Bericht über den 5. Prozess gegen die Verräter- und Verschwörer-Clique des 20. Juli 1944 für „Die Lage‟

In dem 5. Abschnitt des Prozesses gegen die Verräter und Verschwörer-Clique des 20.7.44. wurden vor dem Ersten Senat des Volksgerichtshofes unter Vorsitz von Senatspräsident Nebelung vier ehemalige aktive Offiziere und ein ehemaliger Reserveoffizier abgeurteilt, die sich von den Haupttätern als Handlanger bei den Vorbereitungen des Attentates und des geplanten Putsches gebrauchen ließen. Es handelt sich um

Die verbrecherische Treulosigkeit des Angeklagten Hahn ist umso fluchwürdiger, als er für seine Teilnahme an dem Marsch zur Feldherrenhalle am 9. November 1923 als damaliger Angehöriger der Infanterieschule den Blutorden erhalten hat. Trotzdem hat er nicht nur keine Meldung erstattet, als er im Herbst 1943 von seinem Vorgesetzten, dem bereits abgeurteilten ehemaligen General Fellgiebel, in dessen Dienststelle er Chef des Stabes war, von einem auf den Führer geplanten Mordanschlag erfuhr, er hat auch kurz vor dem 20.7.44 an einer Besprechung teilgenommen, in der von dem abgeurteilten ehemaligen Generalleutnant Thiele und dem durch Selbstmord aus dem Leben geschiedenen ehemaligen General Wagner die Attentatspläne eingehend erörtert und der Attentatstermin vorgesehen wurde. Er hat dem Verräter Stief den Auftrag Wagners übermittelt, dass das Attentat auf den Führer nur stattfinden dürfe, wenn gleichzeitig der  Heinrich Himmler
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Reichsführer SS
beseitigt werden könne, und hat sich auch am 20.7.44 selbst im Führerhauptquartier den Verrätern zur Verfügung gehalten.

Der ehemalige Major Knaak, der als Kommandeur eines Pionier-Bataillons Frontoffizier war, wurde von seinem Freund, dem ehemaligen Major Kuhn, einem Untergebenen des Verräters Stief, in den Verrat verstrickt. Sein Verhalten ist umso unverständlicher, als er auch gesinnungsmäßig mit der defätistischen Offiziers-Clique an sich nichts zu tun hatte. Dadurch aber, dass er es aus falsch verstandener Freundschaft unterließ, Kuhn zu melden, als ihm dieser während eines Heimaturlaubes im November 1943 von dem Attentatsplan Kenntnis gab und ihn fragte, ob er Sprengstoff besorgen könne, hat er sich in die Hand des Verräters begeben. So hat er den abgeurteilten Oberleutnant von Haeften, der im Dezember 1943 im Auftrag Kuhns zu ihm kam, 3 Sprengstoffbüchsen und 3 Brennzünder ausgehändigt, obwohl er sich darüber im Klaren war, dass dieser Sprengstoff zu einem Attentat verwendet werden sollte. An der Verwerflichkeit dieses Verbrechens wird auch dadurch nicht das geringste geändert, dass dieser Sprengstoff zu dem Attentat wenig geeignet war und auch nicht dazu gebracht worden ist.

Der Angeklagte Erdmann . Während des ersten Weltkrieges Reserveoffizier, dann Postinspektor, im Jahre 1935 als E-Offizier reaktiviert, und zuletzt I a beim Stellv. Generalkommando in Königsberg, ist eine subalterne Natur, der dem Einfluss des Mörders Stauffenberg sofort unterlag, als dieser ihn anlässlich einer dienstlichen Besprechung Ende Juni 1944 in den Attentatsplan kurz einweihte und ihn beauftragte, auf ein Stichwort hin den  Erich Koch
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Gauleiter von Ostpreußen
zu verhaften und die öffentlichen Gebäude und den Rundfunksender zu besetzten. Zur Durchführung dieses Auftrages hat er Vorbereitungen zu treffen versucht; er hat auch mit einem Mitverschwörer, einem ehemaligen Rittmeister, vereinbart, dass dieser eine Kompanie Soldaten zur Verfügung stelle, und er hat schließlich mit dem Mitangeklagten ehemaligen Oberleutnant der Reserve Graf Lehndorff vorbereitende Maßnahmen für den Putsch besprochen.

Der Angeklagte Lehndorff , Besitzer eines 24.000 Morgen großen Gutes in Ostpreußen, ist der Typ des preußischen „Junkers‟, wie sein Freund und Gesinnungsgenosse, der fahnenflüchtige General von Tresckow, ihn und sich selbst einmal bezeichnet hat. Durch seinen Freund wurde Lehndorff im Dezember 1943 in die Umsturzpläne eingeweiht und im März 1944 von dem Mörder Stauffenberg als sogenannter „Verbindungsoffizier‟ beim Stellv. Generalkommando I bestellt. Dass er am 20.7.44 nicht in Aktion trat, obwohl er sich bereits in das Stellv. Generalkommando begeben hat, ist nur darauf zurückzuführen, dass ein gütiges Geschick das Attentat und den Putschplan vereitelte.

Der Angeklagte Graf von Drechsel hat sich dem bereits abgeurteilten ehemaligen Major von Leonrod , einem Vertrauten Stauffenbergs, bedenkenlos als sogenannter „Verbindungsoffizier‟ zur Verfügung gestellt, obwohl er sich über den dadurch begangenen Verrat im Klaren war.

Zitierhinweis

Bericht. August 1944. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: lebenswelten-lehndorff.bbaw.de/lehndorff_er1_rdm_xdb