Editorische Auslassung [...]
Ich kehre nach Hause zurück, um so recht Betrachtungen über die
Menschen anzustellen. Um sie richtig zu behandeln, muss man sie kennenlernen; dem
gebe ich mich daher eifrig hin. Ich beginne bei mir selbst. Ich prüfe mich täglich,
und sehr oft habe ich etwas an mir auszusetzen. Hier ist meine Charakteristik, die
ich mit meinem Äußeren beginne. Man sagt, dass es darauf bei einem Manne nicht
ankommt, aber ich behaupte das Gegenteil. Nach dem Äußeren schließt man recht oft
auf den Charakter, und ich habe selten eine schöne Seele in einem hässlichen Körper
wohnen sehen. Ich bin gut gewachsen, von mehr als Mittelgröße, aber da ich hinke, so
befinde ich mich in dem Falle des Pfauen, der, sagt man, seinen Schweif senkt, wenn
er seine hässlichen Füße anblickt. Ich habe einen schönen Kopf, ein frisches
Gesicht, aschblondes, an den Seiten reiches, die Stirn freilassendes Haar, was mir
eine offene Physiognomie verleiht. Was den Bart anbetrifft, so habe ich davon nur so
viel, wie ich haben muss. Meine Augen sind blau und groß, was mir einen
melancholischen Zug verleiht. Mein Mund ist klein, meine Zähne weiß und sehr gut
stehend. Dazu zähle ich 25 Jahre. So sehe ich vom Kopf bis zu den Füßen aus, und so
bin ich den Menschen bekannt. Man hat mich nicht im Verdacht, ein Philosoph zu sein,
und doch ist das meine Hauptleidenschaft. Die Gesellschaften, in denen man
philosophiert, liebe ich außerordentlich. Ich höre dann gern zu, und unter Leuten
von gesundem Urteil fühle ich mich durchaus am Platze. Am Rand: „Die Grappendorf und
der Hof“. Siehe die Äußerung des Prinzen Heinrich gegenüber
Lehndorff, in: Schmidt-Lötzen, Nachträge, Bd. 1, S. 14 (1. März 1753).
[Schließen]In
Berlin gibt es ein
Haus, wo man mich keiner ernsten Betrachtung für fähig hält, und Am Rand:
„bei Reuß und dem größten Teil der vernünftigen
Leute“
[Schließen]in einem anderen begreift man nicht, dass ich an Nichtigkeiten
Vergnügen finden kann. Dabei ist meinerseits keine Heuchelei im Spiel; ich bin in
diesen verschiedenen Ruf ohne mein Zutun gekommen. Als ich in die Welt trat, neigte
ich zur Zurückgezogenheit. Ich wollte meine Schüchternheit überwinden, da ich
dachte, dass mein ernstes Wesen meinem Fortkommen in der Welt nachteilig sein würde.
Aus diesem Grunde gewöhnte ich mir ein Geschwätz an, das mir oft missfällt und wovon
ich mich jetzt frei machen möchte. Ich rede viel und bin manchmal geistreich, aber
ein andermal wieder sage ich Dinge, die mich selbst anwidern, was Schwätzern oft
begegnet. Was mein Herz anbetrifft, so wage ich zu sagen, dass es gut ist. Ich bin
dienstbereit und von Natur großmütig. Ich bemitleide die Unglücklichen und bedaure,
für sie nicht mehr, als in meiner Macht steht, tun zu können. Ich habe den
lobenswerten Fehler, aufrichtig zu sein und leicht zu durchschauen. Alles, was in
meinem Herzen vorgeht, malt sich auf meinem Gesicht ab, was bei mir mehr die Folge
der Lebhaftigkeit meines Temperaments als die der Tugendhaftigkeit ist. Ich besaß
viel Stolz, aber mein Unglück ließ mich ihn ablegen; ich besitze davon nur noch so
viel, als man haben muss, um nichts Gemeines zu begehen. Es ist mir nicht sowohl
ärgerlich, mich unter sehr vielen Leuten stehen zu sehen, als vielmehr gewisse über
mir, die mir wahrhaftig nichts wert sind. Dem unartigen Benehmen der Dummköpfe
schenke ich nicht die geringste Beachtung, aber das Missfallen eines anständigen
Mannes bringt mich zur Verzweiflung, und der Verlust der Freundschaft der Leute, die
ich hoch achte, tötet mich.
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