Knopf: Bibliothek Deluc (1778) Knopf

Deluc, Jean André:
Physisch-moralische Briefe über die Berge, und die Geschichte der Erde und des Menschen, an Ihre Majestät die Königin von Großbritannien [...] Aus dem Französischen übersetzt von H. M. Marcard, d. A. D. Königl. Hofmedicus in Hannover
(Leipzig: Weidmann 1778) [Widmung / Vorrede, XXVIII, 258 S.]

Exemplar: <4> VIc C 709r // auch digitalisiert


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Diese Briefe faßen nur so die ersten Grundlagen zu einer Cosmologie •) in sich, / die ich einmal zu schreiben willens war, wozu ich aber die Materialien nicht ganz nach meinem Wunsche habe sammlen können.
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 •) Ich verstehe hier unter Cosmologie die Lehre von der Erde, nicht das Universum. In / diesem Verstande würde das Wort Geologie das richtigere gewesen seyn; aber ich habe es nicht wagen mögen es zu wählen, weil es nicht gebräuchlich ist. Ich werde daher in der Folge das Wort Cosmologie immer in diesem Sinne nehmen, und auch theils wegen der Analogie mit den Wörtern Cosmographie, und sonderlich Cosmopolit, die man doch immer mit Vergleichung auf die Erde braucht.

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Die Geschichte der Erde ist durchgehends der Gegenstand meiner Schrift; und, mit welcher Rücksicht auch immer man diesen studirt, so läßt sich die Geschichte des Menschen schwerlich davon trennen, wenn man nicht in Gefahr gerathen will, in Irrthum zu fallen.


Briefe über die Geschichte der Erde. / Erster Theil. / Einleitung zur Geschichte der Berge, und erster Blick auf die Bewohner derselben.

1. Brief. / Reise von Lausanne nach Sitten im Walliserlande. / Lausanne den 30ten Sept. 1774

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Von hier kamen wir nach Martinach, einem andern Flecken im Niederwalliser Lande, wo wir Mittags blieben. Wir fingen hier an, einen Umstand zu bemerken, der unser Mitleiden erregte, nemlich die große Anzahl der Personen die Kröpfe hatten, und die allzumal, mehr oder weniger, die Zeichen von Schwäche in ihrer Physiognomie trugen. Von der Zeit an, da wir durch diese Unglücklichen auf eine unangenehme Art gerührt waren, verbreitete sich, in unsern Augen, ein trauriger Schein über alles, was wir sahen.

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Wir sahen hier verschiedene Cretins, eine Art blöder Menschen, die ohngefähr wie Schafe leben; in Wahrheit, man darf sich auch nicht mehr vor ihnen fürchten als vor Schafen. Dieses sind dem Ansehn nach unglückliche Wesen, die aber zu ihrem Glücke von ihren Anverwandten als von Gott ihnen zugesandte Gegenstände der Wohlthätigkeit betrachtet werden, so daß man fast kein Beyspiel kennt, daß sie übel behandelt worden.

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Aber sehr wahrscheinlich liegt die wahre Ursach jener Unterschiede [zwischen den Menschen im Wallis] in der Beschaffenheit und Natur des Waßers. Das allerklärste Waßer ist zuweilen am meisten zu fürchten; denn man findet zuweilen, daß ein Waßer, so klar wie es nur möglich ist, eine solche Menge Tofstein mit sich führt, daß die Berge an den Seiten manchmal große Auswüchse von dem Steine dieser Art bekommen, der sich aus dem Waßer zu Boden wirft und ansezt. Und fast allenthalben, wo ich die Kröpfigten und die Dummen gesehn habe, da fand ich, daß das Waßer dergleichen Satz fallen ließ, oder aber einen überaus feinen Sand mit sich führte.

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Herr Sinder, mit dem wir, ohne Gefahr daß er es auf sich selbst anwenden möchte, über den Anschein der Unempfindlichkeit seiner Landesleute sprechen durften; schien diese überall nicht so merkwürdig zu finden als wir; [../.]. Eine Auswahl des Waßers nach der Erfahrung ist hier eine wichtige und nützliche Vorsicht, durch die sich Personen von beßerm Stande verwahren. Das gemeine Volk aber denkt hieran nicht, [...]. Aber irre ich, wenn ich wünsche daß die Walliser allenthalben besser Waßer hätten, sollte es auch dadurch seyn, daß sie den Obern des Landes etwas mehr Macht gäben?
Unser Einsiedler, oder vielmehr seine Vorweser, haben sich gutes Waßer durch sehr besondere Canäle in ihrer Einöde zu verschaffen gewußt, und überhaupt verdient dieser kleine Wohnplatz gar sehr gesehn zu werden.

4. Brief. / Gegend um Unterseen. Erster Blick auf ein Volk im Oberlande. / Genf den 6ten November 1774

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In der Folge der Zeit wird einmal irgend einer kommen, der der Wohlthäter des Walliserlandes seyn wird. Allein die Beschaffenheit des Waßer scheint hier den Schaden anzurichten; [...].

6. Brief. / Die Geschichte der Reise nach den Gletschern wird unterbrochen, durch eine Beschreibung der Gegenden um Hieres und der Beschaffenheit der dasigen Luft. / Hieres den 22sten Januar 1775 (S. 111-123)

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Dieses Land ist der Wintergarten für ein Theil von Frankreich: wenn sich die gewöhnlichen Früchte desselben erhalten hätten, so würde man jezt von / hieraus alle benachbarte Städte, und selbst nach der Hauptstadt, Artischocken, junge Erbsen und allerhand Blumen verschicken. [...] Die See, die nur eine kleine Stunde von diesen bezauberten Gärten entfernt ist, hat an dem Ufer Moräste, die, durch die Sonnenwärme erhitzt, die Luft mit Ausdünstungen erfüllen, die der Gesundheit höchst nachtheilig sind. [...] Aber gegenwärtig hat die Wärme lauter heilsame Wirkungen; sie belebt alles, die Einwohner wie das Land.

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Nach und nach füllen sich diese Teiche von dem, was sich aus einem Fluße darin absetzt, an, und hierdurch breitet sich der Boden von Hieres nach der Seeseite aus und wächst zu. Wenn diese Ausfüllung gänzlich bewerkstelliget seyn wird: so ist Hieres alsdenn von den schädlichen Ausdünstungen der Moräste frey,

8. Brief. / Betrachtungen über die Fruchtbarmachung der Erde; über die Spuren von Seegeschöpfen, die man im festen Lande findet. Anlaß zum größten Theile dieses Werks. / Montpellier den 13ten März 1775 (S. 137-145)

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In den Bergen, oder sonst nirgends, ist der Ort, wo man die Naturgeschichte der Erde studiren muß.

13. Brief. / Der Berg Chaumont nahe bey Neuschatel. Zustand der Seele auf den Bergen. / Montpellier den 3ten April 1775 (S. 213-236)

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Ich glaube wirklich, daß diejenigen, die den ganzen Menschen in seiner Organisation suchen / den Zweck haben, sich eine Zeitlang von allem, was System heißt, loszusagen; und ihre Vernunft wird alsdenn weniger unter Zwang seyn. Wenn sie in dieser Faßung auf die Gipfel der Berge steigen wollten: so wage ichs zu behaupten, sie würden fühlen, daß sie etwas mehr, als künstliche Maschinen sind; sie würden das Wesen, welches empfindet, bemerken, und würden es von allem dem unterscheiden lernen, was demselben beygesellet ist.


Datum: Oktober 2015