Oldenberg hatte eine
7-wöchige Reise durch Ostpreußen unternommen. Stationen: Königsberg (Ostpreußischer Provinzial-Verein),
Gumbinnen
(Pastoral-Konferenz und kirchliche Feier der Bibelgesellschaft),
sämtliche Kreise Masurens.
Dabei hatte er Verbindung zu den Männern aufgenommen, die „in der
Mitte des kirchlichen und bürgerlichen Gemeinwesens
stehen“.
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Oldenbergs
Agentenreise und die daran sich schließende Tätigkeit
des Central-Ausschusses für Masuren
Editorische Auslassung [...]
Ohne dass wir im Stande wären, hier auf die
Zustände jenes Landesteils des Näheren einzugehen, wollen wir doch zur
allgemeinen Charakterisierung der dort zu lösenden Aufgaben soviel an dieser
Stelle bemerken, dass die dortige evangelische Bevölkerung, so ernstliche
Fürsorge die kirchlichen wie die Staatsbehörden ihr zuwenden, durch das
Zusammentreffen der schwierigsten Verhältnisse, die der amtlichen Einwirkung
sich zum Teil völlig entziehen, in einer höchst ungünstigen Lage sich befindet.
Von den Straßen des großen Verkehr abgeschnitten, durch die russische
Grenzsperre, die fast nur dem Schmuggel sich öffnet, eingeschnürt, durch die
Armut des Bodens gedrückt, ist Masuren in der gesamten Kultur weit
zurückgeblieben und hat erst seit kaum zwei Jahrzehnten unter der Fürsorge der
Königlichen Regierung sich in einigen Kreisen schneller zu heben begonnen. Die
Bevölkerung ist zum Teil polnischer Abstammung aber evangelisch und in
steigendem Maße von deutschen Elementen durchsetzt, die in den meisten Städten
bereits das entschiedene Übergewicht gewonnen haben, während auf dem platten
Lande vielfach noch das Polnische weit überwiegt. Aber dies Vgl.
Kossert, Andreas, Deutsche oder Polen? Die Masuren im Spannungsfeld des
ethnischen Nationalismus 1870-1956, Wiesbaden 2001, v. a. S. 27 ff. Zur
polnischen Frage in Masuren auch: Deutsche Evangelische Kirchenzeitung,
2. April 1898, in: EZA 7/19142, Bl. 67. Zu dem sich „langsam aber
fortschreitend“ vollziehenden Germanisierungsprozess nach
1900 und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts weitere Berichte
ebd., ab Bl. 73.
[Schließen]polnische Element, schon in der Sprache vom Hochpolnisch
abweichend, allen altpolnischen Sympathien durchaus fremd und mit innerer
Zustimmung der Germanisierung näher geführt, ist doch noch weit davon entfernt,
die geistigen Güter des deutschen Volkes schon in sich aufgenommen zu haben.
Unter dem Druck der Armut ist der Trunk in ihm eine Macht geworden, die der
vordringenden Kultur und dem Einfluss von Kirche und Schule nur sehr allmählich
weicht. Durch den zum Teil übermäßigen Umfang der Kirchgemeinden und
Schulsozietäten, durch die Missstände des Hütewesens, das durch die dortigen
agrarischen Verhältnisse in ausgedehntestem Maße zu einem notwendigen Übel
geworden, und durch andere, in der Geschichte und Eigentümlichkeit jenes
Landesteils begründete Notstände ist das geistliche und geistige Gedeihen jener
Bevölkerung seit je in hohem Maße gehemmt gewesen und hat an der Art der
polnischen Bevölkerung, an ihrer Armut, ihrer Trunksucht und ihrem traditionell
überkommenen Aberglauben, trotz der religiösen und kirchlichen Richtung, die
ihrem Charakter eigentümlich ist, die schwersten Hemmungen gefunden. Unter
diesen Umständen ist es möglich geworden, dass Masuren, einerseits von dem
katholischen Westpreußen und russischen Polen, andererseits von dem katholischen
Ermland eingeschlossen, ein Zielpunkt für die Eroberungslust der katholischen
Kirche hat werden können, die, trotz der scheinbaren lutherischen Färbung
national-masurischer Kirchlichkeit, in den angedeuteten Schäden, namentlich auch
in dem weit verbreiteten Aberglauben einen starken Bundesgenossen vorfand. Vor
allem aber war es die durch die Bodenbeschaffenheit bedrängte, durch den Mangel
an Verkehrswegen und den Trunk geförderte Armut eines großen Teils der
ländlichen Bevölkerung Masurens, welche die Haltlosigkeit des bäuerlichen
Grundbesitzes und damit den Zuzug katholischer Käufer herbeigeführt hat, die,
mit überlegenen Geldmitteln ausgestattet, in sichtlich organisierter Weise,
namentlich vom Ermland her, ganze Striche jenes Landesteils an sich gebracht
haben und in mehreren Kreisen den zukünftigen Bestand des evangelischen Kirchen-
und Schulwesens, dessen Interessen dort vielfach mit denen der deutschen
Nationalität zusammenfallen, bedrohen. Gleichzeitig hat der Baptismus in einer Weise sich
eingenistet, dass die von ihm ausgehende Agitation die Neubelebung und
organische Zusammenfassung aller gesund-evangelischen Kräfte der Gemeinden
doppelt erforderlich machen. Editorische Auslassung [...]
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