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Deluc (1778) | ![]() |
Exemplar: <4> VIc C 709r // auch digitalisiert
|P_ix-x
Diese Briefe faßen nur so die ersten Grundlagen zu einer Cosmologie )
in sich, / die ich einmal zu schreiben willens war, wozu ich aber die Materialien nicht
ganz nach meinem Wunsche habe sammlen können.
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) Ich verstehe hier unter Cosmologie die Lehre von der Erde, nicht das
Universum. In / diesem Verstande würde das Wort Geologie das richtigere gewesen seyn;
aber ich habe es nicht wagen mögen es zu wählen, weil es nicht gebräuchlich
ist. Ich werde daher in der Folge das Wort Cosmologie immer in diesem Sinne nehmen, und
auch theils wegen der Analogie mit den Wörtern Cosmographie, und sonderlich
Cosmopolit, die man doch immer mit Vergleichung auf die Erde braucht.
|P_xxi
Die Geschichte der Erde ist durchgehends der Gegenstand meiner Schrift; und, mit
welcher Rücksicht auch immer man diesen studirt, so läßt sich die
Geschichte des Menschen schwerlich davon trennen, wenn man nicht in Gefahr gerathen will,
in Irrthum zu fallen.
|P_013
Von hier kamen wir nach Martinach, einem andern Flecken im Niederwalliser Lande, wo
wir Mittags blieben. Wir fingen hier an, einen Umstand zu bemerken, der unser Mitleiden
erregte, nemlich die große Anzahl der Personen die Kröpfe hatten, und die
allzumal, mehr oder weniger, die Zeichen von Schwäche in ihrer Physiognomie trugen.
Von der Zeit an, da wir durch diese Unglücklichen auf eine unangenehme Art
gerührt waren, verbreitete sich, in unsern Augen, ein trauriger Schein über
alles, was wir sahen.
|P_014
Wir sahen hier verschiedene Cretins, eine Art blöder Menschen, die
ohngefähr wie Schafe leben; in Wahrheit, man darf sich auch nicht mehr vor ihnen
fürchten als vor Schafen. Dieses sind dem Ansehn nach unglückliche Wesen, die aber
zu ihrem Glücke von ihren Anverwandten als von Gott ihnen zugesandte
Gegenstände der Wohlthätigkeit betrachtet werden, so daß man fast kein
Beyspiel kennt, daß sie übel behandelt worden.
|P_019
Aber sehr wahrscheinlich liegt die wahre Ursach jener Unterschiede [zwischen den
Menschen im Wallis] in der Beschaffenheit und Natur des Waßers. Das allerklärste
Waßer ist zuweilen am meisten zu fürchten; denn man findet zuweilen, daß
ein Waßer, so klar wie es nur möglich ist, eine solche Menge Tofstein mit sich
führt, daß die Berge an den Seiten manchmal große Auswüchse von
dem Steine dieser Art bekommen, der sich aus dem Waßer zu Boden wirft und ansezt.
Und fast allenthalben, wo ich die Kröpfigten und die Dummen gesehn habe, da fand ich,
daß das Waßer dergleichen Satz fallen ließ, oder aber einen überaus
feinen Sand mit sich führte.
|P_038-039
/£{Doe-092',25} /
Herr Sinder, mit dem wir, ohne Gefahr daß er es auf sich selbst anwenden
möchte, über den Anschein der Unempfindlichkeit seiner Landesleute sprechen
durften; schien diese überall nicht so merkwürdig zu finden als wir; [../.].
Eine Auswahl des Waßers nach der Erfahrung ist hier eine wichtige und nützliche
Vorsicht, durch die sich Personen von beßerm Stande verwahren. Das gemeine Volk aber
denkt hieran nicht, [...]. Aber irre ich, wenn ich wünsche daß die Walliser
allenthalben besser Waßer hätten, sollte es auch dadurch seyn, daß sie
den Obern des Landes etwas mehr Macht gäben?
Unser Einsiedler, oder vielmehr seine Vorweser, haben sich gutes Waßer durch sehr
besondere Canäle in ihrer Einöde zu verschaffen gewußt, und überhaupt
verdient dieser kleine Wohnplatz gar sehr gesehn zu werden.
|P_084
In der Folge der Zeit wird einmal irgend einer kommen, der der Wohlthäter des
Walliserlandes seyn wird. Allein die Beschaffenheit des Waßer scheint hier den Schaden
anzurichten; [...].
|P_116
/£{Doe-042',16}
Dieses Land ist der Wintergarten für ein Theil von Frankreich: wenn sich die
gewöhnlichen Früchte desselben erhalten hätten, so würde man jezt von
/ hieraus alle benachbarte Städte, und selbst nach der Hauptstadt, Artischocken,
junge Erbsen und allerhand Blumen verschicken. [...] Die See, die nur eine kleine Stunde
von diesen bezauberten Gärten entfernt ist, hat an dem Ufer Moräste, die, durch
die Sonnenwärme erhitzt, die Luft mit Ausdünstungen erfüllen, die der
Gesundheit höchst nachtheilig sind. [...] Aber gegenwärtig hat die Wärme
lauter heilsame Wirkungen; sie belebt alles, die Einwohner wie das Land.
|P_120
Nach und nach füllen sich diese Teiche von dem, was sich aus einem Fluße
darin absetzt, an, und hierdurch breitet sich der Boden von Hieres nach der Seeseite aus
und wächst zu. Wenn diese Ausfüllung gänzlich bewerkstelliget seyn wird: so
ist Hieres alsdenn von den schädlichen Ausdünstungen der Moräste frey,
|P_143
In den Bergen, oder sonst nirgends, ist der Ort, wo man die Naturgeschichte der Erde
studiren muß.
|P_232f.
Ich glaube wirklich, daß diejenigen, die den ganzen Menschen in seiner
Organisation suchen / den Zweck haben, sich eine Zeitlang von allem, was System
heißt, loszusagen; und ihre Vernunft wird alsdenn weniger unter Zwang seyn. Wenn sie
in dieser Faßung auf die Gipfel der Berge steigen wollten: so wage ichs zu
behaupten, sie würden fühlen, daß sie etwas mehr, als künstliche
Maschinen sind; sie würden das Wesen, welches empfindet, bemerken, und würden
es von allem dem unterscheiden lernen, was demselben beygesellet ist.
Datum: Oktober 2015