslassung [...] und ich freue mich unendlich, diese Tage in meiner Waldeinsamkeit tausendmal glücklicher zu verbringen, als wenn ich mit in diesem Trubel wäre. Der einzige Kummer, der mich plagt, ist der Gedanke, bald nach Berlin zurückkehren zu müssen, um der Feier der Vermählung der Prinzessin Wilhelmine beizuwohnen. Alle diese Feste haben nicht den geringsten Reiz mehr für mich, und schon der Gedanke, daran teilnehmen zu müssen, verdirbt mir die Laune.
Ich bleibe noch bis zum 24. August in Steinort im wonnigen Genusse der Einsamkeit. Dann reise ich mit meiner ganzen Familie nach Gerdauen, einem schönen Schlosse, das dem Grafen Schlieben, dem Bruder meines Schwagers, gehört. Hier wohnte früher eine Prinzessin von Hessen-Homburg, die mit dem Onkel des Grafen verheiratet war. Am folgenden Tag reise ich nach Sanditten. Unterwegs kommen wir durch einen dem Grafen Schlieben gehörigen Wald, in welchem das prächtige Schloss Georgenberg steht, das so einsam daliegt, dass es einen an die Zeiten der Einsiedler erinnert. Wir nehmen hier einen Imbiss ein und kommen dann nach Sanditten, einem prachtvollen Landsitz mit einem schönen, ganz modernen Schlosse mit geräumigen, sehr gut ausgestatteten Gemächern und einer wundervollen Aussicht auf weite, von den anmutigen Windungen des beständig mit Schiffen bedeckten Pregelflusses durchzogene Wiesengelände und auf die Stadt Wehlau jenseits des Flusses. Mit einem Wort, es ist ein wahrer Fürstensitz. Meine Schwester und ihr Gatte bewirten uns hier großartig. Wir haben immerfort gute Gesellschaft, besonders aus der nahen Garnison Wehlau, deren Zierde Frau v. Hirsch und Frau v. Buddenbrock bilden. Jeder Tag bringt eine Menge Zerstreuungen wie Jagd, Feuerwerke und Spaziergänge.
Am 31. begebe ich mich nach Königsberg, das noch 7 Meilen von Sanditten entfernt ist. Die Gegend hier ist reizend; immerfort kommt man an wohlhabenden adligen Gütern vorüber. Dieser Teil des Landes steht in nichts dem Herzogtum Magdeburg nach.
September. Bei meiner Ankunft in Königsberg bekomme ich ein lästiges
Schnupfenfieber, das mich drei Tage ans Zimmer fesselt. Der ganze Adel schickt mir
freundliche Grüße, und sobald ich wieder ausgehe, werde ich fortwährend zu
Gastereien eingeladen. Mittags speise ich bei der Oberburggräfin Kunheim, abends bei Herrn v. Pelet, am folgenden Tag zu Mittag bei Marschall
Lehwald und abends bei der Gräfin Schlieben, am dritten Tag bin ich beim
General Kanitz und abends nochmals bei der
Gräfin Schlieben. Königsberg hat eine
prächtige Lage, aber der Handel, für den diese Stadt außerordentlich günstig gelegen
ist, liegt darnieder, während er in Danzig in höchster Blüte steht. Das macht die Freiheit, deren sich
letzteres erfreut. Der Erbteilungsrezess vom
1. Dezember 1777, nach dem Landkeim in den Besitz Lehndorffs überging, in:
GStA PK, XX. HA, Rep. 54 Gutsarchiv Lehndorff-Steinort, Nr. 13, n. f.
[Schließen]Am Sonntag gehe ich nach Strittkeim, Landkeim, Lehden und Greibau, lauter Güter, die mir meine
Mutter abtritt. Ich finde sie etwas heruntergekommen, aber meine Freude, mich wieder an einem
Ort zu befinden, wo ich geboren bin und meine erste Jugend verlebt habe, ist darum
nicht minder groß, und die Felder und die Gegend zu durchwandern, hat für mich einen
besonderen Reiz. Am folgenden Tage gehe ich nach Bledau, einem Gut, das dem Staatsminister Korff gehört. Hier finde ich sehr gute
Gesellschaft, vor allem die reizende Tochter des Hauses, die mit viel Geist und
Talent ein Benehmen verbindet, das der Erziehung, die sie genossen, alle Ehre macht.
Ich verbringe hier einen recht angenehmen Tag und kehre dann mit meinem Schwager
Schlieben und Herrn v. Klinkowström nach Königsberg zurück. Am folgenden Tag diniere ich beim Präsidenten
Domhardt und abends beim Prinzen von Holstein, einem sehr zuvorkommenden
alten Herrn, der uns hier gut bewirtet. Nachher besteige ich mit dem Grafen
Schlieben sofort den Wagen, reise die ganze Nacht durch und lange am Morgen in
Sanditten an. Hier bleiben wir einen
Tag, reisen am 10. nach Gerdauen, und am
11. treffe ich um 2 Uhr wieder in Steinort ein. Betrübten Herzens sehe ich den Augenblick herannahen,
wo ich wieder von meiner Familie scheiden muss. Am 15. früh trete ich die Rückreise
an, nachdem ich von meiner Mutter rührenden Abschied genommen. Meine Schwester
Schlieben und meine Nichte Ysenburg begleiten mich bis Rössel, wo wir noch zusammen speisen. Dann
steige ich traurig in den Wagen und komme an demselben Tag noch in Heilsberg an, der Residenz der Bischöfe von
Ermland. Der jetzige ist ein Graf Krasicki,
ein noch junger und liebenswürdiger Herr, der sich aber fast immer in Warschau aufhält, da er ein großer Günstling
des Königs von Polen ist. Am anderen Morgen besichtige ich die bischöfliche Residenz
und fahre wieder weiter. Gegen 6 Uhr abends komme ich an ein Jagdhaus, das dem
Grafen zu Dohna-Schlodien gehört. Hier finde ich eine recht herzliche Aufnahme. Die
Grafen von Lauck und Schlobitten sind da. Letzterer ist ein prächtiger Mann, ein
welterfahrener, geistreicher und interessanter Gesellschafter. Am folgenden Tage
speise ich in der Gesellschaft von 15 Dohnas, lauter vortreffliche und vornehme
Leute, und gegen 5 Uhr abends reise ich nach Schlobitten zusammen mit dem Herrn dieses Ortes weiter. Unterwegs
halten wir in Carwinden bei der
verwitweten Gräfin Dohna, die hier wohnt. Ich treffe da die Gräfin Sophie Charlotte mit ihrer sehr liebenswürdigen
Nichte. Auf letztere habe ich einige Absichten, kann aber noch zu keinem Entschluss
kommen. Ich überlasse es der Vorsehung Gottes, mein Schicksal zu leiten. Nachdem ich
in Schlodien übernachtet, reise ich am
anderen Morgen früh weiter. In Elbing
nehme ich bei einem Königlichen Rat den Kaffee ein, dann fahre ich, die Nogat und
die Weichsel überschreitend, durch den Elbinger und Danziger Werder. Ich übernachte
in einem sehr schlechten Gasthaus eine Meile von Danzig und komme am anderen Morgen um 8 Uhr in dieser Stadt an.
Sofort gehe ich zu Kaufleuten, um mir Stoffe zu einem Kleide für die Hochzeit des
Prinzen von Oranien anzusehen. Dann mache ich dem Starosten Korff einen Besuch und soupiere beim russischen
Residenten Herrn v. Rehbinder, der der
höflichste Mensch ist, den ich kenne. Seine Gattin ist eine ausgezeichnete Frau, und
ihre Schwester, Fräulein v. Kalnein, trägt
noch in besonderem Maße dazu bei, die Gesellschaft recht angenehm zu gestalten.
Diese vortrefflichen Leute überhäufen mich mit Freundlichkeiten. Tags darauf speise
ich beim Kammerherrn Grafen Husarzewski,
mache der Fürstin Sanguszko einen Besuch
und soupiere ausgezeichnet beim Starosten Korff. Dieser ist ein Mann von Geist, und
seine Gattin, eine Engländerin, die ihm viel Vermögen gebracht hat, ist eine sehr
gute Frau. Sonntags gehe ich mit dem holländischen Residenten Herrn Sonermann in die reformierte Kirche, diniere in
Oliva beim Abte und soupiere
nochmals beim Starosten Korff. Dienstag speise ich im Garten des Herrn Zoermans, der
mir die köstlichsten Früchte vorsetzt. Er ist einer der geschicktesten Gärtner, die
ich kennengelernt; er hat es fertig gebracht, hier im Norden die ausgezeichnetesten
Pfirsiche und Trauben zu pflanzen. Nachher mache ich mit dem dänischen Residenten
einen Besuch bei der Fürstin Sulkowska und
soupiere nochmals bei unserem guten russischen Residenten. Am 23. reise ich morgens
von Danzig ab und komme am 24. um 7 Uhr
morgens in Stolp an, wo der Amtmann mir
ein hübsches Frühstück gibt. Ich übernachte in Köslin und komme am 25. mittags nach Naugard. Hier entschließe ich mich, über
Stettin zu fahren, wo ich am 26.
anlange. Ich speise am 27. beim Herzog von Bevern und verbringe den Abend mit meiner guten Schwester Podewils, von der ich mich am 28. wieder
verabschiede. Am 29. mittags komme ich abgespannt und verdrossen in Berlin an. In Preußen hatte ich stets eine gute und angenehme Gesellschaft um
mich, ging spazieren und lag meinen Geschäften ob. Toilette war mir Nebensache.
Jetzt befinde ich mich auf einmal wieder in einer ganz anderen Lage. Den ganzen Tag
muss ich mich mit Dingen abgeben; beständig laufe ich umher und habe keine ruhige
Minute für mich. Jetzt heißt es zunächst an Luxussachen denken, selbst wenn man kaum
das Notwendigste hat.
Der Prinz von
Oranien trifft am 2. Oktober ein. Zu den Vermählungsfeierlichkeiten
ebd., S. 84 ff.
[Schließen]Hier dreht sich alles um die Ankunft und bevorstehende
Vermählung des Prinzen von
Oranien. Die Prinzessin Wilhelmine scheint sich sehr zu freuen, und
ihre Hofmeisterin, Fräulein v. Danckelmann, kennt sich selbst nicht mehr, die Vorbereitungen
auf das große Ereignis nehmen sie vollständig in Anspruch.
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