Knopf:UB Rousseau 1756 Knopf

Johann Jacob Rousseau:
Abhandlung von dem Ursprunge der Ungleichheit unter den Menschen, und worauf sie sich gründe: ins Deutsche übersetzt mit einem Schreiben an den Herrn Magister Leß und einem Briefe Voltairens an den Verfasser vermehret (Berlin: Voß 1756) [256 S.]

Exemplar: LB Sachsen-Anhalt / UB Halle; Digital


Erster Abschnitt, S. 48ff.

S. 59:
/£{Hol-123} / /£{He8, p. 60} / /£{Hes-092,16 / 229,27} /
So ist es mit allen Thieren überhaupt, und, nach dem Berichte der Reisenden, auch mit den meisten wilden Völkern beschaffen. Man muß sich also nicht verwundern, daß die Hottentotten auf dem Vorgebürge der guten Hofnung, die ankommenden Schiffe, mit blossen Augen, von eben so fern entdecken, als die Holländer mit ihren Sehröhren; [...].


Anmerkungen, S. 149ff.

(*_5 / pag. 49)

S. 159f.:
£{Hol-297,02f.} / £{Hes-095,33}
Die Reisende erzehlen uns tausend Exempel, von der Kraft und Leibesstärke der Menschen bey den barbarischen und wilden Völkern. Sie rühmen ebenso sehr ihre Geschicklichkeit und ihre Behendigkeit. [../.] ›Die Hottentotten, sagt eben derselbe Schriftsteller [sc. Colb], zeugen auf der Jagd eine erstaunliche Geschicklichkeit, und Behendigkeit im Laufen, übertrift alle Einbildungskraft.‹ Er verwundert sich darüber, daß sie sich nicht öfters ihrer Hurtigkeit bedienen Unfug anzurichten. Dieses pflegt dennoch nicht selten zu geschehen, wie man aus einem Beyspiele, das er davon anführet, ersehen kann. ›Ein Holländischer Bothsmann, der an das Vorgebürge anlandete, befahl einem Hottentotten ihm eine Rolle Tobak, von ohngefähr zwantzig Pfunden in die Stadt zu folgen. Als sie sich beyde von dem Haufen etwas entfernt hatten, fragte der Hottentotte den Bothsmann, ob er laufen könne? Laufen! versetzte der Holländer, o ja! vortreflich. Laßt sehen, erwiederte der Afrikaner; lief mit seinem Tobak davon, und verschwand fast in eben demselben Augenblicke. Der Schifsmann stutzte über diese erstaunliche Geschwindigkeit, und lies sichs gar nicht in den Sinn kommen, den Wilden nachzusetzen. Er bekam auch nie seinen Toback, noch den Träger wieder zu Gesichte. [...]‹


Zweeter Abschnitt, S. 97ff.

S. 97: Der Erste, welcher ein Stück Landes umzäunete, [...].
S. 103f.: Aus diesem neuen Zustande, den Mann und Frau, Vater und Kinder, in eine gemeinschaftliche Wohnung versammelte, entsprungen die ersten Entwickelungen des menschlichen Gemüths, Die Gewohnheit, welche sie erlangten, mit einander zu leben, erzeugten die allerangenehmsten Empfindungen, die die Menschen je gekannt haben, die eheliche und die väterliche Liebe. Aus einem jeden Geschlechte ward eine kleine Gesellschaft, die nicht anders als in Einigkeit leben konnte, weil sie blos durch das Band der Freyheit und der gegenseitigen Zuneigung verknüpft gewesen ist. Das männliche und weibliche Geschlecht, die bis dahin auf einerley Art gelebt hatten, fingen iezt an, eine / verschiedene Lebensart anzunehmen. Die Weiber blieben fleißiger zu Hause, um auf die Hütte und auf die Kinder acht zu haben, die Männer giengen aus, den gemeinschaftlichen Unterhalt einzuholen. [...]
Die Menschen, [...], wendeten ihre Muße an, sich mit vielen Bequemlichkeiten zu versorgen, davon ihre Väter nichts gewußt haben. Dieses war das erste Joch, dem sie sich, ohne daran zu denken, unterwarfen, und die erste Quelle von Uebel, die sie für ihre Nachkommenschaft zubereiteten.
S. 106f.: Die öffentliche Hochachtung erlangte einen Werth. / Der am besten singen, der am besten tantzen konnte, der Schönste, der Stärkste, der Geschickteste, oder der Beredsamste ward am meisten bemerket. Dieses war der erste Schritt zu Ungleichheit, und zugleich der erste Schritt zum Laster. Der erste Vorrang, den man einigen einräumete, erzeugte hier Stoltz und Verachtung, dort Scham und Neid, und aus dem Gähren dieses ungewohnten Sauerteigs entstunden schädliche Vermischungen für die Glückseeligkeit der Menschen und für ihre Unschuld.


Datum: 01.09.2016 / 06.02.2017 / 21.08.2018 / 15.03.2020