/|P_0
/ ≥
Collegium
/Physico Geographicum
/ a
/Viro Excellentissimo
/Professore Ordinario
/Domino Kant
/secundum dictata sua per-
tratum studio vero perse-
cutum
/Regiomonti /per semestre /aestivum 1775. |
/ab Joanne Siegismundo Kaehler |
/|P_0' δleer
/|P_1
/ ≥ Prolegomena.
/ §. 1. ≤
/Bey allen unsern Erkenntnißen müßen
wir zuvörderst auf die Quellen und Ur-
sprung derselben; nachgehends aber auf
den Plan der Ordnung oder auf die Form
wie diese Erkenntniße geordnet werden
können, attendiren; denn sonst sind wir
nicht im Stande uns im vorkommenden Fall
wenn wir dieselbe nöthig haben, auf
dieselbige zu besinnen; wir müßen
sie also in Fächern noch ehe als wir sie
selbst erlangen, eintheilen.
/ ≥ §. 2. ≤
/Was die Quellen und den Ursprung unse-
rer Erkenntniße betrift, so schöpfen wir
alle unsere Erkenntniße, entweder aus
der reinen Vernunft oder aus der Erfah-
/ rung
/|P_2
/rung die hernach selbst die Vernunft instrui-
ret. Die reine VernunftErkenntniße giebt
uns unsere Vernunft. Die ErfahrungsEr-
kenntniße bekommen wir durch die Sinne.
Weil unsere Sinne nicht weiter reichen,
als diese Welt ist, so erstrekken sich auch
unsere Erfahrungs_Erkenntniße blos auf
die gegenwärtige Welt. So, wie wir a-
ber einen doppelten Sinn haben, einen
äußern und inneren Sinn, so können wir
nach beyden die Welt als den Inbegrif
aller Erfahrungs_Erkenntniße betrachten.
Die Welt als ein Gegenstand des äußeren
Sinnes ist Natur, und als ein Gegenstand
des innern Sinnes ist Seele oder der Mensch.
Die Erfahrungen der Natur und des Men-
schen machen die Weltkenntniß aus. Die
Kenntniß des Menschen lehrt mich die An-
tropologie und die Kenntniß der Natur,
lehrt mich die physische Geographie. Die
/ physische
/|P_3
/physische Geographie ist also der erste
Theil der Weltkenntniß; sie gehört zu ei-
ner Idee, welche man die Vorübung in der
Kenntniß der Welt nennen kann. Der Un-
terricht derselben scheint noch sehr zu
fehlen, sie ist diejenige, von der man auf
allen Verhältnißen in die man in der
Welt kommen kann nützlichen Gebrauch
machen kann, es ist also nöthig sich be-
kannt zu machen, daß sie diejenige Erkennt-
niß sey, die wir durch Erfahrung verbes-
sern können; wir anticipiren unsere
künftige Erfahrung die wir hernach in der
Welt haben werden durch diesen Unterricht
und diesen allgemeinen Abriß, der uns einen
Vorbegrif von allem giebt. Derjenige der
viel gereist ist, von dem sagt man er hat die
Welt gesehen, aber zur Kenntniß der Welt
gehört mehr als die Welt sehen, wer von
seinen Reisen «r¿» Nutzen haben will, der muß
/ schon
/|P_4
/schon zum Voraus sich einen Plan von seiner
Reise machen, der ohne alle Begriffe reist,
der sieht die Welt nur als einen Gegen-
stand des äußern Sinnes an und hat nicht
den geringsten Nutzen davon. Das zweyte
Stük der Weltkenntniß ist die Kenntniß des
Menschen. Der Umgang mit Menschen er-
weitert unsere Kenntniße; es ist aber nö-
thig von allen künftigen Erfahrungen ei-
ne Vorübung zu geben und dieses zeiget
die Antropologie, hier wird gesehen, was
in dem Menschen pragmatisch ist und nicht
speculativ; der Mensch wird darin nicht
physiologisch daß man die Quellen der phae-
nomenorum untersuchen sollte, sondern
cosmologisch. Es fehlt noch immer an Un-
terweisung alle Erkenntniße die man
erworben hat, in Ausübung zu bringen
und einen seinem Verstande und dem Ver-
hältniße gemäß worin man in der Welt
/ steht
/|P_5
/steht nützlichen Gebrauch zu machen, oder
unsern Erkenntnißen das practische zu
geben; und dieses ist die Kenntniß der Welt.
Die Welt ist das substratum und der Schau-
platz wo das Spiel unserer Geschiklichkeit
vorgeht, es ist der Boden, wo unsere Er-
kenntniße erworben und angewendet
werden; damit aber dasjenige könne in
Ausübung gebracht werden, was der Ver-
stand sagt, daß es geschehen soll, so muß
man die Beschaffenheit des subjects ken-
nen, denn eher geht das nicht an bis man
den Menschen kennt worin das soll vor-
gebracht werden. Wir müßen ferner
auch im Gantzen die Gegenstände unse-
rer Erfahrung kennen lernen, so daß
unsere Erkenntniße kein Aggregat son-
dern ein system ausmachen, denn im sy-
stem ist das Gantze ehe als die Theile, im
Aggregat sind aber die Theile eher.
/ So
/|P_6
/So ist es mit allen Wißenschaften beschafen
die in uns eine Verknüpfung vorbringen
zE. die Encyclopedie, wo das Gantze erst
im Zusammenhange erscheint. Die Idee
ist architectonisch die schaft die Wißenschaf-
ten; wer zE. ein Haus bauen will, der macht
sich erst vom Gantzen eine Idee, aus dieser
Idee werden hernach alle Theile abgelei-
tet. Diese Vorbereitung ist also auch ei-
ne Idee von der Kenntniß der Welt, ich
mache mir einen architectonischen Begrif,
welches ein Begrif ist, worin das Man-
nigfaltige aus dem Gantzen gezogen
wird. Das Gantze ist hier die Welt, der
Schauplatz, wo ich alle Erfahrungen an-
stellen werde. Umgang und Reisen sind es,
die den Umfang aller unserer Kennt-
niße erweitern. Umgang lernt mich
den Menschen kennen, dazu gehört aber
viel Zeit durch Umgang den Menschen ken-
/ nen
/|P_7
/nen zu lernen, wenn wir aber schon durch
Unterweisung sind vorbereitet, so ha-
ben wir schon ein Gantzes einen Inbegriff
von Kenntnißen, die mich den Menschen ken-
nen lernen, nun können wir jede Erfah-
rung in ihre Claße setzen; durch Reisen er-
weitert man die Kenntniß der äußern
Welt, welches aber von wenigem Nutzen
ist, wenn man nicht vorhero durch Unter-
weisung vorgeübt ist. Wer also die Welt
kennt, so versteht man dadurch, daß er den
Menschen und die Natur kenne.
/ ≥ §. 3. ≤
/Von den Sinnen fangen sich unsere Erkennt-
niße an, sie geben uns die Materie, wo
die Vernunft nur neue Formen giebt.
Der Grund von allen Kenntnißen liegt
also in den Sinnen und der Erfahrung, und
/ zwar
/|P_8
/zwar entweder in der eigenen oder in
der fremden Erfahrung; wir sollten uns
wohl nur mit unserer eigenen Erfahrung
beschäftigen, weil aber unsere eigene
Erfahrung nicht zureicht alles zu erken-
nen, indem der Mensch in Ansehung der Zeit
nur einen kleinen Theil derselben durch-
lebt und also darin wenig selbst erfah-
ren kann, und in Ansehung des Raums, wenn
er auch reiset, auch nicht vieles selbst er-
fahren kann: so müßen wir uns fremder Er-
fahrung bedienen, diese muß aber zuver-
läßig seyn, die mündliche kann aber nicht
so zuverläßig seyn, sondern die schriftliche.
Wir erweitern also unsere «Er»kenntniße
durch Nachrichten so als wenn wir in der gan-
tzen vorigen Welt gelebt haben, wir er-
weitern unsere Kenntniße der gegenwär-
tigen Zeit durch Nachrichten fremder entle-
gener Länder so als wenn wir selbst da wä-
/ ren
/|P_9
/ren. Alle fremde Erfahrung ist aber ent-
weder eine Erzählung oder eine Beschrei-
bung. Die erste ist eine Geschichte, die andere
eine «Geo»graphie. Graphie ist überhaupt je-
de Beschreibung. Beschreibe ich einen Ort
so heißt es Topographie, beschreibe ich die
gantze Erde so heißt es die Geographie.
/ ≥ §. 4. ≤
/Was den Plan der Ordnung betrift, so müs-
sen wir allen unsern Erkenntnißen eine
Stelle anweisen. Wir können aber unsern
Erfahrungs_Erkenntnißen eine Stelle an-
weisen unter den Begriffen oder nach Zeit
und Raum wo sie würklich anzutreffen sind.
Die Eintheilung der Erkenntniß nach Be-
griffen ist die logische Eintheilung; die Ein-
theilung nach Zeit und Raum ist die phy-
sische. Durch die logische Eintheilung wird
ein systema naturae wie zE des Linnaeus;
durch die physische Eintheilung wird eine
/ geogr. ~
/|P_9R δZ_3
/{2- Chorographie -2}~
/|P_10
/geographische Naturbeschreibung zE. das
Rinder_Geschlecht wird gezählt unter die
vierfüßigen Thiere oder unter die mit
gespaltenen Klauen. Dieses wäre eine
Eintheilung in meinem Kopf also eine logi-
sche Eintheilung. Das Systema naturae
ist gleichsam eine Registratur des Gantzen,
da stell ich ein jedes Ding unter seinen Ti-
tel, wenn sie gleich auf der Welt in verschie-
denen weit entlegenen Plätzen seyn. In
der physischen Eintheilung aber werden
sie nach den Stellen die sie auf der Erde
einnehmen betrachtet. Das system weiset
die Stellen an in der Claßen_Eintheilung;
die geographi«h»sche Naturbeschreibung a-
ber weiset die Stellen an wo sie würklich
auf der Erde zu finden sind. zE. die Eydexe
und Crocodill sind einerley. Der Crocodill
ist nur eine ungeheure Eydexe, sie sind a-
ber in verschiedenen Orten. Ueberhaupt
/ betrachtet
/|P_11
/betrachtet man hier den Schauplatz der Na-
tur die Erde selbst, und die würkliche Stellen
wo die Dinge angetroffen werden. Im
systema naturae wird aber nicht nach dem
Geburts_Ort, sondern nach ähnlichen Gestalten
gefragt. Die Systemata die schon geschrieben
sind möchte man lieber nennen das Aggre-
gat der Natur aber nicht ein system, denn
ein system setzt schon die Idee des Gantzen
voraus, aus der die Mannigfaltigkeit der
Dinge abgeleitet wird, eigentlich haben
wir noch kein systema naturae, in den je-
tzigen systemen sind nur die Dinge zusam-
men gefliehen und geordnet. Die Beschrei-
bung der Zeit nach ist Geschichte, dem Raum
nach Geographie. Es sind also zwey Stükke
Geschichte und Geographie, welche unsere
Erkenntniße in Ansehung der Zeit und
des Raums erweitern. Die Geschichte be-
trift die Begebenheiten, die in Ansehung
/ der
/|P_12
/der Zeit nach einander sich zugetragen ha-
ben, die Geographie betrift aber Bege-
benheiten, die in Ansehung des Raums zu
gleicher Zeit «z»sich zutragen, und welche nach
verschiedenen Gegenständen wovon sie
handelt, bald die physische, mo«l»ralische, the-
ologische, politische, mathematische, bald die
Geographie der Gelehrsamkeit, bald der
Handlung genannt wird. Die Geschichte des-
jenigen, welches zu verschiedenen Zei-
ten geschicht, welches die eigentliche Histo-
rie ist, ist nichts anders als eine continu-
irte Geographie, dahero es zu den grösten
Unvoll«ständigenheiten»ständigkeiten der Hi-
storie gereicht, wenn man nicht weiß, an
welchem Orte etwas geschehen, oder was
für eine Beschaffenheit damals es gehabt
hat. Es ist also die Historie von der Geogra-
phie nur in Ansehung der Zeit und des Raums
von einander unterschieden; die erste ist ei-
/ ne
/|P_13
/ne Nachricht von Begebenheiten, die auf ein-
ander folgen in Ansehung der Zeit; die an-
dere aber eine Nachricht von Begebenhei-
ten, die neben einander im Raum vorge-
hen. Geschichte ist eine Erzählung, Geogra-
phie aber Beschreibung deßen was im Raum
zu gleicher Zeit «geschicht» vorgeht. Dahero ha-
ben wir Naturbeschreibung, aber nicht Na-
tur_Geschichte; dieser Name ist sehr falsch,
den einige brauchen, und indem wir nur
den Nahmen haben, so glauben wir auch die
Sache zu haben, und denn denkt keiner dar-
an an solcher Natur_Geschichte zu arbeiten.
Die Geschichte der Natur enthält die Man-
nigfaltigkeit der Geographie, so wie sie in
verschiedenen Zeiten gewesen ist, aber nicht
wie es jetzt zu gleicher Zeit geschiehet, denn
das ist Natur_Beschreibung; wenn ich aber
die Begebenheiten der gantzen Natur wie
/ sie
/|P_14
/sie zu allen Zeiten beschaffen gewesen
vortrage, so liefere ich eine NaturGe-
schichte zE. Wenn ich betrachte, wie die ver-
schiedene Racen der Hunde wegen vielen
Umständen der Luft, der Erde p aus einem
Stamm entsprungen, und welche Verän-
derungen mit den Hunden zu allen Zeiten
vorgegangen, so wäre das eine Natur-
geschichte, und solche NaturGeschichte
könnte man von allen Stükken der Na-
tur liefern zE. von den Pflantzen. Allein
sie hat das beschwerliche an sich, daß man
sie mehr durch Experimente errathen mü-
ste, als daß man eine genaue Nachricht
von allem geben könnte, denn die Natur¥
Geschichte ist so alt als die Welt, und wir
haben kaum von der Zeit Nachricht, als man
anfieng zu schreiben. Die Verschieden-
heit und Mannigfaltigkeit einer Sache
/ seit
/|P_15
/seit allen Zeiten zu beobachten das ist
wahre philosophie. Wenn man die wil-
den Pferde in der Steppe zahm machen
möchte, so wären das sehr dauerhafte
Pferde, und man merkte an, daß Esel
und Pferde aus einem Stamm herkommen,
und daß dieses wilde Pferd das Stamm¥
Pferd wäre, denn dieses Pferd hat lan-
ge Ohren; ferner das Schaaf ist der Zie-
ge ähnlich, und die Cultur macht nur die
Verschiedenheit, so ist es auch mit dem
Weine. Also den vorigen Zustand der
Natur so durchzugehen, was es zu aller
Zeit für Veränderung erlitten, wäre
die Natur_Geschichte; wenn man aber den
Tittel übel anbringt, so bemüht sich kei-
ner um die Sache zu Stande zu bringen,
weil man glaubt man hat sie schon. Geo-
graphie bedeutet also eine Naturbeschrei-
/ bung
/|P_16
/bung sie geht auf die gantze Erde. Geogra-
phie und Geschichte füllen die Strekken
unserer Erkenntniß aus; Geschichte die
gantze Strekke der Zeit und Geographie
die gantze Strekke des Raums. Wir den-
ken uns eine alte und neue Geographie,
denn Geographie ist zu jederZeit gewesen
zE. Zur Zeit des Aristoteles war eine an-
dere Geographie. Was ist nun ehe, Geschich-
te oder Geographie? Die Geographie liegt
der Geschichte zum Grunde, denn die Be-
gebenheiten müßen sich doch worauf
beziehen. Die Geschichte ist immer im Flus-
se aber die Dinge verändern sich und geben
zu gewißer Zeit eine gantz andere Geo-
graphie, also ist die Geographie das substratum.
Wenn wir nun die alte Geschichte der Men-
schen haben, so müßen wir auch eine al-
te Geographie haben. Die Geographie der
/ gegen
/|P_17
/gegenwärtigen Zeit ist die, die wir am be-
sten kennen, und dient die alte vermit-
telst der Geschichte aufzuklären. Allein die
Geographie «ist» in den Schulen ist sehr mangel-
haft. Es ist nichts was den gesunden Ver-
stand des Menschen erhält als die Geogra-
phie, denn der gemeine Verstand erstrekt
sich auf die Erfahrung, nun kann man seinen
Verstand nicht extendiren, wenn man keine
Kenntniße in der Geographie hat. Es sind
viele Persohnen, denen die Nachrichten der
Zeitungen sehr gleichgültig seyn, das kommt
daher, sie können die Nachricht nicht in ihre
Stelle bringen, sie haben keinen Plan von
der Erde, vom Meer und von der gantzen
Oberfläche der Erde. zE. Wenn von der Farth
der Schiffe ins Eismeer was gemeldet wird,
so ist das eine solche interessante Sache,
daß die Erfindung oder die Möglichkeit
der Durchfarth durchs Eismeer in gantz Eu-
/ ropa
/|P_18
/ropa große Veränderungen zuwege brin-
gen möchte. Es giebt keine Nation, wo der
Verstand bis auf den gemeinen Mann sich
extendire, als die Englische, die Ursache
sind die Zeitungen, denn diese sind theils
für Kluge theils für Narren; so wie auch
keine Nation in der Conduite bis auf den
gemeinen Mann sich erstrekket als die fran-
zösische. Es muß also ein extendirter Be-
grif der gantzen Oberfläche der Erde zum
Grunde liegen, denn sonst sind alle Nach-
richten unempfindlich, man weiß sie gar nicht
anzuwenden. Die Peruaner sind so sehr dumm,
daß sie alles was man ihnen nur giebt
gleich ins Maul steken, weil sie keinen
Gebrauch davon machen können; so ist
es auch mit solchen Leuten, die keinen
Gebrauch von den Nachrichten machen kön-
nen und für sie keine Stelle haben.
/ §. 5.
/|P_19
/ ≥ §. 5. ≤
/Die physische Geographie ist also ein allge-
meiner Abriß der Natur, und weil sie
nicht allein den Grund der Geschichte in sich
enthält, sondern auch der übrigen Geogra-
phien, so werden die Hauptstükke einer je-
den hierin abgehandelt werden. Und zwar
/1) Die mathematische Geographie, worin von
der Gestalt, Größe und Bewegung der
Erde geredet wird.
/2) die moralische Geographie, worin von den
Sitten und verschiedenen Characteren der
Menschen nach den verschiedenen Gegen-
den geredet wird. zE. Wenn in China und
besonder«n»s in Japan der Vatermord so er-
schre«f»klich ist, daß nicht allein der Miße-
thäter selbst auf die grausamste Art
zu Tode gemartert, sondern auch die gan-
tze Familie getödtet «wird» und die Nach-
/ barn
/|P_20
/barn in der nächsten Straße in die Vestung
gebracht werden, weil sie glauben, daß es ein
solches Laster sey, das nicht auf einmal ent-
stehen kann, sondern nach und Nach im Schwan-
ge gegangen sey und solches die Nachbarn
merken und es angeben können; so wirds
hingegen in Lappland für eine sehr große
Liebespflicht gehalten, wenn ein Sohn seinen
auf der Ja«h»gd ermüdeten Vater mit einer
Sehne vom Rennthier umbringt, daher es der-
selbe auch allezeit seinem liebsten Sohne
anvertraut.
/3) Die politische Geographie. Wenn der erste
Grundsatz einer Geselschaft ist, ein allge-
meines Gesetz und eine unwiederstehliche
Gewalt bey der Uebertretung des Gese-
tzes, die Gesetze sich aber gleichfals auf
die Beschaffenheit des Bodens beziehen;
so wird gleichfals hievon geredet werden.
Es wird auch darin sowohl vom Zustande der
/ Wilden
/|P_21
/Wilden, als welcher derjenige ist, in wel-
chem nur eintzelne Familien leben, als
auch vom geselschaftlichen Zustande gehan-
delt werden. Diese geographie gründet
sich gäntzlich auf die physische. Wenn in
Rußland die Flüße nach Süden fließen
möchten, so wäre das für das gantze Reich
ein großer Nutzen, nun fließen sie aber
alle in«¿»s Eismeer. In Persien sind zwey
Regenten, der eine hat seinen Sitz in Ispa-
an und der andere in Candala, sie können
sich aber gar nicht überwältigen, die
Ursache ist die große Wüste, die darzwi-
schen ist und größer als ein Meer ist.
/4) Die Handlungs_Geographie. Weil ein
Land dasjenige im Ueberfluße hat, wel-
ches ein anderes gäntzlich entbehren muß,
so wird durch die Handlung in der gantzen
Welt ein gleichförmiger Zustand erhal-
/ ten.
/|P_22
/ten. Es wird die Ursach angezeigt, warum ein
Land dasjenige im Ueberfluße hat, Was das
andere entbehrt. Durch die Handlung sind
die Menschen am meisten verfeinert und
unter einander bekannt geworden.
/5.) Die theologische Geographie. Weil die theo-
logischen principia mehrentheils nach der
Verschiedenheit des Bodens eine Verande-
rung erleiden, so wird hievon auch das
nöthige gezeiget werden. Alexander Ros¿ [[Ross]]
hat die Religion der gantzen Welt «g»beschrie-
ben.
/Ueberdem werden hier die Abweichungen
von der Natur in dem Unterschiede zwi-
schen der Jugend und dem Alter, ferner das-
jenige, was jedem Lande eigen ist, bemerkt.
zE. Thiere, jedoch nicht die einheimischen, es
sey denn, daß sie in verschiedenen Ländern
anders beschaffen wären zE. In Italien
schlagen die Nachtigallen nicht so stark als
in den Nordischen Provinzen; in wüsten
/ Inseln
/|P_23
/Inseln bellen die Hunde gar nicht. Pflantzen,
Steine, Kräuter und Gebürge p
/Der Nutzen von dieser Wißenschaft ist sehr
weitläuftig, «d»sie dient zur guten Auseinan-
der_Ordnung unserer Wißenschaften, zu
seinem eigenen Vergnügen und zur Unter-
haltung der Geselschaften. Es kommt auch
allein daher, daß, wie ein Schriftsteller [[???]]
sagt, nirgends als in Engelland der Pöbel
von gelehrten Materien soviel zu discu-
riren weiß, weil die Engelländische Zei-
tungen fünf Bogen stark sind, und über-
haupt von allen Veränderungen in der Welt
handeln und diese unter allen gemeinen
Leuten verbreitet werden.
/Ehe wir zur Abhandlung der physischen
Geographie selbsten gehen, so müßen wir
zuerst, nachdem wir einige Anmerkungen
vorangeschikt haben, von der mathemati-
/ schen
/|P_24
/schen Geographie uns einen Vorbegrif
machen, weil derselbe in der physischen
Geographie nöthig ist. Wir erwägen aber
darin die Figur, die Größe und die Bewe-
gung der Erde.
/Was die Figur der Erde anbetrift; so ist die-
selbe beynahe Kugelrund oder wie es New-
ton aus den Central-Gesetzen und der An-
ziehung genauer bestimmt hat, so hat die
Erde die Form einer Sphaeruide, welches
auch hernach durch doppelte Beobachtungen
und Ausmeßungen bestätiget ist. Es wird
aber nicht die kugelrunde Figur deswe-
gen aufgehoben, weil viele Berge sich
auf derselben befinden, solche kommen nicht
einmal in Betracht gegen die gantze Er-
de, sondern weil alle Materie die nach den
Polen zu liegt sich nach den Gesetzen der
Schwere und der Schwungskraft gegen den
Aequator zu sammelt und aufhäuft; so daß
/ dadurch
/|P_25
/dadurch ihre Form in eine sphaeraide umge-
schaffen wird, welches auch geschehen wür-
de; wenn sie gantz mit Waßer umfloßen
wäre und zwar deswegen, weil um den
Pol gar keine bey dem Aequator, aber die
stärkste «ist» Bewegung ist, dahero auch der
Durchschnitt, welcher durch die beyden Pole
gehet kleiner ist, als der Aequator. New-
ton hat bewiesen, daß ein jeder Körper der
sich bewegt, solche Gestallt annehmen muß.
Ist die Figur der Erde eine sphaeraide, so giebt
es auch Antipoden, die eben so den Himmel
über sich und die Erde unter ihren Füßen haben.
Die gemeine Meynung, als wenn diejenige,
die unter uns wohnten und uns die Füße zu-
kehrten, herunter fallen ist pöbelhaft; denn
nach den Gesetzen der Schwere, die aus der An-
ziehung der Erde entspringen, muß sich alles
auf der Erde nach dem Mittelpunkt der Erde
bewegen, so daß nicht das kleinste Partikelchen
/ von
/|P_26
/chen von der Erde wegfliegen kann. Weil der
diameter der 1.720 Meilen, der höchste Berg
aber auf der Oberfläche derselben kaum
eine deutsche Meile enthält, so machen die
Berge in Ansehung der Figur keine Verän-
derung. Weil beynahe auf der einen Sei-
te der Erde das feste Land und die Berge
sind und das Waßer auf der andern Seite,
so hat man vermuthet, daß in Süden auch
Länder seyn müßen und zwar aus dem Grun-
de, damit die Erdkugel ein Gleichgewicht
haben sollte. Wenn man das nun annimmt;
so weiß man nicht ob sie sich die Welt als ein
Schiff vorstellen, in dem die eine Seite nicht
stärker muß beladen seyn als die Andere
wegen des Gleichgewichts. Für einen Körper,
der da schwimmt ist es nöthig. Wollte man
nun glauben, daß sich die Erde nach einem
Punkt außer der Erde richte, so wäre es nö-
thig ein Gleichgewicht anzunehmen, allein auf
/ der
/|P_27
/der Erde hat alles seine Schwere nach dem
Mittelpunkt. Auf der Erde «theilen» <ziehen> sich alle Thei-
le an und ein Körper zieht den andern an,
und je größer seine Maße ist, je stärker
zieht er an, da nun die Erde die größte Maße
von allen Körpern auf derselben hat, so muß
sie alle andern Körper am stärksten anziehen,
und daraus entspringt die Schwere aller «an-»
Körper gegen die Erde. Der Umschwung
der Erde, die noch außer der Anziehung nö-
thig ist, ist eine Kraft vermöge«r» der alle
Körper von der Erde weggeschleudert wür-
den, wenn nicht die Schwere, die weit stär-
ker ist solches verhindern möchte. Unter
dem Pol hat der Körper seine ganze Schwe-
re, weil da die Schwungskraft am schwäch-
sten ist; der Unterschied ist nur unter dem
Aequator, wo die Schwungskraft am stärk-
sten ist. Wenn wir annehmen, daß die Er-
/ de
/|P_28
/de eine völlige Kugel wäre und alles Was-
ser von der Erde weg wäre, und es wäre
ein Berg auf der Erde, so müßte dieser
Berg, er mochte seyn wo er wollte allmählig
unter den Aequator rükken, bis er endlich
völlig unter ihm wäre. Oder wäre die
Erde eine völlige Kugel und es wären
2 Berge, so würden beyde sich aequilibri-
ren. Also ist jede Kraft des Schwungs ver-
mögend die Materie immer dem Aequato-
re näher zu bringen; zuletzt kämen al-
le Gebürge unter den Aequator. Obgleich die
Bewegung sehr klein ist, weil sie aber un-
aufhörlich ist, so macht es doch etwas, und wir
müßen niemalen die kleinste Kraft für nichts
halten, denn wenn sie noch so klein ist, so kann
sie durch vielfältige Vergrößerung eine
gewiße Größe erhalten. Der Floh stößt die
Erde durch seinen Sprung zurük, allein so wie
sich die Masse des Flohs zu der Masse der gan-
tzen Erde verhält, so verhält sich auch der Stoß
/ des
/|P_29
/des Flohs zu der Bewegung der Erde, die
durch diesen Stoß entstehet. Die Eccliptic
fällt auf den Aequator, ob es gleich sehr lang-
sam zugeht, so ist es doch etwas. Also muß
man sich daran nicht stoßen, ob nicht die Po-
le verrükt verrükt werden, wenn Ma-
terie von der einen Seite der Erde auf die
andere gebracht würde. Es ist dieses zwar
wichtig aber doch nicht zu besorgen, auch nicht
im mindesten Grade, denn wenn wir den
mindesten Grad annehmen, so würde er doch
mit der Zeit größer. Alle Länder brauchen
nicht in Ansehung des Aequilibrii in keiner
proportion zu stehn; die Ursache ist diese:
Die Erde ist keine Kugel, sondern sie ist
abgeglattet oder eine sphaeruide, wel-
ches ein jeder flüßiger Cörper wird, wenn
er sich bewegt. Die Erde ist also unter dem
«q» aequator gehoben und 4_1/2 deutsche Meile
höher als unter den Polen; dahero haben wir
/ unter
/|P_30
/unter dem aequator einen Berg von 4_1/2
deutschen Meilen hoch. Gegen diesen Berg
können alle Berge und Länder nicht den
1.000 Theil ausmachen, denn der Fuß der gros-
sesten Berge ist nur eine halbe Meile, und die-
ser geht um den gantzen aequator, folglich kann
das gantze feste Land ihn nicht verrükken, und
die Axe der Erde kann sich also auch nicht verrük-
ken, sondern sie bleibt beständig. Diese Figur
und Abplattung der Erde ist eine natürliche
Würkung der Schwungskraft und der Anziehung.
/ ≥ §. 7. ≤
/Die Größe der Erde beträgt im Umfange
5.400 deutsche Meilen, wovon 1.720 Meilen
der Diameter ist. Weil aber eine deutsche
Meile für den 1/15 Theil des Grades angenom-
men ist, jeder Cirkel aber 360 %Grad «Grad» hat
er mag groß oder klein seyn, und jeder Grad
in 15 Theile kann getheilet werden, so kann
die kleinste Kugel nach diesem Maaß 5.400
Meilen haben, denn wenn ich die 360 %Grad des kleinsten
/ Cirkels
/|P_31
/Cirkels durch den 15ten Theil eines Grades also
mit 15 multiplicire, so bekomme ich 5.400 her-
aus. Demnach weiß ich nichts, wenn ich weiß,
die Erde ist 5.400 Meilen lang, von denen jede
der 15te Theil des Grades ist. Es müßen also die
Meilen bestimmt werden. Die Sachsen haben
eine doppelte Meile; eine Policey_Meile,
die 30.000 Werkschuhe in sich enthält, und eine
geographische Meile, die 2.000 rheinländische
Ruthen oder 24.000 Werkschu enthält. Ein ge-
ometrischer Schritt oder der 1/1.000 Theil einer Mei-
le macht fünf Fuß und nach der neusten Aus-
rechnung derselben 6 Fuß rheinländisch aus.
Ein Klafter, Toise, Faden, welcher auf See-
fahrten und ein Lachter so bey Bergwerken
gebraucht wird enthalten 6 Fuß oder 5 dres-
dener Ellen.
/ ≥ §. 8. ≤
/Die Erde hat eine Bewegung von Abend ge-
gen Morgen, dahero ist der Aufgang des Ge-
/ stirns
/|P_32
/stirns und der Sonne in einer entgegen ge-
setzten Richtung der Erdbewegung folglich
vom Morgen gegen Abend. Die Bewegung
des Sternen_Himmels ist nur eine scheinba-
re Bewegung, denn weil wir die Bewegung
der Erde nicht sehen, indem wir darauf sind,
so haben wir eine scheinbare Bewegung des
Himmels, allein wir wißen nicht ob der Him-
mel oder die Erde sich bewege z E. Wenn
auf der offenen stillen See ein Schif vor
Anker liegt und mein Schif wird von ei-
nem Meerstrom und nicht vom Winde ge-
trieben, so weiß ich nicht ob mein Schif oder
das andere sich bewege. Also wißen wir
nicht ob wir oder der SternenHimmel sei-
ne Stelle verändern; daß die Erde sich bewegt,
muste mit vieler subtilitaet bewiesen wer-
den. Wenn die Erde gar keine Bewegung
hätte, so würden keine Zirkel auf dersel-
ben bestimmt seyn, allein da dieselbe eine
/ doppelte
/|P_33
/doppelte Bewegung um ihre Axe sowohl als
um die Sonne hat, so originiren sich folgen-
de Punkte und Linien.
/1) Aus der Bewegung der Erde um ihre Axe
entstehen
/a, zwey Punkte, welche gar keine Bewe-
gung haben, sondern fest sind, und um wel-
che sich doch die gantze Erde bewegt, diese
heißen die Pole, der Nord und Südpol. Die
Linie die ich mir durch die Pole gezogen ge-
denke kann die Axe heißen. Also habe ich
schon auf der Kugelfläche, wo man sonst nichts
unterscheiden kann schon zwey Punkte
und eine Linie, weil die Axe aber inwen-
dig ist, so geht sie uns hier nichts mehr an.
/b, durch diese beyde Punkte kann ein Zir-
kel gezogen werden, der die Erde in der
Hälfte durchschneidet, und das ist der Meri-
dian. Nun kann man unendlich viele Me-
ridiane ziehen, weil man aus den bey-
/ den
/|P_34
/den Punkten viel Cirkels ziehen kann. Wie
zieh ich den Meridian jedes Orts? Hiedurch
kommt die zweyte Art von Punkten vor
die durch jeden zuschauer bestimmt wird
und nicht beständig ist. In der Mitte der
Erde ist ein Centrum, von diesem Centro
kann ich eine Linie über meinen Kopf
bis wieder zum Centro ziehen und das
ist das Zenith und Nadir, die ein jeder
für sich bestimmt; zwischen zwey Punk-
ten kann nur eine Linie bestimmt wer-
den, in der Erde ist ein Punkt und über
mir auch einer und da kann ich eine
Linie ziehen. Es hat also ein jeder seinen
Zenith, weil ein jeder eine Linie aus
dem Centro der Erde über dem Kopf bis
wieder zum Centro ziehen kann; daher
kann auch ein jeder seinen Meridian haben
Viele Orter haben einen Meridian, der
Meridian von Koenigsberg geht bis durch
/ Capo
/|P_35
/Capo bonae spei durch. Der Meridian theilt
die Erde in zwey Theile, der eine ist der
Oestliche der andere der Westliche Theil. Die
Oerter, die in einem Meridian liegen sind
nicht in Osten und Westen sondern in Süden
und Norden unterschieden, indem ein Ort
weiter nach Süden oder Norden seyn muß.
In dem Meridian selbst sind zwey Theile,
der Meridian unseres Orts, und der An-
tipoden, welcher auch der Antipodische
Meridian heißt. Wenn die Sonne bey uns
Mittag macht, so ist sie in unserm Me-
ridian um Mitternacht, aber sie ist
im Antipodischen Meridian. Es giebt
also soviel Meridiane als Oerter sind,
und Oerter die nur in Norden und Süden
unterschieden sind haben einen Meridian.
/c, durch die Umdrehung um die Axe wird
noch eine Linie bestimmt und dieses ist
der Aequator, der von beyden Polen gleich
/ weit
/|P_36
/weit entfernt ist, und in dem die Bewe-
gung am allergrößten ist, denn je näher
die Oerter am Pole sind desto kleiner sind
die Zirkel und also auch die Bewegung.
Die Linie die gleich weit von den Polen ab-
steht theilet die Erde in zwey gleiche Thei-
le in die Nord und Südliche Seite. Der Me-
ridian war verschieden, aber es giebt nur
einen Zirkel der gleich weit von den Polen
absteht und also determinirt ist. Es ist al-
so nur ein eintziger aequator obgleich vie-
le meridiane. Die Hälfte der Erde heißt
ein Haemisphaerium. Dahero haben wir
vermittelst des Aequators zwey Hälften
nemlich das südliche und nordliche Haemi-
sphaerium. Ma«m»n kann auch durch den Me-
ridian zwey Haemisphaeria machen, das
Oestliche und Westliche, aber die hat die Na-
tur nicht bestimmt. Oerter in einem Meri-
diano sind in Süden und Norden aber gar
/ nicht
/|P_37
/nicht in Osten und Westen unterschieden.
Oerter in einem aequatore sind in Osten
und Westen aber gar nicht in Süden und Nor-
den unterschieden. Dahero kann der Aequa-
tor zum Unterscheide dienen in Süden und
Norden und der Meridian in Osten und
Westen. Nun hat jeder Zirkel 360 %Grad also auch
der aequator, dieser dient zum Bestimmen
wie viel Grade ein Ort von Osten nach We-
sten absteht. Weil ich aber nicht weiß, von
wo ich eigentlich die Grade zu zählen an-
fangen soll, indem es gleich viel ist von
wo ich anfangen und der aequator keinen
festen Punkt hat, sondern man nach Be-
lieben «anfangen» <wählen> kann; so hat man auch
nach Belieben einen ersten Punkt auf
dem Aequator angenommen und festge-
setzt von dem man anfangen muß die
Grade des Aequators zu zählen. Dieser er-
ste Punkt ist durch die Ziehung des Meridi-
/ ans
/|P_38
/ans auf der Insel Ferro angenommen, von
da theilt man den aequator von Westen nach
Osten, weil die Drehung so ist, in die bestimm-
te Grade. Der erste Meridian also, der den
aequator schneidet kann willkürlich ange-
nommen werden. Die Einigung wäre hier
zu wünschen. Man hat also zwey Cirkel
die einander im rechten Winkel durchschnei-
den. Wenn ich nun zum Exempel den Unter-
schied zwischen Koenigsberg und Moscau
von Westen nach Osten wißen will, so zie-
he ich den Meridian von beyden Städten und
beyde Meridiane durchschneiden den aequator
nun zähle ich den Unterschied der Grade auf
dem aequator, der Bogen zwischen den bey-
den meridianen und die Zahl der Grade macht
den Unterschied der Oerter in Osten und
Westen. Alle Grade auf dem Meridian sind
Grade der Breite, und alle Grade auf dem
aequator sind Grade der Länge. Was be-
/ deutet
/|P_39
/deutet die Breite und Länge des Orts? Die
Breite ist die Entfernung des Orts vom
aequator und wird auf dem meridian ab-
gezählt; die Länge ist die Entfernung
des Orts vom meridian und wird auf dem
aequator abgezehlt, und zwar von We-
sten gegen Osten; sie wird auch die län-
ge des Meeres genannt und ist wegen
Einerleiheit der Gestallt des Himmels
schwer ausfindig zu machen. Die Breite ist
hingegen leicht zu finden, weil sich bey der
Veränderung der Breite auch jederzeit
die Gestallt des Himmels verändert und
überdem der Polhöhe gleich ist. Es giebt a-
ber weil zwey Haemisphaeria sind auch
zweyerley Breite, eine Nordliche und ei-
ne südliche Breite; die gröste mögliche
Breite ist 90 Grad und dieses ist der Pol.
Der Ort unter dem aequator hat gar kei-
/ ne ~
/|P_39R δZ_1
/δFigur
/{2- Not. Folgl: ist die Breite, der Abstand
des Bogens zwischen dem Aequator
W. O. und den Polen N. oder S. Je-
der solcher Bogen auf einem Hämis-
phär ist ein Quadrant oder der 4te
Theil des Cirkels. Nun ist der 4te
Theil 90 %Grad will ich also den Abstand
der Breite angeben so muß ich
die Zahl Grade ausfinden, die zwi-
schen einem Ort z. E. @K@ und dem
Aequator sind. Gesezt @K@ sey 45 %Grad
davon ab, so ist dieser Bogen
nunmehr seine Breite, und nach-
dem er auf dem nordl. oder südl.
Hämisphär liegt entw: eine nordli-
che oder südliche. Ein Grad beträgt
15 %deutsche Meilen, mithin ist der Ort
@K@ vom Aequator 675 Meilen
entfernt. Lieget aber ein Ort
unter dem Aequator so ist des-
sen Breite Zero und wird so ausge-
drukt 0 %Grad, 0 %Minuten, 0 %Sekunden und ist hier nicht
nöthig den Buchstaben N. nordl. oder
S. südl. beyzufügen.
/Außer dem Aequator ist zu merken
die Parallel_Linie die in der Figur
mit P. L. bezeichnet ist. Will man
nun wißen wo ein Ort z. E. @K@ liege
so ist dies der Punkt worin sich der
Meridian und die Parallel_Linie durch-
schneiden. Diesen Punct ausfindig zu
machen müßte man einen Ersten
Meridian festsezzen und von dem-
selben die Grade auf dem Aequator
von West nach Osten zählen. Also
wenn der Bogen. N. W. P. S. der
erste Meridian wäre. und die
Puncte des Aequators @P@ und @K@ lägen
gegen Westen so darf man @um@
den Meridian n. m. @K@ S. zu bezeichnen nur die Größe des Bogens M. W. anzeigen welcher
zugl. die Länge des Ortes @K@ ist, und eben soviel beträget als der Bogen des Aequators M.
W. Grade enthielte. Ein Ort demnach deßen Länge 359 %Grad wäre würde vom ersten Meridian nur 1 %Grad abseyn. -2} ~
/|P_40
/ne Breite. Die Länge ist die Entfernung
vom Meridian in Osten und Westen und wird
auf dem aequator abgezählt, ich muß aber
erst einen ersten meridian haben, von dem
ich anfangen kann die Grade des aequators
zu zehlen, dieser ist beliebig auf der In-
sel Ferro angenommen; nun zehle ich von
Westen nach Osten auf dem aequator. Es
sollte also ein Ort weil ich von Westen zeh-
le keine andere als eine Westliche Länge
haben, dahero hat Philadelphia 320 %Grad westli-
che Länge, obgleich der Ort nur 40 %Grad vom
ersten meridian entfernet ist, nemlich
wenn ich von Osten die Grade zurük zehle
zehle ich aber die Westliche Länge, so muß
ich vom ersten Grad an, um die gantze Er-
de Grade herum zehlen, es sollte also die
Länge stets westlich gezehlt werden; man
ist aber doch davon abgegangen, weil es zu
weitläuftig schien die Grade herumzuzehlen,
/ dahero ~
/|P_40R δZ_1
/δFigur
/{2- Die Art die Breite zu entdeken ist diese.
Die Puncte B %und A. sind die Erdpole und
C. das Centrum. Der Bogen B. D. A.
sey ein meridian den der Aequator
im Punct D. durchschneidet, also wer-
den B D. und D. A. Quadranten
und Bogen von 90 %Grad seyn. Die gera-
de linie D. C. wird also ein Radius
des Aequators, und D. E. der Diame-
ter desselben seyn. Es sey nun
in dem Meridian B. D. A. der
Punct L. der Ort deßen Breite
gesucht wird, indem man die
Anzahl von Graden die der Bogen
L. D. enthält, oder den Abstand
des Orts L. vom Aequator D.
suchet. Der Bogen L. D ist das
Maas des Winkels D. C. L. Die-
sen Winkel nenne ich $g$ wenn
ich also den Radius L. C ziehe
und dadurch das Maas des Win-
kels $g$ erhalte, so erhalte ich
das Maas des Bogens L. D. oder
die Weite, die L. von D. abstehet.
Um nun diesen Winkel in der Er-
de zu messen verlängert man
die Achse A. B. zum Nordpol P.
gleichfalls verlängert man
den Radius C. L zum Zenith Z.
und zieht alsdenn durch L. die
senkrechte Linie S. T. welche
der Horizont von L ist. Nun
sieht man in L. zu dem Pol hin-
auf, weil derselbe unendlich entfernt ist so wird also die entstehend@e@ Linie L. Q.
mit der Erdachse P. B. C. A. parallel seyn und der Winkel M. wird das Maas wieviel
die Linie L. Q. über den Horizont erhoben ist, oder die Polhöhe anzeigen. Hat -2} ~
/|P_41
/dahero sagt man Philadelphia hat 40 Grad
Oestliche aber 320 Grad westliche Länge.
/Der Aequator der nur ein eintziger ist und
die Erde in zwey bestimmte haemisphaeria
theilt macht verschiedene andere Cirkel,
die mit ihm parallel gezogen werden, es
können dergleichen sehr viele seyn, sie heißen
Tages_Cirkel Circuli diurni, zwischen den
parallel_zirkel ist die Verschiedenheit der
Oerter, die man Climata nennt. Oerter, die
in einem parallel_zirkel sind haben einer-
ley Breite, Oerter die in einem Meridian
liegen haben einerley Länge; weil die
erste gleich weit vom Aequator und die-
se gleich weit vom Meridian liegen. Oerter
die in einem parallel_Cirkel sind haben ei-
nerley Clima, die aber unter demselben
Meridian liegen, haben verschiedene Cli-
mata, weil der Meridian durch alle Climata
durchgeht. Die Climata werden also durch paral-
/ lel ~
/|P_41R δZ_1
/{2- man diesen Winkel m.
astronomisch gemessen
so giebt uns derselbe genau
den Winkel y. oder die Brei-
te, oder die Anzahl Grade
welche der Bogen @L@. D. in
sich enthält, indem diese
beyde Winkel einander
gleich sind. Denn 1.) sind die Li-
nien @L@. Q. und P. B. C. parallel
folglich m. und n. Wechselwin-
kel von gleicher Grösse. 2.)
Da die Linie S. T. mit dem
Radius @L@. C senkrecht ist
so muß der Winkel @L@. des
Triangels @L@. C. T. ein rechter
Winkel seyn und die beyden
andern Winkel dieses Trian-
gels n. @x@ machen auch einen
rechten Winkel aus. Da 3.)
der Bogen B. @L@. D. ein Quadrant
des Cirkels B. E. A. D. ist
so ist der Winkel B. C. D.
auch ein rechter. Die beyden
Winkel X. y. machen also 4.)
soviel aus als die Winkel
n. X. man nehme 5.) den Win-
kel X. weg so wird y dem
Winkel n. und folgl. dem
Winkel m. gleich seyn. Wenn
demnach endlich 6.) der Win-
kel y die Breite des Ortes
L. ausdrukt, und m. die Ele-
vation des Pols giebt, so ist
die Breite mit der Polhöhe
jederzeit einerley, man
hat also den Winkel y ge-
meßen indem man die
Polhöhe m. bestimte. -2} ~
/|P_42
/lel_Zirkel bestimmt. Es können Oerter, die
in verschiedenem haemisphaerio liegen a-
ber gleich weit vom aequator einerley Cli-
ma haben. Oerter die in einem meridian
liegen haben einerley Mittagszeit. Oer-
ter die in einem parallel_zirkel sind haben
nicht einerley Mittagszeit aber einerley
Tageslänge. Also Oerter die in einem me-
ridian liegen haben zwar zugleich Mittag
aber nicht gleiche Tageslänge. Die Alten
theilten die Oerter in solche Climata ein,
daß wo der Tag um eine Stunde länger wur-
de, ein neues Clima war. Jetzt ist noch die
Erde nach keiner andern Bewegung erwo-
gen als um ihre Axe.
/2) Die andere Bewegung, die die Erde hat
ist der Jahreslauf der Erde oder die Bewe-
gung der Erde um die Sonne. Der Cirkel ist
die Bahn der Erde oder die scheinbare Sonnen-
/ bahn ~
/|P_42R δZ_16
/δFigur ~
/|P_43
/bahn; die Erde bewegt sich in solchem Cirkel
in deren Mittelpunkt die Sonne ist. Wenn
die Axe der Erde einen rechten Winkel mit
der Bahn machen möchte, so würde die Sonne
immer im aequator seyn, und deswegen auch
jederzeit Tag und Nacht gleich machen; alsdenn
würde das gantze Jahr durch auf der gantzen
Erde Aequinoctium seyn und die Jahreswech-
selung würde aufgehoben seyn. Nun steht
aber die Axe nicht perpendiculair auf der Bahn
sondern sie weicht von der perpendicularen
Stellung 23_1/2 Grad ab. Wenn nun die Erde
schiefe Richtung hat, so muß folgen, daß ein
Haemisphaerium der Sonne abgelegener
als das andere seyn, und folglich die Ver-
anderung der Jahreszeit daraus entstehen.
Die Bewegung hat das besondere an sich,
daß die Erde mit der Bewegung um die Son-
ne jederzeit einerley Richtung der Axe hat,
/ die
/|P_44
/die Stellung der Axe in Ansehung der Bahn
ist einerley. Den 21 Decbr. steht die Erde in
Norden, also ist die Nördliche Seite der Erde
wegen der schiefen Richtung der Erde abge-
legener und folglich ist es Winter, denn
alsdenn bescheint die Sonne die Erde nicht
einmal bis an den Pol, sondern der gröste
Theil der nordlichen Seite muß unbeschie-
nen bleiben, folglich der Tag kürtzer. Wenn
aber die Erde den 21 Mertz in Westen steht, so
steht die Sonne just im aequator und alle Or-
ter haben Tag und Nacht gleich, denn die Son-
ne bescheint beyde Pole gleich. Den 21ten Jun:
bescheint die Sonne den grösten Theil des nord-
lichen Hemisphaerii, und der kleinste südliche
Theil ist unbeschienen, folglich dem 21 Decbr.
entgegen, also ist der gröste Theil Tag. Den
21 Septbr. steht die Sonne wieder im aequa-
tor, folglich zum andern mal im Jahr Tag
und Nacht gleich. Der Unterschied der Jah-
/ reszeit
/|P_45
/reszeit beruht also auf der schiefen Stellung
der Erde in ihrer Bahn. Wenn die Erde noch
schiefer stünde, so wäre im nordlichen Theil
oder im Winter gar kein Tag und im süd-
lichen Theil oder im Sommer gar keine
Nacht. Es beruht also auf die Stellung der
Erde, wie sie von der Vorsicht gesetzt ist
was wir für Veränderung der Jahreszeit
haben; diese Stellung muß aber für uns
die zuträglichste gewesen seyn, weil sie
die Vorsicht wählte. Aus dieser Bewegung
der Erde um die Sonne entstehen folgen-
de Cirkel:
/a, die Tropici, welche durch diejenige Punk-
te gezogen werden wo die Sonne am
höchsten vom aequatore weggeht und wie-
derum umkehrt, dieses ist eine Weite von
23 %Grad 30 %Minuten und ist auf einer jeden Halbkugel ei-
ner von diesen Wende_Cirkel befindlich; sie
machen die schiefe Eccliptic aus, wenn die-
/ ses
/|P_46
/ses nicht wäre, so möchte die Eccliptic auf
den Aequator fallen, und der Jahres_Wechsel
fehlen, also ist die Abweichung der Eccliptic
vom Aequator auch 23 %Grad 30 %Minuten unterschieden. Die
Sonne ist in irgend einem Orte zwischen den
Tropicis über dem Scheitelpunkte, aber sie
tritt niemals an den Ort, der außerhalb
den Tropicis ist über den Scheitelpunkt,
also in einen tiefen Brunnen fällt die Son-
ne in den Oertern zwischen den Tropicis
bis auf den Grund, aber sie strahlt auf
die Seiten in den Oertern außerhalb den
Tropicis.
/b, die Polar_Cirkel werden in einer Weite
von 23 %Grad 30 %Minuten von den Polen gezogen und ist
gleichfals einer von ihnen auf einem
jeden Haemisphaerio befindlich. Alles was
innerhalb den Polar_Cirkel ist hat we-
nigstens einen Tag im Jahr keinen Aufgang
und keinen Untergang der Sonne.
/3) Endlich müßen wir noch einen Cirkel anführen
der weder durch die Bewegung der Erde um
/ ihre
/|P_47
/ihre Axe noch um die Sonne, sondern der durch
die Optic erzeugt wird, und ist dieses der Ho-
rizont, welches ein Cirkel ist, der von dem Ze-
nith und Nadir gleich weit entfernt ist.
/ ≥ §. 9. ≤
/Die Zonen oder Gürtelstriche der Erde sind
folgende:
/1) Zona torrida liegt zwischen denen bey-
den tropicis. Weil der Aequator die Erd-
kugel in zwey Haemisphaerien theilt, so
kann man sagen, daß es zwey Zonas tor-
ridas gebe, auf jedem Haemisphaerio eine
und also kann eine nordliche und eine
südliche Zona torrida seyn, auf jeder Sei-
te des Aequators:
/2) Zonae temperatae liegen zwischen den
Wende und Polar_Cirkeln und heißen des-
wegen so, weil gegen der Mitte dersel-
ben die mehresten Menschen und Thier_Ar-
ten zu leben im Stande sind, jedoch ist in
denselben nahe an dem Wende_Cirkel oft
heißer als am Aequator, weil daselbst die
/ Sonne
/|P_48
/Sonne länger scheint und länger Tag ist
als am Aequator, allwo es beständig Tag
und Nacht gleich ist, und also die Nacht lang
genug ist, daß sich die Erde abkühlen kann
/3) Zonae frigidae liegen zwischen dem Po-
lar_Cirkel und dem Pol auf beyden Halb-
Kugeln.
/Die Zonae haben ihre Beziehung auf die Ta-
geslänge der Gegenden. Die Zonae torridae
begreifen die Oerter unter sich, wo der
Tag und die Nacht gleich lang sind. Alle
Oerter in diesen Zonen haben zweymal
im Jahr die Sonne über ihrem Scheitelpunkt.
Die Zonae temperatae begreifen die Oer-
ter in sich, worin der längste Tag noch unter
24 Stunden ist. Oerter in den Zonis temperatis
haben niemals die Sonne über ihrem Schei-
telpunkt, sie haben aber das gantze Jahr
beständig Tag und Nacht. Die Zonae frigidae
sind endlich die Oerter wo der Tag ein halbes
Jahr währt. Also ist der Tag immer länger
je weiter man gegen den Pol kommt. Einer
/ der
/|P_49
/der unter dem Pol wohnt, der hat den Aequa-
tor zum Horizont, und folglich bleibt die Sonne
immer im Aequator und also an seinem Hori-
zont das gantze halbe Jahr, so wie sie denn
hernach das gantze halbe Jahr unter seinem
Horizont ist.
/ ≥ Tractatio
/§. 10. ≤
/Jetzo gehen wir zu der Abhandlung der phy-
sischen Geographie selbst und theilen die-
selbe ein
/1) In den allgemeinen Theil, worin die Erde
als ein Schauplatz nach den Elementen erwo-
gen, und von den Bestandtheilen der Erde
von dem Waßer der Luft und der Erde selbst
gehandelt wird.
/2) In den besondern Theil, wo von den
besondern producten und Erdgeschöpfen
geredet wird.
/ Sect. 1.
/|P_50
/ ≥ Sectio. 1.
/Artic. 1. Vom Waßer.
/§. 11. ≤
/Die Oberfläche der Erde wird in das Waßer
und in das feste Land eingetheilt. Hier a-
ber werden wir nicht von denen Flüßen, Strö-
men, Quellen, sondern von dem Meerwas-
ser, als der Mutter aller Gewäßer re-
den, weil jenes nur producte der Erde
sind und von dem Meere ihren Ursprung
haben.
/ ≥ §. 12. ≤
/Das allgemeine Waßer ist gleichsam ein
großes Behältniß und tiefes Thal, worin
sich das auf der Erde befindliche Waßer ge-
sammelt, das feste Land aber nur eine
Erhöhung über daßelbige ist. Es ist auf
der Erde weit mehr Waßer als festes Land
befindlich und dieses ist gleichsam eine
große Insel, weil sie rundum mit Waßer
/ umgeben
/|P_51
/umgeben ist. Das allgemeine Waßer, wel-
ches das Land umschließt heißt der Ocean;
und das allgemeine Land heißt das Conti-
nent. Das Continent ist schwer zu bestimmen,
indem es beynahe kein continent giebt,
weil der Ocean alles feste Land umgiebt
und der allgemeine Archipelagus ist, man
nennt doch aber das feste Land welches
ununterbrochen fortgehet das Continent.
Das Waßer welches viele Inseln hat heißt
der Archipelagus; der allgemeine Archi-
pelagus ist der Ocean. Das Waßer welches
vom Lande umgeben wird heißt das inlän-
dische oder mittelländische Meer. Das
was ein inländisches Meer in Ansehung
des Waßers ist, das ist die Insel in Anse-
hung des Landes, denn das erste ist mit
Land und das andere ist mit Waßer um-
geben. Diejenige Waßer die Saltz enthal-
/ ten
/|P_52
/ten werden Meere genannt, von den innlän-
dischen Meeren haben einige auch Saltz und
obgleich sie vom Ocean abgeschnitten sind, so
haben sie doch Zusammenhang und werden
auch Meere genannt. Der Ocean ist die Mut-
ter aller Wesen auf der Erde, denn er be-
dekte zuerst die Erde, die hernach aus seinem
Schoos hervorkam. Die Abtheilung des Oceans
ist willkürlich aber auch natürlich, unter dem
Pol heißt er das Eismeer; hernach der große
Atlantische und zwischen America und Eu-
ropa der pacifische Ocean. Ein Busen oder
Golfo heißt ein Gewäßer, welches sich ins
Land erstrekt, und von demselben umschlos-
sen wird, jedoch an einem Theil der See zu-
sammenhängt, es ist also nichts anders als
ein an einer Seite eröfnetes Mittellän-
dische Meer, jedoch muß er länger als breit
seyn, ist er aber breiter als lang, so heißt
er ein Bäy, wiewohl beydes promiscue ge-
/ nommen
/|P_53
/nommen wird. Dem Busen ist in Ansehung
des Landes die HalbInsel entgegengesetzt,
welches ein Land ist; das sich ins Waßer er-
strekket von demselben umschloßen ist, a-
ber am Lande anhängt z E. Italien und
das Adriatische Meer. Eine Straße ist ein
Gewäßer, welches von zwey Seiten mit
festem Lande umgeben, an zwoen Orten
aber mit dem Waßer zusammenhängt.
Der Straße ist auf dem Lande der Isthmus
entgegengesetzt, welches ein schmaller
Strich Landes ist, der von 2 Seiten mit
Waßer umgeben ist, und mit Land zu-
sammenhängt. Das Mittelländische Meer
wäre mit Recht ein Busen des Oceans
zu nennen, weil es vom Ocean nicht ab-
geschnitten ist, weil aber die Straße bey
Gibraltar sehr enge ist, so wird es als ab-
geschnitten angesehen. Das Adriatische
/ Meer
/|P_54
/Meer ist aber ein berühmter Busen. Die merk-
würdigsten Meerbusen sind:
/1) In Europa. 1. Golfo di Venetia
/2. Golfo di Genona
/3. Die Bäy von Biscaia
/4. Der Bott und Finnische Meerbusen
/5. Das weiße Meer ein Golfo des
Eismeers bey Archangel.
/2) In Asien. 1. Der Arabische Meerbusen oder
das rothe Meer
/2. Der Persische Meerbusen, wo der
Euphrat und Tiger hineinfließen.
/3. Der Bengalische Meerbusen
/4. Der Sicemische Meerbusen und
/5. Der Penschmitzlische zwischen
Kamschatka und Siberien.
/3. In Africa. Der Meerbusen von Benin. In A-
frica sind keine vorzügliche Busen.
/4. In America. 1. Der Mexicanische Meerbusen
zwischen der Halbinsel Iuca-
tan und der Insel Cuba, andere
/ rechnen
/|P_55
/rechnen noch Cuba zum Mexicani-
schen Busen, allein so weit er-
strekt er sich nicht, so wie auch nicht
gantz America West_Indien heißt
sondern nur die Insel bey Mexico.
/2) Die Bäy von Campeschen, wo
das Bauholtz kommt
/3. Die Bäy von Janduras, wo das
Zimmerholtz kommt.
/4. Die Bäy aller Heiligen
/5. Die Bäy von Californien
/6. Die HutsonsBäy.
/Die berühmtesten Straßen sind:
/1. In Europa. 1. Die Straße von Gibraltar, bey
den Holländern schlechthin die
Straße, woher die Schiffer die
nach der Levante fahren schlecht-
hin Straßenfahrer genannt
werden; sie ist 4 Meilen breit,
sie kommt aber den Schiffern
/ wie
/|P_56
/wie gegraben vor, weil die Kü-
sten sehr hoch und steil sind.
/2. Die Straße von Caffa verbindet
das Assowsche mit dem schwartzen
Meere.
/3. Die Straße von Constantinopel
verknüpft das schwartze Meer
mit dem Mar di marmora.
/4. Die Dardanellen sind der Canal
zwischen dem Meer di marmo-
ra und dem Mittelländischen.
Dardanellen heißen Schlößer, die
das Meer vertheidigen.
/5. Der Canal la Manche oder Pas
de Calais zwischen Engelland
und Frankreich.
/6. Der S. Georgen Canal bey den Hol-
ländern der umgekehrte Ca-
nal zwischen Engelland und
«Frankreich» Irland.
/7. Der Sund, welches soviel als
untief Waßer ist.
/ 8,
/|P_57
/8. Der kleine und große Belt,
alle zwischen der Nord und
Ostsee, von welchem gewißer
Verträge halber mit Daenne-
mark der Sund befahren wer-
den darf.
/2. In Asien. 1. Die Straße Babel Mandel oder
Babel Mandat, das ist die Thrä-
nen_Pforte, weil viele Schif-
brüche hier geschehen.
/2, Die Straße von Ormus. Auf der
Straße von Ormus war der
gröste Markt von der Welt.
/3. Die Straße von Malacca
/4. Die Straße von Sunda. Von
der Straße Sunda wo die Hol-
länder fahren, haben die In-
sel den Namen sundaische.
/3. In Africa. Die Straße von Mosambique
/4. In America.
/ $a$. In
/|P_58
/$a$. In NordAmerica:
/1. Die Straße Davis nach der westlichen
Küste von Groenland. Der Wallfischfang
geht theils nach Groenland oder Spitz-
bergen theils in die Straße Davis zwi-
schen Groenland und einen wüsten Lan-
de daher diejenige die Davisfahrer
heißen.
/2. Die Hutsons_Straße.
/3. Die Straße von Bahama.
/$b$. In Süd_America.
/1. Die Magellanische Straße 80 Meilen
lang zwischen der Insel del Saego
und Patagonien
/2. Die Lemerische Straße. Einige fahren
durch die Magellanische und einige durch
die Lemerische Straße.
/ ≥ §. 13. ≤
/Was die Figur und Gestallt des Waßers an-
betrift, so ist daßelbe dem unermeßlichen
/ raume
/|P_59
/Raume gleich und hat gar keine Figur, son-
dern giebt dieselbe vielmehr dem Lande.
Allein da man bemerkt, daß fast alle Flüs-
se aus America, Europa und der gröste«¿» Theil
Asiens sich in das Atlantische Meer ergießen,
ferner zwischen Asien und America eine
kleine Weite sich befindet (nach den neuesten
Entdekkungen) auch ein Französischer Autor [[???]]
beobachtet, daß man, wenn Paris zum Stand-
punkte angenommen wird, alles Land bey-
sammen auf der einen Halbkugel siehet;
so ist zu vermuthen daß das Atlantische
Meer gleichsam ein großes Bassin gewe-
sen, und daß das darin befindliche Waßer gleich-
sam den Damm ausgerißen und auf solche Art
Communication mit dem übrigen Gewäs-
ser erhalten. Und es ist würklich zu ver-
muthen, daß das Wasser vorhin gleichsam
von dem Lande eingeschrenkt worden
/ und
/|P_60
/und daher eine Figur gehabt, wovon wir in
dem Capittel vom alten Zustande der Erde mit
mehrerem reden wollen.
/Wenn man die Ufern mit dem Boden des Mee-
res vergleicht, so wird man beständig fin-
den, daß sich derselbe nach den Ufern richte,
daß, wenn dasselbe steil, auch der Boden steil,
und wenn daßelbe schräge hinunter geht
auch der Boden schräge sey. Sollte dieses
blos einem göttlichen Endzwek beyzumes-
sen seyn; so würde man keinen Grund an-
zugeben wißen, warum nicht der Boden an-
ders beschaffen sey als das Ufer, und ver-
wegen würde es geurtheilt seyn, wenn wir
diese Einrichtung für die Vollkommensten erklä-
ren wollten. Daß dieses so sey erhellet auch
aus der Generalregel für die Schiffarth, wel-
che der berühmte Seefahrer Dampier gege-
ben: daß wo das Ufer steil sey man auch leicht
ans Land fahren könne, wo aber daßelbe schrä-
/ ge
/|P_61
/ge sey, man davon in einer gewißen Ent-
fernung bleiben müße. Die Tiefe des Mee-
res ist größer, je weiter vom Lande, denn
das Land fährt mit allmähliger Abschlüßig-
keit ab, denn indem das Meer nur ein Thal
ist, so ist der Seegrund eine Fortsetzung der
Landesfläche. Was überdem den Boden des
Meeres anbetrift, so werden wir finden,
daß derselbe dem Boden des Landes sehr gleich-
förmig sey, indem gantze Strekken von Ber-
gen im Waßer anzutreßen sind, dergestalt
daß das Waßer am Vordertheil des Schifs
20 loth, am Hintertheile öfters 200 bis 300
Loth tief sey. Man hat auch ein Profil vom
Grunde des Meeres, wie es aussehen möch-
te, wenn das Waßer abfließen möchte, auch
die Materie des Seegrundes ist dem Erdgrun-
de gleich. Die Spitzen von den Bergen im Was-
ser wenn sie breit seyn und über das Was-
ser hervorragen heißen Inseln Lange Sand
/ bänke
/|P_62
/bänke, die die Küsten bedekken, weswegen
man auch nicht an die Küsten kommen kann
heißen Baaren oder Riegel, z E. bey Africa
die Küste von Coromandell hat keinen Ha-
fen, weil eine Baare ist. Ein Riff ist eine
Untiefe im Meer, wo eine Sandbank ist
die sich vom Lande anfängt und sich weit ins
Meer erstrekket aber doch unter Waßer
ist. Aus allem diesem ist zu vermuthen,
daß eine große revolution auf der Erde
vorgegangen, daß der Boden des Meeres
eingesunkene Lander wären und daß eine
gleiche Kraft gewesen, welche den Boden
des Meeres concav gemacht, mit derjeni-
gen, welche das übrige Land hervorra-
gend und convex gemacht. Doch finden sich
auch große Ungleichheiten zwischen dem
Boden des Meeres und des Landes, und man
muß denen nicht beystimmen, die da glauben,
daß er demselben völlig ähnlich ist. Es be-
/ finden
/|P_63
/finden sich in dem Meere Sandbänke und
Feldbänke als die Degers_Bank die sich von
Engelland bis Gothland erstrekt, die-
ses ist ein langer Hügel, der von beyden
Seiten abschüßig ist, wo sie ankern kön-
nen, dergleichen man auf dem Lande nicht
hat. Es sind in der See lange nicht solche
hohe Berge als auf der Erde, und auf
dieser nicht solche Platte als im Waßer.
Das vorhin angeführte ist eben die Ur-
sache, weswegen man so wenig Hafen
in der Welt antri«f»fft, weil an den we-
nigsten Orten die Ufern steil sind, und
zum Hafen erfordert wird, daß man deicht
beym Lande anlegen und für Stürmen und
Wellen sicher seyn könne, auch daß da-
selbst mit jedem Anker Grund anzutref-
fen sey. Es giebt aber auch Morräste
und Triebsand, wo der Anker versinken
kann, oder der Seegrund ist steinigt, wo-
/ durch
/|P_64
/durch der Ankerthau zerrieben wird, am
liebsten ankert man an den Küsten und
das sind Rehden, schlimm ist es, wo die Ki-
ste von lauter Rehden ist als Coromandell.
Der Boden ist aber als denn erst zum an-
kern tauglich, wo das Schif lang vor An-
ker liegen kann, und wo der Seegrund nicht
steinigt sondern weich ist. Außer dem Platz
gut zu ankern wird noch zum Hafen er-
fordert, daß man sich deicht ans Land nä-
hern kann, ferner daß er inwendig geräu-
mig ist, aber schmalle Oefnung gegen das
Meer habe, damit er kann gut defendirt
werden und damit der Anfall der See nicht
die Schiffe beunruhigen kann. In Norwegen
sind sehr häufig Hafen anzutreffen, so daß
man nicht einmal alle benennen kann. Ue-
berhaupt trift man in Europa die mehresten
Hafen an, welches auch wohl die Ursache seyn
mag, weswegen daselbst der Handel am mei-
/ sten
/|P_65
/sten blühet. Ferner ist anzumerken, daß <im>
Westen und Süden die mehresten steilen U-
fer, in Norden und Osten aber wenige der-
selben seyn, welches wohl deswegen ist,
weil sich das Waßer oder der Strom des
Oceans, der in den alten Zeiten höher war
von Osten gegen Westen floß und das Erd-
dreich welches es mit sich führt an die West-
seite am ersten sich ansetzt.
/ ≥ §. 14. ≤
/Was die Art und Weise die Tiefe zu erfor-
schen anbetrift, so müßen wir anmerken,
daß solches durch ein an einem dünnen Seile
befestigten Gewicht, welches die Hollän-
der Loth nennen, das 30 %Pfund schwer ist ge-
schiehet. Das Gewicht selbst hat die Gestalt
eines Zukkerhuts und eingebogenen Boden,
es muß auch eine größere Schwere als das
Seil selbst haben, damit man wenn es auf
den Boden gekommen merken kann. Man [[???]] hat
/ bemerkt
/|P_66
/bemerkt, daß die gröste Tiefe des Meeres dem
grösten Berge ohnweit davon gleich sey, wenn
man 2/3 ohngefehr davon wegnimmt, folglich
würde die gröste Tiefe 20.000 rheinländische Ru-
then betragen. Daß die Ostsee nicht tief ist kommt
daher, weil das benachbarte Land Preußen
und Pohlen flach ist. Wenn man nun gleich
nicht annehmen wollte, daß das Seil oder ü-
berhaupt ein jeder schwerer Körper durch
sein eigen Gewicht zerreißen können, so er-
giebt sich dennoch die Schwierigkeit von selb-
sten auf eine solche Art die Tiefe auszumes-
sen, weil man ein solches Seil, welches eine
deutsche Meile lang wäre zu verfertigen
nicht im Stande ist, überdem da das Schif meh-
rentheils fortgehet ob es gleich stille zu ste-
hen scheint und im Grunde des Meeres öffters
Ströme giebt, die eine gantz entgegengesetzte
Richtung als das Meerwaßer haben; so bekommt
man mehrentheils anstatt der perpendicularen
/ Tiefe
/|P_67
/Tiefe eine schiefe; denn es giebt öfters in ei-
ner Stelle des Meers zwey gantz verschiede-
ne Ströme, der eine ist der welcher vom Lan-
de herkommt, der andere aber scheint von
dem Monde durch Ebbe und Fluth seinen Ur-
sprung zu haben, der eine Strom geht al-
so auf dem Boden des Meeres, welcher weder
durch die Winde noch durch andere Hinderniße
eine andere Richtung bekommen kann, der
andere aber auf der Oberfläche desselben.
Man kann auch durch dieses Loth die Beschaf-
fenheit des Meergrundes «erkennen» zu er-
forschen Gelegenheit haben; weil die Höh-
lung des Gewichts mit Talch beschmiert ist,
an welchem sich der Sand, die Muscheln p an-
hängen; dieses dient dazu, damit die Schiffer
aus der Beschreibung anderer nebst der er-
fundenen Tiefe des Meeres zu Nachtzeit wis-
sen können, welchem Ufer sie gegen über
seyn, welches sie zur Tageszeit aus der Gleichheit
/ des
/|P_68
/des auf SeeCharten verzeichneten und des ge-
gen über stehenden Ufers wißen können, zur
Nachtzeit aber öfters weiter fahren als sie
bey Tage sehen konnten. Weil sich aber auch
der Grund des Meeres oft wechselt so kann
man nicht allemal schließen wie weit man
ist, dahero man auch die Tiefe zu Hülfe nehmen
muß. Wenn zE. 20 Meilen vom Ufer sandig-
ter Grund ist und 40 Meilen auch sandigt ist,
so muß man die Tiefe meßen, wenn es nun
tiefer ist als an dem Ort der nur 20 Meilen
entfernet ist, denn schließt man, daß man
schon weiter ist.
/ ≥ §. 15. ≤
/Zur Curiositaet dienen auch die Täucher, wel-
che vermittelst einer höltzernen und unten
am Boden mit eisernen Bänden befestigten
Glokke, in die das Waßer nicht bis oben zu we-
gen der Luft eindringen kann, ins Waßer, um
das versunkene hervorzubringen, gelaßen
/ werden
/|P_69
/werden, in der Mitte dieser Glokke ist eine
Kette, um welche ein Mensch mit den Füßen
sich erhalten kann. Diese Täucher werden
gebraucht theils wegen der Perlen, die sie
bey Californien an der Küste von Madua %und
Czeilon finden; theils auch um die Beschaffen-
heit des Seegrundes zu erfahren. Man hat
es mit den Glokken so weit gebracht, daß
eine Geselschaft von 12 Personen unter dem
Waßer gewesen. Sie können auf 2 Stunden
unter dem Waßer bleiben und auch lesen,
aber nur nicht reden, denn der Schall ist un-
erträglich, daher einer «¿» ins Waßer fiel
da der andere auf der Trompete blasete.
Es können sich aber die Täucher wegen Man-
gel der Luft, (welche ihnen aber dennoch auf
einen Wink in einem Faß, woran oben und
unten ein Hahn befestigt ist, und durch dieser
neuere Luft erfolgenden Druk die zum re-
spiriren untaugliche Luft verdrenget wird,
/ zuges
/|P_70
/zugeschikt werden kann) im Waßer nicht lan-
ge erhalten. Doch die große Ungemächlich-
keit entsteht zwar nicht von dem Mangel
der Luft als vielmehr durch die Vergiftung
dieser Luft mit seiner eigenen Ausdunstung.
Calapesche [[Nicolas Pesce]] soll im Stande gewesen seyn so
lange im Waßer zu bleiben als er nur wollte.
Als er aber einmal eine ins Waßer geworfe-
ne goldene Schaale heraufbringen sollte; so
kam er nicht mehr zum Vorschein und ist ver-
muthlich von den Heyfischen über deren Anfall
er sehr klagte verzehret worden. Man bringt
auch versunkene Sachen auf andere Art in
die Höhe, indem man lädige Fäßer daran fest
macht die als denn vom Waßer in die Höhe ge-
hoben werden. Die Täucher bekommen auch
sonst nur eine vom gebrannten Leder verfer-
tigte Cappe, welche mit einer langen Röhre
versehen. Es kommt aber das Unvermögen
der Menschen nicht lange im Waßer auszuhalten
/ daher
/|P_71
/daher, weil das Blut nur vermittelst der
Lunge in die linke Hertzkammer, die von
der rechten durch eine Scheidewand abgeson-
dert wird, kommen kann, aus welcher es sich
durch die große Ortam in die übrige Glie-
der und Adern ergießet. Die beyde Herzkam-
mern haben im Mutterleibe durch ein löchlein
welches foramen ovale heißet communica-
tion, sollte dieses erhalten werden können,
so dürfte «man» vielleicht dieses Unvermö-
gen gehoben werden können. Daher die Kin-
der in Mutterleibe leben können, ob sie gleich
daselbst im Waßer sind. Einige haben diesen
Versuch mit jungen Hunden vorgenommen,
welche sie sogleich nachdem sie geworfen wor-
den in heiße Milch warfen, in welcher sie lan-
ge Zeit dauren konnten.
/ ≥ §. 16. ≤
/Was die Farbe des Meerwaßers anbetrift,
/ so
/|P_72
/so ist sie, wenn man es von weitem siehet blau-
licht grün, im Glase aber apart genommen
gantz klar. Das süße Waßer sieht mehr grau-
licht aus, und man sieht die Grentze der Ost-
see vom Meerwaßer durch einen weißen
Strich unterschieden. An einem Tropfen Was-
ser oder rothen Wein sieht man keine eigent-
liche Farbe, sondern man wird sie bey einer
großen Quantitaet gewahr. Eben so sagt man
daß der Luft die blaue Farbe zukommt; al-
le Berge die man von weitem sieht scheinen
gantz blau zu seyn. Einige Meere als das ro-
the, schwartze und weiße Meer haben nicht ihren
Namen von der Farbe, wie einige vorgeben,
daß das rothe Meer von einem gewißen rothen
Sande oder Korallen Funken, und das schwartze
Meer von dem Schatten der an der Küste gele-
genen großen Berge benennet worden, son-
dern vermuthlich von der Kleidung der anlie-
genden Einwohnern.
/ Das
/|P_73
/Das Meer_Waßer ist durchsichtig und dieses kommt
vom Saltze her, dahero man da wo es am sal-
tzigsten ist 20 Faden tief auf den Boden, «als auf»
und bey den südlichen Inseln, sogar die Schild-
kröten auf dem Boden als auf einer grünen
Wiese gehen sehen kann. Die Durchsichtigkeit
des Meeres entstehet folgendermaaßen:
Das Licht gehet durch einen Mittelraum in wel-
chem die Partikeln continuirlich hinter ein-
ander liegen fort, und wird nur durch einen
leeren Raum, wie Newton sagt zurükge-
trieben, oder beßer zu sagen, wenn das Licht
nicht mehr von dem Körper angezogen wird,
so gehet es zu der Materie von welcher es
ausgegangen, und von welcher es stärker als
dem leeren Raum, welcher gar keine Attracti-
on hat, angezogen wird, wieder zurük, folg-
lich wird auf eine solche Art der Körper undurch-
sichtig. Doch muß eine Materie, wofern sie sicht-
/ bar
/|P_74
/bar seyn soll, nicht gantz durchsichtig seyn, weil
sonst alle Strahlen durch sie durchgehen und
nicht von ihr ins Auge zurükgeworfen werden.
Nun wird das Saltz von dem Waßer am al-
lerersten und mehresten aufgelöst, folglich
sind die Partikeln Saltz continuirlich im Was-
ser hinter einander und also auf solche Weise
das Meerwaßer durchsichtig. Diese Durchsich-
tigkeit hat das Meerwaßer nur als denn, wenn
eine gäntzliche Windstille anzutreffen; denn
zu einigen Zeiten ist es weit stiller und ru-
higer als in Flüßen und stehenden Seeen, so
bald sich aber die Oberfläche nur ein wenig
beweget, so wird es gleich dunkel, weil die
Strahlen des Lichts fortzugehen nicht im Stande
sind. Es ist aber das Meerwaßer klärer als
das Flußwaßer, denn das selbe führet nicht al-
lein vielen Schlamm mit sich, welcher sich nicht
wohl setzen kann, sondern der große Schaum auf
der Oberfläche deßelben prallet die Strahlen des
Lichts zurük, und macht es dadurch undurchsichtig.
/ Das
/|P_75
/Das süße Waßer hat auch viel Luft, die in Bläs-
chen vertheilet ist, und das macht eben das
Fluß_Waßer undurchsichtig; das Saltz aber
treibt im Saltzwaßer die Luft «zurük» weg,
und setzt sich an die Stelle; das Saltz versetzt
das Waßer in einen gewißen Zusammenhang.
So wie auch ein zerstoßen Glas nicht durchsich-
tig ist, ob es gleich ein jeder Theil desselben
ist, dieses verhindert die Luft; sobald man es
aber durch Oehl oder andere flüßige Materie
in Zusammenhang bringt, so wird es immer
durchsichtiger. Da nun das Saltz das Waßer
gewißermaaßen zu einem Continuo macht,
so muß das Meerwaßer am durchsichtigsten
seyn. Will aber derjenige der unter dem
Waßer ist nach oben sehen, so braucht er
nur ein wenig Oehl aus dem Munde zu las-
sen, wodurch gleichsam ein Fenster gemacht
wird, hingegen kann derjenige der über dem
Waßer ist dieses durch einen Strohhalm verrichten.
/ Unter
/|P_76
/Unter dem Waßer sieht das Sonnenlicht dem
Mondlicht gleich aus. Es giebt in der Mitte
des Atlantischen Meeres zwischen America
und Europa ein Strich vom Meere von«,» 200
bis 300 Meilen, welcher gantz grün von de@m@
Kraute, woran weislichte Beeren sind gleich
einer Wiese aussieht, dergestallt, daß ein et-
was starker Wind erfordert wird, wenn das
Schif ungehindert gehen soll. Die Spanier nen-
nen das Kraut Sargasso auch MeerPetersilien;
es befindet sich im Mar_del_Nord bey den Capo
de vendischen Inseln, wie auch bey der Küste
von Californien; es ist auch solches Kraut an
verschiedenen anderen Stellen, doch durchgehends
nicht soviel als an dem benannten Orte. Weil
von Westen sowohl als von Osten, nemlich von
der Americanischen Seite und der Europaei-
schen Seite eben derselbe Wind wehet, welche
entgegengesetzt sind, so entstehet an beyden
Seiten ein Strom, welche in der Mitte zusammen-
/ stoßen
/|P_77
/stoßen und einen Wirbel formiren, so daß
das Kraut, welches beyde mit sich führen in
diesem Wirbel herumgedrehet und beysam-
men erhalten wird. Ein Chinafahrer [[???]] hat
an einer Spitze von Africa bey Capo bonae
spei drey Tage nach einander des Morgens
einen gantzen Strich vom Waßer mit Bims-
steinen bedekt gefunden, welche aber beym
hohen Tage verschwunden. Dieses ist weiter
noch nicht bestätigt, allein der Grund davon
wäre leicht zu entdekken: die Bimssteine
sind etwas doch nicht viel leichter als das
Waßer, des Mittags wird daßelbe leichterer
Art, indem es von der großen Sonnenhitze
erwärmt wird und die Bimssteine schwerer
und gehen zu Grunde; des Morgens aber %und
in der Nacht kühlt sich das Waßer ab, wodurch
das Waßer schwerer und die Steine leichter
werden und daher oben schwimmen. An an-
dern Küsten schwimmen sehr viele Waßer-
/ schlangen
/|P_78
/schlangen, an den Küsten von Malabar, wel-
ches die Seefahrer für ein Kennzeichen hal-
ten, daß sie dem Lande nahe seyn, deswe-
gen sie die Rechnung abschlüßen und das Te
Deum laudamus singen, ja alles so thun
als wenn sie schon wirklich angelandet wä-
ren.
/ ≥ §. 17. ≤
/An einigen Stellen scheinet das Waßer gantz
feurig und gläntzend zu seyn, so daß die
Matrosen, die davon besprützt werden mit
Funken gantz bedekt zu seyn scheinen. Nach-
dem man mit einem Microscopio daßelbe
untersucht, so hat man befunden daß der Glan@tz@
von gewißen Würmern, die den Johannis-
würmern sehr ähnlich, sind und im finstern
leuchten, entstehe. Dieses Leuchten des Was-
sers kann auch zum Theil von dem Schlamm
der Fische, und von dem generirenden Fischsa-
/ men
/|P_79
/men herkommen. Man hat auch eine Menge
Insekten, die da leuchten als der Later-
nenträger. Das Meerwaßer hat bey
den Moluccischen Inseln eine so weislich-
te Farbe des Nachts zur warmen Jahres-
zeit, als wenn es aus lauter Milch be-
stünde.
/ ≥ § 18. ≤
/Wenn wir die Saltzigkeit des Meerwaßers
betrachten wollen; so bemerken wir daß
der Ocean gleichsam ein sehr großes Saltz-
magazin und daß das See_Waßer ordent-
licher Weise sehr saltzig sey, wo es nicht mit
beträchtlichen Strömen die süß Waßer bey
sich führen vermengt wird zE. wie der de_
la_Plata_Strom der an der Mündung 80
Meilen breit ist. Die Grade des Saltzwas-
sers beruhen also auf dem Zufluß des süs-
sen Waßers. Wenn ein Meer weniger aus-
/ dunstet
/|P_80
/dunstet als es Zufluß vom süßen Waßer be-
kommt, denn ist es weniger saltzigt; der
Zufluß bey der Ostsee ist größer als die Aus-
dünstung, folglich ist die Ostsee «fo» weniger
saltzigt. Wenn aber ein Meer mehr ausdün-
stet als es Zufluß von süßem Waßer be-
kommt, welches das Saltz vermindert, so ist
es saltziger. ZE. bey dem Mittellandischen
Meer, welches beynahe den achten Theil Saltz
hat, bey dem Caspischen Meer ist die Ausdün-
stung größer als der Zufluß vom süßen
Waßer, folglich sind diese Meere saltziger.
Die Ausdünstung des todten Meeres ist so stark
daß es im Sommer einige Meilen austroknet,
so daß man darauf gehen kann, und deswe-
gen ist es auch saltzigt. Wir observiren auch
daß ordentlicher Weise, wo es sehr warm und
sehr kalt ist, da«s»s Waßer am saltzigten seyn
müße. Die Ursache davon, daß das Meerwaßer
/ in
/|P_81
/in den heißesten Oertern am gesaltzesten
ist, bestehet in der Ausdünstung, wodurch das
Saltz in dem Waßer zurük bleibt, und in
den kältesten Oertern kommt es deswegen
her, weil das hineinfließende Flußwaßer
in große Eisschollen die gleichsam als gros-
se Länder herumschwimmen gefrieret.
/ ≥ §. 19. ≤
/Eine solche Saltzigkeit giebt es sowohl im
Ocean als in den Mittelländischen Meeren,
worunter der See in Rußland bey dem Wol-
ga Strom nach Archangel zu bey der neu
errichteten Colonie Sadow zu merken ist.
E«s»r ist zu manchen Zeiten so mit Saltz wie
im Winter mit Eis belegt, daß man dar-
über gehen und fahren kann. Ferner ge-
hört auch hieher der Lacus Asphaltitis oder
das todte Meer, welches eigentlich nur ein
Jordan ist, deßen Ufern erweitert worden,
/ weil
/|P_82
/weil der Jordan in dieses Meer hineinfließt
und mit ihm einerley Richtung hat; wenn
er an seinen Ufern im Sommer austroknet,
so stinkt das verfaulte Waßer darin so sehr,
daß die Vögel die darüber fliegen davon ster-
ben sollen; es kommt solches von einem Pech
her, welches den Steinkohlen gleich aussiehet.
Der gröste Grad der Saltzigkeit ist ein loth
Saltz auf 14 loth Waßer, wenn mehr Saltz
hinkommt, so geht es zu Boden und wird nicht
mehr von Waßer aufgelöst.
/ ≥ §. 20. ≤
/Das Fundame«t»nt zum Saltze ist eine kalkig-
te Erde und ein SaltzGeist, welcher in einer
gantz besondern Säure bestehet. Es giebt
dreyerley Säure: Vitriol_Säure, Salpeter¥
Säure und Kochsaltzsäure; im Kochsaltz ist noch
außer der Säure Alcali fixum oder Kalk_Erde,
welches das Seewaßer in sich hält. Vom Kochsaltz
sind dreyerley Arten: Seesaltz, Steinsaltz und
/ Quell
/|P_83
/Quellsaltz. Das Saltz befindet sich sowohl im
Waßer als auf dem festen Lande und hier
in denen so genannten Saltz_Quellen und
in einigen Bergwerken. Wenn wir die Ur-
sache des SaltzWaßers untersuchen wollen;
so müßen wir zuerst fragen: Was war
das ursprüngliche Waßer das süße oder das
saltzige? Wenn man es philosophisch betrach-
tet, so ist es das einfache gewesen, aus dem
hernach das zusammengesetzte durch Hin-
zuthuung entstehen konnte; das süße Was-
ser ist aber das einfache und so scheint es
auch zugegangen zu seyn. Wo die Ströme
ausfließen, da ist Sand, dieser ist petrificirt
oder praecipitirt, wie wird es aber sal-
tzig? Man glaubt es wäre durch eine al-
mählige Abspülung des Saltzes von den Ge-
wächsen, die einen kleinen Grad von Kochsaltz
bey sich führen durch die Wegführung der Ströme
/ in
/|P_84
/in die See gekommen, so daß es sich da gesam-
let hat, allein alsdenn müste die Welt Mil-
lionen Jahre gestanden haben, wenn es noch
auf solche Art möglich wäre, und die Ströme
müsten auch saltzigt seyn, weil sie dieses Saltz
wegführten. Allein die See giebt ehe dem Lan-
de Saltz als das Land der See. Im heißen Cli-
ma rostet alles Eisen; die Uhren in den Ta-
schen; dieses kommt vom Saltz, welches in die
Luft aufsteigt, aus der Luft aber durch den
Regen auf die Aekker und Pflantzen fällt,
und sie noch vielmehr fruchtbar macht, als daß
es vom Lande durch die Ströme in die See sol-
te weggeführt werden, selbst die Ströme
saugen noch mehr Saltz als daß sie es wegfüh-
ren sollten. Viele glauben, daß Gebürge von
Saltz im Meere sind, die durch das Waßer auf-
gelöst werden, allein alsdenn müste das Waßer
saltziger werden, je mehr die Berge aufgelöst
/ würden
/|P_85
/würden. Im Gegentheil ist es noch umgekehrt;
die Saltzflötze rühren noch vom Meere her,
welches vorhero da war und abgefloßen
ist. Sollte das Saltz des Oceans vorhero auf
der Erde gewesen seyn und von dem Meer-
waßer abgespült worden seyn, so muste noch
das Saltz in allen Bergwerken anzutreffen
seyn. Welches ist nun aber die Ursache? Es
scheinet wohl eigentlich seinen Ursprung vom
Meerwaßer zu haben und eine ursprüngli-
che Eigenschaft des Waßers zu seyn, welches
im ersten Zustande der Erde das Saltz auf-
gelöset hat. Denn in dem inwendigen der Er-
de befindet sich noch Saltz, dieses beweisen
die feuerspeyende Berge, welche eine Men-
ge von Kalksteinen, Saltz und Asche heraus-
werfen, es ist zwar kein Kochsaltz sondern
Laugsaltz, allein dem Kochsaltz liegt doch et-
was Laugsaltz zum Grunde.
/ §. 21.
/|P_86
/ ≥ §. 21. ≤
/Weil das süße Waßer bey der Schiffarth auf lan-
gen Seefahrten zuletzt so wohl verfault als
auch sogar ausgeleeret wird, und durch die Fäul-
niß großen Schaden anrichtet, indem es, weil
es sich entzündet und lange Würmer bekommt
eine rechte Peste für die Schifleute ist und al-
so die Ursache aller Seekrankheiten «sey» ist:
so hat man darauf gedacht, wie das Meerwas-
ser süß zu machen wäre, welches auch ein ge-
meiner Schiffer [[Irving]] erfunden, obgleich viele Ge-
lehrte sich darum Mühe gaben. Die gröste Schwie-
rigkeit ist aber diese, daß das Schif viele
Steinköhlen führen muß, allein wenn es kein
Handlungsschif ist, sondern nur auf Entdekkun-
gen ausgeht, denn geht es an. Man glaubte
daß die Seekrankheiten von der anstekkenden
Luft herrührten, dahero man ventulators an-
gebracht hat, welches auch wohl zum Theil mit
eine Ursache seyn kann, wie denn auch eine
/ arret-
/|P_87
/arretirte Spitzbubenbande viele durch ihre
vergiftete Luft tödteten; allein die vornehm-
ste Ursache ist wohl das stehende süße Waßer.
Die Art das Meerwaßer süß zu machen ge-
schicht durch destillation, wobey beständig drey
Stükke seyn müßen: der Destillir_Kolben, der
Kühlhelm, wo die Dünste in die Höhe steigen
und durch die Kälte in Tropfen verwandelt
werden; und endlich die Vorlage, worin
das flüßige Wesen welches destiliren soll
hineinfließt. In der Natur geschieht die de-
stilation auf dieselbe Art, das Flußwaßer
ist eben so aus dem Meerwaßer destilirt.
Die Sonne ist das Feuer, der Ocean ist der
destilirkolben; die oberste Region ist der
Kühlhelm wo die Dünste aufsteigen und sich
in Wolken samlen; die Erde ist die Vorlage
wo das Waßer abfließt, weil aber auch
einige flüchtige Saltze mit in die Höhe gehen;
so ist es kein Wunder, daß wir nicht ein voll-
/ kommen
/|P_88
/kommen reines Waßer haben. Allein weil
demohngeachtet bey dieser Operation die
Pechartigen Theile mit dem Waßer zugleich
in die Höhe gehen, welche eben die Bitterkeit
bey dem Meerwaßer hervorbringen; so
ist es dennoch nicht zu genießen. Man glaub-
te daß die Bitterkeit des Seewaßers von
den bituminesen Theilen die im Meere seyn
sollen, herrühren soll; die Bitterkeit kommt
vielmehr vom Kalk, denn alle producte
des Seewaßers sind kalkartig, und wenn
dieser Kalk mit Saltz vermengt wird; so
kommt die Bitterkeit daraus. Man hat
hierauf Oehl auf das Seewaßer«s» gegoßen,
an welchem sich die Pechartigen Theile, weil
sie mehrentheils so schwer sind als das Oehl
selbst ist, hängen, wodurch die Bitterkeit dem
Waßer in etwas benommen worden. Allein
jetzo soll man sowohl in Engelland als Frank-
reich eine Art das Meerwaßer vollkommen
/ süß
/|P_89
/süß zu machen erfunden haben.
/Außer diesem ist noch eine Art zu merken
aus dem Meerwaßer Saltz zu bringen;
man macht nemlich an dem Meere ein Bas-
sin, in welches man das Seewaßer hinein-
laufen läßt, worauf denn daßelbe von der
Sonnenhitze ausgezogen wird und das Saltz
zurük bleibt, wie solches in Frankreich
geschiehet; allein wenn es schwartz ist, so
muß es purificiret werden. Das Französi-
sche Saltz heißet Baysaltz. Das Spanische Saltz
von Cadix ist dem Hallischen gleich. Das Saltz
von Genua ist auch weiß aber etwas sauer,
welches aber mehr vom Boden als Saltz kommt.
Die nordliche Länder machen kein Saltz, weil
das Waßer nicht so saltzigt ist. Aus dem Eis-
meer kann man auch kein Saltz machen,
ob es gleich saltzigt genug ist, allein dazu
gehört noch warme Luft, die dorten nicht ist.
/ §.22.
/|P_90
/ ≥ §. 22. ≤
/Wir bemerken, daß die Seeluft von der Land-
luft so sehr unterschieden ist, daß die Men-
schen die auf der See den Schaarbok bekom-
men nur den Kopf auf das Land legen dür-
fen und mehrentheils davon sogleich gehei-
let werden, dahero auch vielleicht die Ge-
witter von der Vermischung der Landluft
mit der Seeluft herkommen mögen. Das See-
waßer ist aber für Kranke Leute gesund,
dahero die Kranken durch eine Seereise oft
curiret worden; deswegen auch Linne [[Lind]] ein
Medicus ein See_Hospital anzulegen dachte
Dieses alles scheint blos vom Saltze her-
zurühren. Der Nutzen des Saltzes im Meer-
waßer ist vielfach und sehr groß, es dunstet
etwas aus und fällt auf den Akker und macht
ihn fruchtbar; es kann auch größere belade-
ne Schiffe tragen; das Meerwaßer kann
/ auch
/|P_91
/auch größere Thiere tragen, die im süßen
Waßer sinken möchten. Man kann auch im
Saltzwaßer beßer schwimmen als auf dem
FlußWaßer; wie denn auch der Admiral
Braddick [[Brodrick]] da er im letzten Kriege zwischen
den Spaniern und Engelländer sein Schif durch
den Brand verlohr, eine gantze Stunde mit
Schwimmen aushalten könnte, er nahm
seine Papiere in den Mund und sein Matro-
se nahm seine Kleider und deswegen ret-
teten sie ihn am ersten. Das Baden im Saltz-
waßer ist gesunder. Es erhält aber nicht wie
einige meinen die See wieder die Fäulniß;
welches man bey den Ueberschwemmun-
gen des Oceans bey der hohen Fluth auf
der Insel Sumatra bemerkt hat, da das
Seewaßer bis 14 Tage auf dem Lande stehen
geblieben, bis es nemlich wieder durch das
Waßer weggespület wird und aus Mangel
/ der
/|P_92
/der Bewegung daselbst so stinkt, daß das Ca-
stel der Holländer zweymal ausgestor-
ben, und sie auch deswegen das Castel ver-
laßen haben. Weil das Saltzwaßer schwerer
ist, so ist auch der Druk des Meerwaßers sehr
groß. Der General Marseille [[Marsigli]] der mehr ein
Natur_Forscher als ein General war, hat eine
Bouteille 300 Faden tief heruntergelaßen
nachdem er vorhero einen Ring <an>gemacht
hatte daß sie gerade herunter gehen konnte,
so trieb der Druk des Seewaßers den Kork-
stopsel so tief herein als es nur möglich war,
ja durch den Korkstopsel noch eine <kleine> Quantitaet
Waßer, welches süß war, indem die Saltz-
theile nicht durchgehen konnten. Eine solche
Waßersäule von 12.000 Cubic_Fuß und ein
Cubic_Fuß auch noch 4 %Pfund schwer ist macht ei-
nen starken Druk. Das wäre eine «sta» gute
Preße! Solche Preße wäre möglich durch das;
gefrieren des Waßers vermittelst der @Banbe@
/ indem
/|P_93
/indem das Waßer wenn es gefroren alles
mögliche Gefäß von einander zu drengen
im Stande ist. Die Schwere des Saltzwaßers
scheint auch wohl die Ursache zu seyn, daß
die großen Seethiere in dem süßen Waßer
sich nicht aufhalten, weil sie darin sinken
möchten, welches im Seewaßer, das durch
das Saltz schwerer wird, nicht geschiehet.
Noch ist zu merken, daß das Saltz nicht zum
Leben nothwendig ist, da viele Völker z E.
die Caraiben gantz ohne Saltz leben.
/ ≥ §. 23. ≤
/Jetzt folgt in der Betrachtung der Meere
die Ausdünstung derselben. Es ist bis jetzo
für eine unauflösliche Quaestion gehalten
worden, warum das Meerwaßer nicht
höher steige, da doch täglich so vieler Zu-
fluß aus den Flüßen kommt; dahero man
auf die Meinung gerieth, welche schon die
/ Alten
/|P_94
/Alten behaupteten, daß die Meere einen un-
terirdischen Zusammenhang hätten und das
Waßer durch diese unterirdische Canäle zu-
rüktrete. Viele erdichtete Geschichten wol-
len den Zusammenhang der Meere bestä-
tigen, allein die Namen bringen stets Ge-
schichten zum Vorschein. Die Alten glaubten
immer die Circulation des Waßers müste
unter der Erde geschehen. Allein da man die
Arithmetic auch auf die Physic angewen-
det hat, so hat man befunden, daß die Circula-
tion über der Erde geschieht, nur sie ist nicht
sichtbar und zwar vermittelst der destilation.
Man sahe ein, daß das Ausdünsten des Meer-
waßers weit mehr betrage als täglich aus «,»
den Flüßen hinzukommt, indem die sch«¿¿»nelle
Flüße in Ansehung der Breite des Oceans ü-
ber den sich doch die Ausdünstung erstrekket sehr
wenig Waßer einbringen und der Ocean durch
den Zufluß der Ströme allein allein kleiner
/ werden
/|P_95
/werden müße, wenn er noch nicht andere un-
sichtbare Quellen haben möchte; dieses wird
aber doch durch den Regen, Schnee p der perpen-
dicular auf die See wieder zurük fällt, ersetzt,
so daß der Ocean eben soviel ausdunstet, als
er von den Flüßen einen Zuwachs erhällt.
Er würde aber wenn er solchen nicht erhiel-
te, täglich um 30 Zoll niedriger werden,
welches für eine so geräume Fläche sehr viel
ist. Im gantzen Ocean ist der Zufluß durch
Flüße der Aus«f»dünstung gleich, weil die Flüs-
se nicht mehr Waßer geben können, als sie
durch die Ausdünstung bekommen. Weil aber
einige Meere vom Ocean abgeschnitten
sind und keinen Zusammenhang mit dem
Ocean haben, als das Caspische Meer; einige
wieder kleine Bassins haben, als die Ostsee
und demohngeachtet doch viele beträchtliche
Flüße einnehmen; so können solche Meere
höher seyn als der Ocean. Da es wieder auf
/ der
/|P_96
/der andern Seite Meere giebt, die zwar Zusam-
menhang mit dem Ocean haben, aber große
Basseins haben und gar keine oder wenige
Flüße einnehmen, folglich die Ausdünstung grös-
ser als der Zufluß seyn muß; so müßen solche
Meer niedriger seyn als der Ocean. Ein solches
Meer ist zE. das Mittelländische Meer. Wenn
die Straße bey Gibraltar würde vermauret
werden, daß kein Zufluß ins Mittelländische
Meer käme; so würde das Mittelländische Meer
wegen seiner Ausdünstung, die wegen der gros-
sen Oberfläche desselben groß seyn muß, und
wegen des wenigen Zuflußes durch Flüße, ein-
troknen müßen, das Bassin würde also immer
kleiner werden, es würde aber nicht immer
Continuiren auszutroknen, sondern es würde
gerade alsdenn aufhören, wenn die Ströme so-
viel Waßer als das Meer ausdunstet, in dieser
Höhe würde es hernach beständig stehen bleiben.
Jetzt aber geht beständig ein Strom aus dem O-
/ cean
/|P_97
/cean ins Mittelländische Meer, von welchem
wir noch bey Gelegenheit der Ströme noch mehr
reden werden, der den Verlust ersetzt, aber
doch nicht so stark ist das Mittelländische Meer
in gleicher Höhe mit dem Ocean zu erhalten.
Das rothe Meer soll höher seyn als das Mittel-
ländische und der Atlantische Ocean höher als
der pacifische. Die LandEngen von Suez und
Panama trennen die beyden ungleichen Meere
von einander, doch weil der Ocean und das pa-
cifische Meer an vielen Orten zusammen hän-
gen, so dörfte wohl die Ursache der Spanier,
um die Unmöglichkeit der <Durch>«Ab»stechung der bey-
den LandEngen darzuthun, und die Verbindung
beyder Meere zu verhindern, mehr eine po-
litische als physicalische seyn, damit die En-
gelländer und übrigen Seemächte desto eher
bewogen würden, ihnen den Besitz von ihren
Ländern nicht streitig zu machen, «und» indem
sie von der Weite und Rauhigkeit des Weges
/ davon
/|P_98
/davon bisher abgeschrekket seyn. Etwas
könnte doch wohl der Atlantische Ocean hö-
her seyn als der pacifische; denn es ist ein
allgemeiner Strom von Osten nach Westen
und der könnte etwas das Waßer im Atlan-
tischen Ocean häufen.
/ ≥ §. 24. ≤
/Die Bewegung des Waßers ist dreyfach:
/1, durch die Wellen von denen der Wind die Ursach ist
/2, durch die Meerströme
/3, durch die Ebbe und Fluth.
/Was die Wellen anbetrift, so ist zu merken,
daß das Waßer in denselben nicht fortläuft,
sondern beständig auf einer Stelle verbleibt,
und nur eine schaukelnde Bewegung «d»er-
hält, indem der Wind solche Quantitaet Waßer
wegen seiner Leichtigkeit nicht zu bewegen
im Stande ist. Doch bewegt auch derselbe, in
dem Fall daß er lange anhält, das Waßer selbst.
/ Hier
/|P_99
/Hieraus kann erkläret werden, warum die
Täucher in zwey bis drey Stunden im Waßer
den Wind nicht empfinden können. Es scheint,
als wenn die Bewegung der Welle fortrükt
weil die folgende Wellen nach und nach schwellen,
allein es ist nur eine schaukelnde osciliren-
de steigende und fallende Bewegung. Man kann
dieses erfahren, wenn man Spreu aufs
Waßer wirft, und einen Stein der Wellen er-
zeugt hineinwirft, so sieht man daß die Spreu
bey der WellenBewegung auf derselben
bleibt. Man kann auch solches darthun aus
der Art zu meßen wie weit man auf der
See gefahren; denn man hat noch außer der
Art zu calculiren, (wo man die Gestallt des
Himmels mit der Zeit, welche man über der
Farth zugebracht, vergleicht, wenn man nem-
lich nach der Breite gegen den Aequator oder
die Pole zu reiset) eine andere Art die Wei-
/ te
/|P_100
/te zu meßen, die darauf beruht, daß das
Waßer in der See auf einer Stelle bleibt.
Man wirft nemlich ein Brett aus, welches
man Looch nennet, und woran das eine Ende
vom Thau befestiget ist, und aus der Länge
des Taues, welches man abgewunden, nebst
der Zeit in welcher man von dem Brett
entfernet ist, beurtheilt man die Weite
die man gefahren. Wenn also das Waßer
nicht auf einer Stelle bliebe, so würde auch
das Brett mitschwimmen; würde man nun
keinen festen Punkt haben, von welchem
man zu meßen anfienge; so würde man
auch die Weite die man gefahren nicht mes-
sen können. Admiral Anson meßete die
Weite seiner Reise, und kam drey Wochen
später an die Insel als er sollte; denn ein
Strom war ihm entgegen gekommen, der das
Looch zurük trieb, und er dachte daß er sich
vom Looch weiter bewegte.
/ Die
/|P_101
/Die Wellen sind entweder lange, kurtze o-
der zurükschlagende. Die erstern sind die
besten und besonders im Biscaiischen Meer
anzutreffen. Die Mittlere aber sind we-
gen der schaukelnden Bewegung, die das
Schiff, die Fäßer und andern Waaren auch
selbsten die Menschen erhalten, sehr schlimm.
Was die letztern betrifft, so giebt es solche,
da wo Untiefen vorhanden, das Waßer
wird nemlich vom Winde gedrukt und weil
dieselbe an die Felsen anstoßen, so werden
sie wiederum zurükgeschlagen. Die langen
Wellen sind niemalen da wo steile, sondern
wo flache Küsten sind und zwar in der Mitte
und nicht nahe an denselben. Im Grunde
der See ist es ruhig, die Wellenbewegung
ist nur auf der Oberfläche des Waßers. Es
würde wohl der Wind auch sogleich oder bald
darauf das Seewaßer bewegen können, wenn
daßelbe auf einer Stelle bliebe; allein
/ weil
/|P_102
/weil beständig in die Stelle des alten Was-
sers neues kommt, so muß der Wind bestän-
dig neuen Quantitaeten Waßer den Stoß
geben, wodurch er nicht so geschwinde das
untere Waßer bewegen kann. Wo aber
das Meer nicht tief genug ist ZE. In der
Ostsee, so kann der Wind das Waßer bis auf
den Grund bewegen, woher die Kurtze und
zurükschlagende Wellen entstehen. Durch
solche Wellen kann die Seestürtzung er-
folgen, diese ist, wenn eine Welle ber-
stet; dieses geschicht, wenn der Wind von
der Seite ist und man die Welle aufhält.
Je enger die Meere sind, desto untiefer,
dahero haben die Wellen kein freyes Spiel,
sondern sie sind abgebrochen. An der Kürtze der
Wellen kann man die Sandbank kennen.
/Alle Riffs haben kalte Luft und Nebel, es ist
schwer zu erklären, aber es ist dieselbe Ur-
sache als der kurtzen Wellen. Die Ursach liegt
im Boden. In der tiefen See ist eine Keller-
/ wärme
/|P_103
/Wärme, welche 70 Fuß in der Erde anzutreffen
ist und auch in der grösten Tiefe beständig gleich
ist nach dem Pariser Observatorio, und in Ver-
hältniß der Obern Luft ist diese KellerWärme
bald warm bald kalt, sie ist 25_1/2 Grad %.Farenheitschen
%Termometers. Da nun das untere Waßer kälter ist
als das obere, so muß der Wind das Waßer
auf solchem Riff, wo es nicht tief ist, und wo
er also bis auf den Grund das Waßer bewe-
gen kann, von unten nach oben bringen, und
folglich, weil es oben wärmer ist, als die
untere Kellerwärme, so muß es hernach,
wenn das kalte Waßer nach oben kommt
kälter werden.
/Die eigentliche und gröste Höhe der Wellen
kann man nicht genau wißen, doch einige
behaupten, daß die Wellen niemals höher als
24 Fuß steigen, welche in 2 Theile gethei-
let, für die Höhe oder das Thal an der Wel-
le eine Erhöhung von 12 Fuß über der Fläche
des Meeres giebt
/Bey Gelegenheit der Wellen Bewegung
/ kann
/|P_104
/kann man auch anführen die Bewegung des
Waßers, die da entstehet, wenn ein seegeln-
des Schif das Waßer schneidet; diesen Weg, den
das Schif macht kann man auf 500 Schritt ken-
nen und ist den Schiffern sehr nützlich, indem er
daran erkennen kann, wie weit er durch den
Wind von der geraden Furth zur Seite abgetrie-
ben ist.
/ ≥ §. 25. ≤
/Wenn ein Sturm lange angehalten und das Waßer
auf dem Boden des Meeres in Bewegung gebracht
ist; so dauert die Bewegung der Wellen, die vom
Boden hergekommen noch fort, wenn gleich
der Sturm längst aufgehöret, und diese Be-
wegung, welche den Schiffern sehr gefährlich
ist, wird von den Schiffern die hole See ge-
nannt. Bey einem Winde kann die Bewegung
der Wellen dem Schif nichts schaden, wenn aber
der Wind aufgehöret, und die Bewegung dau-
ert noch, so ist das Schif einem Balle gleich
indem es nicht fort kann, sondern sich immer
bewegen laßen muß, da alsdenn sich alles im
Schif loßreißt und rollet, und deswegen ist
/ die
/|P_105
/die hohle See sehr gefährlich. Die hole See ist
also eine Wellen_Bewegung nach einem Win-
de. Man glaubt, daß wenn man Oehl aufs
Meer gießen würde, die See alsdenn still
werden möchte. Es ist wahr, daß das Oehl eine
kleine Waßerbewegung still macht. Wenn
das Seewaßer gantz still ist, so kann man
wegen seiner Durchsichtigkeit, die vom Saltze
herrührt, auf dem Grunde oft etwas suchen,
sobald sich aber das Waßer nur runtzelt, so
ist es im Grunde gantz finster, so als wenn
eine Wolke vorbey gienge, dahero läßt man
von unten nach oben Oehl, da es alsdenn
ruhig, und als durch ein Fenster Licht wird,
dieses machen die Täucher sich zu nutze. Bey
solcher Bewegung geht es zwar an, aber nicht
bey großer Bewegung des Meeres. Es waren
einmal Schiffe mit Oehl beladen und bekamen
eine hohle See, sie wurden an einander
zerschmettert, das Oehl ergoß sich aufs Meer
und deswegen wurde es doch nicht ruhig, wie
Muschenbroek sagt, vielleicht ist aber die Nach-
/ richt
/|P_106
/richt nicht zuverläßig.
/Eine andere Art der Wellen_Bewegung sind die
Brandungen. Das Waßer mitten in der See hat
die Bewegung, welche ein Perpendicul hat, das
ist eine oscillirende, da nemlich daßelbe in glei-
cher Zeit steigt, in gleicher Zeit aber wiederum
fällt. Gegen das Land aber werden die Wellen
zurükgeschlagen, so als wenn der Faden des
perpendiculs verkürtzt wird; wenn also eine
Welle vom Lande zurükkommt, so steigt die An-
dere in die Höhe, folglich vereinigt sich die zu-
rükkehrende Welle mit der aufschwellenden,
und ergießen sich deswegen weiter aufs Land.
Die Ursach der Brandung ist folgende. Die Welle
an den Ufern und Küsten können nicht ein glei-
ches Spiel mit den anderen Wellen machen, weil
sie vom Lande aufgehalten werden, dahero
hohlt die andere Welle die erste ein, folglich
ist die zweyte höher, die dritte hohlt diese
ein und ist wieder höher, und so immer fort
bis endlich der Druk der letzten Welle am
stärksten ist und sie alle zurüktreibt, da
es alsdenn wieder von Anfang geht. Dieses
/ nennen
/|P_107
/nennen die Schiffer Brandungen. In Guinea
ist die gröste Welle die siebente oder Achte,
auf deren Uebergang die Schiffer, wofern
sie nicht nebst dem Boot verschlungen werden
wollen, warten müßen. Diese gröste Welle
ist vielleicht diejenige gewesen, welche
die Lateiner fluctum decumanum nennen.
/ ≥ § 26. ≤
/Die zweyte Bewegung des Meerwaßers wird
durch die Meerströme verursacht. Die Ursache
der Meerströme ist zu suchen: Erstlich, in der all-
gemeinen Bewegung des Oceans von Osten nach
Westen. Diese allgemeine Bewegung des Oceans
von Osten nach Westen kommt von der Umdre-
hung der Erde um ihre Axe von Westen nach
Osten, indem dadurch das Waßer zurükgeschleu-
dert wird. Die Ursache der Meerströme be-
ruht zweytens auf folgenden Stükken: Ent-
weder auf der Ausdünstung; oder auf den Win-
den, oder endlich auf der Ebbe und Fluth, von
der in der Folge besonders geredet wird.
/ Da
/|P_108
/Da wir §_23. aus der Ausdünstung gesehen haben
daß Meere, die Zusammenhang mit dem Ocean
haben, weil einige von ihnen kleine Bassins
und vielen Zufluß von Flüßen haben und dahero
weniger ausdünsten, andere aber große Bas-
sins und wenigen Zuwachs durch Flüße haben,
also stärker ausdünsten; die erstern von ih-
nen höher als der Ocean und die andere nie-
driger als der Ocean seyn müßen; so muß in den
Straßen, wo nehmlich solche mittelländische
Meere mit dem Ocean zusammenhängen
beständig ein Strom, der von keinem Winde er-
regt wird, anzutreffen seyn, durch welchen
sich entweder das Waßer aus dem Meere, wenn
es nemlich höher ist, in den Ocean, oder das Was-
ser aus dem Ocean in das Meer, wenn es nem-
lich niedriger ist, ergießen; man wird auch leicht-
lich sehen können, von wo der Strom läuft, ent-
weder von dem Ocean oder von dem mittellän-
dischen Meere, wenn man nemlich die Anzahl
der Flüße, und ob sie beträchtlich oder klein sind,
welche in das Meer hineinfließen, auch die Ober-
/ fläche
/|P_109
/fläche dieses Meeres weiß. Man hat aber
solchen Strom nur bey der Straße von Gibraltar
durch welche die mittelländische See mit dem
Ocean zusammenhängt, bey dem Sunde und
dem bey den Belten, wodurch die Ostsee mit
der Nordsee zusammenhängt observiret.
/Außer diesem Obern Strom giebt es noch einen
der unten auf dem Boden fließt, der bey einer
jeden Straße anzutreffen und dem obern Strom
beständig entgegengesetzt ist. Buffon will die-
selbe in seiner Naturgeschichte gantz verwer-
fen, weil er sie nicht begreifen konnte, allein
die Erfahrung lehrete es dennoch, daß dem al-
so sey, man ließ nemlich ein Boot auf dem
Sunde aussetzen und einen Strik, woran ein
Faß mit etlichen eisern Kugeln angebunden
war, ins Waßer werfen; als dieses Faß eine
gewiße Tiefe erreichet hatte, so wurde das
Boot dem obern Strome gantz entgegen fort-
gezogen. In der Straße bey Gibraltar geht der
obere Strom herein und der untere Strom her-
aus. Im Sund ist es umgekehrt, der Oberste geht
heraus und der untere geht herein. Die Ur-
/ sache
/|P_110
/sache ist diese: Das Mittelländische Meer ist nie-
driger als der Ocean, weil es mehr ausdünstet,
dahero kommt der Zufluß vom Ocean, der den Ober-
strom formiret. Die Ostsee ist aber höher als der
Ocean, weil der Zuwachs vom süßen Waßer
größer ist als die Ausdünstung, folglich geht
der oberste Strom heraus. Weil nun wieder
das Waßer im Mittelländischen Meer wegen
der Ausdünstung saltziger und also auch speci-
fisch schwerer ist als der Ocean, so geh«l»t der
unterste Strom aus demselben in den Ocean
und weil das Waßer der Ostsee leichter ist, als
des Oceans, so geht der untere Strom aus dem Oce-
an in die Ostsee. Der Unterstrom entsteht «aus»<durch>
den Druk des Waßers, nemlich die Säule «des»von Was-
ser«s» im %.Mittelländischen Meer ist schwerer, weil sie sal-
tziger ist, als die Waßersäule des Oceans, folg-
lich treibt das schwerere Waßer durch den Druk
das leichtere zurük, woher der Unterstrom ent-
steht. In der Ostsee ist es aus denselben Ursachen
umgekehrt. Ist also die Ausdünstung größer als der
«Ein»Zufluß, so geht, so geht der Oberstrom herein und
/ der
/|P_111
/der Untere heraus; ist aber der Zufluß größer
so ist es umgekehrt. Darnach kann man alle
Meere beurtheilen
/ ≥ §. 27. ≤
/Wenn die Winde, die lange anhalten nach einem
Strich gehen, so gehen auch die Ströme, die sie
verursachen nach einem Strich. Im pacifischen O-
cean aber ist ein Strom, der an der Küste eine an-
dere Richtung nimmt, und an den @Luadai@schen In-
seln setzen die Winde um im Sommer von Westen
nach Norden und im Winter von «W» Norden nach We-
sten. Die Ströme an den Moluccischen Inseln sind
sehr heftig. Meere zwischen Ländern haben ge-
fährliche Ströme zE. Categat, denn da treibet
der Strom die Schiffe unvermerkt an die Küste.
Die Kenntniß der Ströme interessirt den Schif-
fer sehr. Es giebt auch in dem mittelländischen
Meer mitten in der See und an den Küsten eine
Art von Strömen, welche von der Straße bey
Gibraltar westwärts nach Spanien, Frankreich
rings um den adriatischen Meerbusen nach der
/ Levante
/|P_112
/Levante und wiederum von hier an den Africa-
nischen Küsten herum laufen. Die Ursache ist viel-
leicht diese: Das Waßer aus dem schwartzen Meer
fließt weil es höher ist in das %Mittelländische Meer ab,
weil nun von der Africanischen Seite keine
Flüße, hingegen von der andern Seite viele
Flüße hinein laufen, so wiedersteht das Was-
ser von der Westseite dem hineindringen-
den Waßer aus dem schwartzen Meer %und
muß bey den Africanischen Küsten verblei-
ben, sobald aber das Waßer einmal in den
Gang gebracht worden, so behält auch das-
selbe seinen Lauf und fließt beständig fort.
/ ≥ §. 28. ≤
/Die Würkung zweer Ströme ist der Stru-
del. Bey Messina kommt der südliche mit
dem Nordlichen entgegen und einer hält
sich an der einen der andere an der andern
Seite. Solche 2 Gegenströme geben ein Todt-
Waßer, davon ist das Gras_Meer; Wenn 2
Winde sich begegnen und theilen, so ist zwi-
/ schen
/|P_113
/schen ihnen ein todt Waßer; die See wirft a-
ber alles, was nicht gleiche Bewegung mit
ihr hat und was dem Strome nicht folgen kann
auf die Seite wo es ruhiger ist. Die merk-
würdigsten Strudel sind die Scylla, Charybdis,
Euripus und der «Maelsch» Maelstrom. Von
diesen Meerstrudeln können zwar kleine
Fahrzeuge nicht aber große Schiffe verschlun-
gen werden, sondern die Schiffe selbst brin-
gen die Strudel in Unordnung; wenn aber
Schiffe im Maelstrom verunglükken, so geschie-
het es deswegen, weil die Winde alle Au-
genblik sich ändern und weil die Schiffe an
die Felsen stoßen und zerscheitern.
/ ≥ § 29. ≤
/Daß in dem gantzen Weltgebäude nichts ru-
hig, sondern daß sich jederzeit die Körper
zu nähern sich bemühen oder sich anziehen
hat Newton bewiesen. Eben derselbe hat
dargethan, daß die Schwere der Körper nichts
anders als eine Anziehung, die von dem gan-
/ tzen
/|P_114
/tzen Klumpen und nicht von dem Mittelpunkt
der Erde allein actuirt wird, sey. Ob nun gleich
die Anziehung des Mondes nicht bey den Körpern
auf unserer Erde zu merken ist, weil die Erde
solchen Körpern näher als der Mond ist, so äus-
sert sich dieselbe doch würklich, und ist bey der
flüßigen Materie als dem Waßer insbeson-
dere zu merken. Wenn die Anziehung des
Mondes in der ihm zugekehrten Seite nur
eben so stark wäre als im Mittelpunkt %und
der abgekehrten Seite der Erde, so würde
das Waßer der Erde gleich hoch stehen. Allein
weil die zugekehrte Seite «der Erde» dem Mon-
de näher ist als der Mittelpunkt der Erde, %und
dieser wiederum näher als die abgekehrte
Seite; so würkt der Mond stärker auf «der» <die>
zugekehrte«n» Seite als den Mittelpunkt %und
auf diesen Mehr als auf die abgekehrte.
Dieserhalben erhebt sich das Waßer auf der
dem Monde zugekehrten Seite und weil es
von dem Monde angezogen wird, so wird es
/ in
/|P_115
/in Ansehung der Erde leichter. Das Waßer nun,
welches zu den Seiten der Erde mit dem Mit-
telpunkte derselben gleich stark gezogen
wird, sucht sich mit dem Waßer auf der zu-
gekehrten Seite in ein Gleichgewicht zu se-
tzen. Da nun das Waßer zu den Seiten
schwerer als auf der obern Seite ist; so wird
auch wenigeres Waßer an denselben eben
so viel w«ä»iegen, als vieles auf der dem Mon-
de«n» entge«s»gen gesetzten Seite, weil auf die-
ser das Waßer weniger vom Monde ange-
zogen wird, folglich wird es auf der obern
Seite schwellen, auf der Mittlern Seite a-
ber abnehmen. Der Mittelpunkt der Er-
de wird aber auch mehr vom Monde abgezo-
gen, als ihre vom Monde abgekehrte Seite,
folglich wird der Mittelpunkt sich vom Was-
ser, oder welches einerley ist, das Waßer
von ihm entfernen, und auf der andern
Seite schwellen. Weil nun der Mond dem
Scheine nach in 24 Stunden um die Erde läuft;
/ so
/|P_116
/so wird derselbe dieses geschwollene Waßer
mit sich ziehen, folglich wird an einem jeden
Orte des Tages zweymal das Waßer schwel-
len und sinken. Weil aber der Mond wegen
seiner Bewegung um die Erde an einem jeden
Tage eine 3/4 Stunde später als in dem vori-
gen aufgeht, bis er wiederum um die Erde
in einem Monath herumgekommen; so wird
auch das Schwellen alle Tage 3/4 Stunde später
kommen müßen. Es wird aber auch das Waßer we-
gen der großen Quantitaet sich nicht sogleich bey
der Anziehung des Mondes samlen können, daher
ist auch kein Wunder, daß dieses Schwellen nach
drey Stunden erst, wenn der Mond aufgegangen
am grösten wird. Die Fluth soll am stärksten seyn
wenn der Mond im meridian ist, bliebe er im
meridian stehen, so würde es auch seyn, indem er
aber ehe daß sich das Waßer sammlet schon wei-
ter ist, so kann das Waßer nicht sobald zusammen
laufen. Die Fluth im weiten Ocean ist klein, denn
das große Waßer kann sich nicht sobald sammlen;
dahero sie in den Inseln des pacifischen Meeres
/ nur
/|P_117
/nur 6 Fuß %und in Bristol 20 Fuß hoch ist. Wo gros-
se Busen sind da sind auch große Fluthen. Mee-
re die vom Ocean abgeschnitten sind haben
keine Fluth und keine Ebbe. Obgleich ferner die
Sonne viel weiter als der Mond von der Erde
entfernet ist, da dieser nemlich nur 60, je-
ne aber 20.000 Erd_Diameter entfernet, so
äußert sich dennoch auf der Erde, weil sie we-
nigstens 10.000.000 mehr Masse hat auch eine merk-
liche Anziehung. Im Neumonde, da die Sonne
mit dem Monde in einer Gegend des Himmels
steht oder in coniunction mit ihm ist, und im Voll-
monde, da sie einander opponirt oder 180 %Grad von
einander seyn, werden ihre Anziehungskräfte
vereinigt werden und also wird zu dieser Zeit
das gröste Schwellen und niedrigste Sinken des
Waßers seyn müßen, in der opposition muß die-
ses auch geschehen, weil auf der dem Monde
zu und abgekehrten Seite der Erde das Waßer
gleich hoch schwillt. In den Vierteln des Mondes
aber wird die Sonne da anziehen, wo das Was-
ser wegen Anziehung des Mondes sinken soll, folg-
lich wird die Würkung des Mondes hierdurch ver-
/ ringert
/|P_118
/ringert werden, %und zur Zeit des ersten und letzten
Viertels das geringste Steigen %und Schwellen des Was-
sers seyn. Da nun Nevton ausgerechnet, wie der
Mond, wenn er nur allein das Waßer der Erde
anziehen möchte, das Waßer 10 Fuß, %und die Sonne
wenn sie auch allein dieses Wasser attrahiren möch-
te 2 Fuß in die Höhe heben würde, so muß das Was-
ser in der Coniunction %und Opposition der Sonne
%und des Mondes 12 Fuß, in dem Quadrat<uren> aber da
sie 90 %Grad von einander entfernet sind, 8 Fuß schwel-
len %und sinken. In der hohen See wird dieses lang-
sam %und allmählig geschehen, bey den Meerbusen
aber, wo das Land ihm wiederstehet, wird das
Waßer mit einem impetu hinein dringen
müßen, Jedoch kommt die höchste Fluth erstlich auch
drey Tagen nach der Opposition %und Coniunction.
Alles dieses bestätigt die Erfahrung zum Bewei-
se, daß der Umlauf des Mondes würklich die
Ursache von dem Steigen des Waßers, welches
die Fluth heißt, %und von seinem Falle, welches
die Ebbe genannt wird, sey. Die Fluth zur Zeit
des Voll %und Neumondes heißt die Springfluth, zur
/ Zeit
/|P_119
/Zeit der beyden Vierteln aber die todte Fluth. Doch
wird das Waßer eigentlich nur 6 Fuß in die Höhe
bey der höchsten Fluth gehoben. Es ist aber öfters
an manchen Oertern Ebbe, wenn nicht weit davon
Fluth ist, so ist Hamburg Ebbe wenn in «Engelland»
HeilgeLand, eine Insel, die von dieser Stadt 15 Mei-
len entfernet ist, Fluth ist. Dieses kommt daher,
weil die Fluthen nach der Beschaffenheit des festen
Landes öfters verzögert werden nicht zu rech-
ter Zeit zu kommen, indeßen kommen dennoch
zur bestimmten Zeit an einem jedem Orte
Ebbe %und Fluth. London hälts für ein großes
praerogativ, daß sowohl die Schiffe aus Schott-
land als Frankreich mit der Fluth hineinlau-
fen %und mit der Ebbe hinauslaufen können.
Es läßt sich aber solches füglich erklären, in-
dem die Fluth aus zweyen Meeren zugleich
(gleichsam) in den Canal hineinfließet. Es ist
aber der Euripus, welchen man aus den Fen-
stern von Euboea im Archipelago sehen kann
eben auch eine Würkung der Ebbe %und Fluth,
/ weil
/|P_120
/weil er sich beständig nach dem Stande des Mondes
richtet. Er wird zu diesen Zeiten unruhig, %und seine
Wellen bewegen sich sehr, brausen %und schlagen sich
zurük, ohne daß der geringste Wind dazu kommt. Die
große Unähnlichkeit zwischen der Ebbe %und der Fluth
hat die Natur_kündiger bisher aufgehalten, die wah-
re Ursache zu entdekken, %und nach der bekannten
Fabel soll Aristoteles sich in ihn geworfen haben
weil er die Ursachen davon nicht ergründen könnte.
Notae. Die Ebbe in den Flüßen dauert länger als die
Fluth, weil sich das Waßer sehr hemmet, die Ebbe
ist reißender als die Fluth.
/Das todte Meer, das Caspische, die Ostsee %und das Mittel-
ländische Meer haben keine Fluth, weil sie abge-
schnitten sind, außer nur bey Venedig aber sehr
klein.
/Die Anziehung des Mondes ist eben so als er selbst,
%und eben solche Kraft als die Schwere, daher sie bis
zum Centro dringt, dahero reicht die Bewegung des
Waßers durch die Fluth %und Ebbe bis auf den Grund;
sie bringt Würkungen im Meer, die die Wellen
nicht thun, sie ist die erste Ursache der grösten Ver-
anderung auf der Erde. Einige Ströme %und Strudel
/ sind
/|P_121
/sind Wurkungen der Ebbe und der Fluth.
/ ≥ §. 30. ≤
/Außer dieser Anziehungskraft, welche sich durch den
gantzen leeren Raum erstrekket, ist keine Wür-
kung einer fremden Kraft auf unserer Erden
außer dem Licht zu verspühren. Es scheinet dieses
nur eine zitternde Bewegung des Aethers, gleich-
wie der Schall von der zitternden Bewegung
der Luft herkommt, zu seyn. Die eintzige «Luft» Son-
ne bringt in dieser Rüksicht eine merkliche Ver-
anderung hervor, indem der Mond ein 300.000 mal
schwächer Licht als die Sonne hat, weil er nicht al-
lein viele Strahlen, welche er der Sonne abge-
borget, verschlukt, sondern auch viele dersel-
ben zurükschlägt %und zerstreuet, dahero auch sein
Licht, es mag solches soviel concentrirt werden
als es will nicht die geringste Wärme hervorbrin-
gen kann. Die Würkung dieser Kraft der Sonne
%und der übrigen Körper erstrekket sich aber nur
bis auf die Oberfläche der Erden.
/ § 31.
/|P_122
/ ≥ §. 31. ≤
/Jetzo folgen in unsern Betrachtungen die Merkwür-
digkeiten der Eismeere, deren es zwey, das Nord-
liche nach dem Nordpol %und das Südliche nach dem
Süderpol zu giebt. Hieher gehören anfänglich: das
Treibeis, welches daselbst sowohl in großen %und
abgesonderten Stükken, welche deswegen auch Eis-
stükke heißen, als auch in großen %und zusammenhan-
genden Strichen, welche Eisfelder heißen, anzutref-
fen ist. Das Eis bindet sich aber nicht an die Zone
sondern es wird auch oft bis 50 %Grad in der Breite
angetroffen. Die Eisstükke ragen öfters 60 bis
120 Schu über dem Waßer hervor, %und erstrekken
sich meistentheils bis 500 Schu unter dem Waßer.
In der Straße Davis haben die Wallfischfahrer
Gelegenheit das Eiß zu betrachten, der Achte
Theil vom Eißstük ragt nur hervor. Weil das
Eiß, wenn es zerschmeltzt, gerne in Röhren
zerspaltet, so laßen diese Stükke von weitem
wie große Städte, %und der Nebel, welcher von
den Ausdunstungen der Eisberge entstehet, %und da-
her zu einem untrüglichen Merkmal dienen
könnte die Eißstükke zu erkennen, womit die-
/ se
/|P_123
/se Eisstükke beständig bedekt sind %und gleichsam
seine Sphaere ausmachen, verhindern noch mehr
diesen Betrug zu entdekken %und wahrzunehmen.
Obgleich in diese Länder nur Fahrzeuge des-
wegen hingehen, um Wallfische zu fangen, %und
deswegen sich daselbst nur das halbe Jahr, wor-
innen beständig Sommer ist, aufzuhalten pfle-
gen, so könnte dennoch vielleicht irgend ein
Fahrzeug in der langen Nacht in diesen Gegen-
den herumschweifen. Wenn sie nun diesen Be-
trug nicht wahrnehmen, %und ihn davor halten,
was er vorzustellen scheinet, so wäre das Zer-
scheitern des Schiffes nothwendig, wofern der
Nebel, womit diese Eisberge beständig um-
geben sind, durch seine außerordentliche Kälte
die Schiffe nicht warnen «könnte.» möchte.
/Was die Eisfelder anbetrift, so sind dieselbe
öfters sogroß, das 24 Stunden erfordert wer-
den mit aufgespannten Seegeln ihnen vorbey
zu laufen, %und welche dahero fast die Größe eines
König«s»reichs Preußen haben. Es befinden sich auf
/ ihnen
/|P_124
/ihnen große «The» Teiche, worinnen süßes Waßer an-
zutreffen ist, %und zu welchen die Schiffer öfters ih-
re Zuflucht nehmen, auch zuweilen allerhand
Thiere, als weiße Bären, welche sich wegen des
Fischfanges dahin begeben; wenn sich nun solche
Felder von dem festen Lande, wovon <sie> sich zuweilen
ansetzen, trennen; so werden solche Thiere, ehe
sie es gewahr werden, vom Lande weggeführet
%und auf solche Weise können fremde Thiere in frem-
de Länder versetzt werden. Es giebt auch zwi-
schen solchen 2 Eisfeldern Straßen, wie die
bey Gibraltar, wo man weil ihre Bewegung
langsam oder auch gar nicht ist, mit den Schiffen
durchfahren kann. In den Buchten der Eisfelder
können die Schiffe so wie in einem Hafen vor An-
ker liegen, wo alsdenn die Leute auf die Fischerey
%und Jagd gehen. Auf solchen Eisfeldern sind See-
hunde, die größte Rolle spielt der Eißbär, er
geht auf die Fisch_Jagd aus. Ein solches Eiß zer-
berstet aber bald in 1.000 Stükke, so wie das Glas
welches geschwind abgekühlt ist %und durch Abbrechung
der Spitze so erschüttert wird, daß es zerspringt.
Dahero nehmen sie Kähne auf solchen Eißfeldern mit.
/ Das
/|P_125
/Das schädliche des Eises ist, daß es die Fahrten verstopft.
Wann auf den Untiefen %und Sandbänken, die nur na-
he an den Ländern sind, ein solches Eißstük Grund
faßt, so hält es das andere Eiß auf, so daß es sich
anhäuft %und zusammenstopft. Es sieht das Eis in
solchen Eisfeldern gantz blau aus, %und haben diese
Eisfelder am Ende einen Saum, welcher aus
noch härterm Eise besteht, %und vor welchem die
Schiffe um nicht entzwey geschnitten zu werden
sich sehr in Acht nehmen müßen. Das Eiß, welches
eine blaue Farbe hat, soll ein dauerhaftes seyn.
Woher kommt aber ein solches Eiß? Da das ge-
saltzene Waßer nicht frieren kann, so siehet man
leichtlich, daß es gefrornes süßes Waßer ist, wel-
ches diesen Meeren aus den Flüßen Siberiens %und
anderer Länder zugeführet wird. Dieses Was-
ser fänget an zu frieren, %und weil es sich meh-
rentheils bis ans Land erstrekt, so setzt sich
das übrige Waßer an dieses Eiß an %und auf sol-
che Art erhält es einen ansehnlichen Zuwachs,
zu diesem Waßer kommt auch noch dasjenige,
was von den Bergen auf das Eiß herunter läuft
/ %und
/|P_126
/und wenn sie also auf eine solche Art angewach-
sen sind; so bekommen sie immer mehr Zuwachs
im Winter als sie im Sommer durch das Schwi-
tzen verlieren, %und da sie überdem öfters eine
gantze Reihe von Jahren auf einer Stelle blei-
ben; so ist es kein Wunder, daß sie groß werden
sie reichen öfters bis auf den Grund %und da über
dem die großen Eisstükke, wenn sie vom Was-
ser unten abgewaschen «Wort ¿» worden, um-
fallen, %und die Schiffe, welche zwische sie durch-
seglen müßen, zu Boden drükken, (ob sie gleich
bisweilen wiederum gefunden werden, und
sich auch die Schiffer mit ihren Bötchen über
diese Eisberge reteriren können), so kann in
diesen Meeren keine gewiße Straße gehal-
ten werden.
/Die andere Merkwürdigkeit dieser Meere ist
das Treibholtz. Es wird daselbst von einem Stro-
me, welcher von Nordost nach Südwest treibt,
in die Hudsons_Bay Davis_Straße und übrige her-
um liegende Oerter angetrieben. Es ist daßel-
/ be
/|P_127
/be voller Holtzwürmer, %und geben kein Kenn-
zeichen, daß sie vor kurtzer Zeit auf der O-
berfläche der Erden gestanden sind. Das Holtz
wird von den Einwohnern dieser Gegenden
wegen seiner Seltenheit nicht zur Feuerung
sondern zu den Stützen ihrer Hütten, welche
sie nachgehends mit Fellen bedekken; ferner
zu den Ribben ihrer Fahrzeuge, welche sie nach-
gehends gleichfals mit Fellen belegen, %und end-
lich zu den Schaften ihrer Räder verbraucht.
Alle Küsten des Eismeeres haben kein Holtz
%und in Nova Zembla nicht einmal Strauch %und doch
fehlt allen den Küsten kein Holtz, indem es
hier ordentlich ihnen zugefloßen wird. Zum
Brennen brauchen sie es nicht, indem sie dazu
Tran von den Seehunden haben, %und die Groen-
laender haben noch einen gewißen Toppstein
aus dem sie Gefäße machen können, wenn sie
den Tran gißen hernach anstekken %und den Keßel
über das Feuer setzen. Es sind viele Arten von
Holtz welches auch im warmen Clima wächst.
An vielen Orten ist es so aufgethürmt vom
/ Ausw.
/|P_128
/Auswerfen, daß sie Handel treiben; das Holtz
wird oft vom Eiß, deßen Gewalt groß ist, so
zusammengepreßt, daß es Feuer faßt %und bren-
net. Woher %und von welchen Orten aber kommt
dieses Treibholtz? Man hat bemerkt, daß
das Holtz aus den warmen Ländern kommt
Denn aus dem Eismeere geht ein Nordostlicher
Strom, dieser macht, daß an den Küsten ein ent-
gegengesetzter Zug ist, %und dieser Zug von Sü-
den nach Norden muß das Holtz dahintreiben
Die Züge des Meerwaßers gehen in der Mit-
te von Norden nach Süden %und an den Küsten
von Süden nach Norden. Von Siberien %und den
herumliegenden Gegenden kann das Treib-
holtz keines weges kommen, weil in denselben
gar keine Bäume außer denen die höchstens
6 Finger dik sind anzutreffen, auch bewei-
sen solches die Holtzwürmer, welche in diesen
Nordlichen Gegenden gar nicht anzutreffen sind.
Es wird also voller Wahrscheinlichkeit nach
von dem Stükke des noch nicht entdekten %und ver-
sunkenen America herkommen. Denn selbst
/ findet
/|P_129
/findet man auf unserm Walde viele ver-
sunkene Wälder, öfters mehrere über
einander zE. Erstens ein Fichtenwald, denn
Sand, darauf ein Fichenwald %und denn Schlamm.
Das Wurmstichige dieses Holtzes ist auch ü-
berdem eine Anzeige, daß es seit sehr lan-
ger Zeit versunken. In der Magellanischen
Straße ist auf der Insel Maluina wo die
Schiffer aus Europa anlangen eine «e»Engli-
sche Besatzung, die mit Holtz aus der Magel-
lanischen Meerenge versorgt wird. Endlich
findet man auch selbiges in dem Südli-
chen Eismeere.
/Noch ist anzumerken: daß die Eismeere viel-
leicht gegen die Pole zu vom Eise befrey-
et seyn, weil der Strom von Nordost nach
Südwest daßelbe in die Gegenden, worinnen
man sie jetzt antrift treibt.
/ Art. II.
/|P_130
/ ≥ Art. II. Vom Lande. ≤
/ ≥ §. 32. ≤
/Unter dem Worte Land verstehet man alles das-
jenige, was über die Fläche des Meeres erho-
ben ist, ob man gleich auch die Sandbänke
darunter mit verstehet, woraus nachge-
hends durch die Anspielung mehrerer Ma-
terie aus dem Waßer als Corallencinken
Cacaos, deßen Saamen das Waßer mit sich
führen kann, die Inseln entstehen; diese
Muthmaßung bekräftigt die Erfahrung,
daß alle Spitzen der Vorgebürge sich nach
Süden richten. Es wird solches in das feste
Land %und in die Inseln eingetheilet, ob je-
nes gleichfals nichts anders als eine große
Insel ist, von deßen Grentzen man nur ei-
ne obscure Idee hat. Man [[???]] hat wahrgenom-
men, daß sich das Land an einander zu hän-
gen bemühet, %und daß auf einer Halbkugel
mehr Land auf der andern aber mehr Was-
ser sey, daß auch überdem mitten im Ocean
/ fast
/|P_131
/fast keine oder wenigstens doch gar nicht be-
trächtliche Inseln wären. Auf dem festen
Lande findet man aber
/1, Länder, deren Umfang %und Inwendiges bekannt ist,
/2, deren Umfang nur bekannt ist
/3, wovon man blos die Küsten kennet
/4, die man würklich gesehen %und nicht mehr gefunden.
/5 die den Alten bekannt gewesen aber verlohren sind
/6 die man nur vermuthet.
/Unter die ersten rechnet man Europa. Zu der
zweyten Art aber gehöret Asia, in welchem
man zE. das Land der freyen Tartarn, die gros-
se %und kleine Bucharey, wo der große Lama re-
sidirt. Die Länder die am Caspischen Meer %und
an der See Ara liegen, das gantze Stük vom
glükseligen Arabien, worinnen Mecca %und Me-
dina liegt, %und wohin die Europaeer gar nicht
kommen können, so daß in einer Stadt 200 Mei-
len von ihnen zur Zeit des Handels dersel-
ben die Thore zugeschloßen werden, damit
sie ihrer Meynung nach die heilige Luft nicht
anstekken, sehr wenig kennet, weiterhin
/ Africa
/|P_132
/Africa, hievon sind auch sehr viele Küsten den
Europaeern unbekannt, %und die Mitte entziehet sich
gantz ihren Augen. Aegypten kennen sie nur
genau, welches aber drey höchstens 7 Meilen
nur breit ist. Man hat Ursache eine gan-
tze See, in welche der Senegal, welcher nicht
in das Mittelländische Meer fließt, sein Waßer
ergießt, hineinzusetzen. Es ist übrigens ein
Land, worinnen die grösten %und schönsten Thiere,
auch die besten Pflanzen anzutreffen seyn.
Die furchtsamen Portugiesen besetzen die
inwendigen Gegenden von Africa mit Canni-
balen, die Menschen «mit» zum Schlachten mästen
sollen, allein überhaupt dürfen wir solchen
Nachrichten von Menschenfreßern nicht trau-
en, weil die Erfahrung lehrt, daß dieselben
nur ihre Kriegsgefangenen, wenn sie leben-
dig seyn schlachten %und zwar mit den grösten
Solennitaeten. Hierunter gehöret auch Ame-
rica, deßen Nordlicher Theil nach Rußland zu
noch nicht entdekt ist, %und in deßen südlichen Theil
/ auch
/|P_133
/auch noch Länder, besonders an den brasilia-
nischen Küsten unbekannt sind. Mehrentheils
sind es die Berge, die von weiterm Unter-
suchen abschrekken, da doch die Berge eigent-
lich die Grundfeste und das erste seyn, was
man im Lande antrift; dahero man nicht
ohne Grund vermuthen kann, daß dasjenige
Land, welches vor den Bergen am Waßer
übrig ist, von ihm angespühlt sey. Daß man
aber nur bey den Küsten von Africa stehen
geblieben %und bey dem Anfange der übrigen
Länder, scheinet wohl einestheils der Endzwek
der allermehresten Schiffahrten, die Hab-
sucht, anderntheils aber die Unfruchtbarkeit
der Ufern die Ursache zu seyn. Peru wäre
vielleicht niemaln wegen der Unfruchtbar-
keit seiner Ufern entdekt worden, wenn
die Spanier nicht so glüklich gewesen wä-
ren in das Paradies von America von der
Landseite zu kommen. Unter die Länder,
deren Küsten man kennet gehören die U-
/ fer
/|P_134
/fer in dem südlichen Haemisphaerio, welche v Rho-
den [[Rhoden]] ein Mitglied der Academie der Wißenschaf-
ten in Berlin in einer daselbst verfertigten
Charte verzeichnet. Eben dieses ist der Ort, wo
man noch gantze Länder vermuthet. Zu den
Ländern, die man vorhero gekannt hat, nach-
gehends aber verlohren gegangen sind, ge-
höret einestheils das alte Groenland, wor-
auf zu den Zeiten der Wahl der Königin Mar-
garetha zwey Städte, verschiedene Klöster
gewesen, %und deren Bischof bey dieser Wahl
(da diese Königin die Herrschaft über die drey
Nordische Kronen, Dännemark, Norwegen %und Schwe-
den überkam) gegenwärtig gewesen ist, wel-
ches aber durch die Nordischen Kriege %und durch
den Zwang, den Margaretha den Kaufleuten
die dahin fuhren auferlegte, gantz verges-
sen worden %und deßen Einwohner vielleicht in
den Zustand der Wilden gerathen sind, wel-
ches beständig geschiehet, wenn nicht genug
Personen seyn eine Gesellschaft auszuma-
/ chen
/|P_135
/chen; anderntheils aber die salomonischen
Inseln, welche letztere aber nicht beträcht-
lich gewesen, %und von denen die heutigen Ge-
orgen Insel gleichfals eine seyn mag. Die
Ursache, daß letztere nicht mehr gefunden
werden können, ist erstlich, daß die Fahrt der
Spanier aus America zu den Philippinischen
Inseln in Asia vormahls durch das südliche
%und Nordliche, jetzo aber nur durch das Nord-
liche Haemisphaerium alleingeschiehet, zwey-
tens aber auch weil damals die Schiffer nicht
im Stande waren, die Länge der Oerter zu
finden.
/Unter denen Fahrten, die da wegen Entdek-
kung neuer Länder geschehen, sind jetzo die
vornehmsten diejenige, die da veranstaltet
werden zu untersuchen, ob Asien mit A-
merica zusammen hänge %und zwar geschiehet
sie von den Rußen nach Nordost von Kamschat-
ka %und die Spitze von Rußland herum, welche,
wie Mueller, deßen Beobachtungen unter denen
/ die
/|P_136
/die wir von Rußland haben die besten seyn, schreibt,
schon erfunden seyn soll; allein würde dieses seyn,
so würde man von Archangel bis nach Camschatka
auf ofnem Meere fahren können, welches aber
noch nicht bewerkstelliget ist, von den Engellän-
dern aber geschiehet sie nach Südwest um A-
merica herum. Man machet Schwierigkeiten
bis zu dem Pole zu herauf zu reisen, weiln
alsdenn alle Regeln der Schifkunst aufhören
möchten. Denn in diesem Fall hat man gar keine
bestimmte Weltgegenden. Norden nennen wir
sonst die Weltgegend«en» welche gegen den Pol
zu gehet, hier aber ist der Pol im Zenith %und nicht
im Horizont, da nun durch Norden die übrigen Ge-
genden nur bestimmt werden können, die aber
hier nicht angenommen werden können, so wer-
den auch nicht die übrigen Gegenden bemerkt
werden können.
/Notae In Asien wäre die Entdekkung von Tibet ei-
ne der wichtigsten, alsdenn hätten wir den Schlüs-
sel aller Geschichte, es ist das höchste Land, folglich
muß es zuerst bewohnt gewesen seyn, %und von
/ da
/|P_137
/da müßen die übrigen Länder bevölkert wor-
den seyn, %und <auch> alle ihre Wißenschaften von dor-
ten haben. «I» Die indianische Gelehrsamkeit muß
aus Tibet gekommen seyn, so wie wir alle un-
sere Künste aus Indostan haben, den Akkerbau,
die Ziffern, das Schachspiel p Man glaubt A-
braham habe an den Grentzen von Indostan
gewohnt. Dieser Wohnsitz der Künste u. Wißen-
schaften belohnt der Untersuchung.
/Die zweyte Entdekkung, die dem Alterthumfor-
scher interessirt, wäre die Entdekkung von
Egypten. Ueberhaupt verdient Africa die grö-
ste Untersuchung, es scheint den Alten mehr
im Inwendigen bekannt zu seyn als uns, weil
sie zu Lande reisen.
/Die Nahmen auf der Charte von Africa sind sehr
betrüglich, man glaubt, daß wo der Namen ist
das Ding auch seyn müße, allein wenn man wei-
ter nicht kommen konnte, so sagte man es sind
Menschenfreßer, welches gar nicht nach der Na-
tur des Menschen möglich ist. Die Ursache, daß
/ das
/|P_138
/das Inwendige von Africa so unbekannt ist als
die Länder im Monde, liegt mehr «t» in den Eu-
ropaeern als in den Africanern, indem sie sich durch
den Neger_Handel so sehr furchsam gemacht haben.
Die Entdekkung von Egypten ist besonders we-
gen des Baues der Pyramiden merkwürdig, denn
man ist noch nicht in das inwendige der Pyra-
miden gekommen, man hat aber beobachtet,
daß sie sehr künstlich %und mechanisch seyn sollen,
man kommt als in ein Felsgebürge; sie haben
unterirdische Gänge, wo die Pharaonen be-
graben sind, %und wo sie ihre geheime Wißen-
schaften trieben, nun fehlt uns nur die Entdek-
kung des Pharaonischen Alphabets, so wie auch das
phornizische Alphabeth durch einige Müntzen glük-
lich entdekt wurde. Durch das pharaonische Alpha-
beth wären wir im stande, die Aufschriften der
Mumien zu lesen. Egypten hat aber seine
Wißenschaften aus Aethiopien %und Abyßinien. Die
Wallfahrten geschehen nach dem Orte, wo die Re-
ligion entstanden als nach Jerusalem, Mecca,
von Indien nach Tibet %und also auch aus Egypten nach
Abyßinien.
/ Niebuhr
/|P_139
/Niebuhr riethe an, daß man die Koptische Klöster,
wo viele Alterthümer sind, untersuchen soll,
wenn also d«as»ie Koptische Sprache %und das pharao-
nische Alphabeth erfunden werden könnte, so
könnte man alle Alterthümer entdekken.
/Die Küste von Africa wird zwar von den Europae-
ern besucht, ihre Reisen dahin sind aber sehr ge-
waltthätig, indem jährlich 60 bis 80.000 Negers
aus Africa nach «¿»America geführet werden, da-
hero 30 Meilen ins Land den Europaeern schon sehr
unbekannt ist.
/Das südliche America möchte noch mehr die Witzbe-
gierige der Entdekkung nach sich ziehen.
/Länder, die man vermuthet sind die Australländer.
In neu Holland, welches so groß ist als halb Eu-
ropa sind sehr wilde Leute, so daß sie nicht einmal
Spielsachen %und roth Laken als andre thun anneh-
men, folglich wird das Inwendige noch lange un-
bekannt bleiben. Ueberhaupt ist die Nation in Sü-
den in dem allerniedrigsten Grad der Mensch-
/ heit
/|P_140
/heit, indem sie nichts mehr interessirt als das
Eßen. Die Wilden in Norden, obgleich sie weiter
gegen den Pol sind weit interessanter.
/Die Entdekkung neuer Länder vermehrt die
Kenntniße der Menschen in Ansehung der Erde
%und befördert die Gemeinschaft. Der größte
Zwek ist aber die Witzbegierde des Menschen,
ohnerachtet der kleinen Vortheile des Genus-
ses, die man durch die Entdekkung erlangt. Vie-
le Reisen sind nur blos aus Witzbegierde, a-
ber nicht aus dem principio der Oeconomie an-
gestellt zE. als die Figur der Erde zu bestim-
men. Die gröste Entdekkung wäre wohl die
«Entdekkung» <Durchfarth> in Norden durchs Eismeer, hier-
durch würden wir einen großen Aufschluß ha-
ben %und die Welt würde uns gantz offen stehn.
Die ersten Versuche waren nach Nordost,
nach Nova_Zembla, die andern in Nordwest
an der HutsonsBey. Die neuesten Reisen ge-
schehen gerade nach Norden. LandVogt Engel
widmete sich gantz um die Möglichkeit der Durch-
farth durchs Eismeer zu erfinden. Ostwärts
/ bey
/|P_141
/bey Spitzbergen soll ofne See seyn, dieses
kommt auch mit der Vermuthung überein, denn
wo die Küsten nahe sind, da stopft sich das Eiß.
/ ≥ § 33. ≤
/Die Länder sind entweder bewohnt oder
nicht. Ist letzteres, so heißen sie Wüsten.
Doch muß dieses Wort mit Einschränkung ge-
braucht werden. Denn einige Gegenden wie
die Americanischen um Peru herum, worinn
nur dann %und wann sehr selten Horden her-
um ziehen, %und worin das Paradies von Ame-
rica befindlich ist, sind nur aus Willkühr
der Menschen, ohne daß sie die Natur dazu
bestimmt hat unbewohnt, %und alsdenn heißen
sie Einöden; andere aber, worinnen ein ro-
ther Sand, welcher eine Art von Eisenstaub ist
angetroffen wird heißen Heideländer, auf
deren Boden nichts als das Heidenkraut wächst.
Die Wüsten sind eigentlich Oerter, welche von
der Natur dazu bestimmt %und eingerichtet
sind, daß die Menschen nicht darauf wohnen
/ können
/|P_142
/können, diese sind
/1) Sandwüsten, worinnen nichts als ein fliegen-
der Sand oder Pfloksand zu finden ist. Hier-
unter gehöret in Asien die Wüste Ghobi, eine
anderweitige Wüste, die Persien in zwo Theile
in deren einen Ispahan in dem andern aber
Candahor die Haupstadt ist, absondert; %und die
syrische Wüste in Arabien, in Africa ist die merk-
würdigste die Wüste Sarah, die auch vielleicht
die gröste unter allen ist, %und in America ist
gar keine erhebliche. Weil der Saamen we-
gen des Sandes nicht tief genug in die Erde kom-
men kann, so wird er mit dem Sande zugleich
fortgewehet, %und kann folglich auf einem solchen
Boden nichts wachsen. In allen Wüsten von
dieser Art bemerkt man, daß nirgends Flüße
oder irgend andere Gewäßer anzutreffen
seyn, daß die Flüße, welche um %und an ihnen ent-
springen, alle ihr Waßer von der Wüsten ab-
ziehen, %und daß wenn gleich von Bergen die
an ihnen liegen von der Seite des Berges die
ihnen zugekehrt ist, einige Flüße sich herunter
/ schlängeln
/|P_143
/schlängeln, so bemerkt man, daß sie sich von
der einen Seite nach der andern von der Wü-
ste wegwenden. Hieraus entstehet der gro-
ße Mangel am Waßer, %und wenn man sich gleich
bemühet hat, daselbst Brunnen unter der
Erde zu graben, so hat man doch bemerkt, daß
daßelbe Saltz, welches eine Eigenschaft des Pflok-
sandes zu seyn scheinet, mit sich führe; auch
ist die Bemühung vergebens gewesen, das Was-
ser aus den entferntesten und bewäßerten
Ländern in die Wüsten zu leiten, weil die
Canaele, durch welches es geführt wird
verfallen auch von den hereinfallenden Hey-
schrekken und andern Vögeln, die sich alle wegen
großer Hitze nach dem Waßer zu großen Schaa-
ren wenden, stinkend gemacht wird. Weil
nun jederzeit die Flüße sich von den Wüsten
weg wenden, diese aber ihren Lauf nach der
niedrigen Seite wenden; so müßen die Wüsten
erhaben, und weil wenn irgends ein Berg dar-
innen anzutreffen wäre, auf diesen das Re-
genwaßer sich herabsenken, sich in die Erde
/ ziehen
/|P_144
/ziehen und nicht ermangeln würde in einen
Fluß oder Quelle auszubrechen, so muß die
Wüste flach und ohne Berge folgends eine
erhabene Ebene seyn, %und so bald es umgekehrt
eine erhabene Ebene giebt, so ist allda eine
Wüste. Die Sandwüsten sind beständig mit Ber-
gen von denen sie aber durch ein darzwischen
liegendes Thal abgesondert werden umge-
ben.
/2) Die große Kälte, durch welche nemlich alle
Werke der schöpferischen Natur erstikt wer-
den macht die Länder unbewohnbar, welches
keinesweges die Hitze thut, maaßen an Oer-
tern, wo es am heißesten ist, die fruchtbar-
sten Gegenden zE. Bengalen das Beste unter
allen Ländern anzutreffen ist. In dem
70 Grad der Breite werden die Pflantzen schon
sparsam, %und nach dem 75 Grad findet man nichts
weiter als Rennthier_Mooß, welches ein
weißes Moos ist, und wovon die Rennthiere
allein sehr fett, ob es selbst gleich keinen Saft
hat, werden. Doch da wir bemerken, daß
die Menschen mehr und stärker von Thieren als
/ von
/|P_145
/von Pflantzen ernehret werden, %und also die
Thiere vornemlich zu ihrer Nahrung erschaf-
fen zu seyn scheinen, so scheinet die Rauhigkeit
der Kälte (maaßen diese wie die Wärme ihre
Pole hat, %und um selbige sich herum zubewegen
scheinet, %und wodurch nach einer gewißen Zeit
das Clima verändert wird, daß zE. die bey-
den Punkte der größten Kälte nicht auf ei-
ner Stelle bleiben) den Menschen nicht zu
verhindern diese Gegenden zu bewohnen, weil
er allenthalben seine Nahrung findet, indem
Rennthiere«n» in den allerkältesten Gegen-
den in Novazembla %und Spitzbergen seyn %und
leben können. Der Mensch ist folglich für die
gantze Erde gemacht, %und eben daß sein Leib von
der Natur so gebildet ist, daß er durch die Ge-
wohnheit an jedes Clima, wenn es gleich ent-
setzlich verschieden ist, gewöhnt werden kann,
entstehet der verschiedene National_Chara-
cter der Menschen.
/3. Die Steppen sind Gegenden, worinnen keine
Wälder %und Gewäßer anzutreffen sind, sonst a-
/ ber
/|P_146
/ber mehrentheils einen sehr fruchtbaren Bo-
den haben, sie müßen gleichfals wie die Sand-
wüsten hohe Ebenen seyn, sind aber anstatt, daß
erstere mit Bergen umgeben, zwischen zwey
Flüßen eingeschloßen. Es wachsen in ihnen Me-
lonen, die schönsten Blumen, Kirschen %und schöne
Früchte, die alle aber nur auf kleinen Sträu-
chern wachsen, hieraus siehet man, daß zum
Wachsen der Bäume nothwendig das Aufsteigen
der Dünste aus den Quelladern %und nicht allein
Regen erfordert wird. Die Wälder dienen den
Menschen %und Thieren zum Schirm und Sicherheit, wenn
diese in Gegenden fehlen, so werden sie von
ihnen verlaßen. Hiezu zehlen wir die Bessa-
rabische zwischen der Donau %und Dniester, die Oz-
zacovische zwischen dem Dnieper %und Dniester, %und
die Crimmische zwischen dem Dnieper %und Don.
/ ≥ § 34. ≤
/Inseln sind nichts anders als Berge, deren Spitzen
über die Fläche des Meeres hervorragen.
/Man hat angemerkt
/1) Daß die Berge in einer immerwährenden
/ Kette
/|P_147
/Kette fortgehen, %und daß nicht auf einmahl %und
hintereinander hohe %und niedrige Berge anzu-
treffen seyn, sondern nach %und nach die Berge
zu %und abnehmen.
/2) Daß wie Dale_Rümpel [[Dalrymple]] sagt, die beträchtlich-
sten Inseln nahe am Lande wären %und im
pacifischen Meere %und überhaupt in allen Mee-
ren die Inseln von dem Anspülen des Meer-
waßers entstanden seyn, dahero sie auch ge-
meinhin von der einen Seite von welcher sie
nemlich Zuwachs erhalten steil, an der
andern aber sehr flach sind. Es ist dahero
leicht die Ursache einzusehen, warum die grös-
sten Inseln am Lande seyn, weil die höchsten
Berge auf dem Lande %und nahe an denselben
sich befinden, dahero sie auch am mehresten
hervorragen können.
/Nota Große Inseln sind dem Contingent näher
%und die Küsten laufen parallel mit dem festen
Lande. Die grösten sind Borneo, @fomahon@, wo das
Land große Busen macht da ist ein Archipelagus, als
der archipelagus der @Maldinen@ der Philippinen p
/ §. 35.
/|P_148
/ ≥ §. 35. ≤
/Inseln die mit Waßer bedekt sind, sind Bäncke,
%und Bänke, die hervorragen sind Inseln.
Die Bänke sind entweder Felsbänke oder San<d>bänke.
Bänke sind nichts anders als Erhöhungen unter
dem Waßer über dem Boden des Meeres. Es
sind dahero allenthalben wo Bänke seyn, auch
Untiefen. Die Untiefen sind aber zuweilen
den Schiffen schädlich, zuweilen auch nützlich.
Der erste Fall findet statt, wenn die Schiffe
wegen der Untiefen sitzen bleiben müßen,
letzterer aber, wenn sie die Untiefen zum
Ankerwerfen gebrauchen können. Denn zu
einem guten Ankergrunde wird erfordert
/1) daß das Thau des Ankers den Grund erreichen
könne, %und daß das Schif von ihm nicht aller Be-
wegung beraubet werde, folglich daß das Seil
eine schräge Lage bekommen kann %und das Meer
nicht gar zu tief sey, ferner daß das Seil nicht
gar zu schräge liege %und daß das Schif durch das
viele herumschleudern nicht Schaden bekomme,
/ folgl.
/|P_149
/folglich das Waßer nicht gar zu niedrig seyn
müße, das ist, eine Tiefe von ohngefehr 10 bis
12 Faden haben müße.
/2) daß der Boden selbst weder sumpficht, noch voll
kleiner Steine sey, oder gar aus Pflogsande
bestehe; sondern daß er entweder aus gro-
ben Sande oder eine gute Thauerde habe; denn
im erstern %und letztern Fall sinkt das Anker-
thau gar zu tief herein, daß es nicht in die
Höhe gez«ö»ogen werden kann, im andern Fall
aber zerreibet sich daßelbe an den Steinen,
wodurch dem Schiffe ein großes Unglük ge-
droht wird. Die merkwürdigsten Felsbän-
ke sind die bey Terre Neuve, welche an 100
Meilen lang ist %und worauf ein großer Cabliau
%und Stokfisch-fang getrieben wird (überhaupt
wird auf allen Bänken ein großer Fischfang
getrieben, weil dieselbe sich nicht gerne sowohl
weil es im Grunde des Meeres sehr finster
ist, als auch weil in der Höhe eine gemäßig-
/ te
/|P_150
/te Kellerwärme angetroffen wird, auf dem
Boden des Meeres aufhalten mögen) so daß
man die Angel hereinwerfen, %und augenblik-
lich heraus ziehen darf, wenn man die besten
Fische dieser Art haben will, sie ist deswegen
von weitem zu kennen, weil die Wellen von
den Felsen zurük geschlagen werden, %und in Un-
ordnung gerathen. Es befindet sich auch über
ihr ein sehr kalter Nebel, die Ursache davon
ist unbekannt. Weiter diejenige Felsbank, wor-
auf die Maldivischen Inseln, deren Anzahl
ohngefehr sich an 1.000 erstrekket (von denen
sich der Maldivische König, obgleich nach der über-
triebenen Morgenländischen Sprache einen Herrn
von 10.000 Inseln nennet) ruhen. Einige Stras-
sen zwischen diesen Inseln sind so beschaffen
daß man gar nicht durch sie durchkommen kann,
Die vornehmste von ihnen ist die Insel Male,
wovon auch vielleicht die Malebarische Sprache her-
kommt. In Europa ist die taggersche Land die grö-
ste, wo auch Fischereyen geschehen. Die berühmte-
/ sten
/|P_151
/sten Sandbänke sind die Dünen die bey den Engel-
ländischen Küsten sind; ihre Figur zeiget schon
an, daß sie von dem Anspiehlen der Meeres-
ströme entstanden sind. Rheden nennt man end-
lich die Sandbänke, welche sich an denen Hafen
zu ihrer Bedekkung befinden. Auch haben wir
die sogenannte Muschelbänke zu merken,
worauf der gröste Perlenfang getrieben
wird; sie ist im rothen Meer.
/ ≥ § 36 ≤
/Der Landesrükken ist derjenige Ort wo die
höchste Gegend eines Landes ist. Er ist gemei-
niglich das Fundament von Bergen, doch findet
man auch öfters auf ihm keine Berge. Ein all-
gemeines Kennzeichen dieselben zu unterschei-
den ist, daß auf ihm die Flüße sich nach allen
Gegenden ausbreiten oder scheiteln. Man hat
angemerket, daß dieser Landesrükken sich be-
müht die Länder in Basseins abzutheilen und
einzuschließen. Insbesondere ist dieses da zu
merken, wo die politischen Grentzen mit den physi-
/ schen
/|P_152
/schen übereinkommen. Böhmen ist ein Land
von solcher Art, es erhält alle sein Waßer
von den herumliegenden Bergen, die es ein-
schließen, welches durch einen Canal, der Elbe,
wiederum abgeführet wird, %und es würde,
wenn diese Oeffnung verstopft werden
möchte, ein Waßerbehältniß werden. Es ist
der Fluß Elbe gleichsam eine Wurtzel, welche
aus den Zweigen oder den Flüßen die in Böh-
men entspringen, erzeugt wird, wie das Blut
durch die Venen (nachdem viele von seinen Par-
tikkelchens durch die feinsten Röhrchens, die sich
bis unter die Haut «v»erstekken, in Dünste ver-
wandelt und exspirirt worden) nach dem Her-
tzen zurük geführt wird. Es sind auch vermuth-
lich zu den alten Zeiten die physischen Grentzen
mit den politischen übereingekommen, ehe
noch die vielfältigen Kriege entstunden.
/Der Ocean ist wohl das gröste von diesen Bas-
seins, welche von Africa, America %und durch eine
Reihe von Bergen, wie Buasche [[Buache]] bemerket, die
/ unter
/|P_153
/unter dem Waßer von America bis zu Afri-
ca fortgehen eingeschloßen wird.
/Notae Beym Bauwerk des festen Landes sind 3
Stükke zu merken: der Landrükken, die Basseins
%und Plateformen. Beym Landrükken sind Waßer-
scheutelungen; der Rükken vom Landrükken ist
der Berggrad so wie der Rükgrad.
/Alle Länder waren erst Basseins, aus denen
sich das Waßer in den Ocean ergoßen hat. Die
Busen sind auch Basseins, derein Theil nur ge-
sunken ist.
/Sara ist eine Plateform, so groß als Europa.
/Alle Sandwüsten sind hohe Ebene %und alle hohe
Ebene sind Sandwüsten.
/ ≥ §. 37. ≤
/Berge sind Erhöhungen über der Oberfläche der
Erde. Sie sind durch die vielen Brüche, die auf
der Oberfläche der Erde entstunden, vermuthlich
erzeuget worden, wie denn auch jetzo noch in
dem Caucasischen Gebürge viele Berge, die aus
einer thonartigen Materie bestehen, zum Vor-
schein kommen, die aber weil die Natur mehren-
/ theils
/|P_154
/theils zu ihrer Reife gediehen eine solche Härte
nicht erlangen können, als wie die übrigen
Berge, die aus ihrem flüßigen Zustande in
ihren jetzigen übergegangen sind. Die Berge
bestehen entweder aus einem ewigen
Stein, welches die Felsberge seyn, oder aus
Erde und Sand, welches die Sandberge heißen.
Wenn viele Berge beysammen seyn, so
heißen sie ein Gebürge in einer immer-
währenden Linie, sie mag gerade oder krum
seyn fortgehet, so heißt es eine Bergkette. Es
bestehet aber eine solche Bergkette aus einem
Stamm und Aesten. Der Stamm der Berge ist
der Ort, wo sehr viele Berge beysammen sind;
Aeste aber sind Berge, welche aus dieser
Linie eigentlich entspringen %und eine andere
Richtung nehmen. Schweitz scheinet eigentlich
der Stamm von allen Bergen in Europa zu
seyn. In Schweden zingelt sich gleichfals eine
Bergkette um das gantze Land, von welcher
viele Aeste ausgehen, zwischen denen die Flüs-
se, als welche von dem Landes_Rükken und der Berg
/ kette
/|P_155
/kette ausgehen und von den Seiten der Berge
mehr Zuwachs erhalten, nach dem Finnischen
Meerbusen sich ergießen. Eine andere Berg-
kette gehet von dem Capo de finis terrae zu
den pirinaeischen Gebürgen, von da zu den Al-
pen Gebürgen und so weiter fort, noch eine
andere Bergkette umgiebt das halbe Ame-
rica, noch eine anderweitige schließet einen
großen Theil von Rußland und das Eismeer
in sich. Ueberhaupt findet man niemals ei-
nen Felsberg gantz allein, sondern bestän-
dig viele zusammen. Dieselben werden ge-
gen das Meer zu immer niedriger, und auf
einer etwas großen Insel trifft man jeder-
zeit, wenn sie länger als breit ist, durch die
größte Länge eine Bergkette gehen, als in
Sumatra, oder wenn sie eben so breit ist als
lang in der Mitte einen Strom von Bergen, des-
sen Aeste sich nach allen Seiten gegen das Meer
erstrekken an. Die Erde, welche sich auf ver-
schiedenen Bergen findet, scheinet nur zufällig
/ dahin
/|P_156
/dahin gekommen zu seyn, weil man unter
ihr Bäume, Muscheln et alia findet.
/ ≥ § 38. ≤
/Folgende Beobachtungen von den Bäumen
sind merkwürdig
/1) Soll die obere Luft wegen ihrer großen
Dünnigkeit nicht bequem um Athem zu hohlen
seyn. Allein seitdem viele Mitglieder der
Academie des sciences zu Paris sich über drey
Wochen auf dem höchsten Berge in Peru und
auf der gantzen Erde aufgehalten haben, ob
die Luft daselbst gleich noch einmal so dünn
als zu Paris war %und die Luft das Queksilber
nur 14 %Zoll in die Höhe hub, da es in Paris 28 %Zoll stieg,
so hat man wohl eingesehen, daß die Schwie-
rigkeit Athem zu hohlen sowohl in der Bannig-
keit, die man empfindet, wenn man an die
Rükkehr denkt, als auch in der Structur der
Musculn, die durch das viele Bewegen und
Ausspannen der Lunge hinderlich seyn, liege.
/Not: Hohe Berge haben 1, dünne Luft, 2, reine
Luft, 3, heitere Luft.
/ Daß
/|P_157
/Daß der Athem nicht so wegen der Dünne der
Luft, als zum Theil aus der Ermüdung herrühre,
beweist auch dieses, indem man noch Adler
sehr hoch über den höchsten Bergen hat fliegen
gesehen, die doch die Luft tragen muß.
/Die dünne Luft ist ein Quell der Munterkeit.
/2) Sollen die Leute, die um diese Berge herum-
wohnen, sehr stark %und tapfer seyn, %und auf alle
Weise ihre Freyheit zu mainteniren suchen. Al-
lein dieses kommt daher, weil es in dieser
Gegend sehr leicht ist, mit wenigen Leuten
sich gegen große Corps zu wehren, %und weil
auch die Berge auf ihren Spitzen unbewohnt %und
unwohnbar auch in den Thälern nicht viele
Reichthümer zu hoffen seyn, wenige nach die-
se Gegenden verlangen. Es ziehen auch die
Leute, die in solchen Gegenden sich befinden
beständig herum, denn diejenigen Völker,
welche von Pflantzen leben, sind am freye-
sten, weil sie solche allenthalben finden, die
von den Pferden und von ihrer Milch als wie
die Tartarn leben können, folgen gleich nach
/ ihnen
/|P_158
/ihnen, weniger frey aber sind diejenigen, wel-
che vom Rindviehe leben %und die grösten Skla-
ven sind; endlich solche Völker, die den Akkerbau
cultiviren, weil sie nicht allenthalben ein da-
zu bequemes Land antreffen. Alles dieses ma-
chet, daß sie stark seyn %und keines Weges die Luft
an diesen Oertern. Der gröste Unterscheid
zwischen den Bergschotten und den Engelländern
nebst den Schotten in den niedrigen Gegenden
kommt aber daher, weil letztere sehr weichlich
erzogen werden.
/3. Soll die Luft in diesen Gegenden die Ursa-
che von dem Heimwehe der Schweitzer seyn,
maaßen diese, wenn sie in andere Länder
kommen %und besonders ihren eigenthümlichen
Gesang die Charreigen spielen hören, melan-
cholisch werden, %und wenn man ihnen nicht er-
laubt in ihre Heimath zurük zu kehren, ster-
ben. Allein dieses kommt von der Vorstellung
dieser Leute, welche sich von der Gemüthsruhe,
welche in allen Ländern stattfindet, wo die
/ Menschen
/|P_159
/Menschen in mehrerer Gleichheit leben her,
auch deswegen, weil sie hier mehrere Kräf-
te anwenden müßen, ihren Unterhalt zu ha-
ben, dieses ist auch die Ursache von dem Heim-
wehe derer Pommern %und Westphäler. Es soll
auch in keinem Lande der Selbstmord so ge-
wöhnlich seyn, als in der Schweitz, da doch dieser
nur mehrentheils die Reichen betrift, die Schwei-
tzer aber doch sehr arm seyn. Es sind aber
diejenigen nur, welche in andern Ländern ge-
wesen %und schon an ihren Ergötzlichkeiten einen
Geschmak gefunden haben, die sich selbst das
Leben berauben, weil sie solche in ihrem Lan-
de nicht finden. Diese Veränderung in ihnen
machets auch, daß sie allen einmüthig versi-
chern, ihr Vaterland nicht so bey ihrer Rükkehr
als bey ihrer Wegreise gefunden zu haben %und
halten also die Veränderung ihres Subjects für
eine Veränderung der Sachen, weil sie jene wahr-
zu nehmen nicht im Stande sind.
/not. Das Heimweh der Schweitzer ist eine Sehn-
/ sucht
/|P_160
/sucht oder ein Bestreben mit dem Bewust-
seyn der Unmöglichkeit. Es ist beßer, wo
gar keine Hofnung ist, denn alsdenn hat
man auch keine Sehnsucht, sondern man
setzt schon sein Gemüth in die Situation, wo
man nichts mehr zu hoffen hat, dahero ist nichts
schwerlicher als Kräfte anzustrengen mit
dem Bewustseyn der Unmöglichkeit. Das
Heimweh findet besonders da statt, wo schlech-
te Gegenden sind; denn je größer die Simpli-
citaet des Lebens ist, desto größer ist der Af-
fect des Gemüths %und der Begierden; die Un-
zufriedenheit nimmt zu mit unsern Begier-
den, besonders wenn man sich eines beßern
Lebens erinnert, oder sieht wie es bey den
andern weit beßer ist. Die Familien_Annehm-
lichkeit ist größer, je dürftiger die Familien
sind, %und jemehr ihnen die Natur entzogen hat, je
mehr man aber mit eigenen Interessen bela-
den ist welches ein luxu ist, desto weniger hangen
die Menschen zusammen.
/|P_161
/4) Wenn man für die Höhe der Oberfläche der
gantzen Erde die Höhe des Meeres nimmt, so ist
es sehr leicht die Höhe der Berge durch die Tri-
gonometrie zu finden. Wenn sie aber davon
weit entfernet sind, so kann solches wegen
den vielen einschleichenden Fehlern nicht gesche-
hen. Wenn man nun bemerket, daß die Dich-
tigkeit der Luft mit ihrer Höhe von der Erde
abnimmt, weil sie in den obern Gegenden nicht
von einer solchen hohen Luft gedrukt wird, und
daß überdem in einer Entfernung von 70 Fuß
die Dichtigkeit der Luft eine Linie abnimmt, so hat
Bernoulli die Höhe der Berge durch das Barometer
welches ein Instrument ist die Dichtigkeit %und Schwe-
re der Luft zu finden, zu calculiren angefan-
gen. Allein man fand nachgehends, daß die Dichtig-
keit der Luft nicht nach einem gewißen Gesetz
abnehme, dergestallt, daß wenn gleich die obe-
re Luft in die Stelle der untern gebracht und
mit einem gleichen Gewicht beschweret würde,
sie dennoch keine solche Dichtigkeit haben würde.
/ Mariotte
/|P_162
/Mariotte meynet zwar, «s» daß soviel der Luft
an Dichtigkeit abginge, als sie an elastischer
Kraft einen Zuwachs erhielte, indem die Theile
der Erde, die sich in Dünsten verwandelt %und in
der Luft die unten ist, sich aufhalten mehr anzie-
hende Kraft haben %und die Luftteile mehr im Zwan-
ge erhalten; es fand sich aber daß auch dieses Ge-
setz nicht anpaßend war. Dieses sind die Schwie-
rigkeiten, die sich bey der Meßung der Berge
ereignen. Die beste Methode ist, zu gleicher Zeit
auf der Höhe des Berges %und auf dem Ufer des
Meeres Observationes anzustellen %und durch die Ver-
gleichung mit einander ihre Höhe herauszubringen.
/5) daß der Berg Pico einer der berühmtesten sey,
seinen Schatten weiter als die Tangente das
ist über 12 Meilen werfe und daß um diese Ge-
gend die Luft sehr schwartz, von der Repercuti-
rung des Schattens gegen die Luft zu aus siehet.
/6) Daß eine Reihe Berge jederzei«g»t eine andere
gegen über habe, daß die erstere das Vorgebür-
ge und aus unordentlich über einander geworfe-
/ nen
/|P_163
/nen Stein bestehe, %und daß sie auf der andern
Seite wieder auf dieselbe Art fortgehen.
/7) daß isolirte Berge allezeit fürchterlicher
als Gebürge aussehen, weil die ersten am nie-
drigsten %und die nachfolgenden höher davor nicht
gesehen werden können.
/ ≥ §. 39. ≤
/Die Luft auf den Bergen ist weit kühler als in
den untern Gegenden, so daß der beständige Eis
und Schnee, das Kennzeichen der höchsten Berge ist.
In der Höhe von einer Viertel_Meile ist keine
Abwechselung der Witterung; sondern ein be-
ständiger Winter. Hieraus siehet man, daß der
Zusatz der Sonnenhitze nicht eigentlich durch die
Sonnenstrahlen, sondern vielmehr durch die Er-
regung der Erdenwärme hervorgebracht werde.
Eine solche Erdenwärme scheint der Erde ei-
gentlich zu zu kommen, weil man in der
Tiefe, wo man hineingräbt %und die Sonne nicht
hinein kommen kann noch allezeit warm findet.
/ Die
/|P_164
/Die Wärme wird der Luft so mitgetheilt, wie
die electrische Materie den Federn. Sie scheinet
sich nach den Cubis diametrorum auszubreiten %und
eine feine und sublile Materie zu seyn, die in al-
le Körper hineindringet %und mit der electrischen gantz
übereinkommt, außer daß durch die electrische Wür-
kungen entstehen, wenn diese Materie in eine
zitternde Bewegung geräth, die Würkungen des
Feuers aber alsdenn, wenn sie von einem par-
tikel in das andere hinübergeht. Dieses bezeu-
get, daß nur dreymal so warm ist zwischen der
Kälte wo es am stärksten frieret, %und wenn es
im Sommer am heißesten ist.
/Die gröste Wärme ist nicht Mittags, sondern gleich
nachmittags, obgleich die Sonne nachmittag schon
etwas schwächer wirkt, allein die Aufbehaltung
der vorigen Wärme %und der Zuwachs der Nachmit-
tags Wärme ist die gröste möglichste Wärme,
dahero auch die heißeste Zeit nicht im Solstitio ist,
wo doch die Würkung der Sonne am stärksten ist,
sondern einige Zeit nach dem Solstitio, wo die vo-
rige Wärme, die schon die Erde erhitzte, zu dieser
/ hinzu
/|P_165
/hinzukommt, %und also die gröste möglichste Hitze pro-
duciret wird; wo aber Eiß %und Schnee ist, da kann
keine Hitze aufbehalten werden, dahero daselbst
die Wärme nur so stark ist als die Würkung
der Sonne.
/Pernult [[Perrault]] merket an, daß es alsdenn warm ist,
wenn die Dünste ihre Figur und Form nicht verän-
dern (das Farenheitsche Termometer zeiget die
Wärme, wo das Waßer schon siedet 212, die Gra-
de der Wärme des Blutes 96 und im heißen Som-
mer 70 Grade an) daß die Kälte der Luft %und der
hohen Berge vom Mangel der Erdenwärme ent-
stehe, zeiget an, daß im Sommer auf den höch-
sten Bergen der obere Schnee liegen bleibt
der Undere aber schmeltzet. In der Zona tor-
rida erheben sich große Berge %und auf deren Spitze
ewiges Eis, es wird also die Wärme darunter
nicht so stark seyn, wie sie beschrieben wird, ja
nicht einmal so groß als in den längsten Tagen
unter denen temperirten Zonen, weil sie da-
selbst länger über dem Zenith bleibt, als unter
/ der
/|P_166
/der Zona torrida, wo die Nacht beständig
zwölf Stunden lang ist, %und es also eher darin-
nen als unter den gemäßigten Erdstrichen,
wo die Nächte sehr kurtz seyn, abkühlen kann.
Er beweiset auch ferner, daß die Hitze im Som-
mer nicht unmittelbar von den Sonnenstrahlen
herrühre, daß die Warme in den langen Näch-
ten niemals gäntzlich verschwindet. Linnaeus
ein sehr witziger Kopf und ein Nacheiferer des
Buffons vermeinet, daß das Paradies auf ei-
ner Insel in der Zona torrida gewesen, da
alles übrige Land von dem uralten Meer um-
floßen war, weil auf den hohen Bergen alle
verschiedene Climata, als am Ufer des Meers
der hitzige, auf der Mitte derer Berge die ge-
mäßigten und oben auf der spitze des Berges
der kalte Erdstrich anzutreffen gewesen, da-
hero sich auch alle Arten von Thieren und Pflan-
tzen darinnen haben aufhalten können, und
Adam sie folglich auf eine leichte Art kennen-
lernen und benennen können. Er beweiset
/ es
/|P_167
/es daraus, daß an den Ufern von Schweden
das Waßer niedriger werde %und es also auch vor-
hero gesunken und ferner seiner Meynung
nach so sinken wird, daß kein Waßer zu sehen
seyn wird, da nun der Landes Rükken von der
zona torrida am höchsten ist, so wäre es auch
zu erst hervorgekommen. Der Schnee kommt
aus der Höhe von 12.000 Fuß herunter, %und wenn
man also weiß, wenn der Schnee in einem Lan-
de schmeltzt; so kann man ohngefehr wißen
wie hoch der Berg ist. Es kommt aber die Käl-
te auf den hohen Bergen nicht daher, weil die
Strahlen, die von den umliegenden Gegenden
repercutirt werden, nicht auf sie fallen können,
denn die Landschaft Quitto ist so beschaffen, daß
sie gleich einem Bergen anzusehen ist, indem
sie weit höher als das Meer liegt, %und danebst
zwischen zwo Reihen von Bergen anzutref-
fen, also als ein weites Thal anzusehen ist, ob
hier die Strahlen gleich von unendlich vielen
/ Gegenden
/|P_168
/Gegenden zurükgeschlagen werden, %und auf
diese Landschaft fallen, so ist es dennoch in
ihr viel kälter, als in den Ländern, die un-
ten deicht bey ihr seyn, daher ihre Einwohner
auch weiß aussehen.
/ ≥ §. 40. ≤
/Unter der Zona torrida schmeltzt der Schnee in
der Höhe von 2.200 Klaftern, noch weiter hinauf
in der Höhe von 12.000 Fuß und endlich unter dem
Pol vielleicht niemals von der Erde «ha» ab. Es
dörfte also der Schnee aus Wolken, die eben so
hoch von der Erde nach oben«d» sind herunter fal-
len, dahero jemand, der auf solchen Bergen ist
die Beschaffenheit des Schnees experimentiren
kann. Es scheinet auch vermuthlich, daß der Re-
gen im Sommer mehrentheils aus Schnee, wie-
wohl auch bisweilen aus RegenWolken her-
kommt, weil in den obern Gegenden be-
ständig einerley Witterung herschet, dahero
auch der Hagel Schnee zu seyn scheinet, deßen
obere Rinde abgeschmoltzen ist. Weil auf der
/ Spitze
/|P_169
/Spitze des Berges «Pico» Penchnitza noch Schnee
lieget; so muß zuweilen der Schnee noch aus
höhern Gegenden kommen. Weil der Schnee
auf solchen hohen Bergen nienals schmeltzet,
so haben einige davor gehalten, daß der Schnee
so alt als die Welt wäre; allein man hat
befunden, daß derselbe in besondern %und vielen
Schichten hinter einander liegt, davon die er-
stere am lokkersten ist, %und hierauf immer fe-
ster wird, ja daß man gantz sicherlich des Schnee-
es jährlichen Zuwachs erkennen kann, gleichwie
man das Alter eines Fisches aus den Zusätzen
seiner Schuppen, die man durch Microscopium
gewahr werden kann, zu beurtheilen im Stan-
de ist. Er wird aber durch die Erdenwärme
aufgelöset und fließet hinunter. Es geschie-
het auch, daß der Schnee selbst, welcher unten
auf der Spitze des Berges ist, ausdünstet %und
diese Dünste mitten durch die übrigen Schnee-
partikelchens fortfliegen, man siehet also,
daß der Schnee auch auf den höchsten Gebürgen
/ nach
/|P_170
/nach %und nach abgehet %und anderer an seine Stelle
kommt. Oefters geschiehet es, daß der Schnee
durch den Staub, welchen die Luft jederzeit bey
sich führet %und sich auf den Schnee setzt, der letztere
aus einander gebracht wird, %und herunter stür-
tzet, wodurch denn in weniger als einer Minute
gantze Dörfer unter Schnee gesetzt werden,
und öfters Personen beschüttet sind, die hier-
auf so gefunden worden, als wenn sie einbal-
samiret gewesen, ja es ist zu glauben, daß selbst
nach vielen Jahren solche Personen, wenn man
viele reitzende Materien als Niesenwurtz p
adhibiren möchte, zum Leben gebracht werden
könnten, weil die Machine ihres Leibes, gleich
einer Uhr still gestanden. Weil dieser trokne
Schnee mehrentheils von einer dünnen Cruste zu-
sammengehalten wird, so kann dieselbe durch
einen geringen Vorfall zE. Wenn sich ein
Vogel darauf setzet, zerbrochen werden, wor-
auf denn der viele Schnee wegen Abschießigkeit
des Berges herunterfält, dieses sind die
Staub Lauuinen, welche nur die Gegenden be-
/ dekken
/|P_171
/dekken, %und sind von den rollenden Lauuinen
in dem Stük unterschieden, daß diese Häu-
ser, Bäume %und alles was ihnen wiederstehet
zerknikken. Wenn ein Schneepartikelchen sich
an das andere anhängt %und in Bewegung ge-
bracht wird, so vereinigen sich mehrere mit
ihnen, welche denn endlich in einen großen
Klumpen, ehe sie noch auf die Erde kommen, sich
vereinigen. Jene sind deswegen schlimm, weil
man ihnen nicht so leicht entgehen kann, diesen
man aber noch wenn man sie zeitig siehet,
zu entrinnen im Stande ist, dahero man in der
Schweitz verschiedene Anstalten zE. spitzige %und
nach einer Seite zu gebogen gepflantzte Bäu-
me siehet. In einem Thal, welches selbst er-
höhet %und folglich auch daselbst sehr frieret, flies-
set von diesen hohen Bergen das Waßer herun-
ter, wenn es aber herunter läuft, so friert
es schon, hieraus entstehe«t»n die Eistafeln oder
Eismäntel. Unter ihnen befindet sich ein bestän-
diges Waßer, %und daher entstehen auch die grösten
/ Flüße
/|P_172
/Flüße wie zE. der Rhein. Es sind dieselbe öfters
bis 20 Fuß dik %und innerhalb dem Eise befinden
sich große Höhlen, worinnen <es> sehr finster aussiehet.
Das Eiß, welches überhaupt in diesen Gegenden
angetroffen wird, wird das GletscherEis ge-
nannt. Sie haben öfters curieuse Figuren
%und Gestalten angenommen, so daß sie öfters e-
ben eine solche Figur haben, als wenn die Wellen
des Meeres im Zustande der Unruhe auf ein-
mal frieren sollten. Endlich sind noch die schrek-
lichsten Eisberge, welche die Gestallt eines
Kuchens haben %und von dem Abfluß des Was-
sers von den großen %und erschreklichen Bergen
in den zwischen ihnen liegenden Thälern
entstehen. Die Wärme entstehet sowohl aus
chymischen Ursachen, wenn man nemlich eine
Materie zu der andern thut, als auch aus me-
chanischen, wenn zwey Körper zusammen
gerieben werden. Eben so kann man auch ei-
ne Kälte aus chymischen Würkungen hervor-
bringen, wie Prof. Braun eine solche Kälte
/ producirt
/|P_173
/produciret hat, daß der Queksilber gefro-
ren, da man vorher nur höchstens den Salmiac
dazu bringen konnte. Die Eisberge in der Schweitz
sehen blaulicht aus, wie auch die Berge von Spitz-
bergen, doch nicht so blau als jene. Wenn man
ein Stük von diesen Eisglätschern ins Thal bringt
so wird es ohngeachtet der Wärme nicht auf-
gelöset, wenn mans gleich eine halben Tag
im Waßer liegen läßet. Dieses macht ver-
muthlich das Saltz, welches sich in dem Eise
befindet, wie denn auch Langhans ein Land-
physicus in der Schweitz aus dem geschmoltze-
nen %und zu waßer gewordenen Eisglätscher,
wenns sich in die Erde gezogen, einen Spiri-
tus gemacht, welcher eine empfindliche Säure
bey sich führet, welche aber sobald mans geko-
stet wieder verschwindet. Auf diese Art kann
man im Sommer mitten auf d«ie»em Felde Eiskellern
anlegen, wenn man nemlich Schichtenweise Eis
legt %und darzwischen Saltz streuet nachgehends
aber mit Erde belegt, wenn die Sonne das Eis
/ schmeltzt
/|P_174
/schmeltzt, so fällt zu diesem Fall das Saltz in
dem Waßer zusammen und im Augenblick wird
wieder Eis; weil aber das Saltz in dem Au-
genblikke <«da»>, «daß» da das Waßer aufgelöset wird
Kälte hervorbringt, so verschwinden sie denn ¿¿
nach einer langen Zeit, wenn nemlich die Son-
ne lange auf das Eiß würkt. Hiebey merken wir
auch die Erdstürtze an, welche entstehen, wenn die
Flüße durch ihren Fall die Erde von den Felsen, wor-
auf sie ruhet wegspülen. Zuweilen sind aber
Berge, welche eine solche Höhe haben, daß sie füg-
lich gantz mit Schnee bedekt seyn könnten, zE.
Pico, allein man findet auf ihnen entweder
niemals oder nur dann und wann Eis und Schnee.
Es kommt aber von dem großen Rauch %und Feuer
welches aus allen diesen Bergen heraus steigt
%und den Schnee dergestallt schmeltzt, daß es mit
einem solchen Stoß herunter schießet, daß es
nicht einmal zu schmeltzen die Zeit übrig
bekommt. Man [[Brydone]] hat befunden, daß auf dem Ber-
/ ge
/|P_175
/ge Aethna fast die angenehmste Aussicht in
der Welt zu finden, von wo man die sowohl
gebauete Insel Messina %und andere große Län-
der übersehen kann.
/notae Auf den Bergen erzeugt sich oben eine Eis-
tafel, die sehr stark ist, welche hernach schmel-
tzet, woraus sich hernach solche Eisthürme er-
zeugen, das Eiß schmeltzet unten, %und je mehr
das Eiß schmeltzet, je kleiner wird die Eistafel
%und je größer der Eisberg. - Das Waßer Acken
welches sehr heiß ist, muß eben so lang wenn es
soll gekocht werden über dem Feuer stehen, als
wenn es kalt wäre, %und wenn es wieder in der
Luft soll abgekühlet werden, so muß es län-
ger stehn, als das gekochte Waßer, es hat al-
so chymische Ursachen oder ein principium der
Gährung der Wärme, welches durch die Luft
Nahrung bekommt, %und dadurch die Fermenta-
tion befördert. So geht es auch mit dem Glät-
scher_Eiß, welches ein principium der Kälte in sich
hat, dahero wenn es soll im Waßer aufgelöst
/ werden
/|P_176
/werden, länger dauert, als das andere Eiß, weil
es alsdenn zum Theil noch immer frieret.
/Das GlätscherEiß ist härter %und hat eine blaue Farbe.
Aus diesen Eisbergen kommen die Flüße.
/Die Reinigkeit der Luft macht auch, daß man den
bestirnten Himmel beßer sehen kann, als man sich
kaum vorstellen kann. Allein die Einwohner der
dortigen Gegend als auf dem Berge Aethna sind
gegen solchen Reitz unempfindlich. Die Gedanken
sind hiebey das angenehmste, allein der rohe
Mensch geht mehr auf das Gefühl als auf die
Empfindung des Schönen.
/ ≥ §. 41. ≤
/Die Gewitterwolken sind mehrentheils die al-
lerniedrigsten, derowegen ist man auf solchen
hohen Bergen vor allem Gewitter sicher und
frey %und man sieht selbiges unter seinen Füs-
sen. man sieht auf den Bergen, wenn man
die Wolken unter seinen Füßen hat, den Blitz
aufwärts und niederwärts fahren. Es scheint
als wenn die Berge die Wolken anziehen, denn
/ alle
/|P_177
/alle Wolken sind electrisch, dahero regnet es
auch in den Gebürgen sehr, %und die Wälder
sind sehr groß, so daß die Gebürge die Mutter
der Wäld«¿»der «ist» sind. Die Wolken samlen sich
gerne um die Berge herum, dahero auch der
Pilatus_Berg hievon seinen Namen Mons pilla-
tus bekommen, weil seine Spitze kegelförmig
ist %und die Wolken gleichsam den übrigen Theil
des Huthes ausmachen. Zwey Engelländer
bestiegen einen Berg in ihrem Vaterlande,
es umgab aber solchen damals eine Gewit-
terwolke; da sie nun durch dieselbe hindurch
steigen wollten, so muste der eine von ihnen
durch die von den Wolken enthaltene Dünste
erstikt werden. Fürchterlich soll es auch
auf den Bergen deswegen aussehen, weil man
sowohl über demselben als unter ihm das blau-
e des Himmels siehet. Wenn man auf ihnen
einen Pistolenschuß th«ä»at, so war es als wenn
ein Stok zerbrochen würde, nach einer langen
Zeit kam er, nachdem derselbe von allen
/ Winkeln
/|P_178
/Winkeln und Gegenden repercutiret wurde
%und ein hundertfältiges Echo zuwege brachte,
mit einem erschreklichen Krachen zurük.
/ ≥ §. 42. ≤
/Höhlen befinden sich nur in Felsbergen %und es giebt
sowohl natürliche als künstliche. Die letztere ma-
chen wohl die sogenannten Bergwerke aus.
Wenn in diesen Höhlen die Erdsichten horizontal
fortgehen; so heißen sie stollen, wenn die Erd-
schichten aber vertical herunter gehen, so wer-
den sie Schachten genannt. Im Stollen findet
man die Bruch und Marmorsteine, das Stein-
saltz %und die Steinkohlen in Engelland. Sie sind
öfters so groß, daß große Städte darin Raum
haben. In Engelland gehen die Steinkohl-
werke bis unter das Meer, wo die grösten
Kriegsschiffe darüber gehen, sie werden aber
von großen Pfeilern von eben der Materie
unterstützt. Das Steinsaltz findet man
vornehmlich zu Vielitza in Pohlen. Endlich ist
zu merken, daß in der Länge wenigstens
/ bey
/|P_179
/bey den Stollen kein Ende zu finden ist, wenn
man gleich eine Meile wie in Vielitza fortge-
gangen %und die Grentzen von den beyden Seiten
determiniret hat. Sie werden in die Haupt
%und Stechstollen eingetheilt, in jenen kommen
alle Stollen zusammen %und gehören der Landes-
hoheit, die letztere aber gehören privatis.
In Schachten findet man die Metalle, deren
Ende man jederzeit, wie sie nemlich kegel-
förmig zugehen, finden kann. Unter den
natürlichen Höhlen ist die MartinsHöhle in
der Schweitz, wo das Licht zur Sommerzeit ge-
rade in dieselbe fällt, eine andere auf dem
Pilatus_Berge p zu merken. Weil öfters
eine Kälte blos von einem Winde, welcher Dün-
ste bey sich führt, verursacht wird, so ist es
auch kein Wunder, daß in diesen Höhlen es
sehr kalt ist, weil ein beständiger Wind
darinnen herschet. Außer diesen ist noch die
berühmte Baumannshöhle wegen den in
Stein verwandelten Tropfen zu merken. Man
/ will
/|P_180
/will darinnen bald einen Mönchen an einem Tauf-
stein, woran viele Pathen gestanden, bald etwas
anders darin observirt haben. Es befindet sich
in dieser Höhle eine Art von Kalkspat, weil nun
die hineinfallende Tropfen dieselbe gleich auflösen,
so werden diese, wenn das wäßrigte ausge«¿»dünstet
versteinert %und pflegen mehrentheils gleich dem
Eise in Röhre sich formiren. Eben so gehet es mit
dem Marmor, wenn der mineralische Spiritus bey
seiner Erzeugung dazu kommt, so macht er, daß
die Farbe des Marmors höher wird %und ein jeder
nach seiner Einbildung etwas darinnen observi-
ret. Noch ist eine besondre Höhle zu merken,
in welcher viele Namen eingeätzet stehen,
%und über den Stamm erhoben sind, weil hierin-
nen nun Hartz gewesen und durch die Oefnung
hervorgedrungen; so ist daßelbe durch die Län-
ge der Zeit erhärtet, woraus man fälschlich
den Wachsthum der Steine geschloßen. Es giebt
eine Höhle in dem carpatischen Gebürge, darin-
nen eine Witterung, die derjenigen die auf
/ der
/|P_181
/der obern Fläche ist gantz entgegen befunden
wird, so daß wenn hier der Winter anfängt,
in der Höhle laulicht wird, %und wenns oben am
stärksten friert, daselbst Graß wächst %und so warm
wird, daß sich die wilden Thiere dahin retiriren,
wenns hingegen auf der Erde warm wird, so
fängts in der Höhle an kalt zu werden, bis
zu der Zeit, da es oben am wärmsten ist, unten
Eiszapfen, die wie eine Tonne dikke sind frie-
ren, dahero auch die Ungarn dieselbe brauchen
ihr Getränke kalt zu erhalten. Um ein Ge-
tränke kalt zu erhalten, muß man den Krug
mit naßen Tüchern umgeben %und in den Wind
hängen, wo es alsdenn gantz kalt wird. Die
Term: zeigen in einer Schmiede, wo es heiß
geworden ist, Kälte an, %und ein heißes Eisen
wird an dem einen Ende noch heißer, wenn man
das andere End in ein kaltes Waßer stekt.
Das Feuer welches über etwas gemacht ist,
scheint das unter ihm vorhandene kalt zu ma-
chen, %und das Feuer, was unter etwas gelegt
/ ist
/|P_182
/ist, macht warm. Hieraus sollte man schließen
können, daß wenn an einem Ende kalt wird, das
andere in den Zustand der Wärme übergehet.
Es möchte auch eine Art der Gewisheit von der
Wahrheit dieser allgemeinen Formel ent-
stehen, wenn nur «d» noch bewiesen werden
könnte, daß wenns an einem Orte wärmer,
im entgegengesetzten <auch> kälter werde. Man
hat im Sommer einige Fuß tief unter der Erde
Waßer vergraben, darüber ein starkes Feuer
gemacht, woraus es plötzlich sehr kalt gewor-
den. Diese Erfahrung scheinet gleichfals den
vorher angeführten Satz zu bestätigen. Was
die Luft in diesen Höhlen anbetrift, so findet
sich daselbst ein großer Haufen Dünste, die
der Gesundheit theils schädlich theils nützlich sind.
Es soll auch in einigen Höhlen eine sehr warme
Luft angetroffen werden, welche von einer
Schichte Schwefelkies, die von ohngefehr ent-
blößet worden %und denn der freyen Luft aus-
gewittert, entstehet (Aus diesem Kies wird
/ unser
/|P_183
/unser mehreste Schwefel gesotten) Das schädlich-
ste von Dämpfen ist der Bergschwaden, wel-
cher allein genommen tödtlich, mit andern Ma-
terien zusammengenommen aber gesund ist,
ja das beste unter allen Ingredientzien im
Gesundbrunnen ist. Ein jeder Vogel, der über
eine mit Bergschwaden angefüllte Höhle fliegt,
auch ein jeder Mensch der ihr zu nahe kommt,
muß davon augenbliklich sterben. Es befindet
sich auch öfters in alten Brunnen, wie es
nicht längst in Litthauen beym Graben in einem
solchen Brunnen geschehen. Man muß folglich
zur Praecaution ein brennend Licht in den Brun-
nen hinunter laßen, wenn daßelbe ausgeht,
so ist es ein Kennzeichen vom Daseyn des Berg-
schwadens, bleibts aber brennen, so ist er von
diesem befreyet.
/not: Ms. de_Meron [[Mairan]] führt an, daß wie die Leute
in ein Bergwerk kamen, so war die Luft
kalt, weiter nahm die Wärme zu, so daß er zu-
/ letzt
/|P_184
/letzt glaubte, unten müste Feuer seyn, allein
wenn die Hitze in derselben proportion zuneh-
men sollte, so müste im Centro, indem hier nur
eine kleine Tiefe war etliche 1.000 mal stärker
seyn. Im Rambelsberg im HartzGebürge ist es
eben so heiß, %und ein Quell vom Waßer ist so
kalt, daß man es nicht an den Zähnen halten
kann. Die große Kälte ist eine Würkung von
dem Vorbeyfließen des Waßers durch Gyps %und
Steine %und der Schwefelkieß ist die Ursache von
der Hitze; eben dieser sagt auch, daß die Hitze
erst entstanden, wie die Schachte in dem Berg
angelegt wurde, denn die schichten wurden
entblößt %und die feuchte Luft erhitzte den Schwe-
felkieß.
/ ≥ §. 43. ≤
/Obgleich der von der Petersburgschen Academie
der Wißenschaften nach Siberien geschikte Profes-
sor Mallin [[Gmelin]] drey Grad von dem PolarWinkel ei-
nen Brunnen Graben gesehen, worinnen das
Erdreich beständig gefroren war; so hat man
demnach durch häufige Beobachtungen gefunden,
/ daß
/|P_185
/daß in Höhlen von 300 Fuß tief %und immer weiter
in allen Gegenden der Welt eine solche gemäs-
sigte Kellerwärme, wie im Keller des Observa-
torii zu Paris, anzutreffen ist; Obgleich diese all-
gemeine Beobachtungen, durch die angeführte be-
sondere Erfahrungen eingeschrenket wird. Wenn
wir nun hieraus schließen, daß in der Erde durch
und durch eine Warme anzutreffen sey; so ent-
stehet die Frage, woher diese Wärme ihren Ur-
sprung habe? Sie kann keines weges von der
Sonne herkommen, weil die von ihr erregte Hi-
tze von der auf den Tag folgenden Nacht, %und auf
den Sommer folgenden Winter gäntzlich zerstreu-
et wird. Wenn nun die Erde die Gestallt einer
Sphaeruide daher bekommen, daß sich diese um
ihre Axe beweget, %und ihre Theile im Aequatore
einen weit größern Weg zu laufen %und eine grös-
sere Schwungkraft zu empfinden hatten, als die
unter den Polen, so würden sie in ihrer Schwe-
re vermindert, obgleich wie Newton gewiesen,
die Schwungs_Kraft unter dieser Linie nur der 228te
/ Theil
/|P_186
/Theil der Schwere ist, damit diese Materien aber
einerley Schwere behielten, so mußten die Mate-
rien unter dem Aequatore höher werden als unter
den Polen, damit sie diesen die Waage hielten,
so muß sie vorhero im flüßigen Zustande gewe-
sen seyn, weil flüßige Materien nur diese Ei-
genschaften haben. (Denn diese große Wahrschein-
lichkeit läßet es nicht zu, daß man glauben sollte,
die «Eh» Erde wäre unmittelbar so wie sie jetzo
ist hervorgebracht) Ist sie aber flüßig gewesen,
so müßen ihre Theile eine eigenthümliche Wärme,
damit sie in Verbindung blieben, gehabt haben.
In ihrer Anziehung werden auch vermuthlich
die hitzigsten Theile nach ihrem Centro sich ge-
senket haben, dahero wir in demselben zwar
nicht ein eigentliches Feuer, aber doch eine an-
dere hitzige Materie, wie zE. in Fluß gebrach-
te Metalle in das Centrum hineinsetzen dörfen,
weil eigentliches Feuer ohne Luft sich nicht wohl
erhalten zu können scheinet. Ehe wir aber das in-
wendige der Erde erwägen müßen wir die zwey
große Phoenomena, die Erdbeben %und die Feuerspey-
ende Berge betrachten.
/ § 44.
/|P_187
/ ≥ §. 44. ≤
/Es giebt tief in der Erde liegende Höhlen, das zei-
gen die Erdbeben, %und da sie öfters durch gantze
Welttheile durchlaufen, so muß es tief seyn. Die
Luft ist ängstlich, stille, die Thiere werden un-
ruhig. Die Thiere haben überhaupt feinere Wit-
terung als die gesitteten Menschen, ja auch die
Wilden übertreffen hierin die gesitteten Menschen.
Vor den Erdbeben gehen verschiedene Progno-
stica vorher, die aber nur von den Einwohnern
der Länder, wo die Erdbeben häufig seyn, be-
merkt werden.
/1) Die Menschen fangen an schwindlicht zu werden,
dieses kann nicht vom Schaukeln der Erde her-
kommen, weil dieser Zustand vor dem Erdbeben
vorhergehet, sondern vermuthlich von gewißen
Dünsten, die von der Erde hervorsteigen. Die-
ses beweiset auch
/2) Daß alle Thiere vorhero unruhig werden
/3) Daß Ratzen %und Mäuse, wie auch
/4) Am Ufer des Meeres alles Gewürme
/ aus
/|P_188
/aus ihren Löchern hervorkommt
/5) Daß sich in der über ihnen erhabenen Luft
Metheoren erzeugen.
/Es herschet zu dieser Zeit mehrentheils eine
Windstille.
/Diese Merkmahle zeigen an, daß in der Luft
eine Veränderung vorgeht.
/Erdbeben kehren sich an kein Clima, besonders
an Gebürgen, wo die Gebürge den Küsten pa-
rallel laufen ist der Schauplatz der Erdbeben
davon siehe «Z» Unzers Geschichte der Erdbeben.
/Ist die Ursache der Erdbeben nahe der Ober-
fläche oder tief im Innern der Erde? Hierin
wollen die Physici sich noch nicht einigen. Leh-
mann erklärts durch Kies. Wenn man Feilspäne
mit Schwefel vermischt %und vergrabt, so hitzt es
auf %und speyt Feuer. Aber in der Erde giebts
kein Eisen. Alle Schwefel wird aus Kies ge-
schmoltzen, Kieß wird durch Luft erhitzt. Aber
wie will man hieraus den Zusammenhang der
Erdbeben erklären.
/Bey Zwikau brennt ein Steinkohlen Bergwerk
/ schon
/|P_189
/schon seit 100 Jahren %und kann noch viele 100 Jah-
re brennen, wie langsam geht das, %und wie
schnell geht das Erdbeben.
/Es muß also die Ursache nicht nahe an der Ober-
fläche sondern tief zu suchen seyn. Unsere Er-
de ist flüßig gewesen. Man findet keinen
Körper in der Welt, der nicht zeichen seiner
ehemaligen Flüßigkeit haben sollte, alle Stei-
ne, unsere Knochen sind erst flüßig gewesen,
die Bäume sind aus einem flüßigen Saft ent-
standen. Ein jeder flüßiger Körper wird aber
erst auf der Oberfläche hart. Also wurde auch
die Krust der Erde zuerst vest, %und so gieng es im-
mer so weiter zum Centro hin. Jeder Klumpen
troknet erst von außen. Frage: Ist die Erde
jetzt schon gantz durch %und durch vest, oder ist sie noch
in ihrem inwendigen flüßig? Es ist wahrscheinlich,
daß in der Mitte der Erde ein Chaos ein weiches
Wesen ist, wenn aber die Erde wird gantz fest
seyn, so wird sie auch aufhören bewohnbar
zu werden, denn aus dem Inwendigen stei-
gen noch Dünste auf, die der Erde die Fruchtbar-
/ keit
/|P_190
/keit geben. Wäre die Erde fest, so könnte auf
der Erde keine andere Veränderung geschehen
als durch Sonne und Mond. Da aber unsere
Witterung und andere Veränderungen ohne Re-
gel unabhängig von %Sonne und %Mond ist, so muß unter
unsern Füßen die Ursache liegen.
/Bey dem Erdbeben selbst bemerken wir %.erstlich
eine schaukelnde Bewegung, diese in Etagen
hoher Häuser auf hohen Thürmen %und Bergen be-
sonders zu merken, weil dieselbe im Schau-
keln einen großen Bogen beschreiben, wenn
die Schaukelung lange anhält, so werden sie
in ihren inwendigen Theilen erschüttert %und fal-
len um. Es wird die Erde gleichsam von einer
Materie unter ihr aufgeblähet, %und weil sie
immer nach einer Seite fortgehet, so sagt man
daß die Erdbeben einen besondern Strich halten,
welchen man aus der Bewegung der Cronen¥
Leuchter, Umfallen der Stühle, nach welcher Sei-
te sie nemlich geschehen, beurtheilet. Das Meer
erhält öfters gleichfals eine Schaukelung, die
/ mit
/|P_191
/mit der Ebbe und Fluth gar keine Verwand-
schaft hat, und zwar weil an einer Seite der
Boden niedriger wird, so fällt daselbst auch
das Waßer, %und weil an der andern es höher
war, so fällt es gleichfals, damit es in ein Gleich-
gewicht komme. Es ist aber nur solches bey Ge-
wäßern die weitläuftig sind zu merken. Wenn
in den Straßen das Erdbeben in der Länge fort-
gehet, so werden gantze Straßen zerstöhret,
weil die Häuser sich von einer Seite nach der
andern schlenkern, und einmal übers ande-
re an einander stoßen, gehets aber nach der
Breite der Straßen fort, so werden die Häu-
ser weil sie sich einstimmig bewegen erhal-
ten, weil eigentlich das Umfallen und ein-
stürtzen derselben von dem Fortrükken der
sich aufblehenden Erde herkommt. Zweytens
aber sind auch die Stöße selbst, welche in ei-
ner Zwischenzeit nur vernommen werden,
%und die nicht länger als höchstens eine Sekunde
währen, zu merken. Auf der See empfinden
/ die
/|P_192
/die Schiffe nur allein die Stöße, welche ihnen des-
wegen sehr fürchterlich vorkommen, weil sie
glauben dadurch an den Boden des Meeres ge-
bracht zu werden. Die Ebenen sind der Ge-
fahr des Erdbebens nicht so sehr exponirt, als die
gebürgigte Länder, dahero man in Pohlen %und
Preußen niemals was davon bemerket. Sie
breiten sich ferner nach und nach zu weit ent-
legenen Oertern in einem immerwähren-
den Striche fort und aus, so daß in kurtzem
von Lissabon aus bis zu der Insel Martini-
que fortgehen, merkwürdig ist dieses, daß sie
einen Weg nehmen, welcher dem Striche
der Gebürge fast gleich kommt.
/ ≥ §. 45. ≤
/Feuerspeyende Berge kann man als Cano-
nen ansehen, durch deren Mündung eine ihnen
angemeßene Ladung hervorgeworfen wird.
Derjenige welchen man zu den ältesten Zei-
ten schon gekannt hat, ist der Aetna. Wenn
derselbe zu speyen anfangen will; so hört man
/ zu
/|P_193
/zu der Zeit um und in Neapel unter der Er-
de ein großes Krachen und Raßeln, als eines
Wagens. Hierauf erhebet sich aus der Oef-
nung des Berges eine Säule von Dämpfen,
welche im Tage wie ein Rauch in der Nacht
aber als Feuer aussiehet, sonst aber wie
Plinius berichtet als ein Baum gestal-
tet seyn soll, wie denn der Rauch anfäng-
lich als eine Säule heraufsteiget, denn aber
von der Luft nach allen Seiten hingedrükt
wird; denn wirft er eine unbeschreibliche
Menge Asche aus, %und es erfolgen große Stei-
ne worunter auch «große» <viele> Bimssteine an-
zutreffen sind. Oefters kömmt aus ihm zu-
gleich eine ungeheure Quantitaet heißes
Waßer, alsdenn quillt endlich eine gewiße
Lava hervor, welches eine Materie ist, die
geschmoltzen und öfters metallenartig ist,
so daß auch öfters die Neapolitanische Gold-
schmiede etwas Gold hervorbring«en»t. Meh-
rentheils kommt diese Lava als eine Brey
/ so
/|P_194
/so dikke hervor, mannigmal ist sie auch so sehr
flüßig, daß sie in sehr kurtzer Zeit etliche Mei-
len weit fortrükt, endlich erhärtet sie sich so
daß sie in Neapel zum Straßenpflaster gebraucht
wird. Es ist aber die Lava des Aetna %und Vesu-
vii einiger von einander unterschieden. Der
Auswurf des Aetna geschiehet mehrentheils
nur nach der südlichen %und westlichen Seite, %und
weil einige «w»Weine zum guten Fortkommen
einen steinigten Boden erfordern, so findet
man auf seiner nordlichen und ostlichen Seite
die schönsten Weine %und unter denen auch die
so genannten Lacrymus «Weine %und unter denen
auch» Christi. Wenn Aetna nicht so nahe dem
Meer wäre, so würde er weit größern Scha-
den thun als es jetzo geschiehet. Die erste Nach-
richt von dem Auswurf des Vesuvii haben wir
von der Zeit, da die Stadt Herculanum von seiner
Asche bedekt wurde. Man hat diese letztere
seit einigen Jahren im Graben entdekt, %und
darinnen viele Haus_Mobilien, worunter auch
/ einige
/|P_195
/einige Bilder sind, von denen mehrentheils
noch die Farben gantz frisch sind, nur kein
Licht %und Schatten in ihnen kann ausfindig
gemacht werden; viele derselben findet
man al Fresco in gegipstem Kalk gemahlen.
Bücher findet man sehr selten darinnen, %und
da selbige auf Schilf geschrieben %und in Rol-
len zusammen gewikkelt sind, auch durch
die Asche gantz lokker geworden sind, so
muß die größte Behutsamkeit angewen-
det werden, selbige von einander zu brin-
gen, dahero ein Mönch öfters 3 Wochen zu-
bringen müßen um nur einen Zoll an ihnen
auseinander zu bringen, dahero auch solche
Arbeit sich für die Mönche sehr gut schikt.
Merkwürdig ist es auch, daß die Nahmen
welche die Alten den Büchern gaben, mehr
von Schilf, Baumrinden, Bast p herkommen.
Da man auch jetzo das Amphitheater ge-
funden, %und keinen Menschen darinnen erblikt,
/ wie
/|P_196
/wie man überhaupt nur drey darinnen ange-
troffen, dahero die übrige sich noch zu rechter
Zeit reteriren %und selbst alle Alten %und Kinder
mitnehmen können; so muthmaaßet man, daß
sie damals nicht in Amphitheatro gewesen
wie mans in den alten Schriften findet. Nach-
dem man selbst bis unter diese Stadt weiter
fortgegraben, nemlich nicht durch sondern zur
Seite der Lava, so hat man noch weit ältere
Lava gefunden, dahero derselbe schon länger
ausgeworfen haben muß, %und weil der Vesuvius
mehrentheils alsdenn auszuwerfen anfängt
wenn der Aetna aufhört, so müßen beyde
Communication mit einander haben. Der Berg
Hecla auf der Insel Island die mehr nach Ame-
rica als nach Europa gehört, %und deren eine
Hälfte unter der Zona temperata, die andere
aber unter der Zona frigida liegt, wirft ei-
ne große Menge Asche %und Waßer, der von der
erstaunenden Menge des auf ihn liegenden
Schneees herkommt. Man will aber keine La-
/ va
/|P_197
/va auf ihm gesehen haben. Der Berg Catapac-
cio in America unter den Cordilerischen Ge-
bürgen hält im Speyen ordentliche Zwischen-
zeiten %und Pausen. Man kann ihn also %und alle
dergleichen Berge als Kalköfen mit einer ein-
tzigen Oeffnung ansehen, indem das Feuer die
Luft durch seine Elasticitaet ausjagt, so kann
es darauf ohne Luft nicht brennen, es be-
giebt sich also die Luft wiederum hinein, %und
das Feuer fängt wiederum an rege zu wer-
den. Die feuerspeyenden Berge sind niemaln
allein, sondern mit vielen zusammen ver-
bunden, sie sind auch sowohl in der Zona torrida
als frigida, wie wohl in der letztern nicht
so häufig als in der erstern. Man findet auf
einigen Bergen große Höhlen %und in denensel-
ben vieler Rauch, es müßen also diese Berge
vormals Feuer gespien haben %und nachgehends aus-
gebrannt seyn, wie denn auch gantze Inseln ausgebrannt sind.
/notae In Europa sind drey feuerspeyende Ber-
ge, in Island ist der Berg Hecla oder Crabla;
/ Strong
/|P_198
/Strongelus hat nur einen kleinen Rachen, Salforata
oder Solfortora ist auch ein Berg auf der Insel
Aetna ist der Vater der feuerspeyenden Berge,
er ist 12.000 Fuß perpendiculaer über der Ober-
fläche des Meeres. Seine Spitze ist also mit Schnee
bedekt, seine Basis ist viele Meile weit, er
hat große Veränderungen, an seiner Seite
sind andere Eruptionen oder kleine Berge
außer dem Krater oder Kelch, die aber alle
doch größer sind als der Vesuvius, von deren Ber-
gen ein jeder seinen Krater oder Rachen hat.
Solcher Berg hat nicht zu allen Zeiten Feuer
gespien, sondern war einige 100 Jahren ruhig
viele Berge sind jetzt bewachsen mit Wälder
die einen Krater zeigen. So weit die Geschichte
der Römer reicht, hat man Nachricht, daß Aetna
gespien, aber nicht Visuv. Vesuv war ein schö-
ner mit Wald bewachsener Berg, er hat vor Er-
bauung der Stadt Rom bis auf Vespasianum nicht
gespien, kann aber wohl vorher gespien haben,
zu Vespasiani Zeit hat er gespien %und wieder 500
/ Jahr
/|P_199
/Jahr geruht und ist bewachsen.
/Bey Cölln an den Gebürgen sieht man Spuren
vom Crater, in diesen Kraters sind Waßer-
teiche, die doch erst Feuer warfen %und noch her-
nach werfen können. In Hessen sind viele Kra-
ters %und man verkauft auch dort Trosstein, wo-
mit man unter dem Waßer mauren kann,
welches nichts andres ist als die Taffa der Italie-
ner.
/Es kocht im Berge ehe er auswirft. Der Rauch
der Vulcanen soll electrisch seyn, indem er e-
ben so blitzt wie die Wetterwolken %und mehr
Schaden thut als der Aetna selbst. Beym Aus-
wurf ist immer ein Platzregen.
/Die Lava fließt wie Brey aus dem Rachen
des Vulkans, sie ist gantz zähe %und fließt lang-
sam, die Lava, die aus dem Aetna fließt, ist
so groß als 4 Berge des Vesuvius, in der Nacht
glüht sie wie Feuer, wenn sie hart wird so ist
sie ein Stein, wovon Kirchen gebauet werden,
allein wenn die neue Lava auf eine solche Kirche
fließt, so schmeltzt sie die alte, wovon die Kirche
/ gebaut
/|P_200
/gebaut war, so daß die Kirche mit weg fließt.
Oft wendet sich der Strom der Lava durch eine
entgegengesetzte Hinderniß, besonders wenn
man ihr den Weg bahnt zE. wie in Batavia al-
wo sie vorbey ins Meer floß.
/Auf der Lava will sich nicht so leicht die Erde fest-
setzen, obgleich die Gegend %und der Berg wo die
Asche ist, sehr fruchtbar %und von Bäumen bewachsen
ist, deren Durchschitt 80 Fuß ist.
/Wo ist aber die Erde auf die alte Lava gekommen?
Die Erde hat sich nach %und nach generirt, denn auf
dem glattesten Stein generirt sich was, die Luft
bringt erst Staub %und da setzt sich immer mehr
dazu bis endlich Erde wird, welches aber sehr
lange dauren muß. Budo [[Brydone]] sahe eine große Lava
die noch keine Erde hatte %und sagte sie müste jung
seyn, obgleich sie seit dem punischen Kriege ge-
floßen war. Wenn man in Cataneo einen Brun-
nen grabt, so kommt man durch 5 oder 6 Schichten
von Lava die mit Erde belegt war, wozu er
16.000 Jahr herausbrachte die nöthig waren. Mo-
ses giebt das Alter des Menschlichen Geschlechts
/ an
/|P_201
/an aber nicht der Erde, die Erde %und der gantze
Schöpfungs_Bau mag sich schon einge 1.000 Jahr
gebildet haben, dadurch darf man sich nicht
einschrenken laßen den physicalischen Gründen
Raum zu geben. Für Gott ist eine Zeit wie
der Tag zum Schaffen zu viel %und zu Ausbildung
der Erde zu wenig.
/In Peru sind viele Vulkane %und man siehet vie-
le Schichten von Lava die mit Erde bewachsen
sind, worauf wieder neue Verwüstung folgte.
Dieses ist die Ursache, daß das menschliche Ge-
schlecht nicht hat einen festen Fuß faßen können
zur bürgerlichen Verfaßung.
/ ≥ §. 46 ≤
/Wenn wir nach der Ursache fragen, woher die
Erdbeben entstehen? so meynen einige physi-
ci dieselben aus chymischen Ursachen herzu-
leiten, als wenn sie durch die Elasticitaet des
Feuers hervorgebracht werden, daß der Schwe-
fel_kieß, welcher an der freyen Luft verwit-
tert, %und der Regen, der nachgehends darauf ge-
/ fallen
/|P_202
/fallen, davon die Ursache seyn. Da aber der Schwe-
felkies nur in wenigen Schichten angetroffen
wird, das Erdbeben auch durch so weite Länder
nach entfernten Orten sich hinziehet, so dörfte
sie vielmehr aus mechanischen Ursachen herzu-
leiten seyn. Das Kochen %und Raßeln um %und in Ne-
apel gleicht dem Winde, welchen wir in der Luft
über dem Erdboden höhren, dahero dörften es
vielleicht Dämpfe seyn, die sich durch alle unter-
irrdische Höhlen durchziehen %und einen Ausgang
auf die Oberfläche der Erden suchen. Die Luft
kann sehr zusammengedrukt werden, %und wird
dadurch elastischer, man [[???]] hat sogar ausgerechnet
daß die Luft, welche von einer andern Luft¥
säule, die den siebenden Theil des halben Erd-
diameters beträgt, so dichte wie Gold gemacht
werde. Es würde aber die Schwierigkeit ent-
stehen, ob die Admosphaere von den Dünsten un-
ter der Erde nicht alsdenn vergrößert würde,
allein sie scheint einen eben so großen Abgang
zu leiden, als sie Zuwachs erhält, indem die
/ Schwefel
/|P_203
/Schwefeldämpfe eine große Quantitaet Luft
verschlukken, es gehet überdem sehr viele
Luft auf die Transpira«n»tion der Menschen Thie-
re %und Pflantzen, %und man hat gefunden, daß
einen großen Theil an Gewicht an einem Men-
schen die Luft habe, man findet auch die Luft
so wie das Waßer so voller fremden Materien
daß man nicht weiß, welches Gewicht der Luft
zuzuschreiben ist. Es ist auch sehr wahrschein-
lich, daß alles das, was sich über unserm Haupte
representiret vorhero unter unsern Füßen
gewesen. Wir finden auch solche feuerspey-
ende Berge in der See, nur daß dieselbe, weil
der Rauch sehr spät erst durch das Waßer durch-
brechen kann, nicht so gemerkt worden, auf die-
se Art sind ohnlängst zwey von den antillischen
Inseln entstanden, %und es läßt sich also auf die
EntstehungsArt aller Inseln schließen, es läßt
solches der Rauch den man öfters in der See
wahrnimmt nebst den observirten Bimssteinen
/ sehr
/|P_204
/sehr vermuthen, daß es auch in der See feuer-
speyende Berge giebt, %und daß es nothwendig
also mechanische Ursachen von ihnen seyn müßen.
Die Erde scheinet sich von oben zuerst ausgear-
beitet zu haben, in dem Inwendigen aber noch
lange nicht zu ihrer Reife gekommen zu seyn,
daß noch Theile nach dem Centro der Erden gezo-
gen werden, einige Partikkelchens sinken, an-
dere fallen, ja es hat das Ansehen als wenn
die Erde aufhören würde bewohnbar zu seyn,
wenn sie gäntzlich zu ihrer perfection gediehen
seyn wird, weil alsdenn keine Pflantzen, Bäu-
me p wachsen würden, wenn keine abwechseln-
de Witterungen wären, %und nichts als die Sonne
Mond %und Sterne auf die Erde würken würden.
In diesem Chaotischen Zustand des Geweides der
Erden müßen nothwendiger Weise unter der
zur Reife gediehenen dikken Rinde der Erden
viele Höhlen und Gänge übrig geblieben seyn,
in welchen die Luft eingeschloßen wird. Und
diese scheinet es zu seyn, die durch die feuerspey-
/ ende
/|P_205
/ende Berge ihren Ausgang sucht %und durch ihre
Gewalt eine große Quantitaet Materie vor
sich hertreibt, diese scheinet es zu seyn, welche
die Erdbeben verursacht, %und also eine Hervor-
bringerin sowohl der Erdbeben als des Auswurfs
der feuerspeyenden Berge sey, da selbige eine
Communication haben müßen, indem man findet
daß zu der Zeit, wenn das Erdbeben aufgehö-
ret hat, der Aetna zu speyen anfängt. «Weil
man nun niemals die Tiefe aus welcher die
Materie» Man kann aber nicht umgekehrt sa-
gen, wo feuerspeyende Berge sind, auch Erd-
beben seyn müßen. Die Erderschütterungen
%und die Auswürfe wechseln. Die Auswürfe
leeren das unterirrdische Feuer aus %und sind
den entlegenen Gegenden heilsam obgleich
sie die nahen verwüsten.
/Das Feuer bricht in der Spitze der Berge aus,
da ist keine Ursach, denn der Berg ist entstan-
den durch den Auswurf, der Berg besteht aus
Schichten, die in dem Waßer erzeugt sind, folg-
/ lich
/|P_206
/lich muß der Berg durch den Auswurf entstanden
seyn, nachdem der Auswurf der wäsrigen Dün-
ste %und der Substanzen des unterirdischen Chaos
aufgehört hat, so wirft er jetzo feurige Ma-
terien aus.
/Weil man nun niemals die Tiefe, aus welcher
die Materie der feuerspeyenden Berge gewor-
fen wird, entdekken kann, so muß die Cruste der
Erden erstaunlich dikke seyn. Wenn wir nun an-
nehmen, daß selbige allenthalben gleich dikke ist,
so sehen wir die Ursache zugleich ein, warum die
Erdbeben in der See nicht so heftig als in denen
an ihnen gelegenen Vorgebürgen seyn, weil die
eingesperrte Luft außer der allenthalben gleich
dikken Erdrinde in ersterer eine erstaunliche
Quantitaet Waßer zu heben hat, dahero sie an
Orter übergeht, die ihr weniger Wiederstand
leisten können. In Italien findet man einen
Aschenberg, der von dem Auswurf der feuer-
speyenden Berge geschaffen wurde, im Cauca-
sischen Gebürge erblikt man noch Berge, die
aus der Erde hervorquillen, man erblikt noch
/ Inseln
/|P_207
/Inseln, worinnen wir gantz andere Schichten
als in der ordentlichen Erde zE. eine Schichte
Sand, denn blauen Thon p finden, welche dahero
auf eine ähnliche Art entstanden seyn müßen.
Wir bewohnen also nur fürchterliche Ruinen.
/ ≥ §. 47. ≤
/Wenn man an einem Cörper sowohl die
Figur als auch die Structur erwogen hat,
so muß man auch zur Mixtur deßelben o-
der aus was für Theilen er zusammenge-
setzt sey, untersuchen. Wir wollen bey die-
ser Gelegenheit <also> erstlich den Zusammenhang
der Steintheile, zweytens aber auch die Erd-
schichten selbst erwägen. Denn überhaupt ist
es anzumerken, daß da wo die Erdbeben
oder andere Verwüstungen keine Aenderung
hervorgebracht, die Materien in gewißer
Ordnung die demnach nicht in allen Ländern
gleich ist, übereinander gelegt sind, %und wür-
de wenn ein jedes Land seinen Boden exami-
/ nirt
/|P_208
/nirt hätte, eine Geographia subterranea zu
Stande gebracht werden können, wovon Gebhard [[Guettard]]
ein Franzose den besten Versuch geliefert.
/Die erste ist nicht anzusehen als ein Schutt oder
Klumpen von gemengter Materie, sondern die
Erde liegt in Lagen und Schichten, auf welchen
die Möglichkeit der Quellen beruht, denn wenn
die Erde ein Schutt wäre von gemengter Mate-
rie, so wären keine Quellen. Es giebt solche In-
seln, die von gemengter Materie bestehen, wo
aber auch keine Quellen sind zE. Insel Ascension.
/Allenthalben bedekket die Erde eine so genannte
Dammerde, welche von verfaultem Gewächse
entstanden %und welche seit der Römer Zeiten
ohngefehr vom zweyten Seculo an um sechs Fuß
zugenommen hat, wie man es aus dem Haldon
oder dem Orte, wohin die nicht metallartigen
Steine eines Bergwerkes abgesondert gewor-
fen werden, bemerket hat. Da aber das Getrei-
de, welches jährlich abgemehet %und von den Men-
schen consumiret wird, mithin auch nicht auf der
/ Erde
/|P_209
/Erde verfaulen kann, einen Theil von der «Erde»
Dammerde ausmacht, so muß dieselbe bey uns
beständig verringert werden, wie man denn auch
solches bey den Scheitelfahren, da nemlich der dar-
an gelegene Akker etwas gesunken bemer-
ket hat. Nach der Dammerde oder Gewächser-
de kommt Thon, welcher erst muß Gewächs_Erde
gewesen seyn, so wie die Kalkerde scheint eine
Seethiererde zu seyn, denn das lauglichte be-
findet sich in allen Kalken und Kreide, welches
aus allen Schaalthieren %und Muscheln herkommt.
Nach diesen Schichten von Erde kommen aller-
ley Sandschichten, K«e»ießsand, Flugsand, Quell
%und Triebsand, hernach eine Lage von Stammerde.
Auf die Dammerde pflegt auch die so genann-
te Jungfernerde, die mehrentheils sehr dün-
ne ist zu folgen.
/Diese Lager liegen über einander, sie sind
von verschiedener Dikke, aber was vor ei-
ne Dikke ein Erdlager an einem Orte hat,
dieselbige Dikke erstrekt sich soweit als sich das
/ Erdlager
/|P_210
/Erdlager erstrekt. Die Dikke der Lager nennt
man Mächtigkeit, das Lager aber an sich beson-
ders in Bergwerken Flöths. Wenn ein Lager
gewiße Producte hat, so hat das andere keine,
dahero mu«s»ß eine revolution gekommen seyn, wenn
das Lager entstanden. Die Erdlager liegen nicht
horizontal, sondern sie haben solche Schwenkun-
gen, wie die Landesflächen, denn das Land ist
abneigig, so daß sich das Waßer samlen kann
und im inwendigen ist es eben so. Zwischen
den Erdlagern ist eine Ablösung, wo sich die
Waßer durchbohren. Wenn an einem Orte ein
Lager 200 Fuß tief ist, so ist daßelbe Lager
weit davon am Tage.
/Die Steingebirge werden mit einem allgemei-
nen Nahmen Felsberge genannt, obgleich der
Fels eine besondere Gattung von Steinen ist,
gleichwie die Steine, aus welchen wir die Trep-
penstuffen machen, erstens aus gewißen glän-
tzenden Theilen oder dem Spate, denn aus ge-
wißem Schiefer, welchen man den Glimmer nen-
/ net
/|P_211
/net %und endlich aus einem lokkern Mark beste-
hen. Die Felsgebürge befinden sich mehren-
theils auf dem Landesrükken (welcher der Theil
des Gebirges ist, wo die Spitzen der Berge gleich-
sam in einer Menge zusammengesetzt sind) und
erstrekken sich auch weit unter denselben fort,
bis sie sich endlich an den Erdschichten verliehren.
Die Schichten der Berge sind entweder gang
oder flöthsweise geordnet. Die Gänge der Ber-
ge sind Spaltungen in den Bergen, die bis zu
einer ewigen Tiefe fortgehen, das ist, die auf
der andern Seite keine Oefnung haben %und per-
pendicular sind. Sie sind entweder hohl oder
mit einer Materie erfüllet, mehrentheils quillt
in sie der Saft des Steines, welcher sich nachge-
hends erhärtet %und in Metalle degeneriret, %und man
findet auch nur in diesen Gan«b»gbergen die kost-
barsten Metalle als Gold %und Silber. Ueber die-
sen Gängen %und unter denselben findet sich das
übrige taube Gebürge (Gebürge heißt eben
der Stein, woraus der Berg hauptsächlich bestehet)
/ Es
/|P_212
/Es hängen aber die Metalle besonders Gold und
Silber nicht unmittelbar, sondern vermittelst ei-
nes feinern Stoffes und Materie von beyden Sei-
ten, welche die Salbänder heißen, mit dem übri-
gen rohen Gebürge zusammen, deßen über
dem Gange erhabene Theil das Hängende, der
unter demselben gelegene das Liegende ge-
nannt wird; das Stük von dem Gebürge aber
welches dem Gange von oben am nächsten ist
heißt das Dach, welches von unten ihm am mei-
sten sich nähert die Seele des Ganges. Es con-
tinuirt aber nicht selten dieser Gang in ei-
ner geraden Linie durch die übrigen Berge
fort, %und dahero ein Gang, deßen Richtung in
Gedanken verlängert wird heißet das Strei-
chen, diejenige Richtung, die er aber nach der
Erde durch den Berg zunimmt, heißt das Fallen
deßelben; das Streichen des Berges pflegt
öfters unterbrochen zu seyn.
/In den Flöthsbergen sind die Schichten der Steine
so geordnet, daß dieselbe horizontal oder in
/ einem
/|P_213
/Winkel von 45 Grad von dem Horizonte ent-
fernet sind, %und eine Spaltung, die in den Flöthsen
substituirt wird, den Anfang %und das Ende zu den
beyden Seiten des Berges habe. Sie umgeben
mehrentheils die Gangberge, enthalten fast gar
kein Metall, %und findet sich in ihnen noch etwas
davon, so richtet es sich nach denen, die in den
Gangbergen enthalten seyn, ist zE in den Gang-
bergen Gold, so ist auch etwas davon in den
Flöthsbergen anzutreffen. Es pfleget auf ih-
nen erstens Dammerde zu seyn, denn Kalk-
erde, darauf blauer oder schwartzer Schie-
fer, ferner Marmor, welcher nichts anders
als eine Kalkerde ist, die polirt werden kann,
zu folgen, zuletzt kommt man auf Steinkoh-
lenschichten %und alsdenn auf eine rothe Erde. In
dem Schiefer dieser Flöthsberge siehet man Ha-
rekraut, Fische p gantz deutlich ausgedrukt, und
der darauf liegende Schiefer gleicht einem gros-
sen Teich. Die vielen Ueberbleibsel der alten
Welt zeigen an, daß die Flöthsberge schon zu den
/ Zeiten
/|P_214
/Zeiten einer bewohnten Welt %und von den her-
unter fließenden Materien der damals noch et-
was flüßigen Ganggebürge entstanden seyn,
%und daß diese letztere schon lange vorher gewe-
sen, auch bestätigt dieses, daß die untere
Schichten nicht gar zu lange flüßig gewesen
%und die obere vorhero erhärtet seyn müßen,
indem die untere Schichten nach der Seite, wo
der größeste D«¿»ruk gewesen dünner auf der
andern Seite aber dichter ist. Nachdem Gedhard [[Guettard]]
befunden, daß Steine, die in einer Gegend sehr
häufig seyn, in der andern gar nicht angetrof-
fen werden, so hat er endlich entdekket, daß
die Sorten der Materien der Erde in Krey-
sen eingetheilet sind, daß der größte Kreyß
metallhaltig, der Mittlere von diesem
eingeschloßenen Kreyß aus Schmergelar-
ten bestehe«n», denn der kleinste Zirkel in-
nerhalb welchen auch Preußen liegt Sand-
steinartig sey.
/Annot: Wenn ein Körpergang vollkommen
/ ist
/|P_215
/ist %und seine Theile eine feste %und ewige La-
ge haben, so können sich diese nicht %und folg-
lich auch selbsten der gantze Körper in seinem
Inwendigen verändern. Da nun aber auf un-
serer Erde so vielfältige Veränderungen
von ihr selbst erfolgen, die fälschlich von
den Einflüßen der Sonne %und des Mondes her-
geleitet werden, so vermuthet man, daß
sie in ihrem Inwendigen noch nicht zur Per-
fection gediehen. Weil die Magnet_Nadel
auf jedem Punkte der Oberfläche der Erden
nach Norden zeigt, so muß die Ursache da-
von außer ihr in dem Inwendigen oder
Mittelpunkte der Erde gesucht werden. Weil
diese aber alle Jahre mehrentheils 2/3 ei-
nes Grades von Norden weicht (Anno 1766
stand dieselbe zu Dantzig justement in Nor-
den, jetzo aber im zwölften Grade davon)
so schließet man, daß ihre Ursache verän-
derlich folglich daß in dem Inwendigen der
Erde noch nicht alles ausgearbeitet sey.
/ § 48.
/|P_216
/ ≥ §. 48. ≤
/Weil das Waßer im uralten Zustande der Er-
de durch eine saltzigte Erde durchgehen muß
so lößte es das Saltz auf; folglich ist das Saltz-
waßer die Mutter aller Gewäßer. Das
Seewaßer dünstet aus, die Dünste verdikken
%und samlen sich in Wolken, werden von den
Winden vom Waßer weg zu den Ländern ge-
trieben, sie fallen in Schnee %und Hagel auf
die Berge, senken sich von da zur Erde her-
nieder %und bespeisen die Quelladern, dieses
ist im kurtzen der Ursprung der Quellen %und
Flüße. Ein Quell und ein Brunnen sind gantz
synonimisch, außer daß man den Brunnen ei-
ne künstliche Quelle nennen könnte, %und daß das
Waßer sich von ihm, wie in den Quellen ge-
schiehet, nicht fortbewegt.
/Quellen, Flüße, Ströme und Moräste gehören
zum Lande. Alles deducirt sich auf Quellen, wenn
sie nicht in einem Rinnsohl ablaufen können,
formiren sie Moräste. Auf dem Lande kann
/ nicht
/|P_217
/nicht mehr Waßer seyn, als die See durch Aus-
dünstungen von sich giebt. Das Waßer, welches
durch Schnee und Regen auf die Erde kommt
bohret sich zwischen den «Lag» Erdlagern, wo
Ablösungen sind durch, welches Quilladern
sind, wenn das Lager horizontal wäre, so
könnte sich das Waßer nicht abziehn. Solche Adern
vereinigen sich, die nur blos Würkungen des
in die Erde eingesogenen Waßers sind. Die
Adern machen durch Vereinigung Q«ie»uellen, wenn
die Quelladern abgeschnitten sind, so entsteht
ein Brunnen. Quelladern haben mit den näch-
sten Flüßen Zusammenhang %und geben ihnen
Nahrung, dahero kommts, daß sie mit ihnen gleich
hoch stehen. Wo eine Quelle, da ist das Land
rund umher höher, %und es ist in der gantzen Erde
kein Beyspiel, wo es nicht seyn sollte. In Ge-
bürgen ist alles voll Quellen. In ebenen
Ländern können auch viel Quellen seyn, wenn
auch die hohe Gegenden weit ab sind. Sandwü-
sten haben keine Quellen, weil keine Erhöhun-
/ gen
/|P_218
/gen sondern Erhebenen sind, wo der Regen perpen-
dicular fällt %und sich nicht abziehen kann, einsaugen
kann der Regen sich gar nicht tief. Auch in den Sand-
wüsten müste man aber sehr tief, doch auch auf Quellen
kommen, aber sehr tief ist soviel wie gar keine Quellen.
Das Quellwaßer ist hart, das stehende «tief» ist weich
dahero in weichen sich gut kochen läßt und die Seife
schäumet, welches aber nicht im harten ist.
/Einige Quellen wechseln wunderbar ab, indem sie
sich in dem Lauf nach dem Monde richten, welches
schwer zu begreifen ist, wie der Mond auf den Brun-
nen einen Einfluß haben soll. Man muß aber wis-
sen, daß es einige Länder gebe, wo der Mond sowohl
auf Gewächse als Menschen und Witterung einen
großen Einfluß hat %und zwar unter dem Pol und
unter dem Aequator. Lind von den Krankhei-
ten in verschiedenen Weltgegenden sagt, daß in
Bengalen, wenn die Fieber eingerißen, das Ster-
ben der Leute sich nach dem Monde richtet %und be-
sonders in der Fluth sehr viele sterben. Dieses kann
nicht auf eben dieselbe Art als die Ebbe %und Fluth
erklärt werden, denn dazu muß eine große
/ Fläche
/|P_219
/Fläche seyn, wo der eine Theil angezogen wird,
damit der andere falle, hier aber in den Quel-
len zieht er den gantzen Theil an, da«s» alsdenn kei-
ne Veränderung geschicht. Es ist aber doch nicht
unmöglich, denn der Mond wirkt auf unsern Luft-
kreis, so wie auf unsere Erde, wenn er das
Waßer 10 Fuß hebt, so hebt er auch die Luft 10
Fuß, denn die Entfernung der Luft vom Mon-
de ist eben so als die Entfernung des Waßers an-
zusehen, denn eine halbe Meile in die Höhe
ist die Luft schon sehr dünn. Es kann aber ein
anderes Flüßige, woraus die Electrische Erschei-
nungen, Metheoren entstehen, die Erde umge-
ben. Diese flüßige Heterosphaere kann nach ver-
schiedenen Würkungen des Mondes, indem sie in
alle Menschen %und Gewächse stark würkt %und ein-
fließt, auch verschiedene Erscheinungen vorbrin-
gen, wir wollen es nicht leugnen, aber auch
nicht fest annehmen; denn vieles müßen wir
verwerfen, obgleich wir die Unmöglichkeit
nicht darthun können, weil sie den Grundsatzen
der Vernunft zuwieder sind und dadurch der
/ Einbild
/|P_220
/Einbildung %und magischen Würkung Thür geöfnet
wurde.
/Folgende Claßen der Flüße und Quellen sind merk-
würdig, als
/1) Periodische Quellen, da das Waßer eine Weile
hervorquillt, nachgehends aber aufhöret zu flies-
sen. Es kommt daher, weil ihre Ursachen gleich-
fals nur periodisch seyn. Im Sommer schmiltzt
der Schnee von den Bergen und fließet herun-
ter, im Winter aber bleibt er liegen %und thau-
et «ab» nicht ab. Dahero giebts Quellen, die im
Sommer Waßer geben, im Winter aber nicht
fortfließen, wie man davon in der Schweitz
häufige Beyspiele antrift. Weil aber einige
Berge niedriger sind als andere, die neben
ihnen stehen und folglich alsdenn, wenn die Son-
ne in den längsten Tagen den höhern Bergen
im Mittage scheint, von ihrem Schatten bedekt
werden; so kann von ihnen selbsten in den
heißesten Tagen nicht, sondern nur zu der Zeit
wenn die Sonne im Mittage perpendiculaer
über sie stehet, der Schnee schmeltzen, %und dahero
/ giebts
/|P_221
/giebts Quellen, die im Anfange des Frühlings
nur zu fließen anfangen. Einige fließen nur
des Nachts, nicht aber bey Tage, dieses kommt
von der Weite der Quelle, von der Spitze des Ber-
ges, welche ihr Waßer zufließen läßt, her,
weil nemlich das Waßer Zeit haben muß, sich
durch die Berge zu senken, wenn es im Tage ab-
gethauet wird, %und können dahero nur erst zur
Nachtzeit hervorkommen
/2) Gesundbrunnen, wenn das Waßer mineralien
bey sich führet. Das Hauptsächlichste in ihnen ist
der sonsten allein für sich genommen für Men-
schen %und Vieh höchst schädliche Bergschwaden, wel-
chen die Schweitzer Gescht nennen %und der eigent-
lich der spiritus rector der Gesundbrunnen
ist auch von den Alten quintas essentia genen-
net wird, (man extrahiret auch aus dem so
starken Caneel_Oehl den spiritum rectorem, wel-
cher ein so kleines Quantum ausmacht, daß das
übrige des CaneelOehls nach wie vor der extra-
ction daßelbige Gewicht behält) welcher gar
keine Schwere hat, die Waßer eigentlich zusam-
/ men
/|P_222
/men hält, %und von den Chimicis bishero noch nicht
erhascht werden können. So bald dieses heraus
ist, so wird das übrige gantz trübe, dahero schei-
net auch daß es selbst in den gemeinen Waßern
wiewohl in geringerer Quantitaet anzutref-
fen ist. Denn wenn daßelbe gekocht ist, so wird
es trübe, auch bekommt es einen gantz andern
%und schlechtern Geschmak wie vorhero da es frisch
war %und man schlüßet daraus mit Recht, daß durch
das Kochen etwas von ihm separiret worden.
/3. Alcalische Quellen, worinnen das Alcali o-
der das Laugensaltz, welche aus Aschen heraus
gezogen wird befindlich ist. Wenn man vielen
Syrop darauf gießt, so wird alles alcalische so
gleich roth, %und hieran können sie erkannt werden.
/4. Vitriolische Quellen, worinnen das Vitriol
oder Laugensaltz mit brennrichten Theilen
angetroffen wird. Der Violen_Syrup färbt das
vitriolische grün. Man kann auch folgends expe-
rimentiren, ob in einem <Waßer> Alcali oder Vitriol zu
finden ist, wenn man das blaue Papier mit dem
flüßigen bestreichet, wenn es nun rothe Flekken
/ bekommt
/|P_223
/bekommt, so ist es Alcali, bekommt es aber
grüne, so ist es Vitriol.
/Aer fixus hat eine große Würksamkeit auf
alle Körper; wenn die Kreide durch Vitriol¥
Oehl aufgelöst ist %und die Luft im verschloßenen
Gefäß ausgetrieben wird %und in einem Gefäß
wo Waßer ist gesamlet wird so ist die Luft
der Kreide der Aer fixus. Das Waßer wenn es
mit diesem Aer fixus angefüllt ist schmekt wie
Piemonter Waßer. Das Setzen des Waßers an
den Boden kommt auch daher, wenn das minera-
lische Waßer, in welchem EisenAkker oder eine Art
von Kalk_Erde ist %und die Luft der aer fixus ist,
sehr stark gekocht wird, so wird Akker durch den
aer fixus oder mineralische Luft aufgelöst, der
aer fixus aber geht durch das viele Kochen heraus,
%und an die Stelle fällt eben soviel vom Akker, der
dadurch aufgelöst war zu Boden. Die Geträn-
ke werden dadurch schaal, wenn der aer fixus
herausgeht.
/5. Bittere Quellwaßer, worinnen Vitriol %und ein
acidum angetroffen wird, aus deren zusam-
/ men
/|P_224
/mensetzung das bittere so wie aus blau und
gelb die grüne Farbe entspringt entstehet
/6. Seifenartige Waßer, wenn Alcali mit fetti-
gen Theilen zE. mit Thran in ihnen vermischt ist.
Zukker ist aus einem solchen «f» seifenartigen
Waßer entstanden, weil es erstlich wie das Saltz
von Waßer aufgelöset wird, zweytens aber
auch wie die fettichten Theile brennet.
/7. Warme Brunnen, aus welchen das Waßer so-
bald es hervorbricht gantz «ist» heiß ist. Es wird
an der Luft, wenn es nemlich von den übrigen
Waßertheilen des Brunnens abgesondert ist, sehr
langsam kalt, ja es wird im Anfange von der
Luft noch heißer; es kocht dieses Brunnenwas-
ser aber keines weges eher als anderes gemei-
nes Waßer, wenn es über das Feuer gesetzt
wird, woraus erhellet, daß diese Hitze nicht von
dem gewöhnlichen %und natürlichen Feuer, sondern
durch die Vermischung des Waßers mit minera-
lischen Theilen hervorgebracht werde. Es muß
auch in dem Waßer alsdenn, wenn es herausge-
nommen wird eine Gährung vorgehen, welche
/ zu
/|P_225
/zu vermehren die Luft noch im Anfange be-
hülflich ist, die aber eben durch dieselbe Luft
durch die Länge der Zeit vernichtet wird. In
Island ist ein solcher warmer Brunnen, der
zugleich ein lebendiger Springbrunnen ist,
50 Fuß hoch %und in der Dikke eines Mannes auf-
strömet, dabey so heiß ist, daß ein Stük Schöpsen-
Fleisch in weniger als einer Sekunde kochend
wird
/8. Kalte Brunnen. Diese Kälte welche einige Brun-
nen_Quellen haben, scheinet nicht natürlich, son-
dern chimisch durch den Zusammensatz verschie-
dener Materien, so wie aus Schnee %und Scheide-
waßer zusammen genommen entstanden zu
seyn.
/9. Cement_Waßer, welches das Eisen in Kupfer
verwandelt, es ist gleichsam ein Mittel, wo-
durch der Kupfer aufgelöset, %und mit ihm selbst
vermischt wird, wenn nun nachgehends eine
andere Materie wiederum von ihr aufgelö-
set %und prae«cepter»cipitiret wird, so kommt das
Kupfer in die Stelle der vorigen Eisenpartik-
/ kelchens
/|P_226
/kelchens. Es siehet zwar eine solche Stange Ei-
sen, die hernach verkupfert worden nicht eben
so wie geschlagenes Kupfer sondern wie mit
kupferichten Strahlen untermischet aus. In Un-
garn ist es nicht eine Seltenheit sondern wird
mit zu den Regalibus gerechnet.
/10. Giftbrunnen. Es kommt dieses von der gar
zu großen Menge Mephitis oder Bergschwaden
die darinnen ist her. Thiere die davon trinken
müßen erstikken %und wenn die Quantitaet grös-
ser ist auch die Menschen. Die Hunds_grotte ohn-
weit Neapel ist wegen eines solchen giftigen
Waßers berühmt, wovon auch selbst die Hunde
sterben müßen, dahero sie auch den Nahmen davon
bekommen. In Pyrmont ist ein solcher Brunnen
welcher aus einem alten Felsberge hervorströmt
welcher aber sehr von dem gesunden %und berühm-
ten Pyrmonter Waßer unterschieden ist.
/11. Süße Waßer, welche ihre Süßigkeit vermuth-
lich von den aufgelöseten Bley_partikelchens
bekommen haben %und dahero auch sehr schädlich
seyn. Das Bley ist überhaupt dem menschlichen
/ Körper
/|P_227
/Körper sehr nachtheilig %und da die Materie, wo-
mit die Gefäße zusammengelöthet werden
entweder aus einer mixtur von Silber und
Kupfer oder aus Zinn %und Bley bestehen, wovon
das erstere das Schlagloth, das letztere aber
das Zinnloth genannt wird, so ist in manchen
Ländern das erste Lötchen nicht aber das letz-
tere erlaubt, weil der Zinn eben deswegen,
weil er mit vielem Bley vermischt ist, schädlich
ist (der Engelländische Zinn führet am wenig-
sten Bley bey sich) Es ist auch eine höchst schädliche
practique den Mosler %und den Rheinwein mit
Bley zu vermischen, wodurch er eine große
Süßigkeit erhält, man kann sie aber an dem
wohlfeilen Preise %und dem trüben Aussehen er-
kennen, weil wenn die Weine dieser Art süß
sind, alt %und folglich theuer seyn müßen. In
Holland werden die Fäßer worinnen solche
vermischte Weine gefunden werden zerschla-
gen %und der Betrüger mit einer schweren Lei-
bes in einigen Ländern aber sogar mit der
Lebensstrafe belegt. Auch glasirte irrdene
/ Scheiben
/|P_228
/Scheiben sind deswegen schädlich, weil das glasi-
ren mit Vermischung des Sandes und Bleyes ge-
schiehet, %und diese Bleytheile hernach durch das Eßen
aufgelöset werden. Kupfer ist eben s«ehr»o schädlich
wenn in solchen Gefäßen das Eßen lange stehet,
doch ist die praecaution zu recommandiren Eisen
hereinzuwerfen, weil da«s»ßelbe dem menschlichen
Körper zuträglich ist, vermuthlich deswegen, weil
in unserm Blute gleichfals Eisentheile gefunden
werden %und daneben unsere Nerven roboriren.
Die Schädlichkeit des Kupfers %und Bleyes kommt
wohl eigentlich von dem darinnen befindlichen
Vitriol her, weil nun noch im gebrannten Holtz
ein dikkes Vitriol_Oehl zurükgeblieben sieht
man daraus, daß wenn man Feuer an sie her-
anbringt, sie wiederum zu brennen anfangen.
Diese Kohlen enthalten das metallische Vitriol
als welches die durch öfteres Schlagen aus ein-
andergebrachte Metalle, die ihre Schmeltzbar-
keit verlohren haben, wiederum vereinigt, da
sonsten die übrigen Vitriolen sie zerfreßen
Das gebrannte Holtz ist selbst schädlicher als
Steinkohlen, weil man in ihnen nur Schwefel
/ antrift
/|P_229
/antrift, der aber in gehöriger Quantitaet
dem Menschen ehr Nutzen als Schaden bringt
Dahero ist es eine sehr unrecht angebrachte
Sparsamkeit, wenn man die Ofenlöcher, ehe
das Holtz gantz ausgebrannt ist, zumacht, weil
der so schädliche Kohlendampf in den Stuben
verschloßen gehalten wird.
/12. Saltz_Quellen, worinnen das Waßer mit Saltz
vermischt ist«,». «e»Es ist das Saltz auf dem Lande über-
all mit dem Meeres Waßersaltz gantz einer-
ley %und wird also auch vermuthlich von ihm her-
gekommen seyn. In manchen Flüßen troknet
das Waßer aus %und das Saltz bleibt gantz allein
zurük. Das Quellwaßer, woraus das Saltz
ausgekocht wird, heißt die Sole.
/Das mehreste Saltz wird wohl aus dem Meer
gesotten; in einigen Ländern giebt es Saltz¥
quellen, in andern Saltzteiche, als in Rußland
zE Gelton an der Osterkauschen Steppe, in andern
Saltzgebürge. In Persicshen Wüsten sind viele Saltz¥
quellen. Das todte Meer hat soviel Saltz als
es nur halten um noch klar zu bleiben.
/ 13.
/|P_230
/13. Versteinernde Waßer. Sie sind vermuthlich
mit Kalkspat vermischt, welche Partikkelchens
sich hernach an die Vegetabilien anhängen. Eigent-
lich übersteinern nur die mehresten Flüße oder
das Holtz %und die Vegetabilien werden gleichsam mit
einer Kruste, welche man den Bufstein nennet ü-
berzogen, wie es in Carlsbad geschiehet, wo das
Holtz nach einigen Stunden, seit dem es im Waßer ge-
legen gantz übersteinert, keines aber gantz
durch %und durch versteinert wird; der Steinsaft setzt
sich an dem Holtze nach und nach an. Im Brunnen
zeigt es sich, daß diese Steinkruste kalksteinartig
sey. Doch giebts auch einen Teich in Schottland %und
einen Fluß ohnweit Lima die hereingeworfene
Sachen gantz %und gar versteinern, dahero sie auch
einerley Größe nach wie vor behalten, dieses
ist so wahr, daß in dem gemeldeten Fluße ohn-
weit Lima das Waßer so beschaffen ist, daß
wenns in eine Form gegoßen wird sich in der-
selben steinerne Statuen bilden %und dieses ist e-
ben eine Merkwürdigkeit für Naturforscher,
/ dagegen
/|P_231
/dagegen die Uebersteinerungen in der Drachen
%und Baumannshöhle nur als Wahrzeichen für
Handwerksbursche gelten. Es entstehet die Fra-
ge, ob Waßer, die so viele Steintheile bey sich füh-
ren, auch dem Menschen schädlich sind? Es schei-
net daß hieraus der so beschwerliche Stein ent-
stehen würde, %und daß das Waßer sich in den Glie-
dern selber in Stein verwandeln würde, allein
es ist ein sehr falscher Schluß, von den Würkun-
gen die gewiße Materien außer unserm Cör-
per haben auf diejenigen, die sie in unserm
Cörper hervorbringen würden, zu folgern.
Es kommt alles auf die Beschaffenheit unse-
rer Säfte an %und der Stein selbst wird aus einer
jeden Nahrung, wenn die Säfte verdorben
sind zuwegegebracht. Es dörften vielleicht
die Steintheile eben so wenig wie die Würmer,
welche sich fast in jedem Cörper %und «vo» in je-
dem auch von besonderer Art befinden (die-
ses erstrekket sich sogar bis auf die Läuse,
welche gantz anders bey dem Menschen, gantz
/ anders
/|P_232
/anders aber auch bey den Thieren beschaffen sind
den auflösenden Magensäfte wiederstehen die
Würmer die im Wagen übrig bleiben %und dem
Magensafte wiederstehen sind Würmer von
gantz besonderer Art, %und gleichen den Regen-
würmern, dahero ein lustiger Kopf [[???]] eine curi-
euse Art sie zu vertreiben angegeben: die
Regenwürmer fürchten sich vor den Maulwür-
fen %und dieses vermuthlich wegen des davon ent-
standenen Zitterns der Erde, man solle nun auf
dem Brummeisen spiehlen, deßen Klang dem
Zittern der Erde ähnlich ist, so würden sie von
selbsten den Magen verlaßen.
/14. Hunger_Quellen, welche fast niemals oder
nur sehr selten Waßer geben, wenn die Er-
de durch aus mit sehr vielen Feuchtigkeiten an-
gefüllet ist, weil nun das Fließen dieser Quel-
len eine sehr große %und überflüßige Feuchtig-
keit der Erde %und also eine sehr unfruchtbare
Zeit verspricht, so haben sie auch den Nahmen da-
von bekommen.
/ §. 49.
/|P_233
/ ≥ §. 49. ≤
/Wenn sich das Waßer, welches vom Regen %und Schnee
herkommt, durch lokkere Erdschichten bewegt
so muß wiederum eine anderweitige seyn,
welche das Waßer nicht durchläßet zE. eine Ton-
Erde, diese Schichte muß abhän«h»gig %und übrigens so
beschaffen seyn, daß sich auf selbiger viel Waßer
sammlen kann, wo nun diese Schichte ihr Ende hat,
quillt das Waßer hervor, dahero man auch da
wo nichts als lokkere Erdschichten oder selbst
eine harte Erdschichte, die aber gantz horizon-
tal ist, kein Waßer hat.
/ ≥ §. 50. ≤
/Es ist allerdings sehr wunderbar, wie Gewäs-
ser, die auf einer so erstaunenden weiten
Fläche verbreitet sind, durch einen eintzigen
Rinnsohl abgeführt werden können. Es ist aber
zu merken, daß diese Flüße in einer Gegend
liegen, wo von beyden Seiten das Land abschüs-
sig %und der Landesrükken anzutreffen ist. «Alle
Fluß» Die verschiedenen Biegungen des Lan-
des, worüber die Ströhme in Rinnsöhle fortflies-
/ sen
/|P_234
/sen können, ist gantz mechanisch entstanden.
Die Ströme machen mit den %Bergrüken aus de-
nen sie fließen einen rechten Winkel. Alle
Flüße müßen von einer etwas hohen Gegend
herkommen. Da nun die Hauptflüße viele Ne-
benflüße %und diese wiederum andere Waßer
mit sich führen, so müßen die erstern niedri-
ger als die andern %und diese wiederum niedriger
als die letztern seyn. Je größer die Höhe ist
%und je kürtzer der Lauf ist, desto starker ist das
Gefälle. Das Gefälle des Waßers ist die Höhe
von welcher das Waßer herunter kommt, %und
eben von diesem erhalten sie ihre Geschwin-
digkeit, doch dörfen die Flüße, welche eine gros-
se Länge haben, lange nicht ein solches großes
Gefälle, als die Flüße, die nur eine kleine Strek-
ke durchlaufen %und ohngefehr einen Fuß Gefälle
auf eine Weite von 6.000 %und nicht wie Wolff meint
auf 200 %Fuß, in welchem Falle fast gar kein Fluß
zu beschiffen wäre, haben. Nicht allein das Ge-
fälle, sondern auch die Länge, Breite %und Tiefe
tragen zur Geschwindigkeit viel bey. Lange
/ Ströme
/|P_235
/Ströme laufen geschwinder als kurtze Ströme,
die eben solche Gefälle haben, weil das Waßer
beßer drukt. Lange Ströme sind der Amazonen¥
Fluß, deßen Arm der Orino ist, welcher größer
als der Rhein ist, Senegal, Nil, Missisippi und
Ganges. In Siberien der Ob %und Obi Strom %und Genisei
Viele obgleich sie nicht lang sind, werden für gros-
se gehalten wegen der Menge des Waßers. Ein
Waßerfall ist da, wo das Waßer perpendiculair
herunter fällt, wie an einem Orte in Südame-
rica der Meigotta_strom von einer Höhe von 1.200
Fuß, an einem andern aber in NordAmerica der
Niagara_Strom von 500 Fuß doch mit weit größe-
rer Menge als an ersterem herunterströmet.
Sie befinden sich auf Felsen %und sonst nirgends,
hieraus ersiehet man, wie die übrigen Felsen
noch müßen weich gewesen seyn, damit sich die
Flüße einen Rinnsohl ausspühlen können. Die
Ströme haben in Uralten Zeiten größere Ge-
fälle gehabt als jetzt. Der Fluß Nil hat nur
sieben Fuß %und all«e»so weniger Gefälle als der
Rheinstrom, deßen Fall von einer Höhe von 57 Fuß
/ herunter
/|P_236
/herunter kommt, er macht aber deswegen ein
so großes Geräusch, daß die Leute, die daran woh-
nen so gar taub werden, weil er sein Waßer
zwischen Steine %und Felsen fließen läßt. Sonsten
giebts auch in der Schweitz viele Waßerfälle,
die von den Eisglätschern herrühren, die sich von
den höchsten Bergen ergießen, auf niedrigere
fallen, von ihnen repercutirt werden %und sich
in der Gestallt der schönsten Regenbogen zei-
gen, denn endlich öfters in die fruchtbarsten
Thäler sich ergießen.
/ ≥ §. 51. ≤
/Man bemerkt einstimmig, daß die Flüße in je-
dem Orte ihres Laufs nicht mit einförmiger
Geschwindigkeit, sondern in einem stärker in
dem andern langsamer fortlaufen. Es er-
fordern auch die Flüße, welche eine lange E-
tendu haben zum geschwinden Fortkommen
nicht so viel Gefälle als diejenigen, die nur
eine kleine Strekke zu laufen haben. Folgen-
de Beobachtungen von den Strömen sind merk-
würdig.
/1) An ihrem Ursprunge schlängeln sie sich und
/ machen
/|P_237
/machen viele Biegungen. Am Meere laufen
sie gerader als an den Quellen. Bey ihren Quel-
len führen sie nicht «v»so viele Waßer bey sich, daß
sie damit das Erdreich gerade durchspühlen könn-
ten, sondern richten sich nach den niedrigsten
Oertern, weil nun die Hügel nicht unordent-
lich zerstreuet sind, sondern einen Paralelismum
beobachten, dabey mehrentheils in der Krüm-
me laufen, so ist kein Wunder, wenn die Strö-
me eine solche gebogene Richtung annehmen.
Hiebey pflegt man zwey Winkeln nemlich den
ausspringenden Winkel oder die Buchte Landes,
welche der Fluß durch seine Krümmung nach
der Helfte umgiebt %und den eingehenden Win-
kel, wo das Land die Krümmung des Flußes
einfaßet.
/2) Daß die Flüße bey ihrem Ausfluße weit brei-
ter sind %und dabey nicht so schnell als bey ihrem
Ursprunge fließen. Das erstere kommt we-
gen der mehreren Menge Waßer %und von dem
Zuwachse, den sie unterwegens bekommen, da-
durch sie im Stande sind mehreres Erdreich auszu-
/ spühlen
/|P_238
/spühlen, das letztere aber davon her, daß diese
Menge Waßer ihr Bette tiefer ausgewaschen
daß es mit dem «¿»Boden des Meeres oder Sees, wo-
hin sie nemlich fließen, beynahe gleich geworden.
Der breiteste Strom ist De_la_plata, welcher 60
deutsche Meilen breit ist. Laurentius_Strom in
Canada, man sieht von der höhe des Mastbaumes
kein Land, man schmekt aber das süße Waßer.
Die Ursache der Länge %und Breite oder überhaupt
der Größe der auswärtigen Flüße ist auch zum
Theil der dortige starke Regen; denn in Paris
regnet es im gantzen Jahr 21 Zoll hoch, welches
aber in Indien in drey Tage regnet. Die Gebürge
%und Waldungen machen den starken Regen aus.
/3) Daß es Flüße %und Ströme gebe, die ehe vergies-
sen, ehe sie ein Meer oder eine See erreicht haben.
In Europa giebts deren fast gar nicht, aber
Persien %und Africa um desto mehrere. Es kommt
sowohl daher, weil sich unterwegens keine Flüße
oder andere Gewäßer hineingießen, auch keine
Quelladern zur Seite %und am Boden des Flußes
von welchen die Flüße einen sehr ansehnlichen
/ Zuwachs
/|P_239
/Zuwachs erhalten, den wir aber nicht bemerken
können, ihnen Zuschub ertheilen, als auch deswe-
gen, daß sie ihr Waßer in diese Quelladern,
worinnen ihnen kein Waßer im hineinfließen
hinderlich ist, austreten laßen. Auf solche Art
hat man Recht wenn man sagt: die Flüße be-
wäßern das Land, da sie es doch vielmehr von
selbigem reinigen. In Indien werden sie auch
auf die Reisfelder, die zu ihrem Fortkommen
einen wo nicht gantz unter Waßer gesetzten
doch wenigstens einen schlammigten Boden er-
fodern (wovon das Land sehr ungesund gemacht
wird %und wovon auch wahrscheinlicher Weise die
schlimmen, trübe %und rothe Augen, die man fast
bey allen Egyptern %und Indianer antrift, her-
rühren mögen, wenn die Sonne auf die Luft
scheint) von ihren Einwohnern abgeführet.
Dahero sind die Kornländer fast die gesunde-
sten, weil sie wenig feuchte sind.
/Von der Uberschwemmung der Flüße. In der
uralten Zeit haben die Ströme stets die Län-
/ der
/|P_240
/der überschwemmt und aus den Ufern getreten,
welches zum Theil auch noch geschicht, obgleich sie
sich schon einen Rinnsohl gemacht haben. Wenn
man an dem Fluß eine Wiese oder andere Ebene
sieht, so sind nicht weit davon Erhöhungen, welches
erst die alten Ufer des Flußes waren. Die Wie-
sen sind aus dem Schlamm des Flußs entstanden.
Die Ueberschwemmung der Flüße geschieht mehr
am Ausfluß. Das Ueberschwemmen wird durch
Dämme verhindert, so wie in Holland, welches ei-
ne große Aehnlichkeit mit Preußen hat in An-
sehung der Lage, denn die Dünen in Holland kom-
men mit den Preußischen Nährungen überein.
Die Binen_See mit dem Haff %und der Rhein, wel-
cher einen kurtzen Arm in die Binnen_See wirft
mit der Weichsel, dem Pregel %und Memel. Es
giebt Länder, wo die Ueberschwemmungen
regelmäßig sind %und von den Einwohnern er-
wartet werden, dieses ist Egypten durch den
Nil %und Sian durch den Menon. Das rechte Ufer
des Nils ist eine Steinwüste %und das linke U-
/ fer
/|P_241
/fer eine Sandwüste, das Land selbst ist ein
product des Stroms, %und könnte nicht bewohnt
werden, wenn keine Ueberschwemmung wäre,
weil es gar nicht regnet. Diese Ueberschwem-
mung geschicht im Sommer vom Junio bis %August.
Sie muß aber durch menschliche Hülfe gut durch
das Land vermöge der Canaele ausgetheilt
werden. Die Regierung der Pharaonen war
in Ansehung der Diet der Einwohner sehr weise,
indem sie darauf sahen, damit sich die Einwoh-
ner von der vergifteten Luft nicht anstekken
möchten, sie verboten den Reisbau, der die Luft
sehr vergiftet, denn er wächst am besten auf
dem Lande, welches mit Waßer bedekt ist, %und
in der gantzen Welt ist nichts ungesunders als
das stehende Waßer, welches aber bey dem Reis-
bau künstlich angelegt wird. Jetzo ist Egypten
ungesund, weil sie Weitzen bauen; %und alles
Ungesunde als Pest, die Heuschrekken die sich
recht in Egypten hekken, auch vermuthlich die
Pokken, kommt aus Egypten. Der Anblik in Egy-
/ pten
/|P_242
/pten wenn der Nil abgeschwommen ist, soll
sehr reitzend seyn, indem alles auf einmal mit
fruchtbarem Gras bedekt wird. Egypten kann nicht
das ältste bewohnte Land seyn, denn das Land kann
ohne viele Kunst nicht bewohnt werden, indem die
Dörfer auf selbst gemachten Bergen liegen und
Canäle durch das Land gezogen sind, welches schon
viel Kunst %und Beurtheilung erfordert, der Geschich-
te nach, indem es zuerst hat schreiben können %und
dadurch bekannt worden kann es wohl das Ältste
seyn. Das ältste bewohnte Land muß solches seyn
wo die Natur den Reichthum ohne viele Mühe dar-
bietet %und das ist Indostan, dieses ist das Paradies
der Erde, denn alle producte, die wir haben das
Getreide kommt aus Indostan, denn alle Länder
im 32 %Grad der Breite sind die besten %und haben die meh-
reste producte. Nil überschwemte das Land mehr
als jetzt. Am Strom ist ein Canal wo ein Pfei-
ler ist, der der Nil_Meßer heist, an welchem sie das
Steigen des Waßers abmeßen, ist das Waßer 18
bis 20 Fuß gestiegen, so haben sie alsdenn die
gröste Fruchtbarkeit zu gewarten.
/4) Daß die kleinern Flüße schwerere Waßer als
/ die
/|P_243
/die größere bey sich führen, dahero die Schiffe
in letzteren tiefer als in den erstern im
Waßer gehen. Es kommt daher, weil sie vielen
Schlamm auflösen %und dieser sich in kleineren
Flüßen nicht so gut als in größern wegen Ge-
räumigkeit der letzteren setzen kann. Son-
sten behaupten die Indianer, daß der Ganges
wegen seiner vermeynten Heiligkeit leichtere
Waßer habe, dahero sie auch ihre Leiber mit
Koth beschmieren %und sich in diesem Fluße baden
um die Reinigung von Sünden dadurch anzuzei-
gen.
/5. Daß das Waßer aus der Themse sich auf dem Mee-
re weit beßer als alle andere Gewäßer vor
der Fäulniß erhalten. Wenn sonsten das Waßer
auf der See eine geraume Zeit sich frisch erhal-
ten, so fängt es zu faulen %und trübe zu werden
wenn es aber allen seinen Schlamm mit samt
den öfters großen Würmern die sich darinnen
befinden zu Boden gesenkt, so wird es wieder-
um gantz helle %und klar. Die Fäulniß ist das al-
lerbeste Auflösungs_Mittel vermischte Mate-
/ rien
/|P_244
/rien von einander abzusondern, weit beßer
als das Feuer, da nun das Waßer selber faule,
so sehen wir, daß das blos gemeine Waßer, wel-
ches man für ein sehr einfaches Getränk hält, dem-
nach mit vielfältigen Materien vermischt ist.
Nachdem nun @Hells@ [[Hales]] bemerkt, daß wenn sich die
Luft verbreitet %und von dem fluido hinweg
begiebet, sich die Materien in ih@m@ praecipitiren
%und separiren, weil die Luft vielleicht das Mittel
ist den spiritum rectorem zusammen in dem
Flüßigen (nicht aber unmittelbar die Kraft das
Flüßige zusammen zu vereinigen) zu erhalten
auch das Mittel angewiesen durchs Räuchern mit
Schwefeldampf, als welcher wegen seiner vitri-
olischen Säure gewaltig viele Luft verschluk-
ket, die Weine für die Fäulniß zu praeserviren,
so können wir die Ursache dieses Phoenomeni leicht
anzeigen, weil in Engelland der Boden voller
Steinkohlen ist, welche die Flüße auflösen, die-
se aber Schwefel in sich enthalten, so ziehet ihr
Dampf die Lufttheile im Waßer zusammen, wo-
durch es frisch conservirt wird. Dieses ist auch
/ vielleicht
/|P_245
/vielleicht der Grund, warum man in Engel-
land allenthalben ein weit lebhafteres Grün
auf den Wiesen als in allen übrigen Ländern
bemerket.
/6. Daß die Ufer an den Strömen überhaupt
bey den eingehenden Winkeln steil, bey den
ausspringenden aber flach sind, welches ein
Mittel ist, wodurch die Flüße ihr Bette selbsten
rein erhalten, den alten Schlamm, welcher
sich von den steilen Ufern ablöset, setzet er
an den flachen, wohin das fluidum wegen sei-
ner Schwere seine Richtung nimmt. Sie prae-
serviren sich auf solche Art von der Unrei-
nigkeit weit beßer, als die von den Menschen
angelegte %und öfters mit Quatersteinen aus-
gepflasterte Canäle, weil sie den kürtzesten
Weg beständig erwählen %und nicht nach den
Maximen der Natur richten. Sonst zeiget auch
die höhere Mechanic, daß sich Körper in krum-
men Linien weit geschwinder als in geraden
die zwischen den beyden Enden der erstern ent-
/ halten
/|P_246
/halten ist bewegen, wie mans bey den Dend@uln@
gewahr wird.
/7. Daß einige Flüße Diamanten, wiewohl deren
sehr wenige sind, bey sich führen, doch in weit meh-
reren findet man Goldstaub. Schon längstens
hat man entdekt, daß das güldene Wiederfell zu
Colchis nichts anders bedeute als einen Fluß, der
Goldstaub bey sich führet, %und diese Fabel eine poe-
tische Abschilderung der Methode den Goldstaub
zu sammlen sey. Man nimmt nemlich ein Fell
%und legts auf den Grund, denn samlet sich der
Schlamm auf demselben %und wird von den rauhen
Theilen des Felles zurükgehalten, weil nun das
schwereste, so man in der Natur kennet, das
Gold ist, so senken sich die Körner zu Boden %und
nachdem sie den Schlamm weggeschaft, laßen
sie das Fell troknen %und klopfens aus, wodurch
sie in den Stand gesetzt werden den Goldstaub
zu sammlen. Man findet viele dergleichen
im Rheinstrom %und in den Flüßen von Gunea,
überhaupt scheinet es, daß alle Flüße auf der
Erde einer mehr der andere weniger Goldkör-
/ ner
/|P_247
/ner bey sich führen, den sie von der Erde abge-
waschen haben, sintemalen nirgend ein Sand-
ufer anzutreffen ist, worauf dergleichen nicht
zu finden waren; dahero auch ein Projectmacher [[Becher]]
der republic Holland vorgeschlagen, Gold von
den See_Ufern ihres Landes samlen zu laßen,
welches aber von ihr nach reifer Ueberlegung
aus politischen Ursachen nicht genehmiget
worden. Die Flüße bringen die Materie %und
die producte vom Lande mit wo sie fließen.
Die kleinen Ströme haben schwerere Was-
ser als die großen in die hereinfließen.
Außer der @No@. 4 angeführten Ursache ist noch
diese zu merken. Die kleinen Flüße haben ih-
ren Zufluß aus den Gebürgen, wo das Waßer
noch viele Materie hat, denn die kleinen Flüße
sind reißender, indem sie noch von höherer Ge-
gend kommen %und beschwängern sich also mit
viel Materien. Unter allen Materien die
die Flüße führen ist das Gold das interessanteste.
Das Gold der Alten ist aus dem Sande der Strö-
/ me
/|P_248
/me und nicht aus den Gebürgen geschöpft. Die
Art das Gold zu schöpfen ist: Man nimmt ein Brett
%und belegts mit wollenem Tuch, woran sich der Sand
mit dem Goldstaub, wenn es damit gefischt wird
heransetzt, weil der Sand leichter ist, so wird er
wieder weggespühlt, %und das Gold bleibt, welches
sie hernach ausklopfen, es ist aber noch nicht
rein Gold, es wird theils durch das Schlemmer
theils durch Queksilber rein gemacht. In einem
jeden Lande %und jedem Erdreiche findet man Gold-
staub, allein man giebt sich nicht die Mühe ihn
zu samlen, denn wenn in einem Lande schon eine
Quantitaet Goldes vorhanden ist, der Goldstaub
sich aber nicht vermehret, sondern beständig
weniger wird, so kommt es endlich dahin, daß
die Einwohner in einem Tage mehr verliehren
als sie gewinnen, weil der Preis der Waaren
%und Victualien wenn mehrere Quantitaet Goldes
ins Land gebracht werden, steigert. Dahero
sie auch nicht sich die Mühe nehmen, den Goldstaub
aufzusuchen. Die Ströme führen jetzo eben
/ soviel
/|P_249
/soviel Gold als erst, allein sie werden jetzo
ärmer in Verhältniß der gantzen Menge des
Goldes. Denn das Gold beträgt jetzo sehr wenig
%und man kann sich «k»dadurch kaum soviel verdie-
nen als durch Handarbeit. Die Ursache liegt a-
ber nicht in der Wenigkeit des Goldes sondern
in der Verschiedenheit der Zeiten. Denn wenn
man vorhero soviel sammelte durch die gantze
Woche als ein ducaten beträgt, so konnte man da-
für schon lange leben, aber jetzo möchte es kaum
zureichen. Eben so gehts auch mit den Silberberg-
werken in Sachsen, die eben so ergiebig sind als
vorher, aber jetzo beträgt es nicht soviel in An-
sehung der Menge wie vorhero, %und so gehts mit al-
len Bergwerken, welche von Tage zu Tage ärmer
werden, so daß jetzo die Bergleute im Cremnitzer
Bergwerke weit weniger sammlen, als sie Tag-
lohn bekommen, dahero die Crone es auch nur bey
behält um beständig Metall vorräthig zu haben
%und in die Müntzen schikken zu können. Diejenigen
Lander sind beständig die ärmsten, in welchen
sich die Einwohner zu der höchst beschwerlichen
/ Arbeit
/|P_250
/Arbeit dieses so sehr vertheilte Metall zu sam-
len bequemen %und solches nur wegen Unfrucht-
barkeit ihrer Akker übernehmen, wie man sol-
ches in Gunea gewahr wird. In Schweitz findet
man sehr wenige %und fast gar keine goldhaltige
Gebürge, und dennoch findet man in den Flüßen
z E. im Rheinstrom vieles von Goldstaub. (Bey
diesem Rheinstrom wird folgende Methode den
Goldstaub zu sammlen observiret. In den Krüm-
mungen setzt er vielen Schlamm ab, %und dahero
auch den mehresten Goldstaub, sie schöpfen dahero
den Schlamm in Gefäßen, rühren das Waßer um,
daß sich der Sand in die Höhe begiebt, doch auch nicht
lange damit er sich nicht senke, weil nun Gold
das schwereste ist, so wird das Gold schon zu Boden
sinken, wenn noch der Sand in der Höhe ist, sie gies-
sen darauf den Schlamm, Sand %und Waßer ab und
behalten alsdenn den reinen Goldstaub übrig.)
Dieses beweiset, daß die Flüße ihn nicht eigent-
lich beständig «best» von den Bergen herbekommen.
Sonst ist zu merken, daß das Gold nach dem Eisen
fast am mehresten in der Welt zu finden ist, die
/ Ursache
/|P_251
/Ursache aber, daß davon so wenig angetroffen
wird, ist, daß es sehr in derselben zerstreuet
liegt. Die Flüße führen nichts von Metallen
als nur Gold bey sich. Die Ursache davon ist ver-
muthlich diese: Gold ist das eintzige Metall
welches von keinem Dinge in der Natur außer
von der gekünstelten Zusammensetzung des Saltz-
Geistes und Scheidewaßers aufgelöset wird,
%und daß derselbe auch nicht rostet, weil der Rost
nichts anders als eine Auflösung ist, weil nun
keine solche Mixtur in der natürlichen Verbin-
dung der Dinge angetroffen wird, so wirds
auch nicht aufgelöset %und bleibt im Waßer. Eben
dieses ist auch eine Probe, den wahren Gold-
staub von dem Meßing, der einerley Farbe hat,
%und der besonders in Gunea sehr öfters gemein
pflegt untergeschoben zu werden, zu unterschei-
den, weil dieser von dem Scheidewaßer gantz
schwartz wird, jenes aber unverändert bleibt
Doch brauchen einige die Vorsicht den Meßings-
staub vergülden zu laßen und alsdenn ist ei-
/ ne
/|P_252
/ne «K»Erkenntniß der specifischen Schwere einer
jeden Materie, will man anders nicht betro-
gen werden, nothwendig. Man probiret auch
das Gold vermittelst eines Probiersteins, wel-
cher Basal oder Seilenstein ist, von dem die Pro-
biersteine zubereitet werden. Auf diesem
Stein muß man mit dem Golde streichen %und als
denn mit einem Lappen, der mit Scheidewaßer
naß gemacht ist überwischen, ist es rein
Gold, so bleibt der Streifen, ists aber Mes-
sing, so gehts ab, ist das Gold melirt, so wird
der Streifen matter.
/ ≥ § 52 ≤
/Auf unserer Erde giebts auch verschiedene See-
en %und innländische Meere, die vom Lande ein
geschloßen seyn. Sie sind mehrentheils alle mit
süßem Waßer angefüllt, %und diese Idee ist auch
bey Seeen, die gar keine Communication mit
den gesaltzenen Meeren haben nothwendig
denn ob sie gleich vorhero im uralten Zustande
der Erden, von der Ueberschwemmung des
/ Saltzwaßers
/|P_253
/Saltzwaßers entstanden, %und das Saltz von ihnen
zurük geblieben, so ist daßelbe dennoch von dem
hineindringenden Fluß_Waßer fortgespühlet wor-
den, %und da sein Zuwachs beständig süß ist, so muß
die See selbst auch süß seyn. Sonst sind die Seeen
beständig auf erhabenen Oertern %und auf den
Landesrükken befindlich. Sie scheinen aber über-
haupt der Fruchtbarkeit der Aekker %und Länder nicht
beförderlich zu seyn. Alle süße Seeen haben
Abfluß ins Meer. Es sind einige Seeen, die da
Ströme empfangen %und wieder Ströme von sich
geben; dergleichen ist der Genfer See, der Boden-
see, man fabulirt, daß das Flußwaßer sich mit
dem Seewaßer nicht vermengen soll, welches a-
ber gantz falsch ist. Das was man dabey bemerkt
hat, welches diesen Gedanken vorgebracht hat,
ist dieses: der Fluß vermehrt das Seewaßer, ver-
mengt sich aber sogleich damit, weil aber der
See an dem andern Ende einen Fluß heraus-
läßt, so ist der Zug des Waßers bey dem Ein-
fluß %und Ausfluß merklich. Einige Seeen sind auch,
/ wenn
/|P_254
/wenn sie Communication «od»mit dem Ocean oder
anderem gesaltzenen Waßer haben halb süß halb
gesaltzen von der Seite des Einflußes der Flüße
süß, von der Seite der Communication mit der
See gesaltzen. Der Czernitzer See ist deswegen
berühmt, weil man zu einiger Zeit in selbigem
fischet, zur andern aber wenigstens Heu erndtet
%und letzlich zu einer andern Zeit eine Art Enten
fanget. Es muß ein solcher Teich mit den Diaboetes,
Vexirbechern und andern hydraulischen Instru-
menten, die zu einer Zeit Waßer geben, zur an-
dern Zeit aber nicht, eine Aehnlichkeit haben. Man
erblikket auf dem Grunde dieses Teichs viele Lö-
cher; wodurch das Waßer abläuft und in den dar-
an gelegenen Bergen wiederum Löcher, wodurch
das Waßer samt den Enten zum Vorschein kommt
Siehe Büschings Geographie.
/ ≥ §. 53. ≤
/Moräste sind da wo die Oerter so beschaffen
seyn, daß sie das Waßer, welches ihnen durch die
Flüße oder durch ihre Quellen zugeführt wird, nicht
ablaufen laßen können. Die Luft wird von ihm
/ sehr
/|P_255
/sehr ungesund gemacht, %und selbsten bemerkt man,
daß über morrästigen Oertern der Regen öfter
kommt, länger anhält %und stärker ist als andern
Oertern, so daß es scheint, als wenn die Morrä-
ste eine Magnetische Kraft die Wolken an sich zu
ziehen hätten, man bemerkt auch, daß sie von
Wäldern entstehen können, wenn «d» nemlich die
Wälder so dikke sind, daß die Aeste mit ihren
Blättern sich zusammen verwikkeln %und keinen
Regen durchlaßen, wie wohl solches erst in lan-
ger Zeit geschehen kann; man ist auf diese Ver-
muthung deswegen gekommen, weil man unter
den Morrästen gantze Wälder angetroffen.
/Ungarn ist mit Morrästen angefüllt, von wo
auch die Ungersche Pest oder Flekfieber kommt,
welches man erst dem Obst so wie jetzt die ro-
the Ruhr dem Obst zuschreibt, die sich zwar als-
denn häufet, wenn schon das Obst reif ist, weil
zu der Zeit der Unterscheid der Tageswärme
von der Nachtwärme sehr groß ist %und die Men-
schen sich von der Tageshitze abkühlen wollen,
so ziehn sie alle die Ausdünstungen der Erde
die alsdenn auch groß sind in sich, welche alsdenn
/ solche
/|P_256
/solche Würkung produciren. Die Landseen wer-
den zuletzt Morräste, welche hernach wenn sie
aus«r»troknen festes Land werden, worauf Wälder
wachsen. Man hat an vielen Landseeen bemerkt
daß ihre Ufern kleiner geworden sind. Ohnweit
Rom giebts Morräste, die gantze Meilen im Um-
fange haben, wenn ein Wind von diesen Gegenden
von den pontinischen Morrästen, nach Rom komt
und dahin wehet, so sind sie alle krank, es ent-
stehen daselbst sodann die gräßlichsten Krankhei-
ten zE Faulende Fieber; %und Linne [[Lind]] bemerkt, daß
eine Gesellschaft von 30 Personen spatzieren ging,
als aber der Wind von diesen Morrästen anfing
nach der Seite zu wehen, sogleich 25 Personen
denselben Abend krank wurden und starben.
Sie sind schon von der alten Römer Zeiten; und
hätten die Päbste als Eigenthümer dieses Landes
die Summe des Geldes, welches sie zu prächtigen
Pallästen, um Rom zu verschönern, verschwen-
det, zum Austroknen dieser Graben %und Morrä-
ste, welches ihnen nicht über 300.000 %Reichsthaler kom-
men möchte, angewandt, so würden sie einen
sehr gesunden %und fruchtbaren Boden erlangt ha-
/ ben
/|P_257
/ben. Holland ist voller Morräste %und seine Ein-
wohner, die dazu vom Himmel mit einer außer-
ordentlichen Neigung zur Arbeitsamkeit %und
Reinigkeit ausgezieret worden zu seyn schei-
nen, bemühen sich täglich es davon zu säubern.
/ ≥ Art: III. Vom Luftkreise
/§. 54. ≤
/Unsere Erde umgiebt allenthalben eine flüs-
sige Materie, welche wir die Luft nennen, die
aber nicht a«l»n allen Örtern über derselben
eine gleiche Dichtigkeit hat, dergestallt, daß in
der Höhe von 22.000 Fuß über der Erde die Luft
nur ein Halbmal so dichte ist als auf der Ober-
fläche des Waßers im Meer. Der Grad bis zu
welchem die Luft kann verdichtet werden ist
unbekannt, doch soviel ist gewiß, daß Coteles [[???]]
gefunden, wie er im Stande gewesen die Luft,
da er nemlich eine Art von Barometer in eine
mit Waßer gefüllte und übers Feuer gehaltene
Bombe setzte %und durch das Tropfchen Oehl, welches
im Barometer mit Fleiß gelaßen worden in
/ ihr
/|P_258
/ihr Beobachtungen angestellt, 2.000 mal dichter
als unsere Luft gemacht, eben so ist der Grad,
bis zu welchem man die Luft verdünnen kann,
auch ungewiß, doch hat Newton bewiesen, daß wenn
die Luft nach einem beständigen Gesetz sich bis zu
der Weite eines halben ErdDiameters sich verdün-
nete, diese Luft so dünne seyn würde, daß ein
Cubic_Fuß luft von der unserigen das gantze Son-
nensystem nach proportion der Dünne dieser Luft
anfüllen würde. Doch glaubt man, daß unsere
Atmosphaere 9_1/2 deutsche Meilen über der Erde
gehe, %und dieses schlüßet man daraus: Unsere
Augen sind mit einer solchen Scharfsinnigkeit be-
gabt, daß sie das Mondenlicht, welches 300.000 mal
schwächer als das Sonnenlicht, %und wiederum auf
der abgekehrten Seite des Mondes, das von der
Erde zurükgeworfene Mondenlicht, welches ohn-
gefähr 90.000.000.000 mal schwächer als das Son-
nenlicht ist, mithin das Licht bis zu einem sehr ho-
hen Grade der Kleinheit sehen %und bemerken können.
Wenn nun die Sonne 18 %Grad unter dem Horizonte ist
so kann sie die gantze Helfte der Admosphaere
/ einer
/|P_259
/einer Gegend erleuchten, die Höhe aber dersel-
ben schätzen sie aus derjenigen Höhe, von wel-
chen sie den Schein sehen können, der sich zu der Zeit
recht in der Mitte des Dunstkreises endiget,
doch ist diese Rechnung auch in etwas betrüglich,
indem die Luft das Licht zurükke wirft, %und es
folglich auch aus noch höhern Gegenden kommen
kann. Wenn die Sonne schon untergegangen
%und auf der Insel Teneriffa schon «f» völlige Nacht
ist, so siehet man doch noch die Spitze des Ber-
ges Pico, auf welchem noch die Sonne scheint
recht feurig leuhten, %und wenn die Sonne noch tie-
fer ist, so sieht man die Luft über dem Ber-
ge von dem Sonnenlicht erleuhtet. Die Luft
theilet man in drey Regionen ein. Die erstre-
ket sich da, wo der Schnee nicht schmiltzt, welche
unter denen verschiedenen Zonen verschieden
ist, die zweyte gehet da, wo die Wolken sind,
wenn sie am höchsten gestiegen: denn obgleich
die Wolken mehrentheils niedriger sind, als
der Ort bey den Bergen, wo ein beständiger
/ Schnee
/|P_260
/Schnee ist, so zeiget doch die Erfahrung, daß einige
Wolken noch höher steigen als die höchsten Berge. Die
dritte gehet bis dahin, wo sich die gantze Admosphaere
verliert, die Grentzen derer beyden letzten Regi-
onen sind ungewiß.
/Die erste Region der Luft erstrekt sich in einer Hö-
he von 6.000 Fuß, obgleich auf den «Cordalisc» Cordaleri-
schen Gebürgen der Schnee von 15.000 Fuß in der Höhe
nicht schmiltzt. Die zweyte Region der Luft ist die-
jenige, über welche die Metheoren nicht mehr stei-
gen, sie fängt da an, wo die erste aufhört, nem-
lich wo der Schnee nicht mehr schmeltzt, %und geht so
hoch, daß die Metheoren nicht über sie steigen. Die
Wolken %und Gewitterwolken sind zwar niedrig
indem sehr wenige über 6.000 Fuß steigen, allein
die Sternschnuppen, die von der pöbelhaften Mei-
nung so benannt sind, sind weit höher. Midon [[Brydone]]
sagt, wenn man auf der Spitze des Berges Aetna
die Sternschuppen fallen sieht, so scheint es als
wenn sie würklich aus der Höhe der Sternen kom-
men. Die Feuerkugeln sind noch höher, indem
die Feuerkugel anno 1761, die den 5ten Theil von
Deutschland erleuchtete 16 Meilen hoch war. In
/ der
/|P_261
/der Höhe von 8 deutschen Meilen brannte sie
noch %und in der Höhe von 6 Meilen platzte sie. Die
Nordlichter sind nicht hoch, sie sind leuchtende Luft-
erscheinungen, die durch den Wiederschein des
Sonnenlichts in dem Schneetheilchen die in der Luft
sind, entstehen. Sie entstehen eben so wie
der Regenbogen, %und so wie jeder einen andern
Regenbogen hat, so hat auch jeder ein ander
Nordlicht.
/ ≥ §. 55. ≤
/Die Luft ist an einigen Gegenden feuchte, an
andern aber trokken. Die Luft wird feucht ge-
nannt, nicht weil sie viel Feuchtigkeit enthält,
sondern weil sie viel Feuchtigkeit fahren läßt,
%und die Luft heißt trokken, nicht weil sie keine
Feuchtigkeit hat, sondern weil sie viel Feuchtig-
keit verschlingt. Ob nun gleich die Länder, die
an denen Meeren gelegen feuchter, als die wei-
ter von ihnen sind, mithin auch die Feuchtigkeit
von den Meeren zuweilen herrührt, so ist doch
die Ursache selbst von der Trokkenheit %und Feuch-
tigkeit der Luft mehrentheils auch von der Be-
/ schaffenheit
/|P_262
/schaffenheit des Bodens zu deriviren. Ueberhaupt
ist zu merken, daß dasjenige, was die Luft ela-
stischer macht, das ist, mehrere Freyheit sich aus-
zubreiten ihr verschaffet, dieselbe trokkener,
%und dasjenige, was ihre Elasticitaet einschrenkt,
feuchter mache. Von der ersten Art ist der Sand.
In Persien %und den Sandwüsten überhaupt ist
es also weit trokkenere %und heißere Luft als
in der Zona torrida selbst zu finden. Diese Luft
ob es gleich in denen Ländern, wo sie anzutreffen
sehr warm ist, schlukt die Dünste, die aus dem
Menschen aufsteigen, dergestallt in sich, daß ih-
nen, es sey denn bey der allergrösten Bewe-
gung fast gar nicht schwitzt; indem der Schweiß
von der troknen Luft verschlukt wird; man
glaubt auch daß die schwache Augen, indem es
nirgends so viel Blinde giebt als in den troknen
Ländern, davon herrühren, daß die trokne Luft
die flüßigen Gefäschens der Augen austroknet;
zum Theil rührt es aber auch von der Unreinig-
keit, die aus der Excremation von Menschen und
/ Vieh
/|P_263
/Vieh entstehet %und wofür man nicht gesorgt hat,
daß es einen Abzug hat, her, die in solchen Län-
dern immer sehr groß ist, obgleich in den Län-
dern das Waschen ein Religionsstük ist %und aus
weisen Absichten mag verordnet seyn, um der
Unreinigkeit abzuhelfen, allein desto weniger
geschicht es, indem durch solches Religions_Ge-
setz immer Betrügerey vorgeht, indem man
glaubt dadurch alles übrige gut zu machen, da-
hero sie sich nur die Spitzen der Finger waschen
%und das übrige doch unrein bleibt. In Guinea
auf der Sklavenküste stellet sich im Februario
ein entsetzlich trokkener %und heißer Wind ein,
daß denen Einwohnern, die Haut allenthal-
ben von demselben springet, auch die Schiffe
auf dem Verdekke eine Handbreit Ritzen be-
kömmt, welche aber bey dem Uebergange die-
ses Windes von selbsten verschwinden. Dahero
zu dieser Zeit die Einwohner beständig in ihren
Häusern bleiben %und allenthalben aufs sorgfäl-
tigste dieselben deuchte zu machen suchen. Weil
/ auch
/|P_264
/auch in Chaldaea wegen der Trokkenheit der Luft
die Sterne beständig gantz helle %und auf einer
Stelle die in andern Ländern wegen Bewegung
der Dünste verändert wird stehen bleiben, auch
die Einwohner die Dächer ihrer Häuser gantz platt
bauen ließen, damit sie auf denenselben die
Nacht über schlafen könnten, überdem die Nacht
in diesem Lande beständig 10 Stunden %und zuweilen
etwas darüber währet, in dieser Zeit aber die
Menschen nicht beständig schlafen können; so war
es kein Wunder, daß die Astronomie in diesen
Ländern, obgleich ihre Einwohner nicht als sehr
wißbegierige Leute bekannt waren, erfun-
den wurde, weil sie weder durch die Kürtze der
Sommernächte, noch durch die Kälte des Winters
oder Feuchtigkeit der Luft Beobachtungen anzu-
stellen verhindert wurden, ohnedem Mons Carle [[???]]
anmerkt, daß er nichts reitzendes gesehen, als
den bestirnten Himmel zu Balforu.
/Die Feuchtigkeit der Luft ist sehr schädlich, %und be-
findet sich dieselbe erstens wo Steinkohlen sind,
/ dahero
/|P_265
/dahero auch in Essex, wo die Meisten zu finden,
die Leute mehrentheils das Fieber <an sich> haben, man
findet aber auch diese große Feuchtigkeit in
Ländern, wo hohe Berge sind. Weil die Blätter
der Bäume sehr viele Luft aus der Erde aus-
saugen %und durch andere Röhren wieder transpi-
riren, so findet man eine erstaunende Feuchtig-
keit da wo viele Wälder beysammen sind. Da
nun diese bey dem erweiterten Kornbau aus-
gerottet werden müßen, so findet man auch
deswegen in Europa weit gesundere Länder
als sonsten wo. Morrästige Länder ziehen gleich-
fals die Wolken an, %und regnets in ihnen weit
öfterer als über andere Oerter %und vermuthlich
kommts von den Asphaltitischen Theilen die
darinnen sind, %und wovon die gläntzende Haut
die sich über ihnen öfters befindet eine sichere
Anzeige ist.
/ ≥ §. 56. ≤
/Die Luft hat eine Säure bey sich, die der Salpe-
tersäure gleicht. Der Salpeter wird von der
/ Kunst
/|P_266
/Kunst hervorgebracht, wenn ein Acidum mit Al-
calinischen Theilen oder Asche und mit urinoesen
Theilen oder Ausdünstungen des Viehes %und der Men-
schen vermischt werden. Aus gleichen Theilen schei-
net auch die Landluft zu bestehen, als welche die
viehische Ausdünstungen das Saltz von den Gewäch-
sen aus saugt zu bestehen. Die Seeluft ist gäntzlich
von der Landluft unterschieden, von ihr entste-
het der Schaarbok eine Krankheit, bey welcher
die Menschen alle ihre Kräfte verliehren und
dabey doch munter zu seyn glauben, wenn sie
im Bette seyn, auch gar keine Schmertzen em-
pfinden, bey welcher die Leute von der Nachricht
der geringsten Veränderung heftig erschrekken
auch wohl gar sterben, welcher aber sogleich ver-
schwindet, sobald sie nur lebendig ans Land
gebracht werden können, dieser Unterschied
scheinet daher zu kommen, weil die Seeluft nicht
vielleicht die Mischung als die Landluft hat, wo-
von das Eisen rostet. Auf der See kann man
das Land riechen, ehe mans noch zu sehen bekommt.
/ Es
/|P_267
/Es ist zu merken, daß unsere Geruchsnerven
wegen der wenigen Achtsamkeit, die man in den
Städten auf den Geruch verwendet sehr verdor-
ben %und vergröbert worden, welches auch um der
Gesellschaft nicht beschwerlich zu fallen höchst nö-
thig ist; die Wilden dagegen sehr starken Geruch
haben, dergestallt daß sie beym Eintritt ei-
ner Stube jederzeit wißen, ob %und an welcher
Stelle der Stube der Brandwein aufbehalten
werde. Einige kleine Beobachtungen werden
uns überführen, wie wir die Gegend, aus wel-
cher der Wind kommt, durch die besondere Beschaf-
fenheit des Windes (zE. der Südwind führt Feuch-
tigkeiten bey sich) unterscheiden können. Weil
nun die Alten große Schiffahrten unternom-
men %und doch dabey keinen Compas gehabt; so
müßen sie gleichfals diesen Kunstgrif die Win-
de zu kennen gehabt haben.
/Annot. Doch nicht allein die Transpiration der vie-
len Bäume im Walde vermag die Luft feuchte
zu machen; sondern da man überhaupt weiß,
/ daß
/|P_268
/daß erhabene Gegenstände das Ungewitter an
sich ziehen, so erhellet aus allem, daß die Wäl-
der eine Art von Kraft die Wolken an sich zu zie-
hen habe. Ueber eine Insel Modena hatte sich
eine <sehr> finstere Wolke vormals gesenkt. Da nun
die «Länder» Holländer es für unmöglich hielten,
daß eine Wolke beständig über einem eintzigen
Orte bleiben könnte, so hielten sie dieselbe«n»
für eine Feen_Insel oder die mit Gespenstern
besetzt wäre, %und dürften sie nicht besteigen, als
aber nachgehends einer sich verdreistete hin-
auszugehen, so fand er daß sie lauter Wälder
hätte, wovon sie auch den Namen Modena
(Holtz) bekommen hat, jetzt ist sie sehr gut an-
gebaut.
/ ≥ § 57. ≤
/Einige Länder sind wegen der gesunden und un-
gesunden Luft berühmt. Von der letztern Art
sind Portobello %und Phanama auf der americani-
schen Meerenge, ob nun gleich in letzterer die
beste Gelegenheit reich zu werden anzutreffen
ist, dergestalt, daß die Miethe einer Gelegenheit
/ die
/|P_269
/die anders wo jährlich 50 %Florin kostet hier auf die
Zeit des sechs Wochen langen Jahrmarkts
6.000 %Reichsthaler zu stehen kommt, so mögen doch nicht
gerne die Menschen daselbst wohnen, weil sie
selten über 40 Jahr in dieser Stadt alt werden,
die Frauen im Gebähren mehrentheils um-
kommen, dahero sie zu solcher Zeit verreisen,
%und überhaupt die Fremdlinge nach einigen Ta-
gen die Lebhaftigkeit der Farbe verliehren,
die sie auch niemaln wieder bekommen, doch
pflegen die Kinder die von Europaeischen Eltern
in America gebohren sind, daselbst länger
zu leben, als ihre Eltern, ferner die östli-
che Küste von Sumatra wegen der Saltzpfü-
tzen; die pontinischen Gegenden um Rom nach
Neapel südwerts, die Provintz Essex in Engel-
land. Ueberhaupt findet man in diesen Län-
dern eine feuchte Luft %und waldigte Gegenden
%und obgleich auch die auserwählten Nahrungsmit-
tel der Gesundheit sehr beförderlich sind, wie
denn das Fleisch der Thiere die Fiebern stärken
/ und
/|P_270
/und erhalten, so ist doch die Luft das vornehmste
dabey, so daß selbst die Lage einer Stube gewählt
werden muß, wenn man nicht in Krankheiten ver-
fallen will. Folgende Oerter aber sind wegen
ihrer Gesundheit berühmt.
/Lissabon, welche von den Engelländern sehr be-
sucht wird, die Ursache von dieser Gesundheit
des Orts scheinet die Vermischung des Landes %und
der Seeluft zu seyn, weil diese vielleicht Ingre-
dientzien hat, die der Landluft fehlen, %und ob sie gleich
allein genommen der Gesundheit sehr nachtheilich
ist, so scheint sie ihr doch mit Landluft vermischt
zuträglich zu seyn. Hieher gehöret auch Mont-
pellier vielleicht mit deswegen, weil die Fran-
zosen gesprächig seyn %und die Kranken dadurch, daß
sie in ein Gespräch verwikkelt werden %und die
Aufmerksamkeit auf die Schmertzen verliehren,
sie dieselben nicht so heftig empfinden. Doch weil
hier die mehresten, die an der venerischen Krank-
heit darnieder liegen, sich aufhalten, auch apar-
te Aertzte dazu verordnet seyn, so pflegt eine
/ Reise
/|P_271
/Reise nach diesem Ort verdächtig zu seyn. Vor-
mals besuchten die Portugiesen der Gesundheit
wegen Brasilien sehr stark, %und überhaupt ist es
der Gesundheit sehr zuträglich in der Jugend
in nordlichen Gegenden, in dem südlichen aber
im Alter zu leben. Die Pest, Pokken, %und venerische
Krankheiten können weder aus der Luft noch aus
andern natürlichen Ursachen herrühren, sondern
durch die Anstekkung. Sie haben ihren Ursprung
aus Egypten %und Amerika. Preußen ist gesund
obgleich seine Witterung zuweilen unangenehm ist.
Meyland in Italien pflegt auch öfters von Fremd-
lingen besucht zu werden, jenes vielleicht we-
gen des flüßigen Kornbaues und anderer Gras-
arten, letzteres aber, weil sie die eintzige
Stadt in Italien ist, worinnen die französischen
Sitten herschen. Einige Krankheiten scheinen dem
Boden eigen zu seyn, welches die endemischen
Krankheiten heißen, andere aber grassiren
in einem Lande nur daher, weil jemand sie an-
fänglich bekommen, hernach aber wegen ihres
anstekkenden Giftes weiter um sich reißen, wel-
/ ches
/|P_272
/ches die epidemischen Krankheiten genannt werd@en.@
Zu den endemischen Krankheiten gehört auch die
Elephantasis, die einem Aussatz ähnlich ist, der Na-
me kommt vermuthlich daher, weil ein Fuß so groß
wie ein Elephanten_Fuß wird. Ferner gehört da-
hin der E«¿»<n>gellsche Schweiß. Die Pokken %und die Pest
sind anfänglich bey den Alten gantz unbekannt ge-
wesen %und haben sie nur von den Saracenen herbekom-
men, gleichwie die venerische Krankheit aus America
gekommen, die bey den Europaeern gantz unbekannt
gewesen. Die Pest scheint in Oberegypten ihren Sitz
%und Wurtzel zu haben, welche sich zu manchen Zeiten
aber beständig nach Süden fortrükten, dergestalt, daß
die Einwohner in Aleppo am Thor, welches am näch-
sten nach Egypten liegt, am ersten die Pest beko-
men. Hiewieder ist kein anderes Mittel als die Ab-
sonderung von allen Menschen, welches aber auch
gantz untrüglich ist. Ihr Zug ist füglich mit dem
Fluge der Egyptischen Heuschrekken zu vergleichen,
die ihren beständigen Sitz in Egypten haben, zu-
weilen aber eine solche Begierde zu wandern beko-
men, daß sie, ohnerachtet daß viele von ihnen im
/ Waßer
/|P_273
/Waßer worüber sie fliegen ersaufen, dennoch
ihren Cours gantz genau einhalten, der nach Sü-
den gerichtet ist. Die venerische Krankheit soll von
dem Eßen der großen Heuschrekken in America
auf einer Insel entstanden seyn. Franciscus der
1ste aß zuerst von ihnen %und bekam diese heßliche
Krankheit, von welcher Zeit an sie sehr herum gras-
sirt, besonders in einem Theil von Siberien. Die
Americaner halfen sich durch ein gewißes Kraut
davon so gleich ab, welches aber bey uns noch nicht
so bekannt geworden. Die Engelländer glauben,
daß wenn die Regierung eine Verfügung tref-
fen würde, daß die Aertzte, die die Krankheit
ihrer patienten ausbringen würden, von ihrem
Officio removirt werden sollten, die Leute sich
ihnen sogleich anvertrauen würden, %und auf
solche Art diese Krankheit gantz ausgerottet wer-
den möchte«n». Die Franzosen setzen sich an schlei-
michte Theile, %und man hat bemerkt, daß derjeni-
ge, welcher an dieser Krankheit darnieder liegt,
von allen übrigen gesichert sey. Ueberhaupt ist
/ zu
/|P_274
/zu merken, daß bey allen anstekkenden Krank-
heiten das Queksilber das beste Mittel ist, weil
nun eben dadurch auch die Würmer sehr häufig ge-
tödtet werden; so schlüßet ein berühmter Artzt [[Desault]]
daß die Pokken, Pest, Franzosen p von einem Wurm-
saamen entstehen, welcher von einem Körper
zu dem andern fortgehet.
/Annot. Unter die wegen ihrer Gesundheit berühm-
te Oerter rechnet man auch die Thomas_Insel
die zu Africa gehöret. In Nova Zembla, in welche
fälschlich einige beständige Einwohner versetzet
werden, waren einige Siberianer hingefahren
die aber daselbst sturben, nach der Zeit vertrau-
ten sich andere eben dahin zu reisen %und haben be-
funden, daß im Herbste aus dem Meere ein dikker
%und stinkender Nebel, der von den verfaulten Fischen,
Bären p vermehrt worden aufstiege. Weil auch
das Waßer in den Busen öfters sich nicht beweget,
so findet sich an diesen Orten, wo viele Busen seyn
eine feuchte Luft, %und sind folglich ungesund. In
Aleppo ist eine Art von Pest, da den Menschen
auf dem Gesichte ein rothes Geschwür aufsteigt
/ hernach
/|P_275
/hernach aber in ein Loch degeneriret. Diese be-
kommt ein Fremdling sehr bald, wenn er sich nur eine kur-
tze Zeit drinnen aufhält.
/ ≥ § 58. ≤
/Gleichwie es in den Meeren sowohl obere als untere Strö-
me giebt, also finden wir auch in der Luft dergleichen Strö-
me, die sowohl oben als unten herschen %und die Winde
genannt werden. Die erstere entstehen von der An-
ziehungskraft des Monden, da aber diese Kraft des
Monden mit der Schwere einerley Bewandniß hat
%und vermöge dieser letztern Körper, sie mögen dichte
oder dünne, groß oder klein seyn, in einer gleichen
Zeit zur Erde hingetrieben werden, so wird die
Luft so wie das Waßer um 10 Fuß in die Höhe geho-
ben, ohnerachtet diese viel leichter ist als das Was-
ser, welches aber auf eine solche Höhe dergleichen
die Luft hat, keine nahmhafte Würkung haben kann
also können diese Luftströme mit den Meeres-
strömen wohl nicht einerley Ursache haben, wie-
wohl auch unter dem Aequatore an dem Winde, der
von morgen gegen Abend zu wehet deßen Würkung
/ zu
/|P_276
/zu spüren, wie man auch bemerket hat, daß wenn
im Neumond der Wind nordlich stehet, von da nach
Osten %und so weiter durch alle Gegenden fortrükt,
bis er endlich im Neumonde wiederum in selbiger
Gegend stehet, al«l»sdenn eine schöne Witterung ein-
treffe, wenn aber derselbe in eben diesem Stand
des Mondes von Norden nach Westen gehe, von
da wiederum zurükspringt ein wiedriges und
unangenehmes Wetter erfolge. Die Winde mögen
vielleicht aus vielerley Ursachen zE. Aus den Dün-
sten die von den unterirrdischen Oertern in die
Admosphaere aufsteigen, entstehen, doch sind davon
keine Generalregeln bekannt, diejenigen von denen
man zuverläßig weiß, daß sie die Ursachen von
den Winden seyn, sind Wärme und Kälte, jene
vermehret die Elasticitaet der Luft, diese aber
ziehet sie zusammen %und vermindert sie. Wenn
die Sonne über eine Insel scheint, so wird das
Land weit eher «d»als das Meer, sowohl wegen sei-
ner Durchsichtigkeit, nach welcher es sehr viele
Strahlen verschlukket, sondern auch, weil das Was-
ser beständig sich bewegt, mithin verschiedenes
/ Waßer
/|P_277
/Waßer der Sonne in jedem Augenblikke zur Er-
wärmung entgegensetzt, erwärmt, mithin wird
die Luft über der Insel elastischer als die Seeluft,
weil sie auch aber eben dadurch leichter wird als
die letztere, so muß die Seeluft selbige ü-
ber sich hinwegtreiben, %und weil solches Spiel
beständig continuirt wird, so muß in ihnen
bey Tage ein beständiger Seewind herschen,
wenn aber die Sonne weiter unter den Hori-
zont gerukt, und die angrentzenden Länder
beschienen, so wird die Luftsäule dadurch elasti-
scher über diesen Ländern gemacht; weil sie dero-
wegen der eindringenden Landluft nicht wieder-
stehen kann, so entspringt ein Landwind in die-
sen Inseln, weil eine Luftsäule beständig auf
die andere folgt. Die Luft nemlich die dem er-
wärmten Lande zur Seite ist dringt in die Stelle
der erwärmten Luftsäule %und treibt sie mit
sich in die ihr entgegengesetzte Seite fort. Es
findet auch solches würklich in allen Inseln %und Kü-
sten, die unter dem Aequatore liegen statt, %und schaf-
fet ihren Einwohnern einen sehr großen Vortheil,
/ indem
/|P_278
/indem die erschrekliche Tages_Hitze dadurch gemildert,
daß die Seewinde über sie streichen, durch die Lan-
deswinde aber die große Kälte «bey» <der> Nacht, die in
diesem Himmelswinde 10 Stunden währt, %und in wel-
chem die Luft sehr bald gäntzlich abgekühlet wird
(zumahl hier die Sonne gantz unter den Horizont
fortgehet, in den temperirten Zonen aber beson-
ders in den längsten Tagen fast beständig über dem
Horizont bleibet) vermindert wird. Wenn imglei-
chen die Einwohner mit dem Landeswinde des Abends
von ihrer Insel abreisen, so können sie vermöge
des Seewindes am folgenden Morgen auf die an-
dere Insel herüber kommen. Ein Engelländischer Schif-
Capitain [[Blake]], der den Spaniern jederzeit vielen Scha-
den angethan, gebrauchte diesen Vortheil mit dem
Seewinde in den Hafen Sancta_Cruz zu fahren
das Fort zu ruiniren, %und mit dem Abendwinde wie-
der abzufahren, ob es ihm gleich als eine verwe-
gene Handlung ausgelegt wurde, indem er, wenn
er sich länger aufgehalten von der eindringenden
Macht der Spanier wäre überwältiget worden,
so wird er wohl die Beschaffenheit der Winde in
/ den
/|P_279
/den philippinischen Inseln gewust haben, %und ist
also vollkommen zu entschuldigen. Auf den zween
Hemisphaeriis ist es beständig kälter als in der
Zona torrida über welcher die Sonne gleichsam ihren
Sitz hat, derowegen ziehet sich die kältere Luft
dahin %und sucht die erwärmte zu verjagen, aus
der Zusammenvereinigung der Luft der zwey
entgegengesetzten Hemisphaerien aber entste-
het ein Wind, der von Morgen gegen Abend zuwe-
het %und der Passat_Wind genannt wird. Weil aber die
Sonne in einem halben Jahre in das nordliche H«a»e-
misphaerium tritt %und sich vom südlichen entfernet, im
andern halben Jahre sich dem südlichen nähert %und das
nordliche verläßet, so wird fast jederzeit in dem
einen Hemisphaerio kältere Luft als in dem an-
dern seyn, folglich auch von der einen Gegend ent-
weder von der nordlichen oder südlichen Halbkugel her-
kommen. Obgleich die Einwohner dieser Gegen-
den mit uns im eigentlichen Verstande zugleich
Sommer haben, weil die Sonne ihnen zu der Zeit
wenn sie uns am höchsten stehet, eben so erhöhet
ist, so nennen sie doch die Zeit, wenn sie in der
/ %nordlichen
/|P_280
/nordlichen Halbkugel ist Winter, indem der Wind
bey ihnen beständig feuchte Luft %und Regen mit-
bringt, wenn sie aber in der südlichen ist, Sommer,
weil ihnen der Wind eine trokkene heitere %und an-
genehme Witterung verschaft. Diese Winde, die
von der Jahreszeit herrühren, werden Madsons
oder MansonsWinde genannt. Was die Trokken-
heit %und Feuchtigkeit der Winde anbetrift, so gilt es
überhaupt als eine Generalregel in der gantzen Welt,
daß die Ostwinde beständig trokken seyn, sie mögen
über Land oder Meere kommen, %und daß der Wind be-
ständig feuchte sey, der aus Westen oder Abend ent-
springt, es gilt dieses auch wenn der Ostwind und
Westwind über gleich große Meere oder jener so-
gar über größere als letzterer kommt, welcher
erstere bey dem Vorgebürge Capo bonae spei ge-
schiehet. Norden %und Südenwinde sind meist<entheils> trokken
so wie letztere warm, erstere aber kalt seyn. Ob
nun gleich Ost %und West gantz %und gar in Ansehung der
Kälte %und Wärme gleichgültig zu seyn scheint, so fin-
den wir doch daß die Ostwinde warm %und die Westwin-
de kalt seyn. Es ist auch merkwürdig, daß wir
im Herbst noch einige Tage heiteres Wetter ha-
/ ben
/|P_281
/ben, dieses kommt daher, daß am Ende des Augusts
unter den Polen schon zu frieren anfängt %und als-
denn der Wind die warmen Dünste uns zuführt;
dieses wird der Nachsommer genannt. Alle Win-
de kühlen ab %und machen nicht wärmer, wenn
die Luft nicht heißer als Menschenblut i, e, 96 Grad
nach dem Fahrenheitschen Thermo«t»meter ist, so hats
die Bewandniß mit ihnen, als wenn sie aus heißen
Bakofen kommen, wie solches ein Wind in E-
gypten %und ein anderer der Zamiel genannt wird
thun. Da nun bey uns die Wärme niemals über
80 Grad steigt, so kühlet auch in unsern Gegenden
ein jeder Wind ab.
/Annot. 1. Das Abwechseln der See %und Landwinde
in den Inseln %und Ländern unter dem Aequatore
scheinen wegen ihres großen Nutzen einen besondern
Nutzen %und Absicht erfodert zu haben, %und können
dennoh leichtlich aus einem geringen Mechanismo her-
geleitet werden, aus welchem man mit Recht
schließen kann, daß der Grundstof dieser Welt ein
Wesen sey, welches seiner Natur nach zur Einheit
Mannigfaltigkeit %und Ordnung geschikt ist.
/ annot. 2.
/|P_282
/annot. 2. Bey uns überhaupt sind die Nordostwinde
am trokkensten, die Nord %und Ost_Winde auch die
Südwestwinde am feuchtesten nebst denen Süd %und
West_Winden. Es ist aber zu merken, daß in jedem
Haemisphaerio die Winde, die am nächsten Pole her-
kommen, allemal trokken, die aber von dem ent-
gegengesetzten entspringen allemal feuchte seyn,
%und so wird unser Nordwind im Nordlichen Hemisphae-
rio trokken, im südlichen aber feuchte seyn. Der
Wind Serreno, welcher im Februario in Guinea wehet
scheinet der trokkenste zu seyn.
/ ≥ §. 59. ≤
/Wenn wir untersuchen, warum die Südwinde be-
ständig feuchte seyn, die Nordwinde aber trokken,
so müßen wir merken, daß die Ursache, die man
hieher davon angeführet, gantz unzureichend sey,
der Südwind soll deswegen feuchte %und warm seyn,
weil er über warme Länder wehet, der Nordwind
aber deswegen trokken und kalt, weil er über kalte
Länder streicht; denn der Südwind wehet nicht allein
sehr «kalt und» langsam, wodurch er viel von seiner
Wärme verliert, sondern er streicht auch über hohe
/ Berge
/|P_283
/Berge durch deren sich darauf befindliche Luft er
vollends abgekühlet wird, es sind auch überdem
die längsten Tage in Ländern nach der Zona fri-
gida zu gelegen, wei«¿»t heißer, als es zu der Zeit
in der Zona torrida ist, folglich würden zu mancher
Zeit darum die Nordwinde Wärme bringen, wel-
ches aber gäntzlich der Wahrheit wiederstreitet.
Erstlich müßen wir wißen, daß trokkene Luft nicht
diejenige sey, die keine Feuchtigkeit hat, sondern
die keine fahren läßt, %und feuchte Luft diejenige
sey, die viele Feuchtigkeiten hat, sondern viele
fahren läßt. Die Meridiani der Erdkugel sind
bey dem Aequatore weit, %und schmählern sich von da
so lange, bis sie unter den Polen gantz zusam-
men stoßen. Wenn nun ein Wind von Süden
wehet, so treibt er die Luft, die im weiten Rau-
me vertheilet war, in einen engern zusam-
men, folglich da die Luftsäulen, die in den nach
dem Pole gelegenen Gegenden kälter sind, ihnen
wiederstehen, %und sie in den Ort den sie einnehmen
nicht hineindringen laßen, so treibt sie der Süd-
wind nach oben über die «S»schwere %und kalte Luftsäu-
/ len
/|P_284
/len dieser Erdstriche, wenn nun aber die obere
Luft wärmer wird, so wirds auch die untere
Luft, folglich sind alle Südwinde warm. Wenn
aber im Gegentheil der Wind von Norden entspringt,
so treibt er die Luft, die in einem engen Raum
zusammengehalten wurde, in einen weiteren
hinein, folglich die obere Luft nach unten, gleich-
wie im ersten Fall die untere nach oben. Weil
nun aber in der obern Region des Luftkreises
die Luft viel kälter als unten ist, so muß auch
der Nordwind bestandig kalt seyn. Wir verstehen
aber auch hieraus, warum der Südwind feuchte,
der Nordwind aber trokken ist, weil im erstern
Fall die nach oben getriebene aber vorhero
unten gewesene Luft die Feuchtigkeiten nicht er-
halten kann (weil die erwärmte Luft nicht so
dichte ist als die kalte) im andern Fall aber die
obere Luft niemals mit Dünsten angefüllt %und ge-
sättigt gewesen. Dieses alles würde geschehen,
wenn auf der gantzen Erde keine andere Winde,
sondern ein allgemeiner Nord oder Südwind wäre,
allein obgleich die viele Zwischenwinde, die ne-
/ ben
/|P_285
/ben diesen sind, diese allgemeine Würkung ver-
hindern, so muß doch jederzeit dieselbe eintzeln statt
finden, sobald ein Nord oder Südwind wehet. Wenn
wir nun wohl die Ursache von den Latitudinal¥
Winden oder dem Nord und Südwind durch die Auf-
hebung des Aequilibrii, der in der Zona torrida war-
men und in den übrigen Gürtelstrichen kalten Luft
erklären können, so geht doch solches nicht mit dem Lon-
gitudinal, das ist, dem Ost %und Westwinde an, weil in
Oertern die einerley Breite oder Entfernung von
dem Aequatore haben, die Luft zu einer %und derselben
Zeit gleichen Grad der Wärme %und Kälte haben. Es
scheinet dahero als wenn diese bey dem Winde aus
der Verrükkung der Latitudinal_Winden entstanden
seyn. Die Erde bewegt sich unter dem Aequatore
innerhalb 24 Stunden im größten zirkel, in den
Polen aber ruhet sie gantz %und gar; sie reißet
aber auch zugleich die Luft, die über ihr stehet mit
sich %und obgleich es scheinen sollte, daß aus dieser Be-
wegung allein ein Wind entstünde, so gehet dieses
doch nicht an, weil die Luft sich mit einer gleichför-
migen Geschwindigkeit in allen Orten eben deßel-
ben Kreises beweget, folglich immer dieselbe
/ Luft
/|P_286
/Luft über einem jeden Orte stehen bleibet, man sie-
het aber auch zugleich, daß die Luft sich gleichfals
in einem parallel_Zirkel geschwinder als dem an-
dern bewegen müße. Wenn nun ein Wind aus Süden
entstehet, so kommt er in eine Gegend wo die Luft
sich langsamer beweget, %und weil er zurükbleiben
muß, indem er die Luft, die daselbst auch schwerer
ist, nicht genungsam wiederstehen kann; so nimmt
er eine Richtung an, die sie schon hatte, nemlich die
allgemeine von Abend gegen Morgen an %und dege-
nerirt zu einem Südwestwinde bis endlich gantz
%und gar ein Westwind wird. Wenn aber im Gegen-
theil der Nordenwind kommt, so geräth er im Krei-
se, wo die Luft eine weit geschwindere Bewe-
gung %und größere Schwungskraft hat, als in den
Kreisen, die weiter nach Norden gelegen sind, folg-
lich wird er durch seine Schwere der sich bewegenden
Luft wiederstehen %und eine ihr %und folglich auch der
allgemeinen Bewegung der Luft entgegengesetz-
te Richtung annehmen, %und hieraus entstehet ein
Nordnordostwind, denn ein Nordostwind «wird»
bis er zuletzt in einen ordentlichen Ostwind
/ nach
/|P_287
/nach dem Lege continuitatis degeneriret. Und
da der Ostwind eine Art Nordwind ist, so muß
er trokken %und der Westwind eine Art südwind ist,
so muß er feuchte seyn. Hievon aber sind fol-
gende Ausnahmen merkwürdig: An der Spitze
von Nord_america ist der Ostwind feuchte, der
Westwind aber trokken. Es ist aber zu merken,
daß wenn der Westwind über ein sehr langes
%und weites Land streicht er endlich seine Feuchtig-
keit ablegt; wenn aber der Ostwind über ein
sehr weites Meer kommt er mit der Zeit feuchte
werde, welches im gegenwärtigen Falle ge-
schiehet. Zuweilen sind auch die Südwinde kalt,
wenn sie nemlich nur den Nordwind uns zurük-
bringen, die Nordwinde aber warm, wenn nem-
lich es im Winter sehr stark frieret, %und welches
ein seltener Fall ist, die obere Luft mehr Wär-
me als die untere hat, die er in ihre Stelle bringt.
Was den Südwind anbetrift, so mattet er sehr
die Glieder des Menschen ab.
/ §. 60.
/|P_288
/ ≥ §. 60. ≤
/Der Wind überhaupt entstehet auf eine zwiefa-
che Art, entweder wenn ein Wind den andern zu-
rükbringt, oder wenn eine Reihe Luftsäulen
in die Stelle der erwärmeten %und dadurch leichter
gemachten Luft hineindringt. Eine Frage ist bey
dieser Abhandlung von den Winden noch merkwür-
dig: ob nemlich der West und OstWind am ersten
in dem Orte seines Ursprungs oder wohin er we-
het zu spühren sey. Ueberhaupt muß man das letz-
tere bejahen. Der Westwind ist ein ausgearteter
Südwind, folglich treibt er die untere Luft nach oben,
diese obere Luft reißet aber auch die untere zugleich
mit sich; da aber erstens die Luft aus dem Orte, wo
sie erwärmt werden weichen muß, ehe ein Wind zu
spühren, so muß auch daselbst wo die Luft aus ihrer
Stelle weicht, der Wind am ersten bemerkt werden.
Wenn aber der Ostwind, so wie der Nordwind die
obere Luft nach unten bringt, so muß an der Stelle
der Wind am ersten zu merken seyn, wo die obere
Luft in die Stelle der untern treibt; das ist wieder-
um an dem Orte wohin er wehet. Es ist aber beson-
/ ders
/|P_289
/ders anzumerken, daß beym Westwinde die Fahnen
knarren, welches den Landleuten eine gewißere
Nachricht von der Veränderung des Gewitters ge-
ben kann, als das Krähen der Hähne, weil letztere
auch aus andern Ursachen einstimmig zu krähen
angetrieben werden. Man siehet auch die Wolken
von Westen eher kommen, ehe noch der Wind an-
fängt, der Ostwind aber ist weit eher zu hören
ehe eine Wolke in der Gegend gesehen werden
kann. Die Fahne knarret nicht eher als wenn
sie hin %und zurük bewegt wird, dahero muß der
Westwind in Zwischenräumen auf dieselbe
«S»stoßen, welches auch gar leicht einzusehen ist,
indem der Westwind die untere Luft herauf
bringt, welche denn von oben wiederum die un-
tere aus der Stelle bringt %und gleichsam Wellen
schlägt. Es hat also dieser Westwind mit den
Brandungen eine Aehnlichkeit %und ist kein Wunder,
wenn er stoßweise wehet, da im Gegentheil der
Ostwind die untere Luft gleichförmig bewegt
%und also auch einförmig wehen kann. Der Passat-
/ wind
/|P_290
/wind ist unter dem aequatore perpendiculair gantz
östlich, nach dem nordlichen Haemisphaerio zu nordost-
lich, nach dem südlichen aber südostlich. Endlich ist noch
zu merken, daß außer doch nahe an den Wendzirkeln
ein westlicher passatWind wehet, der den Spani-
ern auf ihrer Reise aus Aqmapulco nach den phi-
lippinischen Inseln sehr vortheilhaft ist, indem sie be-
ständig mit einem günstigen Winde segeln können.
/ ≥ §. 61. ≤
/Eine Windstille entstehet wohl aus negativen Ur-
sachen, wenn nemlich kein Wind ist, allein in eini-
gen Gegenden muß es auch wohl aus positiven ge-
schehen. In dem Mare di Sargasso, wo das häufige
Seekraut zu finden ist, befindet sich in einer
Strekke öfters von 150 Meilen eine gäntzliche Wind-
stille vermuthlich deswegen, weil von dem Orte
die Luft nach allen Gegenden sich ausbreitet. Wenn
aber ein Wind durch diese Oerter streicht (nemlich ein
Ostwind nach den europaeischen Küsten, weil die Luft
auf dem Lande mehr verdünnet wird als die Seeluft
%und denn der westliche Passat_Wind); so fällt ein sol-
cher Regen, nicht in Tropfen, sondern als ein großer
/ Teich
/|P_291
/Teich, daß die Matrosen glauben von dem Regen al-
lein ersäuft zu werden. Es läuft auch in diesen Ge-
genden der Wind beständig um den Compass, das
ist, er geht aus einer Gegend in die andere über
%und überhaupt hat hier der Wind eine solche Bewe-
gung wie das auf dem Meer sosehr verbreitete
Seekraut.
/ ≥ §. 62. ≤
/Der geschwindeste Wind ist der, welcher in ei-
ner Sekunde 24 Fuß läuft, %und dann ist er schon
ein Sturm, allein ein englisches Rennpferd läuft
60 Fuß in einer Sekunde, folglich ist der Lauf der
Winde noch sehr langsam.
/Stürme sind da, wo hohe Vorgebürge, Landspitzen
%und große Inseln seyn, weil an diesen die Luft
sehr repercutirt wird. Die Oerter welche von
den Stürmen sehr berühmt geworden sind das
Capohorn, das Capo bonae spei, die antillischen
Inseln, das Chinesische Meer. Der Orcan ist ein
besonderer Wind, der in den antillischen Inseln herr-
schet, ehe er anfängt zu wüten, siehet man Wol-
ken aufsteigen, in Kreisen herumgetrieben
/ werden
/|P_292
/werden %und allerhand Farben bekommen, dahero ist
der Wind, welchen wir Orcan nennen, von jenen
gantz unterschieden. Ueber dem Tafelberge, welcher
oben gantz platt wie eine Tafel aussiehet, herschet
ein Wind, welcher das Ochsenauge genannt wird, von
den Wolken, welcher «ih» über ihm gantz klein im Anfan-
ge aus sehen, hernach immer größer werden, hier
scheint der Wind von unten nach oben zu drukken.
/ ≥ §. 63. ≤
/Was den Regen %und andere Witterungen anbetrift,
so ist zu merken, daß es einige Länder gebe, in
welchen es gar nicht, andere aber, in welchen es
fast beständig regnet; von der ersten Art ist E-
gypten, in deßen untern Theil oder in Unteregyp-
ten dennoch im Herbst zuweilen, in deßen obern
Theil aber (welches zwischen zwoen Wüsten liegt)
niemalen einiger Regen fällt, doch wird dieses
Land durch die Ueberschwemmung des Nils (wo-
zu noch die Kunst durch allerhand Machinen, Schöpf-
werken, die aber schon schlechter, als zu den altern
Zeiten geworden, das ihrige mit beyträgt) be-
wäßert, indem er von weit entlegenen Ländern
%und denen darin befindlichen Bergen durch Schmeltzen
/ des
/|P_293
/des Schnees Zuwachs erhält. Ferner gehören die Kü-
sten von Peru und Chili hieher, in welchen es we-
gen den daselbst beständig herschenden Südwinde,
die die Eigenschaften unseres Nordwindes im süd-
lichen Haemisphaerio haben, mithin trokkene %und rau-
he Luft machen, beständig heitere Witterung
ist, %und überhaupt ist zu merken, daß wo Sandwü-
sten sind, gar nicht oder sehr wenig, wo aber große
Berge, die dazu noch waldigt sind, viele Wälder
%und Morräste angetroffen werden, es sehr viel reg-
net. Das Cordilerische Gebürge, welches fast das läng-
ste auf der gantzen Erde ist %und vom Missurischen an-
fängt, hat sehr vielen Regen auszustehen %und wenn
so wohl hier als überhaupt unter der Zona torrida
regnet, so sind die Regen daselbst beständigen Wol-
kenbrüchen gleich, dergestallt, daß die Matrosen
die zum erstenmale hinkommen auf dem Verdekke
zu versaufen vermeynen, weil das Waßer nicht
Zeit abzulaufen bekömmt. In einigen Gegen-
den, wo diese Berge gelegen, sind unter zwölf
Monathen kaum zwey, wo trokkene Witterung
ist, dahero daselbst auch sehr reißende Ströme an-
getroffen werden. Castilien war vorhero auch
/ unter
/|P_294
/unter diejenigen Länder zu zehlen, worinnen es
beständig regnet, nachdem aber daßelbe von den
sehr vielen Wäldern gereiniget worden, so ist da-
selbst die Witterung gelinder geworden. Sonsten ist
noch eine Art von Regen anzumerken, die zur ge-
wißen Jahreszeit in Guinea fällt, %und vor welcher
die Indianer als vor Feuer fliehen, weil er die
Haut sehr beschädigt. Es werden von ihm die Früch-
te %und Gewächse verzehret, dahero zu vermuthen,
daß er sehr viele Würmer bey sich führen muß.
Wenn wir untersuchen, warum der Sand die Eigen-
schaft habe, daß es über demselben fast gar nicht,
%und Bäume, Berge %und Morräste, daß es über ihnen
so öfters regnet; so müßen wir merken, daß die
Luft sowohl als die Wolken eine Electricitaet haben,
durch welche die Dünste in den letzteren abgehalten
werden, daß sie nicht zusammen laufen %und daß wenn
diese ihnen benommen wird, die Wolken stehen blei-
ben, die Dünste zusammenfließen %und der Regen ent-
stehet, daß die Electricitaet zwiefach sey, eine wel-
che die glasartige Körper und das Glaß, eine ande-
re aber die das Hartz (welches zweyerley das Baum-
hartz (resina) %und Erdhartz (bitumen) von welchem letz-
/ tern
/|P_295
/tern der Berstein vermuthlich eine Gattung ist)
hat, welche beyde Electricitaeten einander hinder-
lich %und im Wege sind. Wenn es nun gewiß ist, daß
der Sand aus glasartigen Partikkelchens beste-
he, %und die Wolken eine glasartige Electricitaet
haben; so wird hiedurch die Electricitaet der Luft
%und der Wolken vermehrt, %und können letztere al-
so nicht über den Sandwüsten stehen bleiben und
zusammenfließen, da aber auch die Berge und
Bäume, letztere durch die Ausbreitung ihrer Zwei-
ge %und Wurtzeln unter der Erden einen Conducto-
rem oder Ableiter der Electricitaet, welches sonst
in den Electrischen Experimenten ein meßingener
Drath verrichtet, vorstellen, daneben auch ei-
ne den hartzigten Cörpern eigene Electricitaet
haben, so ist kein Wunder, daß durch Wälder %und Ber-
ge die Electricitaet der Wolken ab, %und durch die
Wurtzeln in die Erde geführet wird. Bey Morrä-
sten ist aber der Erklärungs_Grund nicht so leicht,
weil dieselbe in Ebenen sind; allein wenn man
betrachtet, wie in ihnen beständig Erdhartz an-
getroffen wird, dieses aber eine Electricitaet
/ hat
/|P_296
/hat, welche der Electricitaet der Wolken entge-
gengesetzt ist, %und dieselbe vermindert; so ist auch
einzusehen, warum in diesem Fall die Wolken ü-
ber ihnen stehen bleiben %und zusammen flüßen müs-
sen. Es ist auch nichts natürlichers als dieses, denn
da die Dünste von Kräften die in dem Boden der Er-
den sind aufgehoben werden, so müßen auch Kräf-
te seyn, die ihnen nicht höher zu steigen erlauben
sonsten sie immer weiter in die Höhe gehen möch-
ten. Weil nun die Wolken beständig fortgehen,
so lange der Körper der unter ihnen ist, sie er-
tragen kann, so muß wiederum eine Kraft seyn
welche der Luft ihr Vermögen benimmt, die Wol-
ken zu ertragen, wenn sie stille stehen %und zusam-
men fließen. Dahero es höchst wahrscheinlich ist
daß die Ursache davon in der Beschaffenheit des
Bodens anzutreffen ist.
/ ≥ § 64. ≤
/Zuletzt ist noch die Uebereinstimmung der Witte-
rungen mit den Jahreszeiten %und der Beschaffen-
heit des Bodens zu merken. Im südlichen Haemi-
sphaerio haben sie nemlich Sommer wenn wir
Winter %und Winter wenn wir Sommer haben. Die
/ Einwohner
/|P_297
/Einwohner nahe an der Zona torrida im nordlichen
Haemisphaerio nennen die JahresZeit Sommer,
in welcher bey ihnen trokkene Witterung, %und Win-
ter, wenn die Regenzeit eintrift, welches denn
geschicht, wenn sie im astronomischen Verstande
Sommer haben. Man will bemerkt haben, daß im
südlichen Haemisphaerio unter denselben Graden
der Breite, als im Nordlichen weit kälter sey,
daß auch Küsten die unter der Breite von 54 %Grad 43 %Minuten
wegen strengen Kälte unbewohnbar seyn sollen.
Man schlüßet solches aber daraus, daß das Eis
aus dem südlichen Meere bis dahin getrieben
wird, wo im Nordlichen gar nichts davon zu sehen
ist, allein dieses kommt daher, weil solches von
einem Winde, deßen Richtung gerade zu auf diese
Länder «zu»gehet, getrieben wird, im nordlichen
Haemisphaerio der Wind das Eis in einer andern
Richtung nach der Hudsonsbay zu beweget, %und das-
selbe alle Oerter die in der angezeigten Breite
liegen vorbey geführet wird, dahero da wo das
Eis hinkommt, auch in der nordlichen Halbkugel bey
selbiger Breite eben so kalt ist, als bey Terreneuve,
/ in
/|P_298
/in welcher Gegend die Matrosen Winterkleider
anziehen müßen. Man hat eine sinnreiche Erklä-
rung für dieses Phoenomenon erdacht: die Erde be-
wegt sich in einer Ellypsi um die Sonne %und bleibt
dahero in der nordlichen Hälfte acht Tage länger
als in der südlichen, welche zu dieser Zeit der Sonne
entgegengesetzt ist, folglich habe alle 23 Jahre die
Einwohner der nordlichen Halbkugel einen Sommer
mehr als die südlichen, dahero, wenn dieses auf et-
liche 1.000 Jahre zurükgeführt wird, so hat die
nordliche Halbkugel viele Sommer mehr als die
südliche gehabt, %und ist derowegen auch mehr er-
wärmet worden. Da aber die Reisebeschreibun-
gen auch berichten, daß zur «S»Zeit des Winters un-
ter der Breite, worunter Königsberg liegt, das
Vieh der wilden Einwohner beständig Futter auf
dem Felde findet %und der Schnee sehr früh aufthauet,
so muß es wohl dorten nicht viel kälter als auf
der nordlichen Halbkugel seyn. Endlich ist zu mer-
ken, daß Länder, die gegen Osten liegen allezeit
kälter seyn, als die gegen Westen zu befindlich %und
es findet dieses sowohl in der alten als neuen Welt
statt, auch findet man, daß zu den alten Zeiten die
/ Länder
/|P_299
/Länder andere Witterungen als jetzo gehabt. In
der Provintz Cicalpina, wo jetzo die besten Gegen-
den sind haben die Römer gar nicht vor großer Käl-
te hinkommen können; Ovidius beklaget sich erstlich
über die rauhe Witterung, die am schwartzen Mee-
re herrschet, da doch jetzo eine sehr angenehme Luft
daselbst angetroffen wird; auch ist es kaum glaub-
lich, daß wenn damalen eine solche Kälte in Siberien
gewesen wäre als jetzo ist, solche große Völker,
die große Staaten bezwungen haben, sich haben
«h¿¿» aufhalten «ha» sollen. Hieraus schließet Halley,
daß an den Ekken %und Spitzen des festen Landes der al-
ten (%und hier zwar bey Camschatka) %und neuen Welt
die magnetische Pole nach Osten zu angetroffen
werden, welche in einer Reihe von Jahren ihre La-
ge «von Jahren» verändern %und daher auch die Beschaf-
fenheit der Wärme %und Kälte auf der Erde abän-
dern, die sich nach ihnen beständig richtet.
/Ueberhaupt merke man:
/1) Das südliche Haemisphaerium ist kälter als das
Nordliche
/2) Die Oestlichen Länder sind kälter als die Westli-
chen.
/ 3)
/|P_300
/3) Die neue Welt ist kälter als die Alte.
/4) In der alten Zeit war es in der Welt kälter, als
in der neuen Zeit.
/Alle diese Stükke sind unerklärbar, was das 2te
betrift, so glaubt man, daß es von einem allge-
meinen Ostwinde herrühre. Und von der neuen
Welt ist zu merken, daß die nicht allein deswegen
die neue zu nennen, «¿»später entdekt wur-
de, sondern weil sie würklich neuer ist, als die
alte, zwar nicht später geschaffen, allein später
aus ihr ein Chaos sich ausgebildet hat, welches
auch von von vielen Ländern der alten Welt gilt,
daher sie noch viele Feuchtigkeiten in sich fast, wel-
che diese Kälte produciren, dieses beweist auch
das vierte Stük, in dem diese Theile der Erde, die
wir die alte Welt nennen in der alten Zeit käl-
ter waren als jetzt, indem sie da noch jünger
%und noch nicht so ausgebildet waren. Dieses be-
weisen viele Beobachtungen, die Rhone war zu
Caesars Zeiten so gefroren, daß er darüber mar-
chiren konnte, welches doch jetzo gar nicht geschieht.
In der Schweitz hat man aber bemerkt, daß es
jetzo kälter ist als vorher; dieses scheint dem vo-
/ rigen
/|P_301
/rigen zu wiederstreiten, dieses aber bringt
uns auf folgende Vermuthung: daß viele Länder
die vorhero kalte Witterung hatten, wärmer
werden, %und die warmen Länder kälter werden,
welches der magnetischen Linie die um die Welt
geht aber nicht in gerader Richtung, %und in gewis-
ser Zeit ihren Lauf vollführt, zuzuschreiben
ist; denn in der Hälfte des vorigen Jahrhunderts
waren die Nadeln in Königsberg genau gegen
den Nordpol gerichtet, jetzo sind sie 13 Grad
gegen Westen abgewichen, diese Abweichung
nimmt immer zu, so daß in Berlin 15 %Grad in Paris
20 %Grad, %und weiter fort wieder weniger ab-
nehmen, bis sie noch weiter so gar gegen Osten
abweichen. In Paris hat die Abweichung seit
dem vorigen Jahre angefangen abzuneh-
men; «folch» folglich muß die Witterung in den
Ländern sich auch abändern.
/ ≥ Artic. IV. Von der Geogonie,
oder von der allgemeinen Geschichte der Erde
/ §. 65. ≤
/Wir finden, daß fast alle alte Philosophen be-
/ mühet
/|P_302
/mühet gewesen auf irgend eine Art eine Cosmo-
gonie oder einen Plan von der Entstehungs_Art
«eines»<des> Weltgebäudes zu entdekken, allein es war
dieselbe aus lauter Träumern zusammengesetzt
%und statuirten bald, daß sie durch den Hauch einer
Gottheit, bald durch die Kraft unsichtbarer Gei-
ster, bald <auf> eine andere Art hervorgebracht wä-
re, unter ihnen war Epicurus eintzig %und allein
der dieselbe aus mechanischen Ursache erklärte,
doch ist das eintzige an ihr zu tadeln, daß sie gar
zu sehr dem blinden Ohngefähr %und Schiksal über-
laßen wird.
/Ob wir nun gleich nicht ableugnen wollen, daß
dieselbe Welt durch ein freyhandelndes Wesen
ihr Daseyn erhalten, so ist doch allemal ange-
nehm einen begreiflichen Grund anzugeben
wie sie durch mechanische Ursachen hervorge-
bracht werden können. Hier wollen wir nur die
Erzeugung der Erde insbesondere betrachten,
und, indem wir die Ursachen, die noch jetzo Ver-
änderungen auf derselben hervorbringen, her-
vorgebracht haben, %und ins künftige hervorbrin-
gen werden, betrachten, durch Vergleichung auf
/ diejenige
/|P_303
/diejenige steigen, die vormals gewürkt haben,
%und auf andere die künftig würken werden, oder
auf den Anfang, %und wie Newton gewiesen, daß
alle Materie sich ihrem Untergange nahen, auch
auf das Ende der Erden, %und dieses alles wollen
wir unter dem Nahmen der Geogonie zusammen
begreifen.
/ ≥ §. 66. ≤
/Unter diejenigen Ursachen, die vormals Ver-
änderungen auf der Erde hervorgebracht ha-
ben, noch jetzo hervorbringen, %und künftighin
hervorbringen werden, rechnen wir die Erd-
beben, %und Feuerspeyende Berge, das Meer-
waßer, die Flüße %und stehende Seen, die Winde
%und endlich die Menschen.
/Was die Erdbeben betrift, so bringen diesel-
be noch nahmhafte Würkungen hervor; so w«ü»ur-
de durch ein Erdbeben Port_Roial in Gegenwart
der Schiffe, die damals auf der See waren, in
den Grund versenkt %und äußern sich an den Küsten
am heftigsten, gleichwie die Electricitaet am
schärfsten da gespüret wird, wo der Drath das
/ Waßer
/|P_304
/Waßer berühret. Doch ist wahrscheinlich, daß sie
da jetzo die Erdrinde dikker geworden, nicht so
viele %und große Veränderungen hervorbringen
als vorhero geschehen, daß deren auch immer we-
niger werden, %und endlich gar aufhören möchten.
Daß vorhero weit mehr Erdbeben %und Feuerspey-
ende Berge als jetzo gewesen seyn müßen, be-
weiset sowohl die Lava, die man an Oertern
antrift, wo man niemals Feuerspeyende Ber-
ge wahrgenommen, als auch Berge die aus-
gebrannt %und verstopfet seyn, %und worinnen
noch der vorige Schlund entdekket werden kann,
zE. in Languedoc, wo deren sehr viele sind.
Es ist auch sehr zu glauben, daß da die Rinde der
Erde noch flüßig gewesen, die Berge Waßer
gespien. Noch mehrere Veränderungen macht
das Meer. Bey dieser Gelegenheit sind die ver-
schiedenen Hypothesen %und Meynungen, die man
davon gehabt zu merken. Es giebt 3erley Mey-
nungen von den Veränderungen des Meeres.
/1) Ein Theil behauptet, das Meer ziehe sich zurück
%und das Land nehme zu, bis das Meer endlich das Land
gäntzlich verlaßen wird, indem es vorhero das
/ gantze
/|P_305
/gantze Land soll bedekt haben, welche Mey-
nung sie aus vielen Beobachtungen zu bewei-
sen glauben, die hier in Cursu angeführt sind.
/2) Ein anderer Theil behauptet das Gegentheil
nemlich daß das Waßer steige.
/3) Ein dritter Theil behauptet, daß es theils stei-
ge theils falle.
/Der Professor Celsus [[Celsius]] in Schweden, der sich dadurch
berühmt gemacht, daß er bei der Meßung der
Erde dem Maupertius [[Maupertuis]] behülflich gewesen
wurde durch folgende Gründe bewogen zu «glau-
ben» behaupten, daß die Erde vormals gantz
mit Waßer bedekket gewesen, daß sich das Was-
ser aber beständig %und alle Jahrhunderte ohn-
gefehr 9 Fuß niedersenke, %und endlich gantz und
gar verschwinden werde, wodurch denn das
Pflantzen %und Thierreich %und zuletzt auch das Mensch-
liche Geschlecht vergehen werde; 30 Meilen
ohngefehr von Stokholm giebts eine Art Fel-
sen, worauf die Seehunde nisten %und welche da-
her auch Seehundstein gen«n»ennet werden. Weil
nun von den Seehunden sowohl guter Thran ge-
/ brannt
/|P_306
/brannt wird als auch das Fell zu nutzen ist, so
sind sie des wegen vortheilhaft, weil den Seehun-
den auf diesen Felsen sehr gut beizukommen ist
%und sind auch vom Magistratu in Besitz genommen
welcher sie deshalben jährlich verpachtet. Weil
nun die Pacht zu oder abnimmt, nachdem man
viele Seehunde fängt oder nicht (dieses aber ge-
schiehet, wenn eben die Felsen zu hoch über dem
Waßer stehen, daß sie nicht daran kommen kön-
nen, oder ein Felsen hinter dem andern ist) so
hat der Magistrat dieser Stadt vor langen Zei-
ten ein Verzeichniß geführet, wie hoch jedes Jahr
das Waßer an den Felsen gestanden, %und Celsus [[Celsius]]
fand in ihnen, daß es immer niedriger gewor-
den. Nochmehr beweiset er dieses durch die Stran-
derükken, welches schrege Stükke landes seyn,
die vom Waßer angespühlet worden, deren
er 70 über einander auf der Insel Gothland gezeh-
let. Hiewieder setzte sich ein Bischof in Abo [[Browallius]]
%und zeigte solches erstlich aus den Fichten die nicht an
dem Meere standen %und aus deren Wurtzeln man
auf ein Aelter von etlichen hundert Jahren
/ schließen
/|P_307
/schließen muß. Man kann nemlich aus der Zahl
der Sproßen, die die Wurtzel hat, auf die Zahl
der Jahre, die ein Baum gestanden, %und aus ihrer
Dikke oder Dünne auf die Witterung deßelben,
ob es naß oder trokken gewesen, schließen,
%und man kann wenn man erstlich die Sproße
vom ersten Jahr erkannt hat, einen alten
Calender verfertigen. Wenn das Meer alle
Jahrhunderte um 9 Fuß abgenommen hätte,
so müßten sie im Waßer gewachsen seyn.
Eben so ist ein Schloß, welches vor 600 Jahren
erbauet worden %und dicht am Meere stehet,
dieses müßte folglich damals im Waßer ge-
bauet seyn. Es würden «auch alle Zeit» in der
Zeit alle Hafen, die zu den alten Zeiten wa-
ren verschwunden seyn, von denen man aber
dennoch rudera zE. von Tyrus %und Sidon antrift.
Zum Beweiß der ersten Meynung gehöret auch,
was Dalin in der Geschichte von Schweden sagt,
daß das Meer vormals über Finnland gegan-
gen ist %und Schweden eine Insel war.
/Prof. Miller [[Müller]] sagt: die Kutschen oder Fahrzeuge
/ liegen
/|P_308
/liegen Meilen weit vom Eismeer, Läger
von Treibholtz liegen weit entfernt vom
Ufer %und weil es noch nicht verfault ist, so muß
das Waßer nicht in sehr langer Zeit abgenom-
men haben.
/Linaeus [[Linné]] ein Natur_Beobachter aber kein nat
Philosoph nahm an, daß die gantze Erde mit
Waßer bedekt war, %und zuerst, wie es abnahm,
eine Insel unter dem aequator hervorkam
auf die er alle Thiere %und Menschen setzte, in-
dem alle Climata auf dieser Insel nach Ver-
schiedenheit der Höhe seyn konnten, so daß
unten ein heißes %und oben ein kaltes Clima
war, %und folglich alle producte seyn konnten
bis sich das Waßer allmählig abzog %und die
producte zerstreut wurden. Die Strandrük-
ken, die aus zusammengerollten Seegras
bestehen, laufen an den Küsten längaus fort
%und offenbar sind sie nach %und nach gewachsen
%und zwar mit dem Ruk der See, weil die Rü-
ken von einander zu kennen sind. Alles be-
weist, daß das Meer allmählig abgenommen
/ habe
/|P_309
/habe. Hingegen zeigte der Bruval [[Browallius]], wie die-
ses zu erklären %und wiederlegt einiges von
dieser Meynung. Ein gewißer Italiener Man-
fredi behauptet sogar, daß das Waßer beständig
steige %und mit der Zeit die gantze Erde bedekken
werde, und zwar daher: Es ist nemlich auf Untie-
fen gelegen, ist ohngefehr auf 72 Inseln er-
bauet %und durch lauter Canäle durchschnitten, da-
hero man daselbst statt in Kutschen auf Glondeln
fährt. Auf dem Sankt_Markus_Platze wäre eine
«Treppe» marmorne Treppe befindlich, welcher
man sich zum Einsteigen in die Glondeln bedie-
net, diese wird zur Zeit der Fluth unbrauch-
bar, indem sie gantz mit Waßer bedekt ist, der
Baumeister muß sie aber damals auf alle Fälle
gut eingerichtet haben, folglich muß damals die
Fluth nicht so «g»hoch gestiegen seyn. In Holland
steigt das Waßer eben so wie in Venedig. Die
Beweise der zweyten Meynung sind von mor-
rästigen Ländern hergenommen, welches auch
die Erklärung seyn kann. Andere behaupten
/ endlich
/|P_310
/endlich, daß das Waßer bald steige bald falle, %und dieses
beweisen sie sowohl aus den verschiedenen Schichten,
davon einige der Erde angemeßen sind, aber an-
dere von dem Waßer hervorgebracht seyn müßen,
welches aber wechselsweise über einander lie-
gen, als auch aus einer Säule, die in dem Vorho-
fe eines alten Tempels, welcher dem Bachus gewid-
met seyn soll, %und welcher deicht am Meere stehet,
diese ist von einem festen «e»Egiptischen rothen Stein
Argit aufgebauet, %und ist sehr von den Muscheln
durchschnitten, welche man auch häufig in ihr
antrift; diese muß anfänglich auf dem Lande er-
bauet seyn, denn vom Waßer überschwemmet
worden, damit sie von den Muscheln zerschnit-
ten werden können, als welches eine geraume
Zeit wegen der Härte des Steins erfordert, %und
denn jetzo wieder hervorgekommen seyn, da
sie sieben Fuß hoch über dem Waßer stehet. Wie-
der alle diese angezeigte Phaenomena laßen sich
viele Schwierigkeiten hervorbringen: man be-
hauptet nemlich, daß die gemeldete Seehundstei-
ne nicht die Spitze continuirlicher Felsen sondern
/ lokkere
/|P_311
/lokkere %und über einander geworfene Steine
seyn, wenn nun das Waßer den Schlamm, den es
mit sich führet unter den Stein hinspühlet, so
bleibt dieser liegen %und werden dadurch, indem ihr
Boden erhoben wird, auch höher. Man darf auch
nicht hiewieder die verschiedenen Landstädte
anführen, die vorhero Seestädte gewesen zE.
Ravenna: denn es ist augenscheinlich, daß diese
Seen versandet worden, welches aber kein
allgemeiner Umstand ist. Hingegen finden
wir die mehresten Gegenden eben so beschaf-
fen, wie sie vor alten Zeiten waren. Brundi-
sium ist noch ein eben so guter Ort zum Einstei-
gen, wenn man nach Griechenland fahren will,
%und der Berg Ida liefert uns eben dieselbe
Aussicht als zu den «z»Zeiten Homers. Was die Phä-
nomena von Venedig %und Holland betrift aus denen
man behaupten will, daß das Waßer steige, so
muß folgen, daß das Waßer zu allen Küsten gleich
hoch steige, weil es Zusammenhang mit dem O-
cean hat, folglich ist da keine partiale sondern
/ totale
/|P_312
/totale Steigung. Allein wenn ich annehme, daß
das Land sinkt, so kanns nur von einigen Ländern
%und nicht von allen gelten, also können sumpfig-
te Länder sinken, folglich ist hier nur eine par-
ticulaire Sinkung. Was demnach das Steigen das
Steigen des Adriatischen Meeres betrift, so kann
es immer geschehen seyn, daß die Inseln, wor-
auf Venedig stehet, da sie von Schlamm zusam-
mengeworfen, sich gesetzt, %und mithin die Häu-
ser gesunken sind, welches in ihnen keines Weges
Ritzen oder Spalten macht, wenn sie gleichförmig
%und ein gantzer Strich Landes mit ihnen sinket. Maas-
sen wenn dieses wäre, so würden nach %und nach da,
wo das feste Land ist, Stükke abgerißen %und Inseln
geworden seyn, welches man aber nicht findet,
indem die alte Geographie mit der neuen genau
übereinstimmt. Doch könnte dieses noch ihre Mey-
nung wahrscheinlich machen, daß in Ländern, die
durch ein Meer abgesondert seyn, die Thiere gantz
einander ähnlich sind, wie in Nord_Amerika und
Lappland; Holland kann gleichfals nicht als ein
allgemeines Beyspiel angeführet werden, in-
/ dem
/|P_313
/dem es aus Schlamm angespühlet worden,
%und jetzo, da es durch Menschliche Kunst von dem
vielen Waßer gereiniget wird, niedriger
werden muß. Sonsten ist noch merkwürdig, daß
viele neue Erdschichten entstehen, wenn Wälder
umgeworfen werden %und diese nicht wegen ih-
rer Aeste das Waßer durchlaßen, entstehen Mor-
räste. p Man kann aus den Bäumen stark auf
den Boden schließen, worauf sie wachsen, sinds
nemlich Eichen, so ists ein guter thonigter, sinds
aber Fichten, so ists ein sandigter Boden, man kann
dieses sogar aus den Steinen thun, indem große
Steine niemals im Sande, sondern in einer guten
Thonerde angetroffen werden, da es doch scheinen
sollte, daß der Sand nichts anders als zermalme-
te Steine wären. Man weiß nemlich, daß vor-
mals zu der Kirche in Rom, Maria Rotonda,
welches vorhero Pantheon hieß %und worinnen
keine Fenstern sind, sondern das Licht durch eine
Oefnung, welche ohngefehr drey Ruthen im Dia-
meter hat, hineingeleitet wird (wenn es nicht
/ stark
/|P_314
/stark regnet, so werden die Tropfen ehe sie her-
unter kommen in warme Dünste verwandelt) vier
Stuffen hinauf zu steigen waren, jetzo aber muß
man eben so viele hinuntersteigen, viele Stein-
pflaster zE. in Rom %und andern Oertern sind mit Er-
de bedekt. Was die Häuser anlangt; so ists unwahr-
scheinlich, daß sie gesunken seyn sollen, maaßen
sie als denn viele Ritzen bekommen hätten und
umgestürtzet wären; folglich muß eine neue
Erde dazu gekommen seyn, welches aber der
Meynung derjenigen, welche glauben, daß die Dam-
erde durch das Wegführen <des Getreides> verringert wird, ent-
gegen ist, die aber auch selbst unwahrscheinlich ist,
indem es eher seyn kann, daß die Regenpartik-
kelchens so viel Erde bey sich haben, daß sie in den
Zustand der Festigkeit übergehen und die Substantz
der Gewächse ausmachen können, maaßen sonsten
die Erde die Bäume würde ausgezehret haben
%und die Wäl«t»der wie im Keßel stehen möchten. Doch
macht das Waßer einige Veränderung in der
Figur der Erde %und der Länder, wiewohl sehr we-
nig. Die Via appia die von Rom nach Capua gieng
/ war
/|P_315
/war um der Gleichheit willen durch Felsen durch-
gehauen, in welche man %nur zur Seiten Inscri-
ptiones von den Bürgermeistern ließt, unter
welchen dieselbe angeleget worden, jetzo a-
ber ist der Weg voller kleiner Hügel, eben
so ist es mit der Via Flaminia beschaffen, da-
hero man schließen kann, daß in Italien die U-
fer höher, das mittlere Land aber niedriger ge-
worden. Man könnte muthmaaßen, daß die Er-
de nach einer langen Reihe von Jahren müste
allmählig ebener werden, indem der Regen die
Höhen herabspühlt; ja selbst ist zu glauben, daß
der Stein durch die Länge der Zeit verwittern
muß %und man glaubt, daß die Sandwüsten von
verwitterten Steinen sind. Was den Regen
eigentlich anbetrift, so bringt derselbe
keine Veränderung, welches würklich wunder-
bar ist, indem derselbe so oft %und öfters sehr lan-
ge anhält. Die Flüße %und Ströme machen öf-
ters viele Veränderungen, sie setzen vielen
Schlamm an %und vermehren die Länder dadurch, da-
/ hero
/|P_316
/hero man sicher schließen kann, daß wenn beym
Ausfluße des Stroms ein ausspringender Winkel
des Waßers ist, das Land muste angesetzt seyn,
weil sonsten der Ausfluß mit dem Meere, wo-
hin er fließt, eine Buchte Landes macht, weil
er den Schlamm an den niedrigen Orten ansetzt,
den er von den höhern weggespühlt hat. Sie brin-
gen aber jetzo vermuthlich weniger Waßer jährlich
in das Meer als zu alten Zeiten, wenn sie gleich
dieselbe Breite %und Tiefe haben. Denn wenn das
Waßer stille stehet, so dunstet es aus, wenn es
aber einen Abfluß %und Gefälle hat, fließt es her-
unter %und machet einen Fluß, jemehr Gefälle er
hat, je mehr bringt er Waßer in die Meere, vor-
mals fiel er perpendiculair herunter, jetzo hat
er sein Bette ausgewaschen, da er überdem nicht
allein aus dem obern Waßer entstehet, sondern
auch von den verborgenen Quell_Adern Zufluß
erhält, so wird das Waßer in diesen Quella-
dern mit der Länge der Zeit Stükke Landes
abgespühlet %und also die Höhe der Berge selbst
vermindert haben, folglich hat er ein kleineres
/ Gefälle
/|P_317
/Gefälle erhalten, fließt langsamer ins Meer
%und führt also auch weniger Waßer bei sich. Flüs-
se %und Bäche haben ihren alten Lauf obgleich Canä-
le verfallen. Alle natürliche Ströme haben
Schlängelungen, %und so werden sie immer fortdau-
ern, denn bey jeder Schlängelung ist ein Aus-
sprung %und Einbucht; der eingehende Winkel ist
steil %und der angehende ist flach, vom Steilen spühlt
das Waßer den Sand ab %und schlägt ihn an den fla-
chen an. Der gröste Zug des Waßers ist immer
am steilen Ufer. Ein solcher Strom kann nicht
vergehn, %und die Menschen sollten im Graben der
Canäle die Natur nachahmen, so würden sie
dauerhafter seyn; denn wenn er gerade ist, so
kann er nirgends den Schlamm laßen %und muß sich
versenken. Ueberhaupt ist zu merken, daß ein
Fluß oder Strom die Länder so lange nur über-
schwemmet, bis der Schlamm de«m»n er zu beyden Sei-
ten abwirft eine genugsame Höhe erhalten hat,
ihn in sich zu faßen; es wird also auch der Nilus
mit der Zeit aufhören Egypten zu überschwem-
men, wenn der Schlamm so hoch aufgeworfen,
/ daß
/|P_318
/daß er ruhig darinnen fließen kann. Mann kann
auch sicher schließen, daß die Wiesen, welche hin
%und wieder an den Flüßen sich befinden, von sei-
nem ausgeworfenen Schlamm entstanden seyn
%und wenn man etwas gehet ist man im Stande
seine vorigen Ufer ausfindig zu machen. Der
Wind bringt sonsten keine beträchtliche Verände-
rungen hervor, als daß er den fliegenden Sand
mit sich forttreibt %und Länder versandet, so ist
vermuthlich gantz Egypten fruchtbares Land
gewesen, jetzo aber von den Winden mit lau-
ter Sand bedekket, doch liegt öfters auch die
Schuld an den Menschen, daß sie die Bäume, die
den Sand sonsten aufhalten, weghauen. End-
lich bestehet der Fleiß der Menschen in Ansehung
der Hervorbringung der Veränderungen auf
der Erde nur darin, daß sie ein eintziges Land
der See durch Aufwerfung verschiedener
Dämme abgewonnen %und die Flüße in Schran-
ken gehalten, danebst aber auch die Luft durch
den Akkerbau %und Wegschaffung der Wälder ge-
sunder gemacht haben.
/Es haben aber die Ströme keines weges eine
/ solche
/|P_319
/solche Veränderung hervorgebracht, als man
gemeiniglich vorgiebt, %und dieser Irthum rüh-
ret daher, daß ein alter autor [[Herodot]] berichtet, wie
von dem Thurm Phar«a»os bis Aegypten so weit ent-
legen wäre, daß ein Schif mit vollen Segeln ei-
nen Tag zu fahren hätte, ehe es bis dahin kä-
me, jetzt aber liegt dieser Leuchthurm bey A-
lexandria, allein man hat jetzo bemerket,
wie vormals des Nilus eigentlicher Nahmen Ae-
gypt«a»os gewesen, %und wo«¿»von hernach das Land
den Nahmen bekommen, wenn nun Alexan-
dria, wo der Thurm Pharos stehet, bis zum
Ausfluße des Nils bey Damiette die gemelde-
te Weite hat, so ist es sehr wahrscheinlich, daß
es auf die Weite des Ausflußes vom Nilstrom
bis zum Pharos gehet. Es ist aus diesem al-
len leicht einzusehen, daß diese erwehnte
Ursachen nicht können im Stande gewesen seyn,
solche Veränderungen, wovon wir im folgen-
den reden wollen, hervorzubringen.
/ §. 67.
/|P_320
/ ≥ §. 67. ≤
/Diejenige Ursachen, die im vorigen § Verän-
derungen auf der Erde hervorgebracht «so» ange-
zeigt sind, sind nicht im Stande solche Verände-
rungen hervorzubringen, von denen man noch
Spuren findet. Man hat Spuren von einer ehe-
maligen allgemeinen Revolution, die die Erde
in der uralten Zeit muß erlitten haben. Denn
es sind erstlich Merkmale von alten Meeren
%und zwar von Weltmeeren %und nicht Seeen, die
da waren wo jetzo Land ist, es ist kein Land so
hoch, wo nicht vorhero das Waßer soll gewesen
seyn. Ferner findet man Spuren vom festen
Lande, daß der Boden der hoch war jetzo tief
ist %und Abdruk von Fischen «wo jetzo» als Ueber-
reste vom Teich wo jetzo Wald ist. Man fin-
det heutiges Tages sehr viele Spuhren von
irgend einer ältern Welt, deren Verände-
rung aber über alle Geschichte hinaus gehet.
In Turaine sowohl als überhaupt in allen
Bergen findet man öfters gantze Muschelbän-
ke, die einige Meilen im Umfange haben, sie
/ werden
/|P_321
/werden in ihren Mutterbo«¿¿»den angetroffen
%und sind gleichsam in Kalk eingegraben. Diese
Muscheln sind alle Kalksteinartig, dahero
Linnaeus glaubet, daß der Kalk, Kreide %und
Marmor von den Trümmern der Muscheln,
die auf dem Lande zurükgeblieben, als das
Meer abgetreten, entstanden, gleichwie
er meynet, daß überhaupt die Erdschichten
von den zerstörten Producten entstanden
seyn, dieweil die Gewächse beständig die
Eigenschaften des Bodens haben zE. die Bäu-
me %und Kräuter sind thonartig %und wachsen
nur auf thon«art»igten Boden, die Fische sind
mehrentheils mergelartig (der Mergel ist
nichts anders als Thonschlamm mit feinen
Sandpartikkelchens vermenget) die Knochen
der Menschen %und Thiere aber kalksteinartig.
Die Krebsschaalen sind nichts anders als ein
Eisenflüßiger Mergel, die rothe Farbe be-
weiset, daß «sie» er eisenhaltig sey. Die Mu-
scheln sind vielerley Art, %und man findet selbi-
ge nicht verworren unter einander sondern
/ nach
/|P_322
/nach der Beschaffenheit ihres Mutterbodens sepa-
rirt. Eben so trift man sie auf der Erde an,
in den Bergen findet man außer den Muscheln
sehr viele versteinerte Sachen, die in folgender
Ordnung zu liegen pflegen
/1) Die Muscheln
/2) Die Fische, welche so lebhaft eingedrukt seyn
daß man so gar die Art der Fische deutlich kennen
kann, doch sind selbige im Steine allemal mit
beyden Seiten auf der einen Seite des Steines
eingepräget
/3) Die Seethiere
/4) Die Bäume %und Höltzer, welche in einem solchen
Schiefer eingedrukt seyn, welcher mit dem Thone
worauf sie wachsen, die größte Aehnlichkeit hat,
%und sich wie dieser brennen läßet. Denn folgen
/5) Die Landthiere, %und endlich
/6) Die Blumen. Doch sind nur Blumen von grober Art
%und nicht feine, vermuthlich weil sie sich nicht vor der
Fäulniß so lange praeserviren können, bis der
Boden in den Zustand der härte übergieng. Kenn-
zeichen %und Abbildungen von Menschen hat man
noch nicht wahrgenommen, %und wenn Schentzer [[Scheuchzer]]
/ vorgiebt
/|P_323
/vorgiebt einen Abdruk davon gesehn zu haben,
so haben doch die Frantzosen entdekt, daß sie Ge-
stalten von Seethieren seyn. Es müßen also ent-
weder gar keine Menschen bey dieser Verän-
derung umgekommen seyn, oder sie müßen tie-
fer liegen, als man noch bis jetzt im Graben
gekommen ist, weil sie sich sonsten wegen der
Härte ihrer Theile sehr gut würden ausgebil-
det haben. Noch ist merkwürdig, daß bey uns
fast lauter Thiere, die jetzo sich in Südame-
rica %und unter den heißen Erdstrichen befin-
den, angetroffen werden, doch kann man nicht
gewiß der Nachricht glauben, als wenn in der
Zona torrida nur solche Thiere %und Pflantzen an-
getroffen werden, die sich in den Zonis frigidis
aufhalten %und wachsen, alsdenn wäre vormals
ein gantz veränderter Zustand %und der dem je-
tzigen gantz entgegen ist, gewesen, doch kann«-»
man wenigstens hieraus schließen, daß einer-
ley Wärme %und Kälte in allen Gegenden der Er-
de vormals gewesen. Die Regelmäßigkeit %und
Ordnung, in welchen die Producte liegen, schlies-
/ sen
/|P_324
/sen allen Zweifel aus, als ob sie durch eine wilde
Ueberschwemmung so weggetrieben worden, son-
dern es zeiget vielmehr die Menge der Muscheln
an, daß das Waßer sehr lange müße diese Ge-
genden bedekt haben, auch daß die Berge nachge-
hends entstanden seyn müßen, weil sich die pro-
ducte inwendig in ihnen abgebildet. An eini-
gen Orten sind die producte vermischt, allein es
ist gleich aus dem Boden zu sehen, daß die Materien
herunter geschoßen. Bey allem diesem ist auch merk-
würdig, wie die Bäume eine solche Lage in den
Bergen haben, daß es scheinen sollte, als wären
sie von den Meereswellen so umgeworfen wor-
den. Wenn man weiter hinunter in die Erde
gräbt, so findet man unter den Landprodu-
cten wiederum Seeproducten, daß es das An-
sehen haben sollte, als wäre das Waßer wech-
sels weise einige Zeiten auf dem Lande gewe-
sen, einige Zeiten aber nicht. Endlich findet man
sowohl die Muscheln als auch die versteinerte
Land und Seeproducten nicht in den Ganggebür-
/ gen
/|P_325
/gen, auch nicht in den Hauptgebürgen, sondern
in den Flöthsgebürgen, wo die Strata horizon-
tal und parallel heruntergehen.
/ ≥ §. 68. ≤
/Nach einer solchen allgemeinen revolution wie
diese muß gewesen seyn, von der wir die Spu-
ren im vorigen § anzeigten, in welcher Fel-
sen aufgelöst zu seyn scheinen, wird viele hun-
dert Jahren keiner daselbst haben wohnen kön-
nen, von der Sündfluth aber ist es bekannt, daß
sogleich nach ihr, wie sich das Waßer kaum ab-
gezogen, die Länder bewohnt wurden. Es muß
aber diese revolution nicht alle Länder auf
einmal betroffen haben, indem es <ein> Chaos ge-
wesen wäre und eine gantz neue Schöpfung
und Ausbildung hat vorgehen müßen. Die Län-
der haben zwar alle solche revolution erlit-
ten, aber nicht auf einmal, diese revolution
muß vor dem menschlichen Geschlecht vorher-
gegangen seyn, indem man keine Knochen von
Menschen obgleich von Thieren findet. Mit der
/ Offenbarung
/|P_326
/Offenbarung muß man in Ansehung der physicali-
schen Beobachtungen behutsam umgehen, sie soll
nur enthalten die Haushaltung des menschlichen Ge-
schlechts aber nicht «ab» physicalische Beobachtungen,
in Ansehung dieser ist nur darin so gedacht, wie
es den natürlichen Augen vorkommt zE. bey der
Schöpfung ist besonders von der Erde gehandelt, her-
nach Sonne und Mond, als die größten, die uns vorkom-
men besonders genannt %und alle Sterne nur obenhin.
Dahero müßen wir in Ansehung der physicalischen
und astronomischen Beobachtungen der speculation
den Zug laßen, folglich müßen wir dem Alter der
Erde vor dem menschlichen Geschlecht eine ungeheure
Zeit von Jahren zuschreiben, in der sie sich aus ihrem
chaotischen Zustand hat ausbilden können. Briddo [[Brydone]]
brachte aus 6 Schichten von Lava, von deren jede
mit Erde bedekt war, heraus, daß 16.000 Jahr nö-
thig sind solche Schichten von Lava mit Erde zu
bedekken.
/Alles dieses zeiget sattsam, wie eine Ueberschwem-
mung von einer solchen Kürtze, wie die Sündfluth
nach mosaischem Berichte gewesen, dergleichen
große Veränderungen nicht zuwege bringen kön-
/ nen
/|P_327
/nen, sondern daß zE. die Fische und andere produ-
cte in den Zustand der Festigkeit übergehen sollen
erfodert eine längere Zeit. Wir wollen jetzo
ohngefehr erklären, wie die Verschiedenheit
der Zustände der Erde entstehen konnten.
/Da die Flüße und Ströme ihrer Natur nach nicht
anders entstehen können, als wenn sie von höhern
Gegenden in niedrigere fließen %und dadurch ein
Gefälle bekommen; so müßen beyde die Ströme
sowohl als die Berge zu gleicher Zeit doch die Ber-
ge etwas eher als die Ströme entstanden seyn.
Hieraus aber erhellet auch, wie die Ströme
unter dem Waßer sich keine Rinnsohle bilden
können, weil dazu durchaus erfordert wird,
daß sie materien, die sie von obern Gegenden
abgespühlet, in den niedrigern absetzen. Aus
den vorigen Betrachtungen ist bekannt, daß in
den FlöthsGebürgen allein Muscheln %und ver-
steinerte producte befindlich seyn; folglich
müßen die Gang %und Hauptgebürge eher und
auf andere Art entstanden seyn als diese. Wenn
wir nun hiebey erwägen, wie in den «caus» cau-
/ casischen
/|P_328
/casischen Gebürgen nicht allein noch Berge aus der
Erde hervorquellen, welche die dortige Einwoh-
ner die wachsende nennen, sondern auch die Flüs-
se zE. die Rhone durch erstaunende Felsberge
Löcher durchbohret haben; so ersehen wir, daß
sie vorhero flüßig gewesen seyn müßen, maaßen
sie, wenn der Berg zu seiner Festigkeit einmal
übergegangen wäre, sie solches nicht hätten
thun können, sondern einen beständigen Waßer-
fall gemacht hätten, welches aber bey sehr we-
nigen zu sehen ist. Es ist merkwürdig, wie die
feuerspeyende Berge niemals Flöths, sondern
«d»Ganggebürge seyn, %und da der Ausbruch der
Materien da geschiehet, wo sie am wenigsten
Resistentz findet; so ist zu verwundern, wie
die Feuerspeyende Berge diejenigen Oerter
seyn, wo die feurigen Dämpfe aufsteigen, und
daß diese noch dazu den Schlund in ihrer Spitze
und in der Mitte derselben haben, noch mehr
aber, daß vorhero viel häufiger solche Ber-
ge gewesen. Hieraus können wir mit einem
großen Grade der Gewisheit schließen, daß die
Berge selbst und alle Ganggebürge durch das
/ Aufsteigen
/|P_329
/Aufsteigen der Materien aus dem Innern der
Erde entstanden. Weil nemlich an einigen Orten
die noch nicht erhärtete Erdrinde eingesunken,
so wurden die flüßigen Materien des innern Chaos
genöthigt, indem sie von den eingesunkenen Erd-
stükken gedrukt wurden, einen Ausweg zu neh-
men, sie strömten derowegen aus %und weil sie
in einer gewißen Höhe abfließen mußten, so
fiengen sie an zu erhärten %und den Schlamm nie-
derzusetzen, wenn nun an dem einen Orte der
Vorrath der Materien erschöpft war, so erfolg-
ten «einige» bey einigen noch erhitzte Dämpfe, wel-
che die Oefnung erhielten, %und dieses sind die Feuer-
speyende Berge, die jetzo anstatt der flüßigen
feste %und harte Materien auswerfen. Wenn aber
der Erdschlamm %und aufgelösete Erdpartikkelchens
zusammen klebten %und die Oefnung verstopften,
so war dieses der Ursprung der übrigen Berge. Daß
aber die feuerspeyende Berge vormals fließige
Materien ausgeworfen beweiset, daß die Steine,
die in ihm angetroffen werden, wie auch alle an-
dern Materialien keinen Brandgeruch haben. Durch
das Einsinken sehr großer Länder konnte es nicht
/ anders
/|P_330
/anders angehen, als daß erstaunende und weite
Ritzen auf der Oberfläche der Erde wurden, aus
welchen die zusammengedrukte Materien in die Höhe
floßen und dadurch die Bergreihen formirten, wel-
che auch öfters in großen Klumpen zusammen ge-
wesen seyn mögen, welche aber, indem sehr viele
Ströme das Erdreich auswaschten, getrennet, %und
gleichsam wie die Glätscherberge in der Schweitz
entstehen, gethürmt wurde, wenn nun diese
Ritzen um gantze Strekken herumgiengen und
zwar in einem Kreise, so stiegen auch in die
Runde herum Berge hervor, welche die niedri-
ge Gegenden einschloßen und aus ihnen Bas-
s«e»ins formirten, und also zu der jetzigen Ge-
stallt der Erdfläche Gelegenheit gaben. Indem
sich nun der Erdschlamm setzte, so suchten auch ihrer
Seits das Waßer zu sammlen, durchschnitte die
Berge, woraus die jetzigen «Berge» Gänge und
Fissuren der Berge vermuthlich entstanden
und führte vielen Schlamm weg, welchen es in
Anfange wegen seiner rapiditaet zu beyden
Seiten fallen ließ, nachgehends aber den übri-
Gen Schlamm langsam zur Erden warf. Wenn
/ wir
/|P_331
/wi«¿»r untersuchen, welches die letzte und endliche
Quellen aller dieser Veränderungen seyn, so
müßen wir sagen, daß zu der Erzeugung der ge-
genwärtigen Figur der Erde nothwendig sey
da die Materien flüßiger gewesen, %und damit die-
ses geschehen können auch eine innere Wärme
durch welche sie zusammen gehalten worden, ge-
habt haben müßen. Sie fieng endlich an sich von o-
ben zu erhärten, die Ursache kann man nicht so leicht
errathen, %und schloß die Luft %und die fließigen Ma-
terien oder das Waßer in sich, es ist dieses ohnge-
fehr mit einem Brodte zu vergleichen, welches
von oben eine feste kürste hat, inwendig aber lo-
ker ist. Nachdem sich die flüßigen %und festen Theile
separirten nach ihrer specifischen Schwere, so
sammlete sich die Luft, %und weil sie am wenigsten
schwer ist, so machte sie einen Durchbruch durch die
Erdrinde %und formirte die Admosphaere, weil nun
die erhärtete Erdkürste ihrer Stütze %und Unterla-
ge der Luftpartikkelchens beraubt war, so fieng
sie an einigen Orten zu sinken, wodurch denn eini-
ge Gegenden höher in Ansehung dieser wurden,
/ welche
/|P_332
/welche gleichsam Bassins vorstelleten, in welche
sich das Waßer von den höhern Gegenden %und Lan-
desrükken in diese eingesunkene und concav ge-
machte Länder ergoß, %und auf eine solche Art
war der heutige Ocean in sehr viele kleine Bas-
sins vertheilt. Es wurden auch durch dieses Ein-
sinken der Erdstrichen sehr viele Ritzen und Spal-
ten, aus welchen die Berge hervorquollen, welche
wiederum andere Basseins formirten, welche an-
einander gräntzten, auch bisweilen Communica-
tion hatten. Indeßen wurden an einigen Oer-
tern, nachdem die Admosphaere einen neuen Zu-
wachs von der untern eingeschloßenen Luft erhal-
ten, auch die in der Mitten gelegenen Landes-
rükken versenkt, wodurch die von dem Lande ein-
geschloßene Theile des jetzigen Oceans mit ein-
ander communication erhielten, auch wurden
durch die häufig entstandenen Ritzen sehr viele
Waßerströme «sich ergoßen» ausgegoßen. Weil
nun diese Veränderungen langsam vorgegan-
gen seyn müßen, so konnten die Landesrükken
beständig bewohnt seyn %und ihre Einwohner be-
ständig retiriren, wenn Verstöhrungen vor-
/ giengen
/|P_333
/giengen, es konnten auch schon damals Gewäch-
se auf ihnen entstehen, welche sich nachge-
hends überall fortpflantzten, wenn gleich das
Einsinken des Bodens eine große Menge von
ihnen in den Abgrund zogen, derowegen fin-
den wir unter den versteinerten Producten
nur solche Thiere, die schwer %und unbehülflich,
nicht aber die leicht %und geschwinde seyn zE.
Elephanten, Büffel p daß sie aber würklich sehr
langsam vor sich gegangen seyn müßen, zeigt,
die langsame Erzeugung des Schiefers, zu wel-
chem alle Jahre nur ein kleiner Zuwachs von
einigen Blätchens kommt. Noch ist aber eine
Schwierigkeit einzusehen, wie die Länder wie-
derum erhoben worden; dieses muß erstens nach
der Zeit des Einsinkens der Erdschichten geschehen
seyn. Die Luftsäule, die den «halben Theil» sieben-
ten Theil des halben Erddiameters nur beträgt ist
so deicht wie Gold, %und muß also mit dieser Größe
ihrer Ausspannungskraft eine große Gewalt
auf dem Erdboden ausüben, %und folglich konnte die in
kleine Blätchens eingeschloßene«ne» %und zusammen-
gedrukte Luft, eine sehr große Gewalt auf diese
/ Oberfl.
/|P_334
/Oberfläche der Erde ausüben, %und weil diese ihr nun-
mehro wegen ihrer erhaltenen Dikke den Durchgang
versagte, so blähete sie die Oberfläche der «auf» Er-
de auf, nach welcher sie nun Convexitaet erhielt
%und die umliegenden Oerter niedriger wurden, wo-
durch sich auch ferner das Waßer von ihnen verzog
%und in niedrigere Oerter sinkte %und endlich den gros-
sen Ocean formirte. Es ist sehr wahrscheinlich, daß
wenn die Erde in ihrem inwendigen fest %und in einer
ruhigen Lage seyn wird, die Dünste, welche zum
Wachsthum der Gewächse so vieles beytragen, nicht
mehr in die höhe steigen, die Winde aufhören %und die
Lufttheile keinen Zuwachs mehr erhalten, mithin
die Pflantzen und thierischen producte vergehen
werden, gleichwie ein Mensch, wenn sich seine Thei-
le verstopfen, nach dem er per irtus susceptionen
nach der Sprache der Frantzosen viele fremde Thei-
le bekommen, seinem Untergange nahet, oder
ein Baum, wenn sich in seiner Mitte Holtzpartik-
kelchens häufen, zu ersterben anfängt. Mithin
ist zu glauben, daß noch jetzo Veränderungen mit
dem Einsinken %und Aufblähen der Länder wiewohl
nicht so häufig vorgehen, wie solches die Erdbeben
/ und
/|P_335
/und die Veränderung der Pole des Magneten zeigen.
Es ist aber dieses nur alsdenn zu merken, wenn
entweder das Meer bey einem gleichen Stande
des festen Landes sinkt, oder bey einem festen
Stande des Meeres das Land steigt, mit nichten a-
ber alsdenn, wenn beides zusammen gleichför-
mig sinkt oder steigt. Dieses ist eine hypotheti-
sche Meynung von dem Ursprunge der Erden, und
verdienet wegen ihrer Wichtigkeit Aufmerksam-
keit %und Untersuchung.
/Annot. Aus diesem ist zu schlüßen, daß der Erdkör-
per jetzo ein weit kleines volumen als vorhero
ausgemacht, ob er gleich noch eben dieselbe Ma-
terien in sich faßet.
/Erklärung der Veränderung des Erdlagers und
der Gebürge aus dem Chaotischen Zustande der Erde:
Unsere Erde, die aus dem Chaos ein fester Kör-
per wurde, hat sich inwendig noch nicht völlig aus-
gebildet und ist in der Mitte noch ein Chaos. Daß
die Erde ein flüßiger Körper war, beweist New-
ton aus der Figur der Erde, die ein jeder flüßiger
Körper annimmt, wenn er sich um seine Axe dreht.
/ Alle
/|P_336
/Alle Materien zeigen an, daß sie vorhero flüßig
waren. Daß in der Mitte noch ein Chaos ist bewei-
set die Veränderung der Witterung, welche von
keiner äußern Ursache herrühren kann, als von
Sonne %und Mond, denn die Veränderungen der äußern
Ursachen sind regelmäßig zE. Ebbe, Fluth, Finsterniße.
Folglich ist unter unsern Füßen die Ursache solcher
Veränderungen. Der erste Zustand der Erde war
also der Chaotische, wo alle Materien aufgelöst
%und in einem Klumpen vermischt waren. «Zus» Zu-
erst sonderte sich die Luft ab %und formirte die Ad-
mosphaere, diese hat mehr Veränderungen erlitten
als das Waßer, zuerst konnte sie nicht so hoch ge-
wesen seyn, weil viel Luft zurük blieb %und da
auch viel Luft von den Geschöpfen verzehret wird,
so muß sie aus dem innwendigen der Erde Zuwachs
bekommen. Weil aber die Erde als ein flüßiger
Körper zuerst auf der Kruste fest wurde %und das
Chaos in sich schloß, so muß die Luft aus dem Inn-
wendigen der Erde durch viele Meilen der Oberkruste
durchdringen %und dadurch die Erde erschüttern. Da nun
die Erde immer fester wurde, indem soviel ela-
stische Dünste aufstiegen, so mußte die Oberfläche der
/ Erde
/|P_337
/Erde die vorher eben war kleiner werden und
zusammenschrumpfen, folglich entstanden Erhö-
hungen und Vertiefungen. Nach dem Aufsteigen
der Luft stieg das Waßer auf, weil aber das Was-
ser jederZeit Schlamm mit sich führt, so setzte es
den Schlamm am Ausbruch immer an, wo aber
der Schlund immer offen bleibt, zuletzt wird ein
hoher Berg daraus; wenn der Berg nicht mehr wächst
und der Schlund ist noch offen, so steigen die feuri-
gen Dünste auf und das ist die Entstehung der Feu-
erspeyenden Berge; da nun feurige Dünste her-
auskommen und nicht wäßrige, so zeigt das an,
daß die Erde fester geworden ist. Die Feuerspey-
enden Berge müßen <also> Waßer gespien haben. Der-
gleichen wachsende und Waßerspeyende Berge
hat Leerk [[???]] im Caucasus gefunden. Wenn nun aber
nichts mehr aus dem Berge herauskommt, so ver-
wächst der Schlund und es wird ein fester Berg.
Wenn nun ein Land sinkt, so spritzt das Waßer
zur Seiten heraus %und formirt Gebürge %und in der
Mitte Bassins. Dieses beweisen alle HalbInsel
die andere gegen über haben, so als wenn sie
einen Kreis schließen wollten, oder eine Halbinsel,
/ als
/|P_338
/als Italien geht an der Seite des festen Landes und
sucht ein Bassin zu formiren.
/Was die Gebürge anlangt, so hat man [[???]] in der Gegend
von Jena folgendes beobachtet:
/Es ist zuerst ein Gebürge von Sandlager, wenn man
am Fuß des Gebürges durch die Sandschichte durchgräbt,
so kommt man auf die Erdschichte, diese geht unter
dem Sandgebürge und steigt hinter demselben vor
und formirt ein Gebürge; unter der Erdschichte,
wenn man tiefer gräbt, ist eine Schichte von Kalk-
erde, diese geht au«¿»ch hervor %und formirt ein Gebür-
ge, unter der Kalkerde kommt eine Schichte von
Thonschiefer mit Qvartz vermengt, diese Schichten
gehen auch unte«r»n durch %und formiren ein ErtzGe-
bürge, das unterste Gebürge ist das GranitGebür-
ge, welches unter allen Bergen fortgeht %und ist das
Grundlager aller Gebürge %und ist ein Zeichen des festen
Landes welches «ein Zeichen ist» entstanden ist, da
sich die Erde eingesunken hat. Aber auf dem ersten
statumine hat man Spuren der See %und das Gebür-
ge hat alle producte vom Meer; als nun das Meer
ruhig geworden, welches die festgesetzten produ-
cte beweisen, so erzeugte sich ein neues statumen,
/ und
/|P_339
/und ein Gebürge. Daher werden die Gebürge ein-
getheilt in Grundgebürge %und aufgesetzte Gebürge.
Die Grundgebürge sind die Granit_Berge, die un-
ter allen fortgehen und auf das die andern aufge-
setzt sind. Es ist wahrscheinlich, daß unsere Erde auf
diesen Grund oder Granit_Berg aufgesetzt sey, und
wenn wir so tief graben möchten, so würden wir
auf diesen Felsen_Stein kommen. In dem ursprüng-
lichen Berge sind keine Spuren von Waßer als auf
den aufgesetzten Bergen. Die uralte Gebürge theilt
man ein in ein Vorgebürge, Mittel und hohe Ge-
bürge, da sind keine Ueberbleibsel vom Meer.
Die Grundgebürge sind also aus dem Chaos entstan-
den vor aller Bewohnung der Thiere. Man kann
die Gebürge auch noch eintheilen in Stamm_Gebür-
ge und in die durch den Niederschlag entstandene
oder Flöths_Gebürge. Das Vor, Mittel %und hohe Ge-
bürge ist das Haupt oder StammGebürge; alle
Hauptgebürge sind Ganggebürge; alle Gang-
Gebürge sind umgeben von Flöths_Gebürgen, die
aus FlöthsSchichten bestehen, in den FlöthsGebürgen
findet man Ueberreste der alten bewohnten Welt.
Also muß die Gegend um Jena in einer ungeheuren
/ Zeit
/|P_340
/Zeit von einigen 1.000 Jahren viele Veränderungen
erlitten haben, es muß das Waßer mit dem Lande
sehr oft abgewechselt haben.
/Wahrscheinliche Gründe, daß das Land unter Waßer gestanden
/In der größten See im pacifischen Ocean sind Inseln
zE Otaheite, wo %Menschen sind %und man weiß nicht wo sie
da hinkommen, da sie doch von allem Lande weit
entfernet sind; durch Schiffarth sind sie da nicht
hingekommen; denn sie haben keine S«¿»chiffe, %und ha-
ben sie auch niemals gehabt; denn die Schifffarth ver-
geht nicht mehr da wo sie einmal ist. Sind diese
Menschen nicht alle unter einander auf einem
Continent gewesen? welches niedergesunken %und
diese Inseln vom Continent abgeschnitten hat.
Noch mehr, die Leute in <Neu>Seeland haben fast eine
Sprache mit der Insel Otahei«¿»te, da sie doch auf
300 Meilen entfernt sind und eine von der an-
dern nicht wißen, allein die See, die sie trennte
war erst festes Land. In Engelland sind jetzo
keine 4füßige Raubthiere und werden auch jetzo
keine mehr seyn, weil sie ausgerottet sind;
allein wo sind sie zu«r»erst dahin gekommen? Es muß
am Continent zusammen gehangen haben. Ferner
/ das
/|P_341
/das Elendthier ist in Asien %und NordAmerica, der
Biber in Preußen %und Amerika. Also müßen die
Länder Asia %und America ein Continent gewesen
seyn, und sind hernach gesunken und mit See
bedekt.
/ ≥ Art. V. Von der Schiffarth.
/ §. 69. ≤
/Was die Figur des Schiffes anbetrift, so ist daßel-
be hinten breiter als vorne, seiner Breite nach
betrachtet, seiner Länge nach aber ist es oben
breiter und unten bey dem Kiel gantz zugespitzt,
Kiel aber nennen die Schiffer dasjenige Stük Holtz,
welches auf dem Boden des Schifs nach seiner gan-
tzen Länge gelegt ist. Die Ursache von dieser
Figur ist unbekannt, und warum man nicht lieber
eine Figur erwehlet hat, die hinten eben so
als vorne zugespitzt und in der Mitte bauchicht
ist, weil man alsdenn mehr Raum zur Ladung
hätte, allein die Erfahrung lehret, daß die gegen-
wärtige Bauart der Schiffe bequemer %und vortheil-
hafter ist. Die Ursache welche die Schifsbaumeister
/ von
/|P_342
/von dieser angenommenen Bauart angeben
ist diese, weil die Enten und andere Waßerthiere
vorne breit und hinten schmall zugehen. Der
Mast stehet ohngefehr um den 1/16 Theil der Länge
des Schifs mehr nach hinten, damit sich nicht das
Schiff so leicht umdrehen könne. Bey den latro-
nischen %und einigen wenigen andern Inseln hat
man eine Art Fahrzeuge, die nur einen hal-
ben Kahn vorstellen %und auch nur von der ei-
nen Seite einen Krantz, von der andern Seite
aber einen Ausleger, welcher von leichten Bam-
bus_Rohr geflochten %und hinten mit einem Kahn
gleichsam eingefaßt ist, in der Mitte des hal-
ben Kahns hat es den Mastbaum und der Aus-
leger schwimmet auf dem Waßer. Diese Fahr-
zeuge können nicht mit auch nicht gegen den Wind
sondern neben dem Winde fahren, weil sie vor-
ne %und hinten gleich spitzig sind; weil aber der
Wind dorten entweder Nordost oder südwest
ist, so können sie dieselben fast beständig ge-
brauchen, um von der einen Insel auf die ande-
re zu fahren. Wenn der Seitenwind den Ausle-
/ ger
/|P_343
/ger etwas in die Höhe treibt, so treten die
Indianer auf denselben, wodurch das Fahr-
zeug, welches sie prona nennen, wiederum
ins Gleichgewicht kommt. Sonsten sind diese
Fahrzeuge die geschwindesten, die man noch
kennt %und wenigstens dreymal geschwinder als
die hurtigsten und schnellesten von den Unsri-
gen, dahero man auch in Engelland die Probe
gemacht hat sie nachzuahmen.
/ ≥ §. 70. ≤
/Die Größe des Schifs wird durch die Ladung, die
es einnehmen kann %und diese wiederum durch
Lasten bestimmt. Eine Last en«h»thält 20 Tonnen,
eine jede Tonne aber 2.000 %Pfund, dahero die Last
40 Centner austrägt. Von den gewöhnlichsten
die bey uns höchstens bis nach Stokholm fahren
enthalten 40, die Ostindischen Schiffe aber
öfters etliche 100. Vormals enthielten die
portugisischen Cunakken 1.200 Last, welche man
aber jetzo nicht mehr aufweisen kann. Sonsten
wird die Ladung für ein neugebautes Schif
/ so
/|P_344
/so bestimmt, man rechne den inwendigen Raum
des Schiffes und das Gewichte des Waßers welches
darinnen Raum hätte aus, und nehme davon die
Hälfte zu dem Gewichte der Ladung. Allein weil
das Schiff«¿» keine geometrische Figur hat, so kann
die Hälfte des Schifs hiedurch nicht bestimmt wer-
den. Indeße«¿»n ist es dem Schiffer sehr daran ge-
legen, es zu wißen, indem das Schif, wenn es
seinen Schwerpunkt gar zu tief im Boden hat
zu steif ist %und bey dem Schlenkern des Schifs, ent-
weder in großen Winden oder in hohler See leicht
seinen Mast verliert, wenn es aber gar zu hoch
geladen ist, durch eine Kleinigkeit umkippen
kann. Es muß bey einem Schiffe sehr wohl das
centrum magnitudinis vom Centro gravitatis
unterschieden werden, wenn das letztere
wegen Schwere der Ladung zE. der Artillerie
zu tief in dem Schiffe liegt; so kann es auch
nicht «zu» so leicht gedreht werden, gehet es a-
ber wegen Leichtigkeit der Ladung zE. Korn, Flachs
leicht oder sogar über das Centrum magnitudinis
(welches das Centrum ist, welchen der Waßerkörper,
/ der
/|P_345
/der so groß als der eingetauchte Theil des Schifs
ist, hat) gehet, so küpt es um. Dahero macht man,
ehe man ein Schif bauet ein Modell von dem-
selben nach dem verjüngten Maasstabe, bela-
det es nach der gewöhnlichen Tiefe und läßt es auf
einem Eimer voll Waßer schwimmen, wornach
man denn verhältnisweise die Ladung des gros-
sen Schifs bestimmt. Sonst ist zu merken, daß die
Schifbau, so wie die Uhrmacher_kunst, nicht unter
gewiße Regeln gebracht werden kann, sondern
es hier lediglich auf das Glük ankommt, indem
von zwey Schiffen die nach einer Façon erbau-
et seyn, das eine öfters gut, das andere schlecht
gehet.
/ ≥ §. 71. ≤
/Was die Wißenschaft, die ein Schifffahrer haben
muß, anbetrift, so würde dieselbe wenn ihm
nicht viel vorgearbeitet wäre, sehr groß seyn
müßen. Hauptsächlich gehöret dahin den Cours
des Schifs zu bestimmen und das Mannoever des
Schifs vollkommen inne zu haben. zE. Ankerwer-
fen und Aufwinden. Zu dem ersten wird erfor-
/ dert
/|P_346
/dert, daß er die Weltgegenden wiße, welche ihm
aber der Compass, welcher an der Dekke der Cajute
befestigt ist en Balenciers damit er horizontal
bleibe, zeiget, und die Weite nebst der Richtung
seines Weges, welchen er aus den Seecharten ver-
mittelst des abgezeichneten Compasses, welcher
auf derselben mit 32 Strichern die die Welt-
gegenden anzeigen befindlich ist, hernimmt, voll-
kommen inne haben müße; ferner die Länge
seiner Fahrt und die Weite des Weges, de«m»n er
zurükgeleget, determiniren könne, welches
durch die Lochlehne, so ein höltzerner Triangel ist,
an welchem bleyerne Kugeln befestigt %und da-
neben ein Stük von vielen Faden angebunden
ist, geschiehet.
/ ≥ §. 72. ≤
/Endlich gehören zu der Schiffarth auch hauptsächlich
die Erfindung der Länge und Breite des Orts,
wo er sich aufhält. Die letztere kann er aus der
Höhe der Sonne oder eines Sternes vermittelst
des Harmyschen [[Hadley]] Quadrantens, mit welchem er zur
Zeit des Mittages Observationes anstellen und
/ vermitt
/|P_347
/vermittelst derjenigen Zeit, da die Sonne aufhö-
ret merklich zuzunehmen %und anfängt abzuneh-
men, determiniren muß. Die erstere aber ist
deswegen schwer zu finden, weil der Himmel
nicht verändert wird. Die Arten, wodurch sie jetzo
determiniret wird, ist die Vergleichung einer ac-
curaten und sehr genauen Uhr, welche auf dem
Lande, wo man ausgefahren ist, accurat gestel-
let worden, mit derjenigen, welche auf dem Schiffe
unter dem Himmelsstriche, wo sie sich auf der See
befindet gestellet worden, wenn man nehmlich
den Unterschied der Zeit in Bogen des Aequa-
tors verwandelt. Weil diese Umstände aber
nicht allemal möglich seyn, so ist die jetzige
Methode fehlerhaft. Zweytens durch die Bewegung
%und Stellung des Monden, welche in einem Zirkel
verschieden ist, zu deren Erfindung Euler zwar
Gelegenheit gegeben, aber Meyer [[Mayer]] weiter aus-
geführt %und Tabellen verfertigt, wovor seine
Famille nach seinem Tode die Praemie von 3.000
%Pfund Sterling bekommen. So giengs Euler gleichfals,
/ da
/|P_348
/da er die Meynung des Newtons, als wenn keine
dio«¿»ptrische Gläser, die das Ob«¿»ject von den fremden
Strahlen reinigte, möglich«en» wären, bestritte
%und seine Meinung, daß wenn ein Glas in einiger
Entfernung im Telescopio angebracht würde
es das erstere corrigiren möchte, eröfnete, ein
gewißer Dolland [[Dollond]], welcher vorhero den Newton als
seinen Landsmann verteidigte, durch Erfahrun-
gen die er dabey anstellete, des Telescopium selbst
erfand. Die dritte Methode geschiehet durch die
Beobachtung der Verfinsterung in den Jupiter¥
Trabanten, welche aber auf der See wegen be-
ständiger Schaukelung des Schifs nicht zu practi-
siren ist, sonsten aber auf dem Lande sehr ac-
curat die Länge der Oerter liefert. Endlich muß
noch derjenige Wind, welchen die Schiffer denive
nennen, der von der Seite kommt und indem er
die Richtung des Schiffes beständig verrükket
die Fahrt verzögern.
/ ≥ §. 73. ≤
/Endlich muß er auch vorzüglich den Rhonab zu
bestimmen wißen, welches diejenige tour ist,
/ die
/|P_349
/die sein Schif nehmen muß, wenn er nach einem
Orte, welcher außerhalb dem Meridiano des Orts,
von welchem er ausgefahren ist, liegt, hinfährt.
Denn es giebt nur überhaupt zwey Fälle, in wel-
chen er nach einer Gegend und Richtung von dem
Orte von wo er ausfährt bis zu demjenigen, wo-
hin er fähret, reisen kann, nehmlich wenn beyde
Oerter unter dem Aequatore oder unter einem Me-
ridiano liegen, alsdenn kann er im erstern Fall
nach Osten oder Westen, im andern aber nach Nor-
den oder Süden fahren. Wenn aber der Ort außer
gemeldeten Linien liegt; so kann er zwar im
Anfange nach der Gegend wo der Ort zuliegt
fahren, muß aber, weil ein jeder Weg, den man
auf der Erde zurücklegt, ein Bogen ist, dieser
aber aus unendlich kleinen geraden Linien,
die immer eine andere Richtung nehmen, beste-
het, daneben der Strich, welchen er nach einer
Gegend nimmt, als eine gerade Linie consideri-
ret werden kann, seinen Cours beständig und
zwar durch die Schifrose, welches der auf den
Seecharten verzeichneter Compass ist, corrigiren.
Dieses betrift seine mathematische Wißenschaft.
/ §. 74.
/|P_350
/ ≥ §. 74. ≤
/Ein Seefahrer muß daneben auch einige phy-
sische Wißenschaft haben, %und zwar sowohl in An-
sehung seines Schiffes als auch der Gegend in wel-
che er fähret. Was das erste anbetrift, so muß
er davor sorgen, daß es aus gutem Holtz %und Ma-
terialien bestehe, ferner muß er es aber auch
mit guten Victualien, soviel als er zu der Län-
ge seiner Reise zu consumiren gedenkt, verse-
hen. Weil aber die Seeluft dem Menschen sehr schäd-
lich ist und den Schaa«b»rbok verursacht, indem sie
nicht die Ausdünstungen, als das Land (zE. den Thau
welches ein rechtes Gemengsel von allen beson-
ders aber öhlichten Theilen, die aus den Pflanzen
ausduften, und woher auch die Chimici versichern,
daß der Thau etwas honigartiges bey sich führe)
überkommt, so muß er auch darauf bedachtseyn,
daß er gesunde Speisen besorge, %und dazu ist be-
sonders das Sauerkraut dienlich, vermuthlich des-
wegen, weil die Fäulniß etwas alcalisches bey
sich führet, die Säure aber dem Alcali hinderlich
ist %und mithin den Menschen vor der Fäulniß prae-
/ serviret
/|P_351
/serviret. Es giebt auch eine Art von faulen
Fiebern, welche von andern darin unterschie-
den sind, daß bey den erstern der Puls zwar
schnell aber leise, bey den letztern auch schnell
dabey aber sehr stark schlage, im erstern Fall
ist der Wein sehr dienlich, im andern aber sehr
schädlich, welches Mittel auch in den Pokken zum
Ausschlagen sehr nützliche Dienste thut. Es han-
deln dahero die Medici sehr unrecht, welche al-
len die am Fieber darniederliegen ohne Unter-
schied den Wein verbieten. Der Seefahrer muß
auch ferner darauf bedacht seyn, daß die Luft auf
seinem Schiff in Circulation gebracht werde, weil
das Stehen derselben wegen der Ausdünstungen
<von> den Menschen, die sich darinnen aufhalten, sehr der
Gesundheit nachtheilig ist, wie sich denn auch in
denen Stiftern publiquer Schulen sehr viele An-
lagen zu Krankheiten befinden. Dieses bewerk-
stelliget er, indem er unten einen FeuerHeerd
anlegt, wodurch denn die stehende Luft ver-
mittelst des beständig unterhaltenden Feuers
/ %vertrieben
/|P_352
/vertrieben und andere in ihre Stelle gebracht
wird, sonsten pflegen sie um die Unterlaßung
dieser Anstalten zu ersetzen, die Matrosen
um ihre Portion Eßen zu empfangen hoch
steigen zu laßen und andere Motiones zu ver-
schaffen. Ferner muß er auch für gutes süßes
Waßer sorgen, welches er in Tonnen anfül-
len läßt. Allein es pflegt daßelbe zu fau-
len und ob es gleich klar wird, wenn es eine
Weile gestanden, so erwarten dennoch die we-
nigsten diese Zeit ab, welches auch wenig Scha-
den verursacht. Es scheinet der Mephitis
sich überhaupt in allen Waßern, doch mehr in
den Quellen als in den Strömen, %und auch in
jenen in unterschiedener Quantitaet aufzu-
halten. Man soll jetzo in Engelland und Frank-
reich eine Methode das Seewaßer gantz süß zu
machen erfunden haben, %und soll daßelbe bes-
sere Dünste als das gewöhnliche süße Waßer thun.
Sollte dem also seyn, so müßte die Ursache in
/ dem
/|P_353
/dem zurükgebliebenen Saltzgeist %und Saltzsäure
zu suchen seyn. (Die Säure ist dreyfach, so wie
wir dieselbe annoch kennen: die Vitriol_Säure,
SalpeterSäure, aus welcher das Scheidewaßer
gemacht wird, %und denn die Saltzsäure) Was die
Beschaffenheit der Länder und Meere anbetrift,
durch welche er reiset, so muß er die Winde die
daselbst herschen gantz genau kennen, daß in-
nerhalb den Wendezirkeln die Oestlichen, bis
zum 30 %ten Grade der Breite aber die Westlichen Pas-
sat_Winde wehen, denn muß ihm auch bekannt seyn,
wenn die MonsonsWinde herrschen, damit er sich
in der Zeit seiner Abfahrt darnach richten könne,
zE. im Februario, wenn er von Europa nach Ostindien
fahren will. Ferner müßen ihm auch die prospecte
der Landesküsten, die Beschaffenheiten des Bo-
dens vor denselben, ihre Figur nicht fremde
seyn, als wozu er die Seecharten, in welchen
alles dieses verzeichnet ist, nothwendig
haben muß.
/ Sectio. II.
/|P_354
/ ≥ Sectio. II.
/ §. 75. ≤
/Nachdem wir die Elemente, aus welchen die Erde
zusammengesetzt ist, erwogen haben, so ist es
auch billig, daß wir zu ihren Einwohnern und
Producten, mithin zu ihren Geschöpfen überge-
hen. Wir finden aber unter denselben, sowohl
solche, bey denen wir etwas zwekmäßiges
gewahr werden, als auch bey denen solches
nicht entdekket werden kann. Unter jene
rechnen wir die lebende Wesen und nennen
solche organisirte, unter diese aber die Mine-
ralien p welche wir inorganisirte Geschöpfe
heißen. Weil nun unter den lebenden die
vernünftigen Geschöpfe die vornehmsten
sind, so werden wir anfänglich von den Men-
schen, deren Körper, Gemüths_Character be-
trachten, weil diese Ordnung die bequeme-
ste für den Menschlichen Verstand ist.
/ ≥ Art: I. Von den Menschen. ≤
/ ≥ § 76. ≤
/Einige lebende Wesen sind so beschaffen, daß
/ indem
/|P_355
/indem sie sich begatten andere erzeugt wer-
den, die ihnen in allem und zwar allen bey-
den gleich ähnlich sind, diese wiederum andere
hervorbringen, die auch nach ihnen schlachten,
mithin sich fortpflantzen können. Bey andern
aber findet man, daß sie, wenn sie sich gleich
begatten, entweder gar keine Frucht, oder
eine solche die ohne Leben ist hervorbringen,
(wie man erzehlet, welches aber sehr unwahr-
scheinlich ist, daß ein Canini«sch»chen mit einer Hen-
ne ein Ey erzeuget, so keinen Dotter hat)
höchstens nur eine, die zwar ein Leben haben,
aber dabey nicht weiter von einer Seite zeu-
gen können (wie ein Maulesel aus Vermi-
schung eines «Hengstes» <Esels> und einer <Pferde>_Stutte) Ihre
Producte aber müßen im mittlern und letz-
tern Fall von beyden Eltern gleich viel an
sich haben und zweyschlachtig seyn. Die leben-
de Wesen nun, die andere gleiche, und diese letz-
tere wiederum eben dergleichen durch Begat-
tung hervorbringen können, heißen eine Gattung.
Einige lebende Wesen die verschieden sind, können
/ durch
/|P_356
/durch Begattung andere hervorbringen, die
sich weiter fortpflantzen können, und so viel
ähnliches von dem einen als dem andern Theile
der Zeugenden an sich haben, und diese werden
Racen genannt. Bey andern lebenden Wesen
beobachtet man, daß wenn sie gleich verschie-
den sind, dennoch solche Producte hervorbringen
die sich selbst fortpflantzen und entweder dem
einen oder dem andern von den Zeugenden gantz
vollkommen ähnlich sind, und diese werden von
Buffon Varietaeten genannt, weil der Unter-
schied der Thiere keinen Einfluß auf die Zeu-
gungskraft alsdenn hat.
/ ≥ §. 77. ≤
/Weil die Menschen, sie mögen so unterschieden
seyn als sie wollen, dennoch durch die Begattung
ihnen ähnliche Wesen, die sich wiederum weiter
fortpflantzen können, erzeugen, so sind sie von
einer Gattung und es ist gar nicht philosophisch,
da wo man einen Stamm annehmen darf, de-
ren mehrere zu setzen. Da nun dieselben sehr
von einander nach ihrer Farbe unterschieden
/ seyn
/|P_357
/seyn, so werden wir leicht finden können,
welches von ihnen Racen oder Varietaeten
seyn zE die Blonden und Brunetten, wenn
sie gleich öfters mehrere zeugen, die eine
ihnen ähnliche Farbe haben, dennoch auch an-
dere zeugen. Zu den Racen aber durch deren
Vermischung andere erzeugt werden, die
halbschlachtig seyn, rechnen wir vier, als
/1) Die Weißen, wozu die Europaeer bis an die
chinesische Mauer, deren Stamm die Parthische,
Sceltische, Scythische %und Sclavonische Nationen
sind, gehören.
/2) Die Indianer, welche eine grüngelbe oder
braune Farbe haben, wozu nicht allein die
Einwohner von Indostan, sondern auch die in
umliegenden Inseln wohnende gehören, wozu
auch die Zigeuner, die schon über 500 Jahre in Eu-
ropa seyn, und ihre eigenthümliche Farbe noch
beybehalten haben, gerechnet werden können.
/3) Die Mungalen, welche eine rothbraune Far-
be haben, dabey alle ohnbärtig seyn, überdem
auch eine besondere Leibes %und Gesichtsbildung
/ haben
/|P_358
/haben; ihre Augen stehen ihnen tief im Kopf
%und die Augenknochen ragen sehr hervor, habe
ein breites Gesicht, kleine und flache Nasen %und
dünne Lefzen, ihre Augen sind sehr groß, doch
die <Augen>_Lieder nur etwas gespalten, daß sie nicht
ordentlich sehen, sondern «nur» vielmehr blintzen.
Sie haben sich in America gantz ausgebreitet
und sind nichts anders, als die Kalmukken, an man-
chen Orten sind sie gantz kupferfarbig.
/4) Die Negers oder gantz schwartze sind sowohl
im nordlichen als südlichen Haemisphaerio, %und zwar
in jenem nur eintzig in Africa, obgleich die zo-
na torrida auch über andere Länder sich erstrek-
ket, im südlichen aber halten sie sich in Neu Gui-
nea und den umliegenden Inseln auf. Sonsten
sind diejenigen, die man noch anderswo antrift
nur Kriolen, das ist die von fremden Eltern und
einheimischen gebohren sind. Sie sind von den Moh-
ren gantz unterschieden, indem letztere, weil
sie beständig an der Sonne arbeiten, schwärtzlich
aussehen, ihre Weiber aber, wenn sie eingesper-
ret werden, gantz weiß aussehen, sonsten stammen
/ sie
/|P_359
/sie von den alten Mauris her. Der Neger Farbe
sind an der Schwärtze unterschieden %und am Sene-
gal_Strom bey den Falovos am stärksten. Sie
ist nicht etwa aus einer braunen Farbe ent-
sprungen, oder gar selbst eine Art derselben,
indem die Terzenonen und Quartenonen nach von
den sonst sehr braunen Spaniern nicht zu unter-
scheiden sind. Um die Terminologie immer zu
haben, merken wir, daß wenn sich ein Weißer
mit einer Negerin verheyrathet, das Kind ein
Mulatte, wenn eben derselbe mit einer India-
nerin cohabitirt, ein Mestice, %und wenn ein In-
dianer mit einer Negerin sich vermischet, das
Kind ein Camul genannt wird. In der ersten
Erzeugung dieser verschiedenen Racen entste-
het ein Halbschlacht, in der andern, wenn nem-
lich diese Kinder mit ebenderselben Race sich ver-
heyrathen, eine Viertelschlacht, in der dritten ei-
ne Achtelschlacht p die erstern werden Terzenonen,
die andern aber Quartenonen genannt, %und ist
zu merken, daß bis zu der vierten Zeugung (ex-
/ clusive
/|P_360
/clusive) die Kinder noch allemal halbschlachtig,
wiewohl immer weniger seyn, je weiter
sie von der ersten Zeugung abstehen, bis sie
denn endlich in der vierten gantz zu der einen
Race (welches eine Abartung ist, dagegen die-
jenigen, die sich nicht weiter fortpflantzen
können, Varietaeten, Ausartungen genannt
werden) übergehen. Die Negers haben aus-
ser ihrer schwartzen Farbe noch andere Kenn-
zeichen, Wolle anstatt Haare, wenn man das-
jenige, was auf den F«ä»ellen der Schaafe ist, so
nennen will, eine Nase, die oben gantz dün-
ne unten aber dikke und dabey klein ist. Ihr
Blut ist ein schwartzer Saft, ihr Gesicht %und das
Fleisch nebst der Haut ist dikke, und wie Sam-
met anzufühlen, dagegen unsere gantz glatt
ist. Es sollen sich in ihrem Saamen schwartze
Flekken befinden, roth gebohren werden %und
der schwartze Flekken, der alsdenn schon bey
ihnen wahrgenommen wird innerhalb den
ersten vier Wochen sich über den gantzen Leib
/ ausbreiten
/|P_361
/ausbreiten. Wenn sie krank werden %und lange
einliegen bleichen sie etwas aus, wenn sie aber
sterben, werden sie desto schwärtzer, vermuth-
lich weil als denn der Saft auszutreten völli-
ge Freyheit bekommt. Es giebt auch eine Art
weiße Negers, wenn man unter diesem Nah-
men «¿»gantze Bildung versteht, welche von den
Spaniern Albinos (sie sehen gantz bleich aus, ih-
re papilla ist aschfarb, %und können bey Tage
gar nicht sehen, da sie denn in der Dämmerung
%und in der Nacht arbeiten) von den Portugiesen
Dondos %und von den Holländern Raken genennt
werden; sie haben in Africa %und America weis-
se Wolle wie Schaafe, in Asia aber rothe, in
ersteren Gegenden werden sie vertrieben %und sehr
verfolgt, in letzteren aber wiederum hoch
%und von den Vornehmen zur Bedienung gehalten.
Sie können sich nicht weiter in ihrer Art fort-
pflantzen, %und sind dabey erstaunlich dumm und
einfältig, wie der, so von ihnen nach Paris ge-
bracht, %und daselbst anatomirt worden. Wenn
/ nun
/|P_362
/nun beobachtet worden, daß die Maulesel
sehr tükkische Thiere seyn, so kann es wohl
statt finden, daß die Vermischung der Racen
die Fähigkeiten %und Gemüths_Character ver-
schlechtern %und dahero beym Heyrathen nicht
allein auf die Gleichheit der Racen sondern
auch ob die Vorfahren von derselbigen gewesen
zu sehen ist.
/Die Chinesen %und Japonesen sind vermuthlich
aus der Vermischung der Indianer mit den
Mungalen entstanden, da sie gleichfals ohn-
bärtig sind. Auch würde gleichfals eine curieu-
se Creatur, die dabey entsetzlich anzusehen
wäre, entspringen, wenn ein Neger mit einer
Mungalin cohabitiren würde, welches Mau-
pertius [[Maupertuis]] anrathet, um die Ausartungen der
Menschen kennen zu lernen. Die Mungalen
können nemlich als ein Scheusahl der Menschlichen
Natur angesehen werden, indem sie sowohl ei-
ne sehr entsetzliche Leibesbildung besitzen,
als auch viele Unruhen angerichten haben. Sie
erstrekten sich vormals sehr weit nach Nordost
/ %und
/|P_363
/und wurden zuerst in Europa unter dem Na-
men der Bulgarier hernach aber der Hunnen
bekannt, sie vertrieben die Völker aus ihren
Wohnplätzen, unter welchen auch die Deutschen
sind, welche vormals am caspischen Meere ge-
wohnt haben müßen, weil man daselbst noch
sehr viele Spuren von ihnen antrift (In Italien
sind die sogenannte Cimbrier nichts anders als
Abkömmlinge von ihnen, %und ist zu verwundern,
daß sie sich so lange bey der Reinigkeit dieser
Sprache erhalten haben) %und haben zuletzt die
Türken %und Tartarn in Bewegung gebracht.
/Annot Die Celtische Sprache scheint die allgemei-
ne in gantz Europa vormals gewesen zu seyn,
aus welcher nachgehends die griechische, latei-
nische p entstanden.
/ ≥ §. 78. ≤
/Die ursprüngliche Farbe scheinet die Weiße
zu seyn, welche aus der Durchsichtigkeit der schlei-
michten Materien %und Partikkelchens der Haut
entstehet (welches das Durchschimmern des Bluts
/ %und
/|P_364
/und Adern beweiset) indem diese ein Funda-
ment zu allen ist und durch das Zuthun der äus-
sern Luft und Bodens, Nahrungs_Mittel p in an-
dere Farbe degeneriren kann. Adam scheinet
also ein weißer und zwar ein blonder gewesen
zu seyn; die blondesten Völker sind wohl die Deut-
schen. Eben so leicht ist der Uebergang der an-
dern Farben nicht zu erklären. Einige Natio-
nen zogen sich sehr nach Nordost und also in ein
sehr kaltes Clima nach den Polen zu, weil nun
aus der Erfahrung bekannt ist, daß der Frost
die Haut, wenn er sehr stark ist, dünner macht,
%und daß das Blut sehr stark ins Gesicht steige; so
ist leicht einzusehen, wie die Mungalen in Cam-
schatka, Bulgarey, eine rothbraune Couleur
angenommen haben, und daß diese erblich ge-
worden, ja die Zeugungskraft selbst afficirt.
In den dortigen Gegenden ist eine sehr große
Incommoditaet, daß der Schnee die Augen stark
verjaget, daß daher die jetzigen Einwohner
ein Stük Holtz, worinnen eine gantz kleine
/ Spalte
/|P_365
/Spalte, die 26 mal kleiner ohngefehr als der
diameter der papillae ist, vor die Augen nehmen
müßen. In der Zeit aber, wenn bey ihnen Som-
mer ist, halten sich die Mükken so stark daselbst
auf, daß Dompier [[Dampier]] anmerkt, d«i¿»aß die Einwohner
für ihnen nicht einmal die Muscheln, welche sie
bey der Ebbe als ihr eintziges Nahrungs_Mittel
auflesen, sehen können, und sobald sie den Mund
nur aufthun, gantze Schaaren in den Mund flie-
gen. Hieraus ist leicht einzusehen, daß die Ein-
wohner genöthigt gewesen, ehe sie noch ein
Mittel dafür erfunden, die Augen nur ein we-
nig zu eröfnen, und da solches jederzeit gesche-
hen müßen, so ist kein Wunder, daß ihre Augen
eine solche Stellung erhalten %und die Muskeln
unbiegsam geworden. Weil auch jedes mal
durch die große Kälte die Nase als das empfind-
lichste Glied etwas verliert, so wird sie end-
lich in der Zeugung immer etwas flacher ge-
worden und die Lefzen als schwammigte Thei-
le verschwunden seyn, da wir doch überhaupt
/ bemerken
/|P_366
/bemerken, daß die Natur nach Beschaffenheit
der Gegenden diejenigen Glieder nicht entwik-
kelt, die sonsten eben dieselben Thiere in an-
dern Gegenden haben, und die zu ihrem Un-
tergange ohnfehlbar gereichen würden. Daß
bey ihnen der Bart endlich nicht wächst, so mag
solches wegen Mangel der gehörigen Säfte, wie
auch daß sie nicht groß wachsen geschehen. In
den südlichen Gegenden kann die braune Farbe
auch entstehen, indem die Sonne stark auf den
Körper wirkt, daß endlich die Galle, welche we-
gen der öhlichten %und fettigten Theile seiffenar-
tig ist, ins Blut ergießt, %und nicht allein das-
selbe sondern auch die Haut färbet. Sie haben
schwartze Haare (die Indianer) so wie die Mun-
galen, weil öfters viele Würkungen der Käl-
te mit der Wärme einerley seyn zE in der
Wärme sowohl als in der Kälte dunsten die
Körper sehr aus, es können also auch die schwar-
tzen Haare aus gar zu vielen Ausdunstun-
gen entstehen, maaßen wir bemerken, daß
/ sowohl
/|P_367
/sowohl die Hottentotten sich mit Fett als die
Nordländsche Völker mit Thran vor das viele
Ausdünsten zu bewahren suchen. Weil Africa
fast mit lauter Waßer umgeben, so kann
vorhero solches im ältern Zustande der Er-
de gar eine Insel obgleich eine sehr große
gewesen seyn, da denn die Wüste Sara, E-
gypten p ihr Ufer gewesen zu seyn scheinet.
Wenn nun zu vermuthen, daß die ausgewor-
fene chaotische Materie %und Schlamm mit un-
terirdischer Erdhitze vermischt gewesen, %und
dadurch sowohl die Luft als den Erdboden er-
hitzet, überdem die Waßer nach %und nach Län-
der bedekt, die Negers, da die andern Völker
sich wegbegeben, auf die im festen %und der Mit-
te des Landes gelegene vielleicht sehr hohe Ge-
bürge werden retirirt haben, weil sie we-
gen des Waßers von ihren Wohnplätzen nicht weg-
gehen können. Weil um das Waßer auf den klei-
nen Inseln die Einwohner wegen Mangel der
Berge daselbst getödtet %und ersäufet; so ists kein
/ Wunder
/|P_368
/Wunder, daß nur in Neuguinea %und Africa als
den beyden größten Inseln auf der Erde Ne-
gers sich aufhalten, deren Schwärtze daher rüh-
ret, weil ihre Vorfahren beständig in diesem
Lande sich aufgehalten, %und durch die anhalten-
de Sonnenhitze dergleichen Gepräge überkom-
men haben, als wozu viele Jahrhunderte er-
foderlich waren. Die Americaner sind ohne
Zweifel von den Mungalen entsprungen, so-
wohl weil sie selbst nach ihnen schlachten und
ohnbärtig, dabey Kupferfärbig seyn, als auch
dieselbigen Thiere in Nordamerica sich aufhal-
ten, die im nordostlichen Theil von Asien an-
getroffen werden. Wie endlich die Austral¥
Länder, das Austral_Asien richt über Asien, das
austral«t»Africa, %und AustralAmerica, Africa %und
America gegen über gelegen, wie auch das
Polynesien, hinter dem Pacifischen Meere be-
völkert worden, müßen wir sehen, ob die Ein-
wohner roth oder gelbbraun aussehen, da sie
denn im ersten Fall Abkömmlinge der Ameri
/ caner
/|P_369
/caner, im andern Fall aber der Indianer seyn.
/ ≥ §. 79. ≤
/Es ist eine berühmte Frage, ob der Boden auch
einen Einfluß auf den Character, Temperamen-
ten, Fähigkeiten, %und Religion der Menschen ei-
nen Einfluß haben? Hume glaubet nein, weil
die Einwohner in Ländern, welche deicht beysam-
men liegen, sehr verschieden sind %und gewesen
zE vormals die sehr einfältigen Baeothier %und
die vernünftige Griechen, jetzo die gravitaeti-
schen Spanier, %und leichtsinnige, witzige %und mun-
tere Frantzosen, die unter einem Clima liegen,
weil auch ferner nicht die Kunst von der Natur
wohl zu unterscheiden ist. Montesquieu glaubet
ja %und dieses möchte wohl statt finden, denn bey
dem Unterscheide der Characteren müßen wir
auf die Racen, aus welchen die Menschen herstam-
men, Achtung geben. Die Spanier sind eine Mi-
schung von Saracenen, Juden %und Mohren, die Fran-
zosen eine vielleicht glükliche Mischung der Deut-
/ schen
/|P_370
/schen Römer und Griechen. Was das andere
anbetrift, so zeiget eben dieses, daß bey ei-
nigen Völkern sehr viele Künste erfunden wor-
den, bey andern aber nicht, von ihren verschie-
denen Fähigkeiten. Wir befinden aber bey ei-
ner jeden Race etwas characteristisches, wel-
che wir hier anführen wollen.
/1) Die Nordamerikaner sind im höchsten Grade
unempfindlich, dieses äußert sich sowohl darin,
daß bey ihnen fast gar keine Geschlechternei-
gung zu spühren, dahero auch die Weiber nicht
anders als die Hausthiere, die ihnen das Eßen
auf der Jagd p nachtragen, behandelt werden,
%und bestätigt sich durch ihre große Enthaltsam-
keit im Kinderzeugen, als auch durch ihre schein-
bare Tapferkeit, welche aber gantz andere
Würkungen als bey den Europaeern hervorbringet.
Im Anfange wehren sie sich verzweifelt, wenn
sie aber alle Hofnung zum Siege aufgeben
so werfen sie die Waffen weg, %und laßen sich gantz
gelaßen in Stükken zerhauen, da die Europäer
/ im
/|P_371
/im Gegentheil, wenn sie am tapfersten sind,
bis auf den letzten Blutstropfen verteidigen.
Condamine sahe einen Spanier mit einem Peru-
aner zugleich zum Galgen führen, jener war be-
stürtzt %und gantz betreten, dieser aber sahe
alle die fürchterliche Anstallten mit einem gantz
gleichgültigen Auge an. Auch die Sklaven fan-
gen nicht ehe an zu arbeiten, bis sie der Eigen-
thümer mit Schlagen dazu treibt, sobald er
aber weg ist, laßen sie die Arbeit liegen %und
fangen eher nicht an, bis sie den Stok fühlen.
Dieses scheint von der großen Stumpfigkeit
ihrer Sinne herzurühren. Sie sind dabey so
einfältig, daß sie die Jahre ihres Alters, die
ihnen alle Tage von den Jesuiten, die sich des-
halb sehr große Mühe geben, vorgebetet wer-
den, sobald sie aus der Kirche getreten, wie-
derum vergeßen, doch scheinen sie nach Nord-
osten zu etwas vernünftiger zu seyn.
/2) Die Indianer scheinen ein Analogon der Ame-
/ %ricanischen
/|P_372
/ricanischen Tapferkeit %und überhaupt sehr ge-
setzt zu seyn. Ob sie nun wohl im höchsten Gra-
de rachsüchtig, wollüstig, geldgierig, eitel
seyn, so sind sie dennoch dabey sehr feige und
furchtsam, dahero auch sehr viele Nationen
von ihnen, sobald der Europäer zornig wird,
sich von ihnen wegbegeben, auch nicht eher
wiederkommen, bis er besänftigt ist.
/3) Die Negers haben ein sehr flatterhaftes %und
leichtfertiges Wesen an sich, werden frühe klug,
dahero sie auch im 15ten Jahre, wie bejahrte
Alte reden, wobey es aber auch sein Bewen-
den «se» hat %und jederzeit kindisch verbleiben,
wie sie denn den einen Sonntag, der ihnen
eintzig zu ihrer Beköstigung frey gelaßen
worden, mit Tantzen zubringen, da sie doch die
übrigen Tage beständig für die Spanier arbei-
ten %und daneben für ihren Unterhalt aus den
Früchten, die sie selber pflantzen suchen müßen.
Da die Beschaffenheit der Muskeln %und überhaupt
/ der
/|P_373
/der gantzen Leibesconstitution des Menschen
auf die Eigenschaften der Fasern zu grün-
den scheinen, welche in gantzen Bündeln zu-
sammen liegen, so kann ihr Unterscheid, wenn
sie nemlich mehr stark und gar nicht reitzbar,
oder wenn sie gleich stark %und gleich reitzbar,
oder wenn sie mehr reitzbar als stark sind,
den Unterscheid der Leibesconstitution her-
vorbringen. Wie sich aber ihre Kraft auf die
Fähigkeiten des Menschen erstrekt, ist so leicht
nicht einzusehen. Es ist aber auch sehr wahr-
scheinlich, daß die Nahrungs_Mittel, die Luft
%und Sonne auf den Körper sehr große Ein-
flüße haben. Als eine sehr große Erfin-
dung ist nemlich das anzusehen, daß die Men-
schen einige Thiere entdekt, die sich zahm
machen laßen, durch deren Hülfe denn die
Grasarten %und der Boden angebauet wer-
den können, denn so lange dieses nicht ge-
schiehet, kann keine Gesellschaft zu Stande
/ kommen
/|P_374
/kommen. Es bestehet aber auch das Mehl der Gras-
arten aus milchichten und klebichten Theilen, wel-
che erstere dem Pflantzenreiche, die andere aber
dem Thierischen nahe zu kommen scheinen, %und deren
ersteren die Wurtzeln zE Jamiaer oder die rothe
Rüben der Indianer, d«¿»er letzteren aber die Thiere
in Menge aber ohne Mischung bey sich haben. Zu-
erst sind allem Vermuthen nach der Reiß, denn
der Weitzen, Korn p erfunden worden, %und wenn
wir eine RangOrdnung unter diesen Eßsorten
machen wollten, so würden Korn, Weitzen, Gerst
die durch den Anbau zu weit größerer Voll-
kommenheit «¿»gediehen; ferner der Reiß; denn
die Wurtzeln; %und endlich das Fleisch der Thiere
und Fische folgen
/ ≥ §. 80. ≤
/Was die verschiedene Größen der Racen anbetrift
so ist zu bemerken, daß diejenige Völker, die an den
Polen und nach Norden zu wohnen, klein seyn, so
daß ein Grönländer selten über fünf Fuß hoch wird,
woher denn leicht zu erkennen, daß hiezu eben nicht
/ der
/|P_375
/der Mangel der NahrungsMittel behülflich sey, indem
die Grönländer solche Speisen, wovon man fett wird,
im Ueberfluße, nemlich Seehundfleisch %und Fische haben;
sondern vielmehr die Kälte, als welche die Glieder
constringirt, hievon die Ursache sey. Unter dem
Aequator %und der Zona torrida gelangen die Leute
früh zu ihrer Reife, allein bey der Mittelmäßig-
keit ihres Verstandes hats auch sein Bewenden. Sie
werden ziemlich groß %und fe«t»ist, doch dörfte ihre speci-
fische Schwere nicht soviel betragen, als derer Ein-
wohner in den temperirten Zonen, überdem auch
letztere eine größere Höhe haben, daß also die
Hitze nichts weiter befördert, als den Wachsthum
treibt. Die Weiber fangen frühe im Achten %und Zehn-
ten Jahr an Kinder zu zeugen, hören aber auch im
24ten Jahre wiederum auf, welches auch mit den
Einwohnern derer nördlichsten Gegenden geschieh«¿»et,
daß also in diesem Fall vermuthlich wegen der über-
triebenen Ausdünstungen in beyden die Hitze %und die
Kälte einerley Würkungen hervorbringen. Sonsten
wäre hier anzumerken, daß da ohngeachtet der
verschiedenen diaet in verschiedenen Ländern, den-
/ noch
/|P_376
/noch beständig einerley Proportion der Anzahl von
Menschen statt findet, die in gewißen Perioden des
Menschlichen Alters sterben zE. von 20 bis 30 ver-
muthlich mechanische %und physische Ursachen vorhanden
seyn, die die Län«d»ge des Lebens einem Menschen deter-
miniren, %und deßen Ziel er durch Ausschweifungen
nicht verkürtzen, sondern daßelbe¿ nur siechrer %und elen-
der machen kann; doch sind hiebey zufällige Ursa-
chen, die die gantze Machine des menschlichen Leibes
destruiren, als der Schlagfluß, Pest p auszunehmen,
%und macht solches noch wahrscheinlicher, daß gewiße
Ursachen seyn, die die Zeit unsers Wachsthums
bestimmen. In den südlichen Ländern %und besonders
Patagonien soll das Mittelmaas des Menschen im
Durchschnitt genommen kleiner als das unsrige
seyn. Dahero könnten auch wohl die Großen bey
den Patagoniern bey uns Riesen heißen. Wenn
nun die Größe des Wachsthums beständig auf der
Stärke %und Elasticitaet der Fasern beruhen, %und ent-
stehet wenn die Fasern den sich ausspannenden Kräf-
ten der NahrungsMittel nicht wiederstehen kön-
nen; so ist eine sehr hohe Statur eine Krankheit, %und
/ man
/|P_377
/man wächst würklich, wenn man krank ist, sehr
stark. Sonst ist auch das sanftmüthige Wesen der
Pathagonier eine Anzeige von ihrem kränklichen
Zustande, %und daß ihre Fasern nicht die gehörige Stär-
ke erhalten haben, der ausspannenden Kraft der
Nahrungs_Mittel zu wiederstehen. Sonsten müßen
wir noch merken, daß die Lage einer Stadt, ob sie
von einem Sumpf, Bergen oder Walde umschloßen,
ob sie dem Nord oder OstWinde ausgesetzt ist, nicht
gering zu schätzen, noch der Kunst %und Erziehung in
Ansehung der Leibes_Constitution %und Character der
Menschen beyzumeßen.
/ ≥ §. 81. ≤
/Es wird gemel«t»det, daß in Ab«¿»yssinien die Männer
ein«¿»e sehr große Vorhaut haben, %und daß vermuth-
lich dieserwegen die Beschneidung bey den Hei-
den eingeführt ist, allein dieses geschiehet bey
ihnen zum Opfer, weil sie sowohl als ihre Weiber
sehr gerne fruchtbar seyn wollen, dahero diese
letztere auch von denen Nymphen sich wegschneiden
laßen, um der Göttin der Fruchtbarkeit ein Opfer zu
/ bringen
/|P_378
/bringen, welche Erzehlung also grundfalsch ist. So sol-
len an einigen Oertern die Weiber Fellen von Fleisch
vor ihrer Schaam haben, welche aber von ihnen als
eine Unanständigkeit angesehen wird. In Florida
werden viele Hermaphroditen angetroffen, wel-
che mehrentheils nur eigentliche Männer %und nur
blos eine Spalte im Bauch haben, welches sowohl aus
ihrer Neigung zum weiblichen Geschlecht, als auch weil
die Anatomici keinen Uterum bey ihnen finden,
zu sehen ist; wiewohl auch nicht zu leugnen ist, daß
es auch würkliche Hermaphroditen geben könne, die
zugleich männlichen %und weiblichen Geschlechts sind.
/Endlich sollen die Leute in Borneo Ansätze von Affen-
schwäntzen haben, wenn man nun gleich dieses Vor-
geben als einen Irthum passiren läßt, indem die
Schiffer Thiere vor Menschen angesehen haben können,
so macht doch die Nachricht eines authentiquen rußi-
schen Skribenden [[Rytschkow]], daß noch einige Familien am schwar-
tzen Meere Affenschwäntzig oder einen äußerlich ver-
längerten Rükgrad haben, wahrscheinlich, die von
den übrigen Tartarn verfolgt werden, %und durch die-
se Verfolgungen allmählig (wie ein Geschlecht der Men-
schen, welches so flekkigt als die Tyger gewesen seyn
/ soll
/|P_379
/soll, jetzo aber ausgegangen ist) vergehen %und aus-
gerottet werden. Noch müßen wir die Cretins mer-
ken, welche Kröpfe, die bis an das Ende des Bauchs
hängen, haben, %und von denen ihre Mitbrüder wegen
des sanften Temperaments, das aber aus Mangel
der Vernunft herrührt, hoch gehalten werden, da
im Gegentheil die Türken die Tollen %und Unsinnigen
für heilig halten, weil ihre Seelen ihrer Meynung
nach schon im Himmel seyn. Der Türken Character
ist sehr trotzig, der Charaiber aber sehr phlegma-
tisch.
/ ≥ §. 82. ≤
/Die Menschen sind jederzeit geneigt schön zu seyn,
%und auch alles dazu beyzutragen. Wenn nun in Eu-
ropa dieselben ihre Leiber mit Kleidern bedekken,
%und durch ihre Pracht sich hervorzuthun bemühet seyn,
so müßen die Einwohner anderer Weltgegenden
in Ermangelung der Kleiderzierrathen, unzu-
frieden mit dem, was die Natur ihnen verliehen,
Veränderungen mit ihrem Leibe vorzunehmen su-
chen. Die Charaiben in Nordamerica, als die unem-
pfindlichen Völker in der Welt, welche die Inseln
/ Lucia
/|P_380
/Lucia p bewohnen, belegen die Stirnen ihrer Kin-
der mit beyernen Platten, damit sie breit werden
%und ihre Augen hervorragen, mithin nicht nöthig ha-
ben möchten, den Kopf aufzuheben, um den Himmel
anzusehen. Außer der schleimigten Materie, die ih-
nen im Anfange aus der Nase fließet, %und außer den
vielen Kindern, die in der Probe sterben, scheinet
es ihrer Gesundheit nicht schädlich zu seyn. Andere
Nationen in America können nicht leiden, daß der
menschliche Kopf ekkicht, %und der eine Durchschnitt des-
selben größer als der andere sey, %und zwingen dahero
denselben in Kugelformen %und wiederum andere
in Kegelformen, welche den Zukkerhütten gleich sind,
woher denn die Kugel %und Spitzköpfe zu merken.
Sonst machen fast alle americanische Einwohner
Ritzen in den Leib, schmieren allerhand Säfte von
Kräuter %und Bäumen herein %und machen ihn dadurch
flekkicht, %und zuweilen voller Figuren. Manche von
diesen Nationen haben unter der untern Lippe
ein Loch eingeschnitten, welches wie ein anderer
Mund aussiehet %und niemalen zuheilet, worinnen
sie einen grünen Stein von ziemlichem Werthe
/ hineinsetzen
/|P_381
/hineinsetzen. Eine von ihren gewöhnlichen Zierden
ist es auch ihr Gesicht mit allerhand Vogelfedern
auszuschmükken. Endlich gebrauchen auch die roth-
braunen Americaner den Zinnober zum Schmükken,
welcher zu ihrem Gesicht sehr wunderlich abstechen
muß. In Asien müßen die chinesische Frauen
um kleine Füße zu erhalten, in enge Bandagen
einklemmen, wodurch dieselben nichts als Klum-
pen ohne Zehen p vorstellen und dieselbe vom Aus-
gehen abgehalten werden, welches die Männer
darum als eine Schönheit vermuthlich angesehen
haben, damit sie von Ausschweifungen abstehen
möchten. Die Tungusen nehen ihren Kindern das Ge-
sicht nach dem Beyspiel ihrer vormaligen Helden
mit blauem und mit Kohlstaub gefärbtem Zwirn
aus. In Arabien punctiren die Frauenzimmer
ihr Gesicht. Die Schucktzi im nördlichsten Asien ma-
chen sich zwey Löcher in die Bakken %und setzen Walroߥ
Zähne ein. In Tuncking färbt man die Zähne mit
dem giftigen Safte Toxico dendro schwartz, welche
couleur doch beßer als eine schmutzige Weiße laßen
muß. Die Marcosaden in Borneo setzen zwey Golde-
/ ne
/|P_382
/ne Zähne in die Stelle derer, die sie sich ausgeschla-
gen hinein. Auf der Küste von Gabo stekken die
Einwohner Höltzer in die durchbohrte Scheiden
der Nasen. In Asien besonders Malabar ist sehr
gewöhnlich einen Nasenring durch die Nase zu zie-
hen %und bis über dem Munde hängen zu laßen, wie
denn auch einige Nationen ihren Kindern einen sol-
chen Ring durch die Vorhaut und die Nymphen zogen
wie vormals die Römer, welche diesen Actum Infi-
bulatiem nannten, um ihre Kinder bis zu ihrem Ein-
tritt in die Ehe vor Ausschweifungen zu bewahren, wor-
auf selbige herausgenommen werden (Romanis Re-
fibulatio). Auf der HalbInsel jenseit des Ganges
%und in Canada schneiden sie sich Knorpel aus den Oh-
ren %und hängen in die Löcher, durch die man öfters
mit zwey Fingern durchfahren kann, %und bis auf die
Schultern herabhängen, ihre Wampons oder Enden ge-
wißer Muscheln, die violet aussehen hinein. Endlich
sind die obere Kinnbakken bey den Chinesern mehr
als die untern hinterwärts, dahero sie viele Buchsta-
ben nicht aussprechen können zE l, n.
/ §. 83.
/|P_383
/ ≥ §. 83. ≤
/Die einfältigste Art sich zu ernähren sind die Wur-
tzeln, wie in Nordamerica die Neis oder türkischer
Weitzen, «oder» und in Südamerica die MarionWur-
tzel, die zwar giftig ist, aber dennoch, wenn ihr
Saft ausgepreßt ist, nähret, denn folget die Jagd,
%und endlich die Fischery. Die elendesten unter allen
Nationen sind die Esquimaux, nahe am Meer fah-
ren sie auf ihren Cajaka oder Kähnen, um Seehun-
de zu fangen, mitten im Lande aber finden sich
keine Wurtzeln; sondern die Einwohner müßen sich
etliche 100 Meilen in der größten Kälte entfernen,
dahero eine große Wohlthat ist, wenn sie die
alte Eltern umbringen. In Guinea werden
die Hunde gegeßen, welche alle stumm sind,
auch wenn einer von den Europaeischen dahin
kommt, verstummen muß. Die Esquimaux heis-
sen die Einwohner jenseit des Lorentzstromes
an der Hudsonbay. Zu den Esquimaux können
auch in Ansehung des elenden Zustandes die Neu-
holländer gezehlet werden, die blos von Muscheln
leben. Die Negers nehren sich von den Wurtzeln
/ Iams
/|P_384
/Iams, die gesitteten Nationen aber von den Haus-
thieren %und Getreide_Arten. Die Ostiakken müßen im
Winter öfters gräslich hungern, weil sie zu faul
sind auf die Zukunft bedacht zu seyn. Endlich ist auch
zu merken, daß am Ausfluße des Flußes Lena p ins
schwartze Meer, gewiße dumme Gänse gefunden und
auf folgende Art gefangen werden: Es wird eine
Hütte gebauet, hierauf nähert sich einer von den
Einwohnern mit einem weißen Peltze, ein anderer
gehet von hinten und klappert, wenn alsdenn die
Gänse dem vordersten folgen, indem sie ihn für ei-
ne Gans ansehen, so wird die Thür hinten zugeschlos-
sen. In der Spitze von der «mg» magellanischen
Meerenge lebt man allein von Pferden, die Vi-
cunna haben eine Art von Ziegen, von deren Wolle
sie sich kleiden, %und die von den Spaniern so hoch ge-
halten wird, daß sie nicht «auf» aus dem Lande geführt
werden darf. In den wärmen Ländern gebrauchet
man die Ochsen und in Indien die Büffel zum Fuhr-
werk, die Asiaten aber leben nebst dem Reiße haupt-
sächlich von den palmartigen Bäumen, dem Cacaos,
Sago und Pappelbaum.
/ § 84.
/|P_385
/ ≥ §. 84. ≤
/Was die Arten der Wohnungen anbetrift; so wohnen
die Grönländer in Zelten, die sie mit Erdstükken
%und Seehundfellen bedekken %und Cubale nennen, wel-
che aber sehr dem im Winter hineintropfenden
Regen«¿»waßer ausgesetzet sind; im südlichen Ame-
rica, Cubo wie auch in Brasilien sind die Einwoh-
ner alle nakkend %und wohnen in ihren Cabalen. In
Guinea aber müßen die Gallibis ihre Hütten
auf hohen Bäumen aufschlagen, um sich vor den
wilden Thieren, %und den daselbst reißenden Strömen zu
retten.
/ ≥ §. 85. ≤
/Was das Verhältnis des weiblichen Geschlechts zum männ-
lichen betrift; so werden sie von den Americanern als
Hausthiere angesehen, denen alle Geschäfte außer
dem Jagen und Kriegen obliegen. In Asien wer-
den sie in Zimmer eingesperrt, von aller Ar-
beit befreyt, %und solange sie nicht Ialousie erwe-
ken, wohl gehalten. In Europa allein ist die
Galanterie eingeführt.
/ Artic. II.
/|P_386
/ ≥ Artic. II. Von den Thieren.
/ §. 86. ≤
/Wenn wir jetzo von den Thieren reden wollen,
so werden wir den Anfang mit den Hausthieren
machen %und darinn folgende anmerken:
/1. Das Pferdgeschlecht, außer denjenigen Tugenden,
auf welche die Einbildungskraft der Menschen
einen Werth gesetzet, %und ihre Gestallt, Größe p
betreffen, sind die folgenden remarcable, die
Leichtigkeit, und der damit verknüpfte schnelle
Wuchs, die Dauerhaftigkeit, %und endlich eine Fä-
higkeit, sich discipliniren zu laßen, welche sie
im Zustande der natürlichen Freyheit an sich ha-
ben. In den Wildnißen findet man selbige sel-
ten, außer in denen Steppen, wiewohl es auch ei-
ne Art wilder Pferde in der Grafschaft Lippe
giebt, auch sind viele von den Spanischen in Ame-
rica in die Wildniße gerathen, welche von den
Pathagoniern gefangen werden, %und wovon sie sich
ernähren. Die arabischen Pferde sind die besten und
beständig von einer Race erzeuget, wovon denn auch
/ die
/|P_387
/die Araber Geschlechtregister halten %und diesel-
ben öfters vor 8 bis 10.000 %Reichsthaler verkaufen. Nach
ihnen folget eine Race von ihnen, die barbari-
schen Pferde in Algier, die sehr leicht %und discipli-
nable seyn; denn die Spanischen, %und eine Race
von ihnen, die Englischen Pferde, die die schnellsten
sind %und in einer Sekunde 61 Schu laufen können,
da nur die wilden Pferde in derselben Zeit 52 zu-
rüklegen. Die größte Art ist in Daennemark
%und die holsteinischen unter ihnen die besten. Wenn
verschiedene Racen von Pferden zusammenge-
laßen werden, so pflegt das Junge in der Grös-
se, Farbe p nach der Stutte, in den Extremitae-
ten, im Kopf und Schwantz nach dem Hengst zu
schlachten. In der Zona torrida sind sie schäbicht,
in den Frigidis sehr klein, in Spanien aber am
besten, in den Niedrigungen sehr faul, auf den
Höhen aber munter.
/2. Der Cebra, ist eine Art Pferde, welche lange
Ohren wie der Esel haben, sonst aber wie ein Pferd
aussehen; es hat dunkelbraune, weiße, %und gelbe
Streifen, die seinen «Streifen» Cörper in Gestallt von
/ großen
/|P_388
/großen Circeln umgeben, wird in OberAethio-
pien bis zum Capo bonae spei, wie auch in Abys-
sinien angetroffen.
/3. Das Eselgeschlecht, welches zur commoden Rei-
se bequem und zum Tragen geschikt ist. Es giebt
auch eine Art Waldesel, <welche größer sind, als zahme
%und in Cordia angetroffen werden.>
/4. Der Maulesel, eine Halbschlacht und Ausar-
tung von den Pferden %und Eseln, sie sind sehr tükkisch.
/5. Das Rindergeschlecht, ziezu zehlen wir nicht
allein die barbarische Kuh, sondern auch den Büf-
fel mit zurükgebogenen, den Auerochsen mit
sehr spitzigen Hörnern, welches nach dem Ele-
pfanten, das stärkste Thier ist, und nur in Nor-
den sich aufhält, %und denn den Elepfantenochsen,
welcher von erstaunender Höhe ist, wie fast
alle Thiere in der Zona torrida. Die hiberische
Kuh kratzet ihr Futter im Winter unter dem
Schnee hervor. In America sind viele von den
aus Spanien mitgebrachten in die Wildheit ge-
rathen, haben sich sehr multiplicirt, werden
aber auch von den verwilderten Hunden sehr ver-
/ folgt
/|P_389
/folgt und aufgerieben. Vor der Spanier An-
kunft waren die Ochsen so wie die Pferde in
America gantz unbekannt. Die barbarische Kuh
hat einen Kopf wie ein Pferd; ein Büffel wird
in Ostindien gebraucht.
/6. Das Schafgeschlecht, es hat bey uns Wolle,
jedoch merket Condamine an, daß es, wenn
es wild ist, Haare und dabey Hörner hat,
sich auch tapfer wehret, wie in Siberi«n»en. Die
angorische Schafe sind diejenigen, von welchen
man die Camelhaare bekommt, weil ein
Schaf Kemmel bey den Türken heißt, es wird
aber von ihnen nicht eigentlich die Wolle,
sondern nur das von ihr gesponnene Garn
ausgeführet, wovon der Camelot verfer-
tigt wird, wiewohl auch einige Zeuge von
den würklich abgeworfenen Haaren des Ca-
meels verfertigt werden. Die Schafwolle
ist gegen Norden zu gröber, in der Zone tor-
rida aber feiner, die besten Schaafe sind die
Spanische, im Sommer leben sie in den Schnee-
/ Gebürgen
/|P_390
/Gebürgen von Asturien, gegen den Herbst a-
ber marchiren sie nach Andalusien %und bleiben
den gantzen Winter daselbst, %und unter ihnen
ist die beste Wolle von Segoiva (weil hier der
beste Markt ist) Die Engelländige Schaafe sind
eine Race von den Spanischen. In Africa giebts
breitschwäntzigte, in Marocco aber lang-
schwäntzigte Schaafe, welcher von einem Wa-
gen, den die Einwohner an diesem Thier appliciren
geführt wird.
/7. Das Bokgeschlecht, die Steinbökke und die
Gemsen, welchen letztern sehr schwer bey-
zukommen ist, %und wenn sich die auf sie eifri-
ge Jäger versteigen; so sind sie bey der
Rükkehr in LebensGefahr, ja wenn die Gemsen
weiter nicht fortkommen können, einen Satz
thun %und dadurch entweder sich oder den Jäger
in die Klüfte hinabstoßen. Auf der Insel Is-
land sind die Hörner der Bökke sehr durch einan-
der geflochten.
/8. Die Gasellen sind Ziegen in Persien, welche
/ von
/|P_391
/von ihren Einwohnern vermittelst der Leopar-
den verfolgt werden. Sie sollen sehr schöne
Augen haben %und diejenige seyn, von denen im
hohen Liede Salamonis Erwähnung geschie-
het. Von dem Ziegenfell wird der Corduan ge-
macht.
/9. Das Bisamthier, welches unter dem Bauche
eine Blase hat, worinnen sich der sogenann-
te Bisam samlet, welches ein röthlicher Saft
%und ein starkes Oehl ist, dasjenige Thier, in wel-
chem er gefunden wird, heißt ein Muscusbok.
/10. Das Bezoar_Thier ist eine Art von Ziegen
und hat unter dem Bauche zwey Magenbel-
len, welches der Bezoarstein heißt, %und dabey
roth aussiehet, sonsten aber verfälscht wird,
er sieht wie eine Zwiebel aus %und hat eine
gallartige Bitterkeit, welches vor der Fäul-
niß praeserviren soll.
/11. Das Ziegeneinhorn, welches sich in America
aufhält, %und das eintzige Einhorn in der Welt
/ ist
/|P_392
/ist, denn das große Horn, welches gewunden
ist, %und öfters unter der Erde angetroffen wird,
ist von einem Seethier Narmoval.
/12. Das Guineische glasgelbe Bökchen, und
denn
/13. Der Chiraff oder Camelopard ist in Abyssi-
nien %und hat solche hohe Beine, daß ein Reuter
auf einem mittelmäßigen Pferde durch seinen
Bauch fortreiten kann. Er ist wie ein Leopard
flekkicht, hat einen langen Hals %und Hörner
/14. Das Hirschgeschlecht. Die Hirsche werfen
jährlich ihr Geweihe ab, %und bekommen mehren-
theils mehrere Enden, jedennoch kann man nicht
eigentlich aus denselben die Anzahl ihrer Jahre
erkennen. Sie sind schwer zu fangen, %und ein Jä-
ger, welcher seine Kunst genau verstehet, wird
ein Hirschgerechter Jäger genannt, weil alle-
mal eine Kunst die Hunde zu ordnen den Hirschen
auf einen gegebenen Wink anfallen zu laßen.
An einem Hirschen hat man schon 66 Enden gezeh-
let, von diesem Geweihe wird der Gelee ver-
/ fertigt
/|P_393
/fertigt, %und insbesondere liefert daßelbe, wenn
es zu wachsen anfängt %und also noch knorplicht ist
eine sehr wohlschmekkende Speise. Das Reh ist
auch eine Art von Hirschen, wie auch das surinam-
sche Hirschen, welches nicht größer als ein Haase
ist. Ferner der Dammhi«s»rsch, das Elendthier, wel-
ches einen Kopf, der dem Rhinoceros_Kopf sehr
ähnlich ist, hat, seinen Weg durch unwegsame
Oerter und Morräste nimmt, sehr wohl schwim-
men kann, sonsten aber ein unschmakhaftes
Fleisch hat
/15. Das Rennthier, welches das äußerste Thier
in Norden ist, so Gewächse frißt, da die weis-
sen Bären Fische p freßen. Es behilft sich mit
gantz trokkenem Moos, welches es noch dazu
unter dem Schnee hervorsucht; sonsten kön-
nen die Einwohner bey ihm alles entbehren,
sein Fell giebt ihnen Kleidung, ziehen seine Milch
wovon sie Käse machen, seine Sehnen brau-
chen sie zu Zwirn, %und ihr schneller Lauf dient
ihnen ihren Kahnförmigen Schlitten fortzuschleppen.
/ 16. Das
/|P_394
/16. Das Schweingeschlecht, ihre Borsten sind ein vor-
nehmer Ar«k»tikkel der Handlung, weil sie zu den
Bürsten %und Besen nothwendig seyn; sie sind aber
nicht allenthalben so strobicht, daß sie dazu zu gebrau-
chen wären, sondern nur diejenigen, welche in Lit-
thauen, Rußland p gefunden werden, ja in der Sü-
dersee hat daßelbe, wo es das größeste Thier ist,
%und die Höhe eines kleinen Hundes, auch eine ziemli-
che Länge hat, gar keine; die wilden Schweine se-
hen schwartz aus, haben zur Seite zwey Hauer
mit welchen sie doch nicht sehr tief eindringen kön-
nen, %und sind sehr verwegen, ja es laufen die-
selbe, so bald sie verwundet worden, gerade auf
den Ort, wo der Schuß geschehen, wo alsdenn kein
ander Mittel ist, als sich auf die Erde zu werfen,
wodurch man nur einigermaaßen getreten wird.
Sie halten sich in Morrästen «h» auf, woraus man
sie in Deutschland durch Schwefeldampf verjagt.
Sie setzen durch den Rheinstrom, wo sie von den
Bauern, indem sie dieselbe bey den Hinterfüßen
gefaßt, und mit dem Kopf ins Waßer stekken, er-
säuft werden, welches ihnen jetzo verbothen ist.
/ Die
/|P_395
/Die Asiatischen Schweine sind lang %und dabey sehr
gesund. Es gehören endlich hieher das Mexicanische
MuscusSchwein und der Schweinhirsch, der nemlich
ein Geweihe hat und auf der Insel Molucco gantz
allein angetroffen wird.
/17. Der Hippopotamus oder das Nilpferd, welches
dem Schweine ähnlich und mit den beyden folgen-
den das größeste unter den Landthieren ist.
Es hat gantz besondere Art von Zähnen, %und zwey
Hauer, die eben so und noch feinere Knochen in sich
enthalten, als die Elephantenzähne, auch so groß
wie Ochsen_Hörner sind. Es hält sich in den Flüßen
von gantz Africa und sonsten nirgends auf. Sein
Leder ist so dik, daß kein Schuß, ausgenommen wenn
er ihn hinter den Ohren trift ihn verletzen kann.
Seine Schwere beträgt 30 Centner.
/18. Der Rhinozeros ist gleichsam mit einem Pan-
tzer umgeben, obgleich derselbe nicht so stark als
der Schildkröte ihrer ist. Er würde also gantz un-
biegsam seyn, wenn ihm die Natur nicht Falten in
demselben verliehen, vermittelst derer es sich be-
wegen kann, welche von weiten, wie Kleider, Stie-
/ fel
/|P_396
/fel, Hosen p aussehen. Er hat sein Horn auf der Na-
se, ja öfters zwey hinter einander, wovon das
unterste am größten ist, beide aber stumpf sind,
dahero sie ihm wahrscheinlicherweise nicht zur Weh-
re, sondern um Wurtzeln aufzusuchen gegeben
worden.
/19. Der Elephant ist in Asia und Africa nicht aber
in America anzutreffen. In Asia beträgt ihre
Höhe 14 bis 15, in Africa aber nur 12 Schuhe, die
größte Sorte von ihnen trift man in Ostindien
und zwar auf der Insel Zeilon %und der Halbinsel
jenseit des Ganges an. Seine Ohren sind an der
Größe zwey Kalbfellen gleich, hat gleich dikke
und ungeschikte Füße mit fünf Klauen, eine grau-
e Couleur, wiewohl es auch zuweilen auf der
Halbinsel jenseit des Ganges weiße gefunden
%und von den Indianern als heilige, in welche die See-
len ihrer Weisen hineingefahren, gehalten wer-
den. Das Merkwürdigste an ihm ist sein großer
Rüßel, deßen Spitze sehr musculeuse, sonst aber
gantz knorricht ist, er kann denselben bewegen,
liegen, wie er will, sogar das Eßen %und Saufen zum
Munde, welches unter dem «S»Rüßel befindlich ist, brin-
/ gen
/|P_397
/gen, auf befindet sich seine größte Force darin-
nen. Obgleich er einen ungeschikten Kopf, kleine
Augen p hat, so hat er doch eine gewiße Fähigkeit,
seine Kräfte allgemeiner als andere Thiere zu ge-
brauchen, ja die Einwohner von Surinam gebrau-
chen sie statt Handlanger, welches sie sehr wohl
verrichten. Vom Tobakskraut wird er gantz be-
trunken, läuft wie ein gutes Pferd %und schwimmet
auch vortreflich, hat übrigens einen kurtzen
Schwantz, deßen Haare wegen ihrer Dikke zu Ta-
bakspfeiffen gebraucht werden. Sie werden ver-
mittelst zahm gemachter Weibchen der Elepfanten
in verpallisadirte Wege gelokket und gefan-
gen. Sonst setzet man ihnen die Palacins oder
Sänften auch wohl bisweilen kleine Thürmchens
auf.
/20. Das Cameel, welches von den Dromedariis un-
terschieden ist, die nur einen Rükken und nur einen
Pukkel, indem die Cameele zwey Brustpukkel %und
zwey Rükken haben. Es hat einen langen Hals,
an den Knien, unter dem Bauch %und dem Rükken
Polster, daß er zu dem Tragen recht bestimmt zu
/ seyn
/|P_398
/seyn scheinet. Wenn es beladen wird, kniets nie-
der, %und weiß wohl die Last die er ertragen kann
zu unterscheiden, indem er nicht eher fals er auch
geprügelt wird aufstehet, bis sie erleichtert wor-
den, wenn sie zu schwer ist. Man unterrichtet
%und gewöhnet sie auch zum Tantzen, indem sie die-
selbe auf heißgemachten Platten anbinden, %und
dieses so oft wiederhohlen, bis daß sie, wenn sie
die Music, die die Einwohner von Asien dabey
hören laßen, wahrnehmen, dieselbe Springe
machen, die sie sehen ließen, als «d»sie die Wür-
kung der Hitze empfanden.
/21. Das Faulthier wird nur allein in America
angetroffen, sieht wie ein Affe aus, nur daß
es anstatt der grauen weiße Haare hat, an ei-
ner Weite von 12 Schuhe bringt er öfters einen
gantzen Tag zu, %und bey einem jeden Tritt schreyt
er so erbärmlich, daß man denken sollte, als
wenn alle seine Knochen zerbrochen werden, %und
eben dieses Geschrey ist es, durch welches er von
den übrigen Thieren, als welches es nicht leiden
können, gesichert ist.
/ 22.
/|P_399
/22. Der Ameisenfreßer. Er hat seinen Namen
davon, daß er Ameisen frißt, hat eine sehr lan-
ge Zunge, die so groß als er selbsten %und dabey
klebricht, wie eine Leimruthe ist, wenn die A-
meisen durch ihn aus ihren Nestern gestöhret
werden; so laufen sie auf seine Zunge %und blei-
ben daran kleben, worauf er denn die Zun-
ge mit den Ameisen in sich schlukt, sonst ist es
allerdings wunderbar, wie solche große
Thiere als ein Bär sich von einer solchen we-
nigen Nahrung behelfen können.
/23. Das Einhörnchen sieht in allen Gegenden
der Welt gelblicht aus; ihre Art über den Ge-
nisey zu schwimmen ist sonderbar, indem sie
nemlich auf einer Bork von Holtz sitzen und
mit ihrem Schwantz den Wind auffangen.
/24. Das Rattengeschlecht. Die Ratten sind so-
wohl Thiere, welche alles im Hause verwü-
sten als auch wegen ihres scharfen Gebißes
gefährlich. Die beste Methode sie zu fangen
ist, wenn man sie in einen polirten Keßel
an der Zahl vier bis fünf hineinsetzt, wenn
/ sie
/|P_400
/sie endlich gewaltig hungrig werden, so fangen
sie sich selbsten an zu freßen, %und die letzte, welche
übrig bleibt, fängt den Mark der todt gebiße-
nen Ratten zu verschlingen an, wenn selbige
hinausgelaßen wird, so bekommt sie einen Trieb
den Fraß zu wiederhohlen, worauf denn alle
Anwesenden Ratten sich fortmachen, ja es ist
auch zu glauben, daß wenn aus einem Hause
Ratten verschwunden, wo vormals viele ge-
wesen seyn, solches von einer tollgewordenen
herkomme. Es giebt gewiße Ratten, deren Jun-
ge in Gefahr ihre Schwäntze um die Schwäntze
der Alten winden %und sich von denselben fortschlep-
pen laßen. Die Beutelratten, welche unter
dem Bauche einen Beutel haben, in welchen sie
die Jungen, wenn sie verfolgt werden, sammlen
gehören auch hieher.
/25. Das Hundengeschlecht. Der OriginalHund scheint
der SchäferHund zu seyn, weil alle Hunde, wenn
sie in die Wildheit gerathen, dergleichen werden.
Es ist auch wahrscheinlich, daß alle Hunde, sie mö-
gen so verschieden seyn als sie wollen, dennoch nur
/ von
/|P_401
/von einem eintzigen Stamme herkommen, weil
in gewißen Producten überhaupt solche Keime
liegen, welche sich unter Begünstigung der Luft,
Nahrungs_Mittel p eines Landes entwikkeln;
in kalten Gegenden haben alle Thiere von
einerley Art dikkere Peltzer als in den warmen
%und Vögel eine Schichte Federn mehr in den Zonis
frigidis als den temperatis. Folgende Halbschlach-
ten sind merkwürdig: der Bologneser, von dem
spanischen Pudel und dem spanischen Wachtel-
hunde erzeugt, der Mops von dem spanischen
Wachtelhunde und dem Bollenbeißer. Die wil-
den Hunde in Africa sind stumm %und ist vermuth-
lich des wegen der Mangel des Bellens bey ihnen
anzutreffen, weil sie gewahr werden, daß sie
das Wild dadurch verscheuen, wenn sie auf die
Schiffe gebracht werden, so fangen sie an zu mur-
ren, endlich aber gewöhn«lich¿»<en> sich selbige <auch> ans
Bellen. Sie ziehen dorten in gantzen Heerden
herum, welche einer von ihnen als Leiter an-
führt. Diese scheinen die vollkommensten Thie-
/ re
/|P_402
/re zu seyn %und das Analogon rationis am stärk-
sten zu zeigen, maaßen sie das ihnen auferlegte
Amt sorgfältig in Acht nehmen, bey ihrem Herrn
verbleiben, wenn sie böses gethan haben un-
ruhig werden, %und wenn selbige ihren Herrn
zornig sehen, ihn durch eine demüthige Stellung
zu gewinnen suchen. zuweilen werden sie auch
toll, %und der Biß von ihnen ist alsdenn sehr gefähr-
lich, weil die Menschen in eine ähnliche Rase-
rey verfallen, doch hört der «Mund» Hund auf ge-
fährlich zu seyn, wenn der Tollwurm oder der
Zungen_Nerve ihnen geschnitten wird. Sonst schei-
net das Saltz bald nachdem der Biß geschehen
in die Wunde gerieben %und im Waßer aufge-
löset getrunken nützlich zu seyn.
/26. Der Wolf, ist dem innern Baue nach von den
Hunden unterschieden, %und weil selbiger mehr frißt,
als er zu seinem Unterhalt braucht, ein grausa-
mes Thier. Zum Wolfengeschlecht rechnet man
auch den Rahaal, welcher größer als ein Fuchs
%und kleiner als ein Wolf ist, vermuthlich sind Sim-
/ sons [[Simson]] ~
/|P_402R δZ_20
/{2- Tschackal -2}~
/|P_403
/sons Füchse Thiere dieser Art gewesen, weil
selbige in Haufen beysammen sind.
/27. Das Füchsen«e»geschlecht. In Siberien giebts drey-
erley Arten von ihnen, der Weißfuchs, Braun-
fuchs, der Blaufuchs, der a«r»schf@a@rbig aussiehet,
deren Haare aber nicht beständig und dauer-
haft seyn, wozu noch der schwartze kommt, der
wegen seiner Kostbarkeit und Seltenheit ein
Regale ist. Der Stinkfuchs hat einen solchen
Gestank, daß alle Menschen und Thiere ihn flie-
hen müßen, wiewohl sein Fleisch schmakhaft ist.
Zu ihnen zehlet man auch die Zibethkatze,
die ihnen in allen Stükken, außer den Sporen
%und Klauen, nach welcher sie einer Katze ähn-
lich ist, gleichet. Hinter dem Schwantz %und außer-
halb dem ano hat sie eine Drüse, aus welcher
ein klebrichter Saft, welchen man den Zibeth
nennet, gedrukt wird. Er ist im Anfange scharf,
hernach leidlicher, %und übrigens hält man seinen
Geruch für vortreflich. Allein weil die Kinder
sowohl als die Wilden keinen Abscheu %und Ekel
vor gewißen Dingen wegen ihres Geruchs
haben, so scheinet der Gefallen oder Misfallen
/ an
/|P_404
/an einem Geruche nicht natürlich sondern vielmehr
eine Mode zu seyn.
/28. Das Katzengeschlecht ist nirgends so gelitten
als in der Türkey, weil sie glauben, daß kein
Thier ins Paradies als des Mahomeds katze kom-
men werde. Sie läßt sich nicht sehr discipliniren
%und gewöhnet sich mehr ans Haus als an ihren
Herrn. Eine Art davon ist die Tigerkatze %und bey
uns der Luchs.
/29. Der Tieger wird in Asien jenseit des Ganges
angetroffen, hat schwartze %und weiße Streifen, die
um den gantzen Leib gehen, ist sehr grausam %und
gantz indisciplinable, dabey so stark, daß er selbst
einen Löwen überwältigen kann, Sonst muß man
ihn nicht mit dem Panther verwechseln.
/30. Der Dublal, welches die bey den Alten so beruf-
fene Hiena ist, bey Algier angetroffen wird
%und die Todten aus ihren Gräbern klaut.
/31. Der Löwe. Er wird wegen seiner Grosmuth,
nach welcher er, wenn er gesättiget ist, jedes
Thier in Ruhe läßet, gerühmet. Der Africanische
ist der mächtigste von ihnen, hat lange aber strau-
bichte Mähnen, dagegen der Asiatische lokkichte hat
/ %und
/|P_405
/%und im Gesichte der Katze ähnlich ist. Sonst hat er
was ehrliches in seinen Geberden. Sein Brüllen
ist fürchterlich %und erhebt solches sowohl Abends
als Morgens als auch bey jeder Veränderung
des Wetters, hat erstaunliche forçe in seiner
Brust, frist übrigens am liebsten Affen, nach-
gehends das Vieh, denn endlich den Menschen
%und unter diesen einen schwartzen lieber als ei-
nen Weißen %und eine Mannsperson williger als
eine Frauensperson.
/32. Das Affengeschlecht. Sie haben entweder kei-
ne Schwäntze %und alsdenn werden sie Menschen¥
affen genannt, oder haben lange, %und alsdenn
heißen sie Meerkatzen, oder haben kurtze, welche
man Paviane nennt. Ob nun gleich die Affen ein
Analogon «moralitatis» rationis haben, so wird
doch das Analogon moralitatis bey ihnen vermißt,
indem sie jederzeit boshaft, tükkisch, eigensin-
nig sind, %und allenthalben wo sie können Schaden
thun. Sie haben Menschenfingen %und ist deshalben
ihre Organisation nicht auf was besonderes ein-
geschrenkt, ja wenn diese zu einem allgemei-
/ nen
/|P_406
/nen Gebrauch eingerichtet ist, so zeigt sie auch
gantz sicher von der allgemeinen Fähigkeit des
Thieres. Die Großen von den ohngeschwäntzten Af-
fen werden Waldmänner genennt, sind sechs Fuß
hoch, haben wenig Haare, eine herabhängende
Oberlippe, Runtzeln im Gesicht, können sich wieder-
setzen und haben von weiten in allem die Gestallt
von einem bejahrten Manne. Die Kleinen von die-
sen ohngeschwäntzten Affen sind noch böser als die
Großen %und äußerst flatterhaft, brechen sich Prü-
gel von den Bäumen %und können damit sintemahlen
sie äußerst gesellig %und in großen Schaaren zie-
hen, einen Löwen %und Tieger vertreiben. Die
langgeschwäntzten gebrauchen die Schwäntze sich
um den Baum zu schlingen und vermittelst diesem
über die Bäche weil sie nicht schwimmen können
zu setzen. Sie haben einen Schlauch in den Bak-
ken, den sie zu einem Magazin brauchen, allein
weil sie sehr flatterhaft sind, so pflegen sie das
Obst oder Reiß bald überdrüßig zu werden und an-
deres zu hohlen. Endlich werden die Paviane bis zum
Caput bonae spei angetroffen. Sonsten sind noch die
/ Schoos
/|P_407
/Schoosafchen, welche nicht größer als ein Eichhörnchen
seyn, anzumerken, welche aber in Europa nicht wohl
leben können.
/33. Das Schaafkameel wird in America %und zwar
in Peru angetroffen, war vormals das eintzi-
ge Lastthier in dieser Gegend, hat einen lan-
gen Hals %und das Sonderbare an sich, daß es den
Menschen starr ansiehet, wird auch Vicunna
genannt.
/34. Das HaasenGeschlecht theilet sich in Sandhaasen
welches die stärksten Läufer, und dabey am wohl-
schmekkendsten sind und Waldhaasen. Ihre Furcht-
samkeit, schneller Lauf %und dabey ihre Intriguen
wenn sie verfolgt werden sind bekannt. Sie
treten an allen Gegenden Spuren, um die hun-
de von ihrem wahren Lager abzubringen. Die
weißen Haasen sind vielmehr eine Aus als Ab-
artung.
/35. Das Meerschwein«s»chen oder Ferkelkaninichen
wird aus Brasilien gebracht.
/36. Das Murmelthier wird in Savoyen %und Pie-
mont angetroffen, kommt mit der Schlafrat-
/ te
/|P_408
/te darin überein, daß sie öfters in einer Art von
Erstarrung liegen, und ohne daß sie sich bewegt,
weggetragen und anatomirt werden kann. Die
Ursache davon ist diese: Im Schlaf kühlet sich das
Blut immer mehr und mehr ab, weil nun das
Blut dieser Thiere nicht so warm als Menschen-
blut ist, so wird es mit anhaltendem Schlafe käl-
ter als die Luft selber und kann also durch die-
selbe nicht erregt werden.
/37. Der Bär. Von ihm ist dieses zu merken, daß
er im Winter von seinem Fette, welches aber
durch seine innerliche zurükführende Gefäße selb-
«b»sten zur Nahrung wird, lebet, und sind von den
Dachsen darin unterschieden, daß diese von dem
2 Handbreitem Spek, so sich unter ihrer Haut
befindet, und welches sie vermittelst eines Lochs
oberhalb dem Ano saugen, ernähret werden.
/38. Die Maulwürfe haben kleine Augen, wel-
che aber dennoch hinreichend sind den Tag von der
Nacht zu unterscheiden. Man bemerkt daß wenn
ein Maulwurf verstorben, er verschwindet und
unter der Erde angetroffen werde; Gleditsch aber
/ hat
/|P_409
/hat beobachtet, daß dieses von den Käfern, welche
zur Seite die Erde erheben, und damit diesen «¿»Maul-
wurf beschütten, bewürket werde.
/Uebrigens sind noch folgende Thiere merkwürdig:
die Fledermäuse, welche zu beyden Seiten aus-
gespannte Häute haben und dabey die abscheu-
lichsten unter den Nachtthieren seyn. Die fliegen-
den Katzen in Ostindien und die fliegenden Eich-
hörner, welche nur wegen der zur Seite befind-
lichen Haut größere Sprünge als die gewöhnli-
chen machen können. Der Hermelin oder der weis-
se Wiesel, die Speicherwiesel, welche den Mäusen
nachstellen, die Marder, welche man durch das
Schleifen, als welches Geräusch sie nicht vertra-
gen können, hervorlokken kann und dann die
Ferrette, welche kleine Wiesel seyn, die die Cani-
nichen aus ihren Löchern stöhren. Man könnte
sich in Europa nach dem Beyspiel der Engellän-
der resolviren die Caninichen fortzupflantzen,
weil sie sich selbst ernähren, ein schönes Fell ha-
ben, sich sehr multipliciren, und durch Hülfe erwehn-
tes Thieres aus ihren Löchern hervorgeragt
werden können.
/ §. 87.
/|P_410
/ ≥ §. 87. ≤
/Unter den Amphybien oder den Thieren, die sowohl
im Waßer als auf dem Lande leben können, sind zu
merken
/1. Die Fluß_Otter, sie sind in den Flüßen zu finden, gra-
ben sich Gruben von dem Ufer bis zu den Wäldern
und werden durch ihr Fell zu Bremen vor den Mü-
tzen brauchbar.
/2. Die Seeotter wird bey Camschatka gefunden
und hat ein so gläntzend schwartzes Fell, daß es
bis 40 %Reichsthaler kostet, haben übrigens Floßfedern
an den Füßen.
/3. Der Bieber hat vier Füße und einen Eyrun-
den Fischschwantz, de«m»n er beständig im Waßer
haben muß, auch Zähne die herausragen. Sie
sind jetzo seltener, als sie vordem waren. Die
Länder scheinen vormals alle mit Wäldern be-
dekt gewesen zu seyn außer den Sandwüsten
und Steppen, weil man überhaupt die neu
erfundene Gegenden voller Wälder antrift, weil
sich diese nachgehends vermindert haben; so mag es
auch wohl die Ursache von der Verminderung derje-
nigen Thiere, deren Aufenthalt der Wald ist, seyn.
/ Ihre
/|P_411
/Ihre Mode den Damm an den Ufern zu verferti-
gen, den sie von der Flußseite steil, von der Land-
seite aber abgedacht nach den Vorschriften der
Baukunst aufführen, ist sonderbar. Er hakt mit sei-
nen Zähnen den Baum um und führt ihn bis ans
Waßer, %und mit seinem Schwantz transportirt er den
Thon um, die Faschinen auszufüllen, baut sich dar-
auf ein Haus am Ufer mit zwey Etagen, damit
er nach proportion des Waßers seine Wohnung
verändern könne, %und eßen im Winter die Baum-
rinde.
/4. Die Meerkälber, Robben oder Seehunde werden
in der Ostsee %und besonders im Eismeer angetroffen.
/5. Der Wallroß oder Meerochs, welchen Namen er
aber keinesweges verdient, hat einen großen
Kopf %und hervorragenden Zähne, die aber unten
herabgehen, die Seebären %und Seelöwen werden
auch bey Camschatka angetroffen.
/6. Die Crocodillen sind äußerlich und innerlich mit
den Eydexen einerley, und nur der Größe nach
von ihr unterschieden, halten sich in Africa sel-
ten %und nur bey Cataracten häufig, %und sind in der
/ alten
/|P_412
/alten Welt das, was in der neuen der Alligaton
ist, %und daß der Schwantz des letztern herabhängt
%und eine etwas verschiedene Farbe hat. Gleichwie
aber die Natur so schädliche Producte nicht häufig
hervorbringt, also frißt der Ichnevmon oder Pha-
raonisMaus die Eyer «die Eyer» des Crocodills, %und die
Galinassen ein denen Gänsen ähnlicher Vogel die
Eyer des Aligatons auf, welche beide der Ausbrü-
tung der Sonne überlaßen %und in den Sand verscharren
/7. Die Schildkröten. Die Größten von ihnen sind
in Südamerica %und wiegen bis drey Centner,
haben so starke Knochen als ein Ochs, schwimmen
auf dem Waßer %und legen 2 bis 300 Eyer. Ihr
Fleisch soll wohlschmekkend seyn, %und den Pantzer
braucht man, wiewohl nur von den kleinen, zu
den Tobaksdosen und Uhrgeheisen p.
/ ≥ §. 88 Von den Fischen. ≤
/Ueberhaupt ist anzumerken, daß sowohl die wür-
kende Ursache als auch der Endzwek erfordern
daß in dem Waßer die größten Colossen gefun-
den werden, weil theils die Landthiere in selbiger
Größe durch ihr eigen Gewicht nach der Beobach-
/ tung
/|P_413
/tung des Gallilaei zerbrechen würden, theils aber
auch im Waßer leichter schwimmen %und der Füße ent-
behren können.
/1. Die Wallfische sind die größten Seethiere %und in
den Eismeeren am größten, vermuthlich deswegen,
weil sie schwammigt seyn %und in den heißen Zonen
zerschmeltzen werden. Die verschiedenen Arten
von ihnen sind: der Grönländische; der Nordcap;
der pottfisch; der Finnfisch; der Narval; der Schwerd-
fisch; Was das Zeugen dieser Thiere anbetrift,
so muß man einen Unterscheid zwischen Fischen,
die kalt %und heiß Blut haben, machen. In den süs-
sen Waßern haben sie alle kalt Blut %und unter
dieser Bedingung ist keine Beywohnung, sondern
das Weibchen läßt den Reggen fallen %und das Männ-
chen vermischt seinen auch damit, folglich geschie-
het die Befruchtung außerhalb dem Leibe. Dieje-
nige Fische aber, welche heiß Blut haben, gebären
lebendig, %und säugen ihre Jungen, dieses letztere
geschiehet mit den Grönländischen Wallfischen. Sie
haben einen ungeschikten Kopf, welcher 1/3 seiner
gantzen Länge, %und eine Dikke, welche im Durchschnitt
/ 2/3
/|P_414
/2/3 theil davon beträgt, hat kleine Augen, welche
nicht größer als eines Ochsen sind (wie überhaupt
die pupille, das Thier mag so groß seyn als es wol-
le, nicht groß sondern empfindlich seyn muß) an
der Seite starke Floßfedern, auf der Nase zwey
Blasen, aus welchen er mit einem großen Getöse
das Waßer in Gestallt zweyer Fontainen heraus
schießt, einen weiten Rachen, aber engen Schlund
dabey; endlich findet man auch bey ihm nicht Zähne,
sondern Barden an seinen Gaumen, welche wie
Schwerdter gelegt, %und oben mit Borsten versehen
sind, wovon man den Fischbein verfertigt. Seine
Nahrung ist eine Menge Gewürme, die sich zu gewis-
sen Zeiten ohne Zahl in den Eismeeren aufhalten
%und die er samt dem Waßer in sich schlukt, welches
letztere er aber vermittelst seiner Barden wie-
der aussprützen kann; weil nun diese Würmer
gantz thranigt seyn; so ist kein Wunder, daß er selb-
sten von solcher Art ist. Er hat eine große Force in
seinem Schwantz, welchen er horizontal nicht wie
die andern Fische vertical haben %und ist damit im Stan-
/ de
/|P_415
/de ein kleines Boot zu zerschmettern. Seine
Länge beträgt 80 bis 120 Fuß, %und wird von ihm nichts
als das Spek, deßen Absonderung von dem übrigen
Fleisch die Schiffer Flemsen nennen, nebst dem
Fischbein verbraucht. Der Wallfischfang ist sehr im-
portant, %und ein ordinairer von diesen Fischen lie-
fert bis 7.000 %Florin Einkünfte. Er wird im eigentlichen
Groenland oder Spitzbergen in der Davis %und Hut-
sons_Straße getrieben, wohin er sich im Som-
mer retiriret, sonsten aber im Winter bestän-
dig in den Eismeeren ist. Man fängt ihn folgen-
der Gestallt: Es wird ihm eine Harpune in den
Leib geworfen, welche an einem langen Kneul
Garn befestigt ist, hierauf fährt er mit grö-
ster Behendigkeit unter das Waßer, weil er
aber beständig Luft schöpfen muß, so kommt er
bald hervor, fährt wieder herunter, bis er end-
lich mit vielem Kreichen wiederum auf die Ober-
fläche des Waßers sich erhebt, man nähert sich
alsdenn mit Böten, versetzt ihm viele Lanzen-
stiche, bis das Waßer, das er aus den Blasen spritzt,
mit Blut vermengt wird, in welchem Fall er
/ bis
/|P_416
/bis aufs Leben verwundet ist. Die gröste Schwie-
rigkeit beym Fangen war vormals, wenn er sich
unter das Eis retirirte, jetzo aber weiß man die
Methode ihm auch alsdenn beyzukommen, nur muß
man sich vor den Eisstükken in Acht nehmen. Seine
Feinde sind die Wallfischlaus, welche sich an seine
Genitalia setzt, sonsten aber nicht größer als ein
Käfer ist; der Heyfisch, der Narval, welcher ihn
mit seinem gewundenen Horn durchläuft, %und der
Schwerdfisch, welcher seine Zunge verzehrt.
/Die andere Arten der Wallfische sind:
/a) Der Nordcap hat nur ein Blasloch im Nakken
frißt gerne Heringe, hat aber nicht so gutes
Spek, als die Grönländschen Fallfische.
/b) Der Finnfisch hat seinen Namen von der großen
Floßfeder«n» auf dem Rükken, %und führt schon Zähne
im Rachen
/c) Der Pottfisch, welcher einen Kopf in Gestallt einer
Flintenkolbe %und Zähne hat, dabey auch sehr lang ist.
Man findet bey ihm wohl eine Tonne Hirnöhl, wel-
ches man Wallrath nennt, streicht durch die Mittel-
ländische See, %und wird für den gehalten, welcher den
Jonas verschlungen.
/ d)
/|P_417
/d) Der Narwal hat ein gewundenes Horn, welches
5 bis 6 Schu lang ist, wiewohl auch einige 2 haben.
/e) Der Schwerdfisch hat einen hervorragenden
Zahn, der wie ein Schwerdt gestalltet ist, eine Art
von ihm ist der Säugerfisch.
/2 Die Seekuh wird bey Kamschatka %und den gros-
sen Antillischen Inseln angetroffen, haben vor-
ne statt der Füße zwey Stumpfen, ragen mit
ihrem Körper über die See hervor, den Kopf
aber tauchen sie unter das Waßer, sie nähren
sich von der Seeruthe, welches ein Seekraut
ist, %und haben ein sehr schmakhaftes Fleisch und
Butter, welche«r»s nicht so leicht in Fäulniß geräth.
/3. Der Hey oder See_Wolf hält sich in der spanischen
See, am meisten aber bey der Küste von Guine-
a %und der Schwartzen auf, hat einen langen Kopf
gleich einer Flintenkolbe, in seinem Rachen drey
Reihen Zähne, einen weiten Schlund (daher man
öfters gantze Matrosen in seinem Bauche ange-
troffen) eine Schnautze, die wohl einen Fuß über
seinen Rachen hervorragt, %und wodurch einigermaas-
sen die Seethiere vor diesem größten Raubthier
/ der
/|P_418
/der gantzen See gesichert seyn, eine große Force in
seinem Schwantz %und ist bis auf 50 Fuß lang. Er frißt,
ohne zu untersuchen, auf, was «¿st» ins Meer fällt, weil
beständig drey %und mehrere sich darnach reißen, indeßen
haben sie die Eigenschaft, daß sie wie der Stokfisch
ihren Magen auskehren %und reinigen können. Weil nun
diese Fische die Schiffe, sobald sie etwas gefreßen ha-
ben, was von ihnen ausgeworfen worden, von Afri-
ca bis nach America, wohin sie die Ladungen von den
Schwartzen, die sie in Guinea «ver»<ge>kauft, transportiren,
ver«ab»folgen, so ists auch leicht, sie vermittelst einer
Kette mit Wiederhakken, woran ein Stük Fleisch be-
festigt ist, zu fangen.
/4. Der Remora sonsten auch Säuger genannt, hält
sich bey den Küsten von Africa auf, %und ist derjeni-
ge Fisch, von welchem die Alten vorgaben, daß er
das Schif ohnbeweglich machen könne. Weil nun das
Schif, wenn der in dem Waßer befindliche Theil glatt
ist, geschwinder segeln kann; so geschicht es wohl
daß wenn sich eine große Menge von diesen Fischen
an das Schif ansaugen, %und daran hängen bleiben
der Cours langsamer ist.
/ 5.
/|P_419
/5. Der Mantelfisch ist eine große Rache oder Platt-
fisch, hat wie die Flunder nur auf einer Seite Au-
gen, sind groß %und haben einen der Peitsche ähnlichen
Schwantz, dabey den Perlenfischern sehr gefährlich
(die Flunder sind auf einer Seite gelb auf der an-
dern Schwartz)
/6. Der Seeteufel ist eine Art von Rachen, hat
Hörner %und Haare
/7. Der Zitter oder Krampfisch (Raga torpeda i. e. ei-
ne Rache) hält sich in den Africanischen Gewäßern
auf, %und theilt wenn man ihn berühret ziemlich
starke electrische Schläge aus.
/8. Der Zitteraal ist bey Surinam %und den Ameri-
canischen Gewäßern zu finden, hat die Gestallt
eines Aals %und hat folgendes merkwürdige
an sich: Wenn man ihn ohnmittelbar mit dem
Finger oder auch vermittelst einer metallenen
Stange berühret, so bekommt man einen höchst
empfindlichen Schlag, berührt man ihn mit einem
Spahn oder Holtz überhaupt, so ist er sehr wenig
merklich, nähert man sich aber ihm mit ei-
ner gläsernen Röhre oder Stange Siegellak,
/ so
/|P_420
/so bekommt man gar keinen. Bringt man an
ihn einen magneten, so wird er matt %und verliert
seine Kraft, bekommt sie aber wieder, wenn
man Eisenspäne auf den Grund schüttet, wenn
er endlich stirbt, so ist sie auch gar nicht mehr bey
ihm anzutreffen. Dieses sind aber Würkungen der
Electricitaet, %und hat also derselbe würklich eine
electrische Kraft, welche er nach seiner Willkür
ausübet (ob es gleich scheinen sollte, daß sie durch
mechanische Ursache, da er bey Anwendung der-
selben die Haut runtzelt, hervorgebracht würde)
%und wodurch er sich vor dem Anfall der Raubfische
wehren kann.
/9. Der Blaak oder Tintenfisch hat «e»in seinem Ma-
gen eine Blase, worin ein Tintenähnlicher Saft
aufbehalten wird, welchen er bey der Verfolgung
aussprützet %und den Raum verdunkelt %und sich dadurch
unsichtbar macht.
/10. Die Rotzfische sind gallert oder schleimartig,
scheinen keine Organisation zu haben, sind in die
Runde zusammengewunden, perlenfarb, zergehen
in der Hand, doch pflegen einige sehr starke Hi-
/ tze
/|P_421
/tze in derselben zurükzulaßen, sind in Bra-
silien.
/11. Die fliegende Fische zwischen den Tropicis, ha-
ben die Gestallt von den Heeringen, erheben
sich vermittelst den Floßfedern, die sie an ihrer
Seite haben, von dem Waßer in die Luft, wo-
durch sie der Verfolgung der Tropical_Fische ent-
gehen, wiewohl sie auch in der Luft an denen
Raubvögeln ihre Feinde finden.
/12. Der Meermensch hat nicht die geringste Aehn-
lichkeit mit dem Menschen %und ist ihm dieser Name
nur von denen beygelegt, welche glauben
daß alle Producte in der See seyn, die auf dem
Lande sich befinden. Er ist ein Plattfisch, wird
von den Portugiesen gegeßen, ist ein schöner
Fraß für den Hey %und säuget seine Junge, eine
Art von ihnen gehöret zu den drey Meerwun-
dern Pantoppidans [[Pontoppidan]], welche seine Erzäh-
lungen auf den Glauben der gemeinen Leu-
te gründet, welcher aber nebst den Alten
die wahrhafte Erzählung aus der Acht
ließen.
/ 13.
/|P_422
/13. Der Seewurm soll so dik wie das größte Wein-
faß, %und so lang seyn, daß er sich im Horizont verliert
soll sich an Norwegen aufhalten %und ist das andere
Meerwunder.
/14. Der Krack als das dritte Meerwunder soll
wenn er sich über die See erhebt, so groß als
eine Insel seyn %und eine ViertelMeile im Umfan-
ge haben, auch so aussehen, als wenn er mit kahl
gewordenen Bäumenstämmen besetzt wäre.
Man muthmaaßet, «s» daß selbst in den Scheeren
von Stokholm einer von ihnen anzutreffen sey
weil man bey Verfertigung eines Gartens in
dieser Gegend bald eine Insel zu sehen bekom-
men, welche bald aber wiederum verschwunden.
Weil nun die Fische den großen Seethieren eben-
so folgen, wie die Mükken den Menschen; so
meyet man, daß über ihn beständig ein gu-
ter Fischfang sey %und daß der Ort, wo er sich auf-
hällt, leicht aus der Tiefe des Loths im Meere zu
erkennen sey.
/15. Der Spritzfisch hält sich in den Surinamschen Ge-
wäßern auf %und von ihm ist die besondere Art sei-
/ ne
/|P_423
/ne Nahrung zu suchen anzumerken. Er hält sich nem-
lich am Rande des Ufers nahe bey einigen Ge-
büschen auf, wo sich nemlich vieles Gewürm, Flie-
gen %und Insekten aufhalten, sprützt darauf nur
einen Tropfen, womit er den Vogel gantz genau
%und accurat trifft, worauf er ins Waßer fällt %und
von ihm gefreßen wird. Auf dem Grunde des
Meeres befinden sich ohne Zweifel viele Thiere
die wunderbare Gestallten haben, als zE. die
Polypen mit unzählig vielen Füßen, ohne daß
man nöthig hat Meerwunder aufzusuchen;
allein es ist überhaupt zu merken, daß bey
Künsten %und Professionen, welche dem bloßen
Glükke unterworfen sind, der Jägerey %und der
Fischerey, der Aberglaube herschet, weil der
Ausgang der Uebernehmungen nicht auf gewis-
sen Gründen beruhet.
/ ≥ §. 89. ≤
/Hiebey sind die drey merkwürdigsten Fischfänge
anzumerken:
/1. Der Wallfischfang bey Grönland, Spitzbergen
/(§. praeced: N. I.)
/ 2)
/|P_424
/2) Der Heeringsfang. Die Heeringe halten sich im Eis-
meere auf, gegen den Sommer aber ziehen sie in
vier Heerden aus. Die erste hält sich an den Ufern
von Norwegen auf, gehet Drontheim, Bergen vorbey,
begiebt sich bey Gothenburg in den Sund %und von da zu-
weilen in die Nordsee. Die andere hält sich an den
Küsten von Schott- %und England besonders aber bey
den Orcadischen Inseln auf. Die dritte geht durch
St_Georgen_Canal zwischen Engelland %und Irland,
um welches letzteres endlich die vierte Heerde
herumgehet, sich mit den andern ohngefehr im
Novembr. vereinigt %und nach dem Eismeer zurük-
geht. Es entsteht aber die Frage hiebey: Warum
sich die Heeringe nicht hieher begeben, da doch zu ver-
muthen ist, daß daselbst eine erstaunliche Kälte an-
zutreffen? So viel ist gewiß, daß sich alle Fische nach
der Wärme hinbegeben, wenn wir nur betrachten.
wie in allen Siberischen Hütten anstatt der Fenstern
Eisstükke eingesetzt werden, welche nicht abschmel-
tzen, weil die äußere Kälte der innern Wärme
genugsamen Wiederstand leisten kann, sondern
vielmehr die Wärme erhalten %und das Licht durch-
/ laßen
/|P_425
/laßen, so könnten wir leicht auf die Vermuthung
gerathen, daß in der Tiefe des Meeres beständig ein
dem Zustande auf der Oberfläche der Erde entge-
gengesetzter Zustand anzutreffen, %und daß wenns o-
ben frieret, unten warm werde et vice versa.
Bey Farmouth wird der große Fang von den Hol-
ländern in der JohannisNacht precise nach 12 Uhr
in der Nacht, wozu ein Zeichen mit der Kanone ge-
geben wird, angefangen, %und eine gantze Zeitland
fortgesetzt, weil sich diese Fische daselbst Gantz dicht
auf einander drängen, so daß kein Mangel an
ihnen wahrzunehmen, müßen aber auf Befehl ih-
rer Regierung, folglich auf dem Schiffe von dem
Eingeweide gereinigt %und eingesaltzen werden,
damit der Credit der Holländschen Heeringe, als
wodurch ihr guter Geschmak befördert wird, un-
terhalten werde. (Der Kopf, als in welchem das
Hirnöhl thranicht ist, %und sich durch den gantzen Hee-
ringsKörper ausbreitet, müste weggeschnitten
werden) Es wird auch dieser Fang bey der Rük-
kehr der Heeringe wiederhohlet, woher die herbst-
/ heringe
/|P_426
/heeringe zu uns gebracht werden. Die Holländi-
schen Heeringe sind die besten. Wie sie aber nach
America hinkommen ist unbekannt.
/3. Der Stokfischfang bey Terra neuwe, wohin sich
sehr viele Spanische, Französische %und Engelländische
Schiffe hinbegeben. Sonsten müßen die Cabliau
%und Stokfische nicht für verschiedene Arten gehal-
ten werden. Die DoggensBänke in der Nordsee
ist auch deswegen zu merken.
/ ≥ §. 90. ≤
/Jetzo folgen die Thiere, welche weder zum Ge-
würm noch zu den Fischen gezählet werden können
wozu
/1) Die Schlangen gehören; von ihnen ist das Gift
besonders merkwürdig, welches nirgends als
in einer offenen Wunde schädlich ist, sie mag so
klein seyn als sie will zE eine Ritze in der Hand
daher auch Mead ein Artzt von London die Pro-
be gemacht es zu trinken, man kann sich auch da-
mit die Hände reiben, soviel als man will. Wie
aber führen die Lymphadischen Gefäße unter der
Haut, wodurch der Schweiß herausgehet, daßelbe
nicht zum Hertzen, da man doch vermittelst der-
/ selben
/|P_427
/selben allerhand Fluida in den Curen in den Leib
bringen kann? Einige «u»muthmaaßen, daß sie die
merkwürdige Eigenschaft vor allem was dem Men-
schen schädlich seyn kann sich zu verschließen %und den-
jenigen was ihm nützlich ist sich zu eröfnen haben.
Sie haben Zähne in dem Munde, welche sie als die
Katzen ihre Sporen zurüklegen können. Ihre lieb-
ste Speisen sind die Eidexen, weil dieselben lang
sind %und ihnen nicht viele Mühe herunter zu schluk-
ken «z» machen, welches auch die Frösche thun. Weil
sich diese Thiere (sc: Eidexen) nun vor dem Menschen
eben so sehr fürchten als vor den Schlangen, so
kann man sicher urtheilen, daß wenn sie auf
ihn im Schlafe läuft, eine Schlange sie verfol-
gen müße, weil sie vor Angst ihre Furcht ver-
gist. Die vornehmsten unter ihnen sind die
Klapperschlangen, sie haben hinten biegsame
Gelenke, die von Knochen %und mit einer dünnen
Haut überzogen sind, welche bey der gering-
sten Bewegung außer bey Regenwetter, als
zu welcher Zeit die Wilden in die Wälder flie-
hen, ein Getöse machen, sie halten sich in Ameri-
/ ca
/|P_428
/ca auf %und haben röthliche, fürchterliche %und so frap-
pante Augen, die den Menschen starr ansehen, daß
derselbe in Ungewisheit geräth, ob er fliehen
oder stehen soll. Sie werden von den Schweinen
für welchen sie sich auch fürchten, gefreßen,
welches ihnen nicht schaden kann, weil das Gift
in ihre Spekhaut tritt. Sonst sind die Schlangen
alle gallertartig, welches auch nöthig ist, da-
mit die flüchtigen Sachen als das Gift ist, nicht
verfliegen, sondern durch das zähe, von wel-
cher Art der Gallert ist, zusammen«¿»gehalten
werden möge. Diese Schlangen sind bis 30 Fuß
lang. Man hat auch die Beobachtung gemacht,
daß wenn gleich die Vögel %und Thiere in Sicher-
heit sind, sie sich «sie sind» dennoch ängstlich ge-
berden %und so lange Bewegungen machen, durch
die sie aber immer näher an die Schlange kom-
men, bis sie von ihr erreichet %und gefreßen wer-
den können, da nun die Schlange sehr langsam
ist %und keine große Sprünge machen kann; so ist
es wunderbar, wie solche geschwinde Thiere ihnen
zum Raube werden müßen; allein da sie zu der-
/ selben
/|P_429
/selben Zeit sehr stinken, so ist es sehr wahrschein-
lich, daß dieser Gestank sie benebele. Es giebt
in Nordamerica eine Art Schlangen, welche durch
die posteriora sich in die Eingeweide schlupfen
%und also erschrekliche Schmertzen anrichten. Eine
andere Art von ihnen ist so schnell, daß sie mit
der grösten Behendigkeit über die Flüße setzen
%und den Menschen in der Flucht bald einhohlen kön-
nen, jedoch ist ihr Biß nicht giftig. Was den Schlan-
genstein anbetrift, so ist derselbe eine Arbeit
der Indianischen Braminen.
/2. Die Scorpionen halten sich in allen warmen
Ländern besonders aber in Italien auf, se-
hen wie kleine Krebse aus, %und haben an ihrem
Schwantze einen Haken, womit sie die Stiche
versetzen, welche doch aber nicht tödtlich sind,
ob sie zwar große Wundfieber verursachen.
Das ScorpionenOehl in Italien ist wieder die-
selbe sehr vortreflich.
/3. Das Chamaeleon ist größer als eine Eidexe,
sieht derselben gleich aus %und ist dabey auf
vielfältige Art flekkigt. Man berichtet von ihm,
/ daß
/|P_430
/daß er alle Farben, welche die Gegenstände an
sich haben, die er ansichtig wird, annehme, welches
aber ungegründet ist; sondern er kann die Säfte
in seinem Cörper nach Belieben ausbreiten und
dadurch verschiedene Farben außer dem recht rothen
%und gantz grünen annehmen. Wenn er munter ist,
so verändert er die Couleur augenbliklich, wenn
er aber böse wird, so siehet er aschgrau aus, wo-
bey er aber noch einmal so dünne wird als vorher@o.@
/4. Der Salamander hat zur Seiten Drüsen, worin-
nen ein zäher Schleim enthalten ist, vermittelst
deßen er die Kohlen auslöschen kann, wenn er
aber länger über ihnen gehalten wird, so muß
er verbrennen, dahero die Nachricht falsch ist, daß
er ein Thier sey, welches im Feuer leben kann.
/ ≥ §. 91. ≤
/Jetzo kommen wir auf die Thiere, die im Meere
sich aufhalten %und schaalicht seyn. Diese Schaalen
sind alle kalkartig, weil die Grunderde des
Meersaltzes kalkartig ist, so daß man aus den
Austerschaalen Kalk brennen kann, wiewohl
/ sie
/|P_431
/sie auch zu absorbentiis wie die «¿»Eyerschaalen
gebraucht werden. Hiezu rechnen wir
/1. Die Purpurschnekken. In ihnen findet man den so
genannten Purpursaft, wiewohl nur in wenig
Tropfen, Fäden, die damit gefärbt werden, %und der
Luft exponirt sind, werden anfänglich weiß,
denn grünlicht, zuletzt aber roth, daher zu glau-
ben ist, daß sehr viele Luftpartikkelchens dazu con-
curriren müßen, um diese Couleur hervorzu-
bringen. Weil nun sehr wenig von diesem Safte
zu haben ist, so ist kein Wunder, daß bey den Alten
der Purpur so kostbar gewesen, daher er zu ih-
ren praetextis in wenigen Streifen gebraucht wor-
den, wiewohl Winkelmann glaubt, daß wir vom
Purpur der Alten gar keinen Begrif haben, indem
der Mantel eines Triumphators, welcher in einem
unter dem Schutte von Herculeneum gefundenen
Gemählde Al Fresco die Farbe der Weintrauben,
wenn sie im Winter zerfroren sind, an sich hat-
te, da doch diese Bilder noch jetzo ihre wahre Far-
ben an sich behalten %und der Mantel eines Trium-
phators Purpur war. Sie werden an den Küsten
von Malago %und Mexico angetroffen.
/ 2)
/|P_432
/2) Die Perlenmuscheln. Obgleich dieselbe im Elster-
strom in Sachsen, in Schweden im Peipussee gefun-
den werden, so sind sie doch weit häufiger, «¿»schöner
%und größer an den Küsten von Mexico, wiewohl sie
daselbst eine irregulaire Figur haben. An den Kü-
sten von Ceilon %und Capo Camorin, wiewohl sie nicht
daselbst sehr groß sind, %und endlich im Persischen
Meerbusen, woselbst die grösten und schönsten an-
getroffen werden, welche Fischerey vormals der
König von Persien gehabt, jetzo aber von den See-
räubern sehr zerstöhret ist. Sie sitzen gemeiniglich
in dem Fleische dieser Muscheln %und können wie es auch
die Holländer thun, am besten durch die Fäulniß,
in welche man dieses Thier gerathen läßt, wenn
es der Sonnenhitze exponiret wird, gesamlet wer-
den. Es giebt von ihnen sieben Sorten, die ihrer
Größe nach unterschieden seyn, %und durch aparte le-
derne Stäbe abgesondert werden, von denen die
kleinste nicht größer als ein Saame ist, woher er
auch nur zu den Artzeneyen gebraucht werden
kann. Wenn nun das Auswerfen der Perlen ei-
ne Krankheit der Muscheln ist, so laßen sie diesel-
/ ben
/|P_433
/ben nicht öfters fallen, welches zu befördern
Linnaeus eine sichere Manier soll erfunden haben,
wofür er von der schwedischen Regierung in den
Baronen_Stand erhoben worden, jedoch ist dieses
Geheimnis noch nicht bekannt. Man verfertigt
auch falsche Perlen, die aber dieselbe Couleur als
sie haben. Weil nemlich die Fischschuppen aus gantz
subtilen Blattchens bestehen, so läßt man sie
im Waßer auflösen, %und füllet diese Mixtur in
ein hohles gläsernes Kugelchen, welches an zween
Enden eine Oefnung hat, worauf sie sich an ihm
ansetzet, %und der übrige Raum mit Wachs ange-
füllet wird.
/3. Die Pinna marina, eine Art von Muscheln, die in
Sicilien angetroffen wird, eine braunliche Seide
spinnet %und die man besonders in Palermo zu Strüm-
pfen, weil sie für kranke Füße sehr zuträglich
seyn sollen, gebrauchet.
/4. Die Nautelus oder Spikantel ist sehr zierlich
gewunden, so daß das eine Ende der Windung wie-
der in die Schaalen zurükläuft, sie kann das
/ Waßer
/|P_434
/Waßer durch eine Ritze in der Schaale auspompen,
steigt darauf in die Höhe, spannt ihre Füße als Ru-
dern aus, gebraucht ihren Schwantz statt eines
Ruders %und seegelt auf solche Art auf dem Waßer
senkt sich aber sogleich, wenn Gefahr vorhanden
zu boden.
/5. Die Wampons, in Indien sind Muscheln, die an ih-
ren «f» Ekken violet aussehen, sie formiren selbi-
ge in Cylindern, werden an gantzen Schnüren be-
festigt, %und machen das Geld der Indianer aus.
/Sonsten ist anzumerken, daß man öfters in den
Steinen Muscheln findet, wie dieselben sich ohnge-
fehr erhalten, ist wegen der Zwischenräumen des
Steins einigermaaßen zu begreifen, wie aber
selbige hineingekommen, ist schwerer einzusehen,
da man auch bey Bearbeitung des Marmors
lebendige Frösche zuweilen darinnen antrift,
die folglich zur Zeit der Entstehung des Marmors
von demselben %und also vielleicht vor vielen hun-
dert Jahren eingeschloßen worden, so muß man
auf eine ähnliche Entstehungs_Art schließen. Man
sagt auch ferner von einigen Muscheln, daß sie auf
/ den
/|P_435
/den Sträuchen wachsen, allein es hat folgende
Bewandniß damit: An den Schottländischen Küsten
werden Muscheln Bernakens nennen, mit wel-
chem Namen auch eine Art von Enten daselbst
belegt wird, von der Fluth auf die Sträuche
angespühlet, %und weil selbige durch die Eröfnung
der Schaale sich daran kneipen, so werden sie
von der Fluth zurükgelaßen. Uebrigens ist ei-
ne Art von Muscheln die wie Müntzen aussehen,
«A» Cauris oder Schlangenköpfe genannt, %und in Un-
garn auf die Pferdzäume gesetzt werden. In Ostin-
dien werden sie statt Geldes gebraucht, von denen
10 auf unsern Schilling gehen.
/ ≥ §. 92. ≤
/Denn folgen in unserer Ordnung die Insecten,
deren ein Theil nützlich, der andere aber schäd-
lich ist. Zu den erstern können wir bey uns die
Bienen, %und besonders diejenigen Insecten, von
welchen die Farbe herkommt, rechnen. Hiezu gehören
/1) Die Cochenille, welches ein Seidenwurm ist
/ %und
/|P_436
/%und von welchem die beste rothe Farbe nächst dem
Zinnober herkommt.
/2) Ein Wurm, von welchem der Kermeskorn, wel-
cher gleichfals eine sehr schöne rothe Farbe giebt,
herkommt. Die Kermeskörner sind Galli auf
den arabischen Bäumblättern, die Galli aber sind
Auswächse der Blätter, wenn sie von einem Wurm
gestochen werden, wodurch sie nemlich die Fasern
des Blatts zerschneiden, ihre Eyer einlegen, %und wenn
daraus eine Mode wird, die Fasern über sie wach-
sen, %und indem diese größer wird, sie auch zunehmen,
auch wenn sie endlich herausbricht, eröfnet werden.
/3. Der Gunmilac. wird von gewißen Ameisen in Ben-
galen, die ihre rothe Eyer in Zellen legen %und darauf
zermalmet werden, gebracht, %und ist eine sehr schö-
ne Farbe.
/4. Der Cypriticus in Cypern, welcher die Feigen sticht,
wodurch sie süß werden, daher sie auch von den Ein-
wohnern mit Fleiß auf diese Bäume gesetzt wer-
den. Die Ursache davon scheint diese zu seyn, daß
da der Raum, durch welchen der Saft zu laufen hat,
verkürtzt wird, er schneller circulire.
/ Zu
/|P_437
/Zu den schädlichen aber zehlen wir:
/5. Die Heuschrekken; welche sich in OberEgypten
%und Arabien aufhalten, zuweilen aber ihre Woh-
nung verändern, «dabey aber ihre Wohnung ver-
ändern,» dabey «aber» ihren Cours beständig von
Süden nach Norden halten %und blos durch die Gebir-
ge davon abgelenkt werden. In den Ländern
wo sie häufig sind werden sie gegeßen
/6. Die TarantelSpinne ist häufig in Apulien, wo-
her sie auch den Nahmen von Taranto einer Stadt
die darinnen liegt bekommen. Durch ihren Biß
sollen alle Menschen einen gewaltigen Instinct
zum Tantzen bekommen, allein diese Tantzsucht
ist würklich eine Tantzsucht, die sich aus einer gros-
sen Melancholie originiret. Sonsten ist das Tan-
tzen sehr natürlich, wie wir denn auch sehen, daß
bey einer wohlgespielten Polonoise durch das
Zupfen der Nerven derjenige der nicht tantzen kann,
dazu gereitzet wird. Die ernsthaften Spanier
selbst sind dem Tantzen sehr ergeben, %und die Negers
lieben ihn gar zu sehr. Der Spanier Tantz wird
Fandando_Tantz genannt.
/ 7.
/|P_438
/7. Die NervenWürmer werden bey den Negers ange-
troffen, setzen sich unter die Haut der Füßen, %und müs-
sen behutsam ausgezogen werden, damit nicht ein
Theil von ihnen stekken bleibe, wodurch denn der kal-
te Brand verursacht wird, weswegen sie auch äus-
serst gefährlich werden.
/8. Die Moskitos, eine Art Mükken sind in den heis-
sen Ländern, Nordamerika %und Lappland in gantzen
Heeren anzutreffen, ja wenn an letztern nicht
eine so erstaunende Menge von ihnen anzutreffen
wäre, so würde der Zustand ihrer Einwohner er-
träglicher seyn. Ihre Rennthiere werden dadurch
verscheucht, gerathen dadurch in die Wildniße, und
werden den Wölfen zu Theil, deren Gerippe aber
allemal mit dem Kopf nach Osten %und dem Schwantz
nach Westen zu liegend gefunden wird.
/9. Die weißen Ameisen in Wüsten von Africa und
America sind größer«e» als die andern, wohnen in Zel-
len, die wie Kugel aussehen %und mit Thon überzogen
sind, %und bekommen zuweilen eine Lust zu marchiren
wodurch denn alles was sie finden verzehret wird
zE Ochsen.
/ §. 93.
/|P_439
/ ≥ §. 93. ≤
/Den Beschluß des Thierreichs machen die Vögel, un-
ter diesen sind die merkwürdigsten:
/1) Der Straus hält sich vorzüglich in den Sandwü-
sten auf, ist der gröste Vogel, doch sind ihm seine
Flügel nicht zum Fliegen, sondern nur zum schnel-
len Laufe gegeben, indem er durch das Ausspan-
nen derselben dem Winde die Forçe ihn zu bewe-
gen giebt, %und wenn keiner ist, durch das Bewegen
derselben einen erregt, hat aber in denselben
eine große Forçe, wie auch in seinen Klauen, durch
welche er Menschen %und Thiere aufzureißen im Stan-
de ist. Er wird von den Arabern mit Windhunden
gehetzt, %und von ihm werden insbesondere die fei-
nen Federn zu Plumen verbraucht. Wenn er seine
Flügel ausspannt, so beträgt seine Breite wohl
30 Fuß; sein Fett wird durch eine Wunde, die man
ihm am Halse beybringt, durch vieles Schütteln
herausgepreßt %und ist zu Artzeneyen nützlich. Ist be-
sonders in Africa, wenig in Asia %und gar nicht in Ameri-
ca anzutreffen. Hat einen langen Hals.
/ 2)
/|P_440
/2) Der Casaar kann auch nicht fliegen %und sieht im
übrigen gantz schwartz aus, legt seine Eyer in
den Sand %und ist nach dem Straus unter den Vögeln
am grösten, wird in America besonders aber in
Chili angetroffen.
/3. Der Condor ist der gröste von allen Vögeln die
da fliegen, wird in America angetroffen, ist im
Stande Kälber, Lämmer auch wohl kleine Kin-
der mit sich in die Luft zu führen. Die America-
ner berauben ihre Nester wegen des vielen Wild-
bretts gern, so sie ihren Jungen zuführen %und dar-
innen finden. Doch scheint der Lämmerreicher
in der Schweitz ihm nicht viel nachzugeben.
/4. Der Colibri ist der kleinste Vogel unter allen
%und ist wegen seiner schönen Gestallt lieblich, hat
allerley schöne Farben %und soll in Südamerika
auch singen können, welches aber vielmehr we-
gen seines kleinen Schnabels ein Pfeiffen seyn kann.
/5. Der Pfau ist wenn er sich ausgebreitet hat sowohl
wegen seiner Figur als auch wegen der schönen
Farben der schönste Vogel unter allen, wird aus
/ Asien
/|P_441
/Asien gebracht, da im Gegentheil die Calecutischen
Hüner aus America kommen
/6. Der Paradies_Vogel ist braun %und auf andere Art
flekkicht %und wegen seiner schönen Gestallt von den
Americanern zum Kopfputz gebraucht, %und weil
sie ihm nothwendig des wegen die Füße abschnei-
den müßen; so ist der Wahn in Europa entstan-
den, daß sie gar keine Füße haben.
/7. Die goldnen Hüner sind in China %und eine Art
Fasanen werden wegen der Goldfarbenen Fe-
dern, die überdem viele andere Arten von
Schattirungen haben, sehr hoch geschätzt.
/8. Der Pelican wird in den nordlichen Ländern
der Hutsonsbey, in Africa p angetroffen, hat ei-
nen breiten aber langen Schnabel, unter dem
Halse einen Kader, in welchem er vieles Was-
ser aufbehält, %und welchen er im Fall der Noth
mit seinem Schnabel eröfnet, bey welcher Ge-
legenheit auch zuweilen Blut mit unterlaufen
kann, welches er aber keinesweges für seine Jun-
gen vergießt, indem es ohnedem eine schlechte Nah-
/ rung
/|P_442
/rung für sie abgeben würde. Die Tiger stellen
wegen dieses Waßers, wenn sie vom Durst ge-
plagt werden, den jungen Pelicanen sehr nach %und
suchen sie auf allen Bäumen auf.
/9. Der MeerAdler. Von <ihm> ist anzumerken, daß er in
einer großen Höhe einen Fisch in mittelmäßiger
Tiefe des Waßers gewahr werden kann, mit ei-
ner sehr großen Behendigkeit auf ihn schiest %und in
die Luft mit wegführet, weil er nun mit seinen
scharfen Klauen tief in das Fleisch einhakt, so wird
er öfters von einem Fisch der schwerer als er ist,
mit auf «das» den Grund des Waßers gezogen, kann
auch leicht durch ein Brett auf welchem Fische
genagelt seyn, gefangen werden.
/Bey diesem VögelGeschlecht ist noch merkwürdig
/1) Daß einige Arten von Vögeln gewiße Länder
zu ihrem festen Sitze haben, wie in Huanas eine
Art von Gänsen eine Insel Chili gegen über gantz
allein bewohnen, daher dieselbe auch öfters zwey
Fuß Mist über sich hat, welchen die Spanier zum
Akkerbau gebrauchen %und von den Holländern dat
beschetene Eyland genennet wird.
/ 2)
/|P_443
/2) daß der Ort des Aufenthalts derjenigen Vögel,
die sich im Winter fortmachen, schwer zu bestim-
men sey, soviel will man bemerken, daß zu der
Zeit, wenn hier die Schwalben ausziehen, in Afri-
ca gantze Heeren von ihnen ankommen %und ist auch
solches bey Vögeln, die einen geschwinden Flug
haben zE denen Störchen leicht einzusehen, nicht
aber bey denen die einen schweren Flug haben
zE Wachteln. Andere Vögel scheinen sich den Win-
ter über zu verstekken %und in einer Art von Be-
täubung zu liegen, wie die Lerchen, die bey kal-
tem Wetter gleich unsi«¿»chtbar werden, beym war-
men aber «¿»eben so geschwinde wieder hervorkom-
men. Diejenigen Schwalben aber, welche aus
dem Waßer herausgezogen werden %und wieder-
um aufleben, bald hernach aber völlig crepiren
sind verunglükte Schwalben, die wegen Kälte
des Waßers einige Funken des Lebens behalten
haben.
/3. Die Reyherbeytze, welche in Daennemark von den
Falken, denen man bis zu der Zeit, daß sie aufstos-
/ sen
/|P_444
/sen sollen, eine Kappe vorhängt und auf der Hand
trägt, veerichtet wird. Ehe sie zu dieser Jagd fä-
hig sind, müßen sie abgetragen werden (wenn
man sie drey Tage und drey Nächte nicht schlafen
läßt, wodurch sie ihren thierischen Zustand ver-
geßen, sich dem Menschen accommodiren und
nach ihrer Art verrükt werden.) Es muß a-
ber solches alle Jahr, wenn sie Federn be-
kommen, wiederhohlet werden. Wenn er
auf den Reyher losgelaßen wird, so fliegt
er in Schraubengängen über ihn, und stößt
auf ihn, wodurch er gefangen wird. Auf die-
se Art könnte man auch durch Habichte Reb-
hüner fangen, weil sie sich wie alle Thiere
vor ihres gleichen mehr als vor den Menschen
fürchten, und sich sogleih, wenn sie ihn ansichtig
werden, auf die Erde sinken.
/ ≥ Artic: III. Von den Pflantzen.
/ §. 94. ≤
/Wenn wir von den Bäumen, Pflantzen reden wol-
len, so müßen wir folgende allgemeine Bemer-
/ kungen
/|P_445
/kungen voranschikken
/1) daß in der Zona torrida alle Bäume %und Pflan-
tzen höher als in den temperatis seyn, %und daß
sie immer kleiner werden, je weiter es nach
Norden geht, bis in der Breite von 75 Grad auch
kein Gras mehr gefunden wird, daher dieses
in Groenland ein großer Articel des Handels
ist.
/2) daß in der Zona torrida die Bäume aus dich-
terem Stoffe als in den temperirten bestehen
zE der Eisenbaum.
/3) Daß die Gewächse mehr Saft haben, aromati-
scher, aber auch andere giftiger in der Zona
torrida als in der temperirten seyn, wenn sie
nemlich zu einer Gattung gehören, welches
auch bis auf die Schlangen gehet.
/4) Daß aber dennoch unter allen Gewächsen
die Getreide und Grasarten die besten Nah-
rungsMittel seyn, wie auch
/5. die Menschen %und Thiere von einer Gattung
in den temperirten Zonen beßer als in der
Zona torrida seyn; %und zwar vermuthlich des-
/ wegen
/|P_446
/wegen: In der Zona torrida sind die Knochen der
Menschen %und Thiere sehr der Alcalescentz, die Früch-
te aber wiederum der Säure ausgesetzt, wie denn
das süße selbst ein saures mit öhlichten Theilen ver-
mengt ist; Wenn nun die Beförderung der Alcale-
scentz den Thierischen Körpern den Untergang
zuziehet, die Pflantzen aber der Fäulniß exponi-
ret; so ist leicht einzusehen, daß sie in den tempe-
rirten Erdstrichen dauerhafter seyn werden als
in der torrida.
/ ≥ §. 95. ≤
/Wenn nun die Frage entstehen sollte: Welches das
erste NahrungsMittel des Menschen gewesen?
so müßen wir sagen, daß dasjenige, deßen Zube-
reitung die wenigste Mühe gekostet, es gewe-
sen sey. Da nun das Kräuterlesen viele Mühe
kostet, indem die Kräuter, weil sie auf dem Bo-
den seyn, des Menschen Aufmerksamkeit nicht
auf sich ziehen; die Jägerey %und Fischery aber,
wie auch das Zähmen der HausThiere viele Kunst-
griffe %und das Bebauen des Akkers anhaltenden
/ Fleiß
/|P_447
/Fleiß und Arbeitsamkeit erfordern, so können
es diese nicht, sondern vielmehr die Baumfrüch-
te gewesen seyn; die durch ihren Geruch den Men-
schen zum Genuß werden angereitzet haben,
dahero ist auch zu vermuthen, daß die ersten
Menschen entweder in der Zona torrida selbst
oder nahe bey derselben müßen gelebet haben.
/ ≥ §. 96. ≤
/Erstens sollen diejenigen Bäume und Kräuter
vorgetragen werden, die ihres allgemeinen
Gebrauchs wegen merkwürdig seyn, %und dahin
gehöret,
/1) Der Baum, welcher die Brodtfrucht trägt, wird
in den latronischen Inseln angetroffen, seine
Frucht siehet wie ein ausgestopfter Ball aus,
%und hat, wenn sie noch roh ist, den Geschmak eines
Semels, einen viel beßern aber, wenn sie et-
was gebraten ist.
/2) Der Wunderbaum, seine Früchte sehen wie Be-
cher aus, der oben einen Dekkel hat, diese sind
voll Waßer, welches sie, wenn sie reif sind %und ihren
Dekkel eröfnet haben, ausgießen.
/ 3.
/|P_448
/3. Das BambusRohr, wächst sehr gerade, wenn es
jung ist, so wird es zu Pfählen der Häuser auch
zu den Dekken derselben, wie es in Siam geschie-
het gebrauchet, wenn es aber älter wird, zu
Mastbäumen %und von den Wilden zu Kähnen employrt.
/4. Der Wachsbaum ist mit dem folgenden in Chi-
na anzutreffen. Das Wachs kommt aus den Blät-
tern dieses Bäumes, wenn sie von einem Wurm
gestochen werden: Das Wachs ist zarter als das
Baumwachs.
/5. Der Talgbaum. Der Talg wird wie auch die Früch-
te des folgenden Baumes, welchen die Einwohner
zum Brennen gebrauchen, so praeparirt: Man
nimmt nemlich die Schaalen der Früchte ab, kocht
den Kern %und schöpft die fettigte Materie, die oben
schwimmt, ab.
/6. Der Seifenbaum. In Mexico ist er wegen der Sei-
fe, die er den Americanern liefert berühmt.
/ ≥ §. 97. ≤
/Jetzo folgen die Bäume von der Palmenart, welche
alle keine Aeste haben, sondern deren Blätter krum
/ in
/|P_449
/in die Höhe gehen %und die Früchte unmittelbar
aus dem Ende des Stammes wachsen. Es giebt
viele derselben zE, aus welchen der Palmen-
wein, die Drachencouleur, die roth ist, %und in der
Gestallt eines Schweißes aus dem Baum hervor-
kommt, geschöpft werden. Doch sind folgende die
merkwürdigsten:
/1) Der Dattelbaum in Oberegypten, seine Früchte
sind wenn sie getroknet werden, gar zu süß,
roh aber angenehmer.
/2) Der CocosBaum. Seine Früchte sind zu allem
zu gebrauchen, die Schaale nach Beschaffenheit
des Alters der Nuß, dient bald zu Löffeln, bald
zu anderem Geschirr, sein Saft giebt eine an-
genehme Milch, der Kern eine wohlschmekken-
de Nahrung, sein Bast wird zu Kleidern, seine
Blätter aber zu Tischtüchern gebraucht.
/3. Der Sego_Baum, wird mit zu den Palmbäu-
men gerechnet, ob er gleich Aeste hat. Die SegoGrü-
tze, die man nehmlich gekörnet hat, ist das ange-
nehmste Eßen, welches man auch bis zum letzten
/ Augenbl.
/|P_450
/Augenblikke des Lebens zu sich nehmen kann.
Ist in Molucco %und Java %und quillt eine leimigte
Materie hervor.
/ ≥ §. 98. ≤
/Jetzo folgen die übrigen merkwürdigen Bäu-
me:
/1. Der Baumwollenbaum. Die Baumwolle wird
in den Fächern der Nüße, die er trägt, nebst den
Saamen gefunden, ist eigentlich in Africa, jetzo
aber fast allenthalben zu finden.
/2) Der Firnißbaum, aus welchem der Firniß, wel-
ches ein schwartzer Saft ist, so von den Chinesern
%und Tongasen zu überziehen der Stökke gebraucht
wird, zwar nicht gläntzt, aber doch beständig dau-
ret. Sein Saft ist giftig.
/3. Der CampeschenBaum, von welchem die blaue
Farbe kommt %und der Fernambuk, von welchem die
rothe herkommt.
/4. Der Eisenbaum, deßen Holtz so hart ist, daß davon
die Schwerdter von den Indianern verfertigt wer-
den %und auch eines Menschen Arm zu zerschlagen
im Stande sind. Der Sandelbaum in China, das
/ Para
/|P_451
/ParadiesAlöes, AdlerHoltz p sind die besten Hol-
tze in Indien.
/5. Der Balsam_Baum. Der Balsam, den man von
ihm bekommt wird in den Arabischen %und Ostin-
dischen eingetheilt %und dieser letztere wird
entweder aus Mexico oder Pola gebracht.
Der beste ist der Meccanische, der aber in den
Hanems verbraucht wird %und selten zu haben
ist. Außer diesem Baumbalsam ist der Mine-
ralische zu merken, welcher aus den Felsen quillt,
ist ein vortrefliches Wundmittel, ist aber
selbst in Cairo selten zu haben.
/6. Der Drachenbaum, welcher ein Gummi oder
röthliches Oehl schwitzt, hiebey ist der Unterschied,
welchen man zwischen dem Gummi %und der Resina
macht, zu merken, jenes kann man nemlich
in Waßer, dieses aber nur durch flüchtige Oehle
auflösen. Die folgenden Gummi sind die merk-
würdigsten: Das Gummi_«¿»Copal, welches im
Sunde gefunden wird, %und dem Bernstein sehr
nahe kommt, das Gummi_Arabicum, welches
/ aus
/|P_452
/aus Aethiopien kommt %und im Fall der Noth von
den Schwartzen %und Nubiern statt Eßen %und Trinken
gebraucht wird, und Hunger %und Durst stillen kann,
endlich das Gummi von Senegal.
/7. Der Kampferbaum ist aus Borneo %und schwitzt
aus seinen Blättern den Kampfer aus, welches
auch sonst aus den Aesten der Bäume quillt, doch
ist ersteres weit theurer.
/8. Eine Art von Eschenbaum in Calabrien, welcher
den Manne schwitzt, %und ein anderer auf der In-
sel Chio, welcher den Terpentin quillt.
/9. Der Loxa (spanisch Locha) ist ein Baum von
welchem die Oberrinde genommen wird. Hiebey
ist der Gumay oder das FrantzosenSaltz, %und der
Sassafras, welches eine Wurtzel von einem flo-
ridanischen Baume ist, zu merken.
/10. Die Planteins ist ein sehr hohes %und wie ein Baum
gestalltetes Kraut_Gewächse, welches aber die
Eigenschaft der Kräuter hat, daß es alle Jahre ver-
welkt, tragen 50 bis 60 Gewächse in Gestallt der
Gurken, welche für eine große Delice gehalten
/ %und
/|P_453
/%und bey den Arabern Musa genannt werden.
/11. Der CaffeéBaum sieht wie ein Kirschenbaum
aus %und seine Früchte, deren Kern die CafféeBohnen
sind, sind roth wie Kirschen. Er wächst eigentlich
im Lande Gemen in Arabien, welche unter dem
Nahmen der Levantscher Cafféebohnen bekannt
seyn %und die besten sind, von hieraus haben die
Frantzosen dieselbe vor ohngefehr 100 Jahren
nach Martinique %und Guadeloupe gebracht,
allda sie zwar sehr gut fortkommen %und fast das
gantze Europa damit versorgen, aber dennoch
die wenigste Güte haben;
ob der Caffée nützlich
oder schädlich sey? Alles das was wir @C@onsu-
miren, theilet sich in Nahrungs_Mittel %und in
Gifte ein. Jenes macht einen Theil von un-
serer Substantz aus, dieses aber bleibt nicht
in uns, sondern wird abgesondert. Die Gifte
werden wiederum in nützliche %und schädliche ein-
getheilt. Die nützlichen sind welche die Nerven
roboriren, die schädlichen sind aber die, welche
die Nerven vergeblich reitzen %und irritiren.
/ Unter
/|P_454
/Unter jene gehören die Artzeneyen, %und weil der
Caffée die Nerven vergeblich reitzt, so gehört
er unter die schädlichen Gifte. Der so genannte
Sultanische Caffée wird aus den zerstampften
Hülsen, worinnen die Caffeebohne liegt, gemacht.
/ ≥ §. 99. ≤
/Jetzo folgen die vornehmsten Gewürtzbäume
%und zwar
/1) Der CaneelBaum, deßen untere Rinde abge-
scheelet, an die Sonne gelegt %und von derselben
ohne andere Beyhülfe zusammen gerollt wird.
/2) Der MuscatenNußbaum und
/3) Der Kreidnägelchenbaum. Beyde werden auf
den Moluccischen Inseln angetroffen, auf wel-
chen die Holländer zwey Gouvernements ha-
ben, in deren einem die MuscatenNüße in dem
andern aber die Kreidnägelbäume gefunden
werden, jetzo suchen die Frantzosen sie auf
ihrer Insel nachzupflantzen.
/ ≥ §. 100. ≤
/Die seltene %und merwürdigen Bäume sind:
/ 1)
/|P_455
/1) Der Bannianen_Baum, deßen Aeste herun-
terschießen, Wurtzel faßen, worauf diese wie-
derum Wurtzel faßen %und solches sehr öfters
wiederhohlen, so daß sie ordentliche %und viele
Bogen in einer Reihe formiren, darunter
die Heyden ihre Pag«¿»oden bauen.
/2) Der Baobap. Ein Baum in dem niedrigen
%und heißen Lande Senegal, ist 12 bis 13 Fuß
hoch und eben so dik, dahero eine völlige
Wonung darin angelegt werden kann, sei-
ne Aeste senken und neigen sich bald nachdem
sie aus dem Stamme kommen, zum Boden %und
umgeben den gantzen Baum. Er erfodert
lange Zeit zu seinem Wachsthum %und Adanson
glaubet, daß ein dergleichen Baum von der
Sündfluth an müße gewachsen haben. Die Ne-
gers halten sehr viel von diesem Baum und
nehmen ehe sie nach America in die Sklave-
rey gebracht werden, einige Calabaschen,
welches seine Früchte sind und wie Kürbis aus-
sehen, mit. In der Mitte dieser Früchte sind
die Bohnen befindlich.
/ 3)
/|P_456
/3) Der MansenettenBaum, hat giftige Aepfel,
aus deren Ritzen ein giftiger Saft fließt, womit
die Indianer ihre Pferde vergiften, welche sie
dennoch nur wieder die Thiere, nicht aber gegen
die Menschen gebrauchen.
/4. Die Beiuken, ein Gewächs in America, ranken
sich um die Bäume %und schnüren sie fest zusammen.
Die breiteste Sorte von ihnen Vorara genannt
ist das größte Gift, welches man kennt, %und wovon
ein Thier, wenn es nur von einem Tropfen, so
auf der Nadelspitze kaum Raum hat, verwun-
det wird, in einer Minute sterben muß. Das
Gift überhaupt muß wohl wegen seiner geschwin-
den Würkung die Nerven erstarrend machen.
Man soll auch ein langsam tödtendes Gift haben.
/ ≥ §. 101. ≤
/Jetzo handeln wir die Pflantzen ab, und
dazu gehören
/1) Der Betelark, deßen Blätter die Indianer bestän-
dig kauen, %und für eine große Delice halten.
/2) Der Pfeffer ist ein Hauptartikkel des Han-
/ dels
/|P_457
/dels %und wächst in den heißen Ländern mehr
als in den kalten.
/3. Der Thee wird von den Blättern des Thee-
strauchs in China %und Japan %und zwar im Mertz,
welches den feinesten, im May, welches den
schlechteren, %und im Junio, welches den elendesten
abgiebt, gemacht. Er wird sodann auf Kupfer
oder Eisenplaten gelegt, wodurch der Unter-
schied zwischen dem grünen Thee %und dem Theebou
entstehet, welcher letztere am gesundesten
ist. Sonsten schadet dem Thee nichts so sehr als
die viele Feuchtigkeit.
/4. Der Wein wächst in der Zona torrida am
meisten, die aber keinen Wein haben, bedie-
nen sich des Opii, welches ein ausgedrukter
Saft aus gewißen geritzten Mohnköpfen ist,
welche in Persien wachsen; wenig genommen
macht munter, eine große Quantitaet aber
versenkt in einen tiefen Schlaf, welcher dennoch
mit den angenehmsten Träumen begleitet ist.
Wer sich einmal von ihm zu genießen angewöhnt
/ hat
/|P_458
/hat, muß ihn beständig zu sich nehmen, weil son-
sten seine Kräfte abnehmen %und er in 24 Stunden
sterben muß. Die gröste Quantitaet, die ein
Mensch davon nehmen kann ist ein Loth.
/5. Die Sensitiva Ein Kraut welches wenn es berüh-
ret wird sich zusammen zieht, ist in SüdAmerica
anzutreffen.
/6. Das Fliegenfangende Kraut, ist ein großes
Blatt in America, wenn sich auf diesem eine
Fliege setzt, so «kl» kneipet es sich zusammen und
sobald dieselbe getödtet ist, so öfnet es sich wie-
derum. «We» Man zweifelt ob dieses nicht würk-
lich Empfindungen habe, allein davon können wir
keine Ursache angeben, weil wir die Maschi-
nenmäßige Kräfte in den Thieren selbst nicht
genug kennen zE. wenn man einen Fuß vom
Frosch, der schon todt, aber noch naß ist, mit
einer Nadel berührt, so ziehet er sich etliche
Mal zu sammen, welches Haller die Innabilitaet
nennet, %und auch die Nerven des menschlichen
Leibes dieselbe zueignet. Die Landkrebse in
/ Südamer
/|P_459
/Südamerika schießen wenn man sie berühren
will eine Scheere ab, welche zu kneipen be-
ständig fortfähret.
/7) Das Scythische Lamm oder Bornonetz in Casan
wächst auf einem Styl, hat eine Braune Haut
mit feinen Haaren, aus welchen viele Spitzen
ausschießen, die man abschneiden %und statt Ohren
gebrauchen kann; da es nun ein schwammigtes
Gewächse ist; so läßt es sich in eine Lammes-
form eindrükken, woher das Gerücht entstan-
den, als wenn es ein ordentliches Lamm wäre,
welches Gras von der Erde freße %und von den
Wölfen aufgesucht werde.
/ ≥ Artic: IV. Von den Mineralien.
/ §. 102. ≤
/Unter die Metalle rechneten vormals die Al-
ten das Gold, Queksilber, Silber, Bley, Ku-
pfer, Zinn %und Eisen, wozu noch das jetzo dubi-
euse Metall, welches man die Platina nen-
net, gekommen ist. Alles Metall finden
/ wir
/|P_460
/wir entweder in Stuffen oder in Seifenwerken.
/1) Das Gold wird in den andern Theilen der Welt
mehrentheils in Seifenwerken, in Europa a-
ber in Stuffen, wovon das gröste Bergwerk in
Temeswar ist, gefunden. Das Verhältnis dieses
Metalls zum Silber war im vorigen Seculo, jetzt
aber nur in China wie 12 zu 1, nun aber wie
15 zu 1. In Engelland ist es am allertheuersten.
Die Feinheit des Goldes wird in 24 Caratten,
eine Caratte aber in 12 Grane eingetheilet.
Ein venetianischer Zechine hält 23_7/8 Caratte, ein
Louis_d'or aber nur 22, dasjenige Gold, welches
nur 18 Caratten enthält, wird Billon genennt,
kein Gold ist aber 24 Caratten fein, sondern
dieses maaß ist nur ein Ideal.
/2) Die Platina ist ein Metall, welches schwerer
wie Gold ist %und eine Silberfarbe hat, wird nur
auf den Silberheiden gefunden %und zwar in Kör-
nern, vermuthlich ist es eine Materie, die von
Queksilber nicht aufgelöset werden kann. Die
grösten Chymische Feuer selbst können diese Pla
/ tina
/|P_461
/tina nicht in Fluß bringen ohne Zusatz von
anderm Metall. Doch sollen einige dieses Ge-
heimniß schon erfunden haben. Die Spanier ha-
ben den Gebrauch dieses Metalls untersaget,
weil es das gantze Wesen des Goldes verändert.
/3. Das Silber. Es wird in Stuffen %und nicht in Sei-
fenbergen gefunden. Die mehresten Silber-
bergwerke sind in Europa %und America, die
reichsten aber in Peru. Es wird seiner Feinheit
nach eingetheilet in Brutto, das ist, wieviel
in einer gewißen Quantitaet Silber noch zu-
satz von andern Materien zE Kupfer gefunden
wird. Wie denn überhaupt die Metalle niemals
recht rein, doch aber immer nur mit den schlech-
tern Metallen vermischt seyn zE Gold enthält
Silber, dieses aber nicht wiederum Gold, Silber
enthält Kupfer, dieses aber nicht wiederum
Silber; in Netto, welches das reine Silber
in einer Quantitaet von diesem Metalle ist
%und denn in Thara, welches der Abzug des Netto
von dem Brutto ist. Die Maaße sind Mark %und
/ Loth
/|P_462
/Loth, Acht Speciesthaler oder 16 loth machen eine
Mark Silber aus.
/4. Das Kupfer. Es wird eingetheilt in «¿» Cement¥
Kupfer %und anderes Kupfer, welches in den Berg-
werken gefunden wird. Das erstere setzt sich
an den eisernen Stäben, die in das Cement Was-
ser eingetaucht werden %und ist das vortreflichste
wie überhaupt die Verkalkung diejenige Materie,
welche die Theile des Metalls, welches durch ein
Menst@uur@ aufgelöset %und nachgehends wieder
geschlagen wird, enthält, das beste Metall, wenn
diese Theile wiederum vereiniget«t» werden, lie-
fert. Das beste Kupfer von der andern Sorte wird
zu Japan in kleinen Stangen verkauft, die be-
rühmtesten Kupferbergwerke aber sind das Ho-
hensteinsche, Mansfeldische, das Falunsche in Schwe-
den %und das Rußische bey Catharinenburg.
/5. Das Zinn. Es wird solches am besten in der
Provintz Kornwallis angetroffen, %und Brittan-
nien hat davon sogar seinen Nahmen be-
kommen, unser englisches Zinn ist, deßen 1/6
/ Bley
/|P_463
/Bley ist. Sonsten ist alles Zinn versetzt %und
besonders in Engelland mit Kupfer %und Bis-
muth vermengt.
/6. Das Eisen ist in der gantzen Welt, in allen
Gewächsen, in allem Blute der Thiere, in mancher
Erde selbst, besonders derjenigen, die da roth
aus siehet anzutreffen. Der Stahl ist nichts an-
ders als das feinste Eisen %und ist durch die Kunst
von ihm auf folgende Weise hervorgebracht,
man bringt es in Stangen in ein Kohlgestübe,
dekt das Gefäß, worinnen es gesammelt
wird mit einem Dekkel zu %und setzt es ans Feuer
worauf es von der Hitze durchdrungen %und in
Stahl verwandelt wird. Das bekannte Dama-
scenen Gewehr besteht aus einer Mixtur von
Eisen %und Stahl, jenes bringt die Geschwindig-
keit, dieses die Stärke hervor.
/7. Das Bley ist beynahe in allen Gebürgen an-
zutreffen, ist wegen seiner Süßigkeit
der Gesundheit nachtheilig, %und ist in Rußland
weil es viel Silber enthält am schlechtesten.
/ 8.
/|P_464
/8. Das Queksilber wird zwar zu den Halbmetal-
len gezählet, weil sich aber diese von den wah-
ren nur durch die U«re»nreinigkeit %und den met«t»allischen
Dampf, der aus ihnen fließt, unterscheiden, so
ist es mit Unrecht geschehen. Das mehreste ist in
Friaul. Die bekannte Zeiteintheilung der Poeten
in das güldene, silberne, kupfern«r»e %und eiserne
Zeitalter ist bekannt; das erste ist der Zustand
der Wildheit, weil es wenig Mühe kostete das
Gold zu finden, indem es sich durch seinen Glantz
sogleich offenbarete, %und allenthalben zu finden
ist, wenn der Fluß sein Bett verläßt; das Silber
ist in den Bergwerken %und also schwerer zu fin-
den, mit der Zunahme dieser Künste nahmen auch
die Wißenschaften ihren Anfang %und folglich zuerst
in denen gebürgigten Gegenden, weil das Kupfer
in den Bergwerken schwerer zu finden ist, %und folglich
mehrere Mühe kostete, so waren die Künste schon
weiter gestiegen, %und macht diese Zeit das dritte
Zeitalter aus; nachdem endlich das Eisen erfun-
den, wurden daraus Gewehre gemacht, die
/ Künste
/|P_465
/Künste %und Wißenschaften erreichten den höch-
sten Flor, %und macht dieses Zeitalter das letz-
te %und gesittete Zeitalter aus, in welchem
alle poetische Gemächlichkeit verschwand.
/ ≥ §. 103. ≤
/Es folgen in der Ordnung die Halbmetalle,
deren Unterscheid im vorigen §_pho deter-
miniret worden, wozu wir nur folgende
rechnen wollen:
/1. Cinnabaris factiti«¿»a ein mit Schwefel ver-
mischter Queksilber
/2 Zink welches zur Glokkenspeise %und Printz-
metall gebrauchet wird
/3. Gallmey, welches neben dem Kupfer den Mes-
sing %und besonders darinnen die gelbe Farbe
macht.
/4. Das Arsenicum, ein Gift, welches all«¿»e thieri-
sche Maschinen verstöret, %und denn
/5. Der Cobolt, welcher die blaue Farbe und
Starke giebt, wird in den Sächsischen Bergstä-
dten gefunden.
/ §. 104.
/|P_466
/ ≥ §. 104. ≤
/Jetzo schreiten wir zu den brennenden Mine-
ralien, welche alle Oehl %und das so genannte Phlo-
gisticon enthalten, doch ist das rechte alimentum
ignis unbekannt, welches aber doch ein sehr klei-
nes betragen muß, indem die zurükgebliebene
Materie fast eben so schwer als der brennen-
de Körper vorhero ehe er brannte gewesen
%und hiezu rechnen wir
/1) Den Schwefel, welches Vitriol_Säure mit
brennendem ErdOehl ist, wird bey uns aus Ma@¿@¥
chasit oder SchwefelKies geschmoltzen.
/2) Das Naphta, in Bacu bey Derbent ist das rein-
ste %und leichteste Erdöhl «bey Derbent», war den
Parsis oder den alten Persern zur Unterhal-
tung des ewigen Feuers beförderlich, %und wird
auch bey Bagdad gefunden.
/3. Das Petralium in Italien
/4. Das Erdpech oder Asphall schwimmt in gros-
sen Stükken auf dem schwartzen Meer herum.
/5. Der Bernstein. Von ihm hat man jetzo ge-
/ funden
/|P_467
/funden, daß er ein würkliches Baumhartz
gewesen, %und daß es unter dem Waßer ge-
funden werde, in dem Einsinken der Wälder
die Ursache liege. Es hat auch da es unter
der Erde gelegen, etwas bitumeneuses erhalten.
/6. Der graue Ambra wird in der See %und öfters
in dem Magen der Pottfische angetroffen,
welcher doch vielmehr ein würkliches Erdhartz
%und von jenen vielmehr verschlukt als in ihrem
Magen erzeugt zu seyn scheinet
/7. Die Steinkohlen, deren Grunderde entweder
eine Thon oder Kieselerde ist %und werden polirt
Die grösten Steinkohlenwerke sind in En-
gelland, weil das Waßer in den Bergen ei-
nen Abfluß gegen die Seeseite hat, %und obgleich
diese den Fuß aller Flöthsgebürge ausmachen,
so kann man doch nicht allemal wegen des vie-
len Waßers zu ihnen gelangen.
/ ≥ §. 105. ≤
/Hierauf müßen wir zu dem Reiche der Stei-
nen übergehen %und dieselbe in Steine von
/ der
/|P_468
/der Kalkart, Thonart %und Kieselart eintheilen,
%und bey ihnen sowohl die Congelation als auch die
Materie, woraus sie bestehen, erwegen. Es ist
aber die Congelation nichts anders als die Eigen-
schaft, da ein Ding auf einmal aus dem Zustan-
de des Flüßigen in den Zustand der Härte
übergehet, gleichwie man solches beym Was-
ser, welches in eine gläserne Röhre gefüllet
%und bis zu einem sehr hohen Grad der Kälte ge-
stiegen ist, dennoch aber nicht eher frieret, bis
man einen Stab von Eis, welcher würklich
nicht in einem so hohen Grade kalt ist, einge-
taugt hat, wo man alsdenn in der Mitte sich
das Waßer in Gestallt der Sechekke in Eis ver-
wandeln siehet. Zu den Steinen von der Kiesel-
art, als welche eine Congelation erleiden, ge-
hören:
/1. Der Diamant. Er ist der härteste Stein %und be-
stehet aus Blättchen, welche voneinander zu
trennen, ohne daß der Diamant Ritzen bekom-
me, sehr schwer ist, kann durch keine englische
/ Feile
/|P_469
/Feile, sondern nur durch den Diamanten-
Staub verletzet werden. Wenn er verar-
beitet wird, so wird er
/a) entweder zu brillanten verbraucht, als denn
ist er oben platt, nachgehends aus lauter
kleinen Triangeln zusammengesetzt, inner-
halb dem Kasten sind die Triangel länglicht,
durch den Kasten aber wird der Glantz verstär-
ket
/b) zu Rosensteinen, besteht aus Triangeln, die a-
ber spitz zusammenlaufen %und haben nichts im
Kasten
/c) Die Diksteine sind oben platt %und bestehen aus
keinen Triangeln, sondern haben zur Seiten ab-
geschliffene facen.
/d. Die Tafelsteine.
/Obgleich die weiße sehr hoch aestimiret werden,
so haben dennoch die welche die gelbe Farbe
spielen den Vorzug. Die Diamanten werden
nach Caratten gewogen, %und ihr Gewicht verhält
sich zu dem Wehrte, de«m»n sie haben in Thalern
wie das Quadrat des Gewichts. Der größte, wel-
/ chen
/|P_470
/chen die Käyserin von Rußland hat, ist der grö-
ste den man kennt %und enthält 771 Caratte. Eine
Sonderbare Eigenschaft des Diamanten ist diese,
daß er sich durch die große Hitze in Dünste zer-
fällt %und aufgelöset wird. Der Brillant bestehet
also aus der Krone oder dem obere %und dem Ka-
sten als dem untern Theile. Die Folie, die
man d«¿»em Diamant giebt, ist schwartz %und von
gebranntem Elfenbein gemacht, damit er mit
seinem eigenen Glantze prange. Der rohe Dia-
mant siehet dem Allaun sehr ähnlich, deßen
GrundErde die KieselErde ist, hat auch wie die-
ser die Gestallt eines Octoedri doch mit irregu-
lairen Ekken um nun zu untersuchen, ob er
Winden, Ritzen p hat, ist es rathsam unter dem
Schatten eines großen Baumes solches zu bewerk-
stelligen. Ein Caratte hält vier Graene, er ist
aber der 18te Theil von der Schwere eines Duca-
tens, deren 27 eine Marke oder 1/2 %Pfund Goldes aus-
machen. Er wird nicht Europa, sondern in Ostin-
dien %und zwar in Golconda, Visa¿or p unter einem
/ %.röthlichen
/|P_471
/röthlichen und unfruchtbarem Erdreich gefunden.
/2. Der Rubin ist roth %und gantz anderer Natur
als der Diamant, indem nach einem Experimente
des Käysers Francisci der Rubin im foco eines
Brennspiegels weich geworden. Der rubinen-
ballast ist ein blasrother rubin.
/3. Der Sapphir ist Himmelblau %und wird mit dem
vorigen in der Halbinsel jenseit des Ganges
gefunden
/4. Der Smaragd ist grün, %und wird, wenn er
besonders grasgrün ist, sehr hoch geschätzt,
war vor der Entdekkung von America sehr
selten. Im Kloster Reichenau soll ein Smaragd
so groß wie ein Foliante seyn, allein es ist
solches vielmehr ein Glas, welches wegen des
Kupfers so darinnen ist grün geworden.
/5. Der Topasa ist ein occidentalischer Stein und
Citronengelb, wenn er bey dem Feuer gehal-
ten wird, so bekommt er die Couleur des Ru-
binenbalasses.
/ 6)
/|P_472
/6) Der Türkis ist ein grünlicht blauer Stein, kalk-
artig %und ist nichts als ein Zahn von einem unbekann-
ten Se«t»ethiere, hat dunkelblaue Punkte, welche
Couleur sich über den gantzen Stein zieht, wenn
er gerostet wird, nimmt auch keine Politur
an.
/7) Der Carfunkel ist ein hochrother Rubin, falsch
aber ist es von ihm, daß er im Finstern leuchten soll.
/8. Der Opal ist ein occidentalischer Stein, siehet
wie ein weisblaulichtes Glas aus, %und wirft zwar
nicht von seiner Oberfläche vielen Glantz, aber
aus seinem Inwendigen gelbe Funken zurük %und
ist sehr kostbar
/9. Der Chrysopras ist gelb %und lauchfarbicht eine
Art von Quartz %und findet sich am meisten in Schlesien.
/«¿»Was die übrigen Steine betrift zE daß der
Hyacinth gelb, der Achat %und Carniol in Ungarn
angetroffen wird; das der Onyx nichts anders als
ein Achat mit einem Flekken %und der Sarder nur ei-
ne Art des Carniols sey ist von weniger Erheblich-
keit.
/ Der
/|P_473
/Der Berg_Crystall wächst in Sechsekkichten Zin-
ken %und in der Gestallt einer Pyramide auf den
Spitzen der Berge. Der Lapis_Lazuli liefert
die kostbarste blaue Farbe, nemlich das Ultra-
«mine» marine. Ob es gleich sehr theuer ist, so
daß ein Loth von dieser Farbe mehr als ein loth
Gold zu stehen kommt; so ist doch ein loth von
ihr einem stark %und jederzeit beschäftigten
Mahler auf seine gantze Lebenszeit hinläng-
lich.
/Obgleich der Marmor fast allenthalben anzu-
treffen ist, so sind die Feinsten unter ihnen
dennoch sehr selten. Unter diesen letzten Sor-
ten ist der weiße Marmor von Massa_Cara-
na in Italien, wie auch diejenigen, in welchen
vermuthlich ein ätzender Steinsaft allerhand
Figuren in Gestallt verfallener Schlößer, Rui-
nen p eingegraben zu merken. Wenn dieser Mar-
mor von Vitriolsäure durchdrungen ist, so ent-
stehet der Alabaster. Der Granit ist der Stein
/ wovon
/|P_474
/wovon die Egyptischen Obilisci verfertiget
worden; die Terra sigillata eine Art von Thon-
erde, die Walkererde kommt den bolis oder
der fetten Erde sehr nahe %und endlich ist die Um-
bra eine braune Erde. Noch zweyerley ist hie-
bey merkwürdig:
/1) Die Musivische oder ausgelegte Arbeit. Man
nimmt verschiedene Glasscheiben, denen man
alle nur erdenkliche Farben gegeben, setzt
sie in einen mit Cementöhl gefüllten Kasten
%und läßt diese Maße erhärten, worauf sie
poliert %und zu allerhand Geräthen theils in
Kirchen, als wovon die St._Peterskirche in Rom
gantz voll ist, theils in Pallästen p gebraucht
wird.
/2) Die Florentinische Arbeit, ist anstatt, daß
die Musivische von Glas diese von Edelgestei-
nen aller Couleuren verfertigt.
/ ≥ §. 106. ≤
/Jetzo folgen noch einige generale Anmerkun-
gen zum Beschluß dieser Materie.
/ 1)
/|P_475
/1) Obgleich die Steine eine zuerst aufgelöse-
te, hernach aber wieder zusammen verbun-
dene Erde ist, so scheint doch außer dieser noch
etwas Klebrichtes «g» dazu kommen zu müßen,
welches man aber noch nicht entdekt hat.
/2) Daß wenn die Kalkerde mit Vitriolsäure
gesättigt ist, der Gips, wenn aber die Kie-
selerde damit vermischt worden, die Thon-
erde entspringe
/3. Daß die Steine von den Metallen in dem
Stük unterschieden seyn, daß jene congeliren,
diese aber nur coaguliren %und langsam aus
dem Zustande des Festen in das Flüßige
übergehen.
/4. Daß der jetzige Geschmak die Farbenstei-
ne nicht mehr leiden könne«n» %und daß die Edel-
steine überhaupt von der Kieselart seyn
müßen, weil sie sonsten die Politur nicht an-
nehmen könnten.
/5. Daß die Kieselsteine in drey Gattungen
/ eingeth
/|P_476
/eingetheilet, in Crystallartige, welche alle
in Zinken auswachsen, in die rechte Kieselstei-
ne und in den Quartz, woraus alle %und die grö-
sten Felsen, wenn sie noch mit dem Spath %und Glim-
mer untermengt seyn, bestehen. Er scheinet
eine noch nicht völlig reife Kieselerde zu seyn,
woher er auch milchicht %und undurchsichtig ist.
/6. Daß eine Zusammensetzung von Crystall-
förmigen Stükken eine Druse heiße, %und daß
diese zuweilen Quartz bey sich führen, deren
Spitzen färbigt seyn, %und von welchen der Ame-
thyst gebracht wird.
/7. Daß endlich die Farben, nach dem Dellavald,
in den Edelsteinen von den Metallen, die
sie bey sich führen, origenire, daß die rothe
Farbe der Rubinen von Gold, die Goldgelbe
der Topasen von Silber, die Orangegelben
der Hyacinthen von Bley, die grüne der Sma-
ragden %und die blaue der Sapphiren von Kup-
fer, %und endlich die Violette des Amethysten von
Eisen %und Zinn, daß also die Metalle gewiße
/ Couleuren
/|P_477
/Couleuren hervorbringen, die sich nach der
Beschaffenheit ihrer specifischen Schwere
richtet, %und daß also hiedurch das Culersche [[Euler]]
System von den Farben sehr bestätigt wird.
/≥ Art: V. Von dem Nationalcharacter,
Sitten %und Gebräuchen verschiedener Völker.
/ §. 107. ≤
/Im gantzen Meridiano, welcher über Ben-
galen gezogen worden bey den Einwohnern
von Thibeth, bey den Tuncunesen, Chinesen p
bemerken wir sowohl eine große Aehn-
lichkeit der Gesichtsbildung nemlich der Calmuc-
schen, als auch der Sprache, welche darin ü-
bereinkommt, daß ihre Wörter alle einsil-
bigt seyn, ihre übrige Redensarten aber
nur aus diesen zusammengesetzt seyn. Wir
bemerken also, daß das Reich China, welches
ohngefehr dreymal so groß als Deutschland
/ ist
/|P_478
/ist, der mächtigste Staat jederzeit gewesen, und
noch seyn wird; zwar ist die Römische %und Griechi-
sche Monarchie berühmter %und größer gewesen,
doch ist dieses was wir von China gesagt haben
nur von der Einheit der Bildung, Sprache, Sitten
%und Gebräuche zu verstehen, die unter diesen
Völkern herschet. Es ist das bewohnteste Land,
so daß keine ProvinzialStadt in ihm weniger als
100.000 Einwohner enthält, von dieser großen Men-
ge des Volks zeigt auch die Länge der Chinesischen
Mauer, die ohngefehr 300 Meilen im Umfange
%und in der Mitte sehr viele Thürme hat, wogegen
sie aber auch an viele Berge anstößet. Ihre
Bücher, denen man Glauben beymeßen kann,
gehen nur bis auf die Geburt Christi heraus;
allein so viel ist gewiß, daß sie schon 1.000 Jahre
vorher gewesen.
/ ≥ §. 108. ≤
/Ihre Regierung ist Monarchisch, doch wird sie sehr
von den Mardorinen, deren drey Gattungen sind
nemlich Staats- Gelehrte- %und Kriegs_Mandarine
/ (welche@s@
/|P_479
/(welches soviel als Leute, die den Inbegrif ihrer
Wißenschaften durchgegangen haben, bedeutet)
eingeschrenkt. Die Chinesen werden als Leute,
die sehr zu allerhand Wißenschaften %und Kün-
sten geschikt sind, gerühmt, allein es bestehen,
allein es bestehen die ersten nur in einer
Kenntniß von einigen Sätzen der Geometrie
%und Astronomie, mehrentheils aber ohne Be-
weise. Ihre Art zu schreibet bestehet in der
Kunst die Gedanken durch gewiße Bilder %und
Zeichen, deren sie 60.000 haben sollen, ausZu-
drükken. Sonsten sind sie aber zum Betruge
%und niedrigen Gesinnungen geneigt, maaßen
derselbe nach ihren Gesetzen auch nicht bestraft
wird. Sind übrigens schlechte Helden, maaßen
sie auch ohnlängst von den Tartarn unter
das Joch gebracht sind, von welchen sie die Ge-
wohnheit ihre Haare bis auf einen Schopf ab-
zuscheren gelernet haben. Die Buchdrukker-
Kunst soll bey ihnen schon lange vorher
als bey uns erfunden seyn, welches auch
/ wegen
/|P_480
/wegen der Leichtigkeit ihrer Buchstaben wahr-
scheinlich ist. Sie halten auch sehr auf die alten
Gesetze, von welchen der Monarch nicht leicht
abgehen kann. Die drey vornehmsten Gesetze
die sie verehren müßen, ist der Gehorsam ge-
gen den Kayser, gegen die Eltern, deßen Verle-
tzung bey ihnen eine große Strafe nach sich zieht
und denn die Complimenten, durch welche sie
die Ruhe im Staate zu erhalten gedenken, %und
dieserwegen sind ihre Gesellschaften auch nicht
angenehm, weil darinnen alles sehr gezwungen
aussiehet, doch haben selbige noch den Vorzug
vor den Türkischen, in denen alles stumm und
leblos ist, %und nur im Eßen, Trinken %und Schmauchen
bestehet, ja es scheint überhaupt, daß der gu-
te Geschmak und der schertzhafte Umgang bey
den Europäern blos durch die Frantzosen ihren
Anfang genommen, %und daß bey diesen die Ur-
sache davon gewesen, daß die Frauenzimmer
welche die Fröhlichkeit lieben %und denen zu Ge-
fallen eine Hauptsorge der Mannspersonen
/ ist
/|P_481
/ist, mit in die Gesellschaft ge«s»zogen werden.
Bey ihren Gastmahlen sitzen sie auf Stühlen,
%und nicht wie die mehresten Morgenländer
auf Knien, jeder aber einen a parten Tisch,
richten sich in allen Kleinigkeiten während
dem Eßen nach den Wirthen. Sie haben ge-
wiße Universitaeten %und diejenigen welche
bey ihnen promoviren wollen müßen zu-
erst in Pecking hernach aber noch oftermah-
len exami«n»nirt werden. Ihre Religion be-
stehet eintzig in dem Deismo, das ist, im
statuiren eines obern Wesens. Ihre gröste
Kunst äußert sich im Gartenwesen, welche
sie in drey Theile, in das reitzendschöne, schau-
derndschöne %und erhabene Feld eintheilen, der
Natur sehr gemäß, in einer großen Etendu
anbauen (zE. sie führen Hügel, Felsen, Flüße,
Wüsteneyen auf, worauf denn die schönsten
Prospecte folgen) %und in diesem alle andere
Nationen übertreffen, auch äußert sich bey
/ ihnen
/|P_482
/ihnen eine Fertigkeit in den mechanischen Hand-
griffen. In China ist ein gantz natürlicher Markt,
worauf alles was nicht offenbar schädlich ist, ver-
kauft zE. Hundfleisch, Katzenfleisch, Schlangen p
%und der Geschmak der Europaeer gar nicht beo-
bachtet wird, welcher von der ersten Ausbrei-
tung des Christenthums sich zu originiren schei-
net, da sich nemlich die neugewordenen Chri-
sten, von dem Fleische der Heiden zu eßen sich
ein Gewißen machten %und äußerst verderblich
ist. Die Chinesen scheinen eine Abkunft der Ae-
gypter zu seyn. Die Chinesische Bauart liefert
niedrige Gebäude, die oben flach %und sowohl in-
wendig als auswendig laquirt seyn, sonsten
aber ein schönes Ansehen geben, wozu sie noch
die Nebenwände so f«r»abricirt haben, daß sie
leicht aus einander genommen werden kön-
nen. Ihre Religion besteht in den fünf Kings
oder heiligen Büchern, die von dem Confucio
herkommen %und nichts als trokkene Sittenlehren
/ enthalten
/|P_483
/enthalten. Merkwürdig ist es doch, daß in al-
len Sprachen %und bey allen Völkern dasjeni-
ge Buch, welches den Grund der Religions-
principien enthält $katexochen$ ein Buch
heist zE Bibel, King, Alcoran.
/ ≥ §. 109. ≤
/Das Reich Japan wird von einem Kayser
%und einem großen geistlichen Fürsten, welcher
in Dario residiret %und Lama heist, regieret.
Man trift überhaupt alles an, was zur
Nothd«¿»urft %und Vergnügen des Menschlichen Le-
bens gehöret, weswegen sie auch der gan-
tzen Welt entbehren können, mit keinem
Volke als mit den Holländern Handlung trei-
ben, haben nur einen eintzigen Hafen, wel-
cher ohnedem nicht einmal allen frey ste-
het, sondern deßen Zugang verschloßen
werden kann, vor welchem die Schiffe
die Anzahl der auf ihnen befindlichen Per-
sonen %und Thieren sorgfältig angeben
%und bey ihrer Abfahrt wiederum aufwei-
/ sen
/|P_484
/sen müßen, damit keiner im Lande bleibe.
Obgleich die Vornehmen hier gleichfals Deisten
seyn, so herschet dennoch auch die Religion der
Kami, nebst einigen andern %und sind eine er-
staunende Anzahl von Bonzen oder Heidnischen
Priestern darinnen anzutreffen. Das Christen-
thum fand einen erstaunenden Eingang in
diesem Lande, wobey aber die Missionarien
den wahren Geist des Christenthums auszubrei-
ten unterließen, %und ihnen nur Ceremonien be-
kannt machten, es gefiel ihnen auch daßelbe
beßer, weil dadurch die Furcht vor der See-
lenwanderung vertrieben wurde. Endlich wur-
de es gantz ausgerottet. Das Land ist sehr
bewohnt %und die Landstraßen beständig und
zwar wegen des großen Gefolges ihrer Gros-
sen, die öfters dreyhundert Mann bey sich
führen, voll Menschen. Des Lama Abkunft er-
strekt sich von allen Familien am weitesten
in das Alter hinaus %und geht in descendentaler
Abkunft 500 Jahr vor Christi Geburt hinauf.
/ Was
/|P_485
/Was den Character der Einwohner dieses Lan-
des anbetrift, so sind sie zwar nicht so betrü-
gerisch als die Chinesen, aber im äußersten
Grade hartnäkkig, wodurch sie zwar zu gu-
ten Soldaten gebildet werden, aber auch
sehr schwer zu regieren seyn.
/ ≥ §. 110. ≤
/Das Reich Indostan hat einen großen Umfang
%und mit den Staatsveränderungen in Europa
einen großen Zusammenhang. Es ist sehr
volkreich %und da es überdem an einigen Orten
unter der Zona torrida, an andern unter
den temperirten Zonen liegt; so bringt es
fast alle Producte hervor, die Europa, Asia
%und Africa zerstreut liefern. Ihre Einwoh-
ner sind gelb im Gesicht, welches in der Bil-
dung der europaeischen gantz gleich ist, sehr
sanftmüthig, welches auch die Ursache ist, wes-
wegen alle erdenkliche Nationen daselbst
anzutreffen %und von den Tartarn so leicht
/ unter
/|P_486
/unter das Joch gebracht werden, redlicher
als die Chinesen, sehr fleißig %und arbeitsam
in ihren Verrichtungen, sonsten aber schlechte
Helden %und ist besonders die Furcht vor dem
Schießgewehr, wie fast bey allen orientalischen
Völkern unauslöschlich, ist auch eine gantz
reine Race, weil es ihre Religion verbietet
sich mit fremden Völkern zu vermischen, diese
aber gleichfals ohngeachtet der Verschiedenheit
der Religion gerne dulden, weil sie dieselbe
alle für wahr %und nur für verschiedene Me-
thoden, die aber gewißen Völkern eigen sind,
halten Gott zu dienen. Es herschet bey ihnen
die Braminische Religion, deren Fundamental
Begriffe zwar rein, aber mit vielem Aber-
glauben untermischt seyn. Sie statuiret drey
obere Wesen, den Brama oder den Schöpfer, wel-
cher den Priester nebst dem heiligen Buche %und ei-
nem melancholischen Temperamente, den Kaufmann
mit einem phlegmatischen Temperamente, den
/ Handw:
/|P_487
/Handwerker mit einem Beutel und sanguini-
schen Temperamente, %und denn einen Soldaten
mit dem Degen und einem cholerischen Tempe-
ramente, im Anfange auf die Welt gesetzt,
die aber nachgehends ihrer Instrumente
gemisbrauchet; den Vischnu oder Regierer,
und den Ruderen als Zerstöhrer der Welt, die
aber von einem eintzigen Uhrwesen abstam-
men, welches auch mit der Mythologie der Grie-
chen %und Römer übereinzustimmen scheint. Fer-
ner glauben sie vier WeltEpochen %und diese
wiederum in verschiedene Abschnitte einge-
theilt, an deren Ende der Vischnu in verschie-
dener Gestallt erscheinet, daß die Welt durch
die Luft Waßer %und Erde schon zerstöhret, mit-
hin drey Epochen vorbey %und wir im 9 %ten Ab-
schnitte der Vierten leben, wo alsdenn die
Welt durch Feuer zerstöhret %und die Seelen
in den Schoos Gottes nachdem sie viele Leiber
durchwandert, versammlet würden. Merk-
würdig ist dieses, daß alle Nationen jederzeit
/ nahe
/|P_488
/nahe am Ende der Welt zu seyn geglaubt
haben, weil ihnen die menschliche Natur die
höchste Stuffe des Verderbens erreicht zu
haben schien, welches der gerechte Urheber
nicht würde leiden können. Die Indianer sind
schwer zu bekehren, welches man überhaupt
bey allen Völkern, die heilige Bücher deren
Autoritaet die gemeinen Leute nicht exami-
niren können, antrift; sonsten sind auch die
Bußen häufig %und weit schmertzhafter als
in Europa. Dieses Land wird von einem Mo-
gul regiert, der aber nur der Schatten von
den vorigen Regenten ist, nachdem Schach
Nadir den Schatz dieses Reichs, welcher der
gröste in der gantzen Welt war, %und auch
den kostbaren %und mit Edelsteinen, die die ihm
natürlichen Farben hatten besetzten Pfau
enthielt, geplündert und Dhelli zerstöhret
war, indem die Gouverneurs in den Provin-
tzen mächtiger als er selber ist %und das Land
dadurch daß jeder dem Mogul beyzustehen
/ vorgiebt
/|P_489
/vorgiebt verwüstet wird. Die Engellaender
haben ein Comtoir daselbst, welches auch die
Regierung aber die Grausamste von der Welt
führt, welches bey allen geschiehet, wo viele
ein Regiment zertheilt führen, indem einer
die Schuld des Uebels auf den Andern schieben
kann %und die Ehre eines guten Regiments getheilt
ist, da sie denn auf nichts als den Eigennutz be-
dacht seyn, besonders wenn es Kaufleute seyn.
Ja es ist gar kein Zweifel übrig, daß wenn
die milde Englische Regierung daselbst einge-
führet würde, alle Indianer mit der grö-
sten Freude sich ihnen unterwerfen würden.
(Die Monatten allein sind die wahre Race der
Indianer) Unter andern Provintzen, die zu
China gehören ist das Land der @Seiks@ zu mer-
ken, welche nur dem Deismo ergeben sind
%und von einem Collegio von vielen Membris
regieret wird, auch alle monarchische Ge-
walt verabscheuet, woraus denn die Mey-
nung derjenigen wiederlegt wird, daß das
/ heiße
/|P_490
/heiße Clima keiner andern als der Monarchi-
schen Regierung fähig wäre.
/ ≥ §. 111. ≤
/Das Land Tuncking wird von einem Chan oder
König, welcher aber nur als ein Götzenbild
zu consideriren %und den Leuten zuweilen vor-
gezeigt wird, besonders aber von ihren Ge-
neralen regieret. Die Einwohner sind redlicher
als die Chinesen, dabey aber erstaunlich arm,
sonsten aber dieser Nation in allem ähnlich.
Der vornehmste Artikkel des Handels der von
den Holländern daselbst getrieben wird, ist
die Seiden_Manufactur, welche zu beför-
dern die Holländer auf eine zeitland mit
den Landesweibern pacto eine Ehe einge-
hen, wodurch sie denn Gelegenheit bekom-
men, über die Arbeiter zu inspiciren.
/ ≥ §. 112. ≤
/Das Persien ist ein Land, welches gar keine
schifbare Flüße hat, welche zwar eine breite
Oberfläche, aber keine Tiefe haben, welche
/ hernach
/|P_491
/hernach oftmals im Sande versiegen. Weil es
überdem durch große Sandwüsten von einander
getrennt ist; so wird auch dieses Land von sehr
vielen kleinen Fürsten regieret. Die Nation
wird in die alte Parsis %und die neue Persier
eingetheilt. Was die ersten betrift, so ist ihre
Religion sehr alt %und von der Zeit Darii_Histaspis
bis auf uns gebracht. Das vornehmste welches
sie verehren, ist das ewige Feuer, vermuthlich
weil es wegen seiner Reinigkeit das göttliche
Wesen vorstellen soll %und wird in Bacu durch das
Naphtah unterhalten. Es kommt diese Gewohnheit
der Römischen, da sie vestalische Jungfrauen un-
terhielten um das Feuer zu verwahren, sehr na-
he %und scheinen beyde eine sehr vernünftige Ursa-
che zum Grunde zu haben (wie überhaupt alle
Gewohnheiten im Anfange vernünftig seyn, die
aber hernach mit vielem Aberglauben unter-
mischt ist;) das Feuer welches zur Nahrung nothwen-
dig ist, bekommen wir entweder durch Feuerzeu-
ge wie bey uns, oder durch das Reiben zweyer
/ Höltzer
/|P_492
/Höltzer an einander wie bey den Wilden. Da nun
die erste Methode den Alten unbekannt war,
die letzte aber viele Schwierigkeit erfordert,
wie denn auch die Europaeer damit fast gar nicht
zurecht kommen können; so ist sehr wahrscheinlich,
daß zum Vortheil der Armen ein beständiges
Feuer unterhalten wurde, %und zur Aufrechterhal-
tung deßelben FrauensPersonen bestellt wurden,
die, damit das Feuer nicht aus gehen möchte, vom
unkeuschen Leben, wodurch sie nemlich von der
fleißigen Unterhaltung deßelben abgehalten
werden könnten, abstrahiren musten, welches
nachgehends, als die Feuerzeuge erfunden wur-
den, unnütz ward; so wie vormals die Nacht-
wächter wegen Mangels der öffentlichen Uhren
%und da nur die Sand %und WaßerUhren bekannt
waren, nützliche Leute waren, jetzo aber eine
leere %und unnütze Gewohnheit ist. Ihr heiliges
Buch Cenda Vesta ist eben so alt als ihre Religion
%und in der Sprache Cent geschrieben, wie denn in Per-
sien drey Sprachen sind, zwey todte %und eine leben
/ dige
/|P_493
/dige. Sie statuirt zwey gleich mächtige U«h»r-
wesen, einen guten %und bösen Gott, welchen letz-
teren sie Animal [[Ahriman]] nennen, %und vermuthlich von
dem deutschen Wort arge Mann herkommt,
wie denn sehr viele Wörter in dieser %und selbst in
der late«n»inischen Sprache aus der deutschen her-
«aus»genommen sind, welche vormals die Celtische
hieß, wie das Wort Vesta von fest, weil die
Erde, davon sie eine Göttin vorstellt fest ist.
Die heutigen Perser sind nach ihrem National-
Character betrachtet in Ansehung der Orien-
talischen Völker, das was die Frantzosen bey
den occidentalischen, welche den schertzhaften
Umgang %und alles was schön ist eingeführet
haben, %und durch ihr lustiges Temperament die
andern Nationen aus dem rohen Zustande ge-
rißen haben. Sie sind leichtsinnig in der Reli-
gion, %und ihre Sprache klingt angenehm, satirisch
%und in Auslegungen, Schertzen p sinnreich. Man fin-
det bey ihnen «seh» zwar nicht schöne Gesichter aber
einen schönen Wuchs, welcher der Mäßigkeit
%und Arbeitsamkeit, welche fast allen orientali-
/ schen
/|P_494
/schen Völkern eigen ist, %und von den Europaeern die
nemlich im Stande seyn commode zu leben verab-
säumet wird (da es doch scheinet, daß die Geschmaks-
drüsen im Anfange so beschaffen zu seyn schei-
nen, daß sie wenn ihnen das Eßen nicht mehr schmekt
auch den Menschen zwingen, vom Eßen abzustehen,
welche aber nachgehends durch den Reitz, den man
den Speisen giebt verdorben werden) zuzu-
schreiben ist. Die Religion der neuen Perser
ist die mahomedanische, welche sie aber nach
Auslegung des Alcali [[Ali]] statuiren, da im Gegen-
theil die Türken den Omar befolgen, dahero un-
ter diesen Nationen der gröste Religions_Haß
in der gantzen Welt statt findet.
/ ≥ §. 113. ≤
/Um alle türkische Länder zusammen zu faßen,
so ist zu merken, daß sie keine außerordentliche
Producte als die andern Länder liefern, %und beson-
ders Seide %und Cameel_Haar im Ueberfluße habe@n.@
Die Einwohner sind stoltz %und verwegen, melancho-
lisch %und im höchsten Grade plump. Arabien ist unter
/ ihnen
/|P_495
/ihnen das merkwürdigste, %und wird in drey Thei-
le, in das wüste Arabien, welches große Sand-
wüsten enthält, worinnen dennoch zuweilen
sehr große Brunnen anzutreffen sind; denn
in das Hedschas welches am rothen Meere liegt
%und die beyden Städte Mecca %und Medina in sich
faßet, %und in das Land Gemen, wo die Levantische
Caffeebohnen wachsen, eingetheilet. Die Be-
duinen, ein Volk in Arabien, führen eines der
glüklichsten Leben, weil sie gantz sorglos
seyn, in Zelten wohnen, %und von einem Orte
zum andern reisen, worinnen sie sehr mit
den Völkern, die in den Rußischen Steppen
wohnen, %und sehr gastfrey sind, wie solches
bey allen Völkern die arm seyn eintrift,
%und bey den Reichen die Gastfreundschaft nur
in der Höflichkeit bestehet, übereinkommen,
auch gerne die Reisenden unter dem Vorwan-
de, daß bey der Theilung der Kinder Abrahams,
der Ismael, deßen Descendenten sie wären, zu
kurtz gekommen sey, wobey sie ihnen dennoch
/ das
/|P_496
/das nöthigste laßen nebst dem Leben. Ihre Reli-
gion ist die Mahomedanische %und eine der grösten
Hauptstükken dieser Religion sind die Wallfahr-
ten nach Mecca %und Medina, wohin alle Mahome-
daner jährlich in drey Caravanen reisen, wel-
che erstere alle Perser, Indostaner p die andere
alle aus den türkischen Provintzen, die dritte
alle aus Marocco, Egypten %und gantz Africa auf-
nimmt. Das Heiligthum, welches sie verehren
ist das vierekkichte Gebäude, welches ein ordent-
licher Cubus ist, nicht größer als eine mittelmäs-
sige Stube %und mit schwartzem Sammet %und Dam-
mast bedekt ist, Cabba genannt wird, %und den schwar-
tzen Stein, welchen alle Mahomedaner küßen
müßen enthält, %und der heilige Brunnen, welcher
derjenige seyn soll, welchen der Engel der Hagar
wies, als sie vom Durst geplagt wurde, %und von wel-
chem alle Mahomedaner trinken müßen. Beyde
umgiebt eine Gallerie, wohin die Andächtige zur
Zeit des Regens untertreten können. Es ist dieses
Mecca auch zugleich der AugenPunkt der Mahome-
/ daner
/|P_497
/daner, nach welcher Gegend sie nemlich ihr
Gesicht unter dem Beten kehren müßen. Der
heilige Brunnen heißt Zenzem.
/Annot: 1. In den Deutschen scheint doch was gros-
ses zu stekken, maaßen die drey berühmtesten
Völker von ihnen herstammen. Die Franzosen
von den Franken, die Engelländer von den Dä-
nen, Norwegen %und Sachsen, %und denn die Italie-
ner von den deutschen Völkern, die Italien
im 15ten %und folgenden Jahrhunderten überschwemm-
ten.
/Annot: 2. Was die Völker zwischen dem Caspischen
%und schwartzen Meere anbetrift; so sind es Resten
von allerley Nationen, als Georgianern, Ar-
menianern, Czyrcassiern p die alle verschiede-
ne Sprachen haben, auch haben wir vermuth-
lich diesen Ländern die Erfindung des Akkerbau-
es zuzueignen, weil es vermuthlich von den
Deutschen geschehen, diese aber vormals am
Don wohneten. Die Steppe Narba jenseit des
Stroms ist sehr fruchtbar %und wird von den nach
/ Siberien
/|P_498
/Siberien relegirten Gefangenen bebauet. In Si-
berien ist sehr kalt, woher sie auch kein Obst, kei-
ne Bienen haben, auch wollen daselbst die Bäu-
me nicht wohl fortkommen, weil wenn man gleich
im heißesten Sommer gräbt, dennoch in einer Tie-
fe von drey Fuß gefrorne Erde findet, %und die
Bäume also nicht tief genung Wurtzel schlagen
können. Es ist ein Ort, wohin die Rußische gefan-
gene gebracht werden, die indem sie ihrem Schik-
sal überlaßen seyn, der Republic nicht schaden, son-
dern durch die Anbauung nutzen, aber ihr auch nicht
aus weichen können, weil sie von der einen Seite
Rußland selbst, von der andern Seite aber die
Kirgisen, eine über die Maaßen räuberische
Nation vor sich finden. Dieses Siberien hat aber
Bergwerke, worunter besonders das Alth@än@-
sische «g»Gebürge gehöret, welche den Rußen vieles
aber schlechtes Eißen, feines Kupfer, auch öfters
Silber liefern. Was die in dieser Gegend gele-
gene Mongalen betrift, so bauen selbige kei-
nen Akker, die Tungasen ziehen nicht das Vieh «selbst»
/ sondern
/|P_499
/sondern schwärmen herum %und sagen im Fluche
untereinander: Daß du magst das Vieh selbst
ziehen wie ein Tarter, so wie dieser sagt: Daß
du ma«s»gst den Akker bauen, wie ein Ruß, die-
ser vielleicht: Daß du magst beym Weberstuhl
sitzen wie ein Deutscher, %und letzterer: Daß du
magst auf dem Meere fahren wie ein Hollän-
der; %und überhaupt richtet sich die Art des Flu-
ches beständig nach der Arbeit, die einem
Volke als unanständig vorkommt. Es sind
auch die Tungasen sehr stoltz, wie solches al-
le Faule «seyn» Nationen seyn. Was endlich die
Calmucken samt den Mongalen anlanget,
so leben selbige von Pferden, die Bucharen
%und die Tartern von Usbeck aber von der Hand-
lung %und vom Akkerbau.
/ ≥ §. 104. ≤
/Was die Asiatischen Inseln betrift, so sind die
grösten von ihnen
/1) Die Insel Ceylon. Ihre Einwohner scheinen von
den Malabaren %und Arabern abzustammen; haben
/ auch
/|P_500
/auch eine solche kleine %und eingedrukte Nase als
letztere. Auf ihr ist der Berg Pico_d'Adam, wor-
auf sehr viele Klöster %und auf der Spitze ein mensch-
licher Fußstapfe im Felsen befindlich ist, welchen
sie vor einen Tritt des Vischnu halten %und nicht nach
der Europaeer «¿»Meynung für des Adams. Sie ist
sehr fruchtbar, weil sie aber auch zugleich an man-
chen Orten Waldicht %und sumpficht ist, ungesund. Auf
ihr wächst der Talipat %und Caneelbaum, von denen
die erstere Blätter, die zwar groß aber in Fal-
ten gelegt seyn, so daß eins von ihnen wieder
allen Regen %und zwey von ihnen ein Zelt formi-
ren, trägt, der letztere aber ein Monopolium
der Holländer ist. Von dem ersten Baum werden
die Blätter in Striemen geschnitten zu schriften
gebraucht.
/2) Die Maldivischen. Diese Inseln sehen als 13 Trau-
ben aus %und enthalten ohngefehr 4.000 Insel«l»n %und
haben nur 2 Zugänge, deswegen nebst ihrer
Armuth sie vor den Anfällen der Feinde gesichert
seyn; sonsten sind sie sehr stoltz %und lieben den
Rangstreit.
/|P_501
/3) Die Philippinischen dienen blos zur Waaren¥
Niederlage derer Waaren die von China nach
America transportiret werden.
/4. Die Insel Sumatra, welche den Europäern
wenig bekannt ist, %und an der Spitze, das König-
reich Achen, welches aber nur eine Stadt, die
reich, volkreich %und nur ein kleines Territori-
um besitzt, enthält, die Forts auf ihr sind we-
gen der ungesunden Luft verlaßen. D«¿»er Han-
del dahin betrift Goldstaub %und Pfeffer. Sie
trennt die Straße Sunda von der folgenden
Insel.
/5. Die Insel Java. Ihr Käyser hält eine Leibwa-
che von vielen Weibern. Die Religion ist ma-
homedanisch %und das Land selbst sehr volkreich,
so daß 3.000.000 Menschen darinnen wohnen sol-
len, ob es gleich noch einmal so klein als Frank-
reich ist. Allein es macht, daß in dieser Insel
und allen warmen Ländern so viele Menschen
wohnen:
/1) daß niemalen Winter ist und beständig ge-
/ säet
/|P_502
/säet %und geerndtet werden kann.
/2) daß alle Wälder von nahrhaften Gewächsen %und
das Land voller Vieh ist.
/3) daß die Einwohner mäßig seyn.
/Die Hauptstadt der Holländer darauf ist Bata-
via %und der GeneralGouverneur ein Bediente der
Ostindischen Compagnie, von denen einer, als er
die Macht der Generalstaaten rühmen sollte, sagte:
Er, der Knecht ihrer Knechte ist ein König der Kö-
nige.
/6. Die Insel Borneo, welche die gröste in der gan-
tzen Welt zu seyn scheinet %und rund ist. Auf ihr
und den Philippinischen Inseln findet man, wel-
ches merkwürdig ist, Negers.
/7. Die Molucken, auf welchen die beyde Gouver-
nements der Holländer Ambuina, worin die
Kreidnägelchen, %und Benda, worinnen die Muscat¥
Nüße gantz allein wachsen, zu merken.
/ ≥ §. 115. ≤
/Die natürliche Grentze von Africa, welches
beständig eine Hinderniß wieder die Conver-
/ sation
/|P_503
/sation der Völker seyn muß, kann nicht das Mit-
telländische Meer seyn, weil das Waßer den
Zusammenhang der Völker befördert, sondern
die Sandwüste Sara seyn. Die Einwohner sind
außer denen, die an der Küste wohnen zE. in
Marocco, die Nachkömmlinge der alten Mau-
ritanier seyn, alle Negers, unter denen
die drey berühmtesten Nationen die Jalows,
Folgs %und Mandigos sind, die nach ihrer
Art gesittete Völker %und mahomedanischer
Religion seyn. Sonsten sind alle Negers dem
Stehlen %und Brandtwein sehr ergeben. Die
Küsten von Guinea sind: die Zahnküste; die
Goldküste; die Pfefferküste; %und die Sklaven-
küste, die den Namen von den Waaren, wo-
mit der Handel getrieben wird, bekommen
haben, doch wird jetzo nur die letzte besucht.
Es werden nemlich von den Elenden bis
120.000 jährlich nach America in die Planta-
gen geschlept, wo sie mehrentheils sehr grau-
/ sam
/|P_504
/sam gehalten werden, %und sich dennoch etwas
mehr als ihre Landsleute zu seyn dünken. Weil
nun ein Neger dem andern, wenns auch sein
Sohn, Vater, vertrauteste Freunde und An-
verwandte wären, nicht trauen kann, daß er
ihn nicht als Sklave für den Brandtwein ver-
kaufe, so gehen sie aus einander, %und weil die
Europäer zu den Negers mitten im Lande we-
gen den unzugänglichen Wäldern, die gantz
in einander verflochten seyn, nicht komme
können; so glaubt Roemer, daß innerhalb 50 bis
60 Iahren ein gäntzlicher Mangel von Sklaven
seyn werde, %und die Plantagen in Africa an-
gelegt werden müßen, ohnedem schon jetzo ein
wohlgewachsener Neger 2 bis 300 %Reichsthaler kostet,
beym Verkaufen allerhand Biegungen machen
müßen, um zu sehen, ob sie auch fehlerhaft seyn.
Ihre Religion ist die Amuleten oder Fatisman-
nen_Religion, die die Einwohner Foetisch nen-
nen (Fatismanne sind Sachen die am Halse
/ getr.
/|P_505
/getragen für alles Unglük schützen) beste-
het darin, daß einer von ihnen Marbaths
oder Priestern, eine beliebige Sache ein-
weihet, bey denen sie hernach schwören, etli-
chen Speisen ihnen zu Gefallen entsagen, be-
ständig bey sich tragen pp und scheint die älte-
ste unter allen heidnischen Religionen zu seyn.
Sie haben auch einen Landes_Foetisch, die meh-
rentheils Bäume, %und einen vornehmsten
Foetisch, welches das Meer ist.
/ ≥ §. 116. ≤
/Was die Länder der Caffen betrift; so sind
die Nationen daselbst mehrentheils unbekannt
%und scheinen von den Hottentotten herzustam-
men. Diese sind das unschlachteste Volk in der
Welt %und eine Race der Negers, bewohnen ein
Land, welches die Natur sehr wohl versorgt
hat, haben Dörfer, die aus Zelten bestehen,
welche rund aussehen %und in einem Zirkel ge-
stellet seyn. Sie haben keinen Oberherren
/ aber
/|P_506
/aber doch Aelteste, wißen fast von keinem
Urwesen, doch haben sie Feste, die sie Anders-
macken nennen, welches Wort sie den Hol-
ländern abgelehnt haben müßen, halten
ihre Weiber in der grösten Erniedrigung, die
so oft sie sich verändern ein Glied vom Finger
abschneiden müßen. Sie bedienen sich der Streit-
ochsen %und Hunde zur Gegenwehr wieder die
wilden Thiere, die sie um ihre Dörfer stellen,
haben eine Art der Beschneidung, wobey
sie den Knaben einen Testicul, damit sie nicht
Zwillinge erzeugen können, wegnehmen,
haben keinen Ekel vor dem Gestank, dahero
alles was nur den Namen einer Unfläthe-
rey verdient, bey ihnen anzutreffen sey.
/ ≥ §. 117. ≤
/Die Insel Madagascar ist mit eine von
den grösten Inseln in der gantzen Welt
%und noch wenig bekannt, indem sie von den
Holländern der Negers Wegen nur besucht
/ wird
/|P_507
/wird, die aber zum Selbstmorde erstau-
nend incliniren. Von diesen Völkern, wie
auch von einigen andern jenseit des Gan-
ges bemerkt man, daß sie beym Heyrathen
wo nicht gerne sehen, dennoch gleichgültig
sind, wenn ihre Bräute die Iungfer«n»schaft
verlohren haben.
/ ≥ § 118. ≤
/Abessynien wird von einem König beher-
schet, der wie das gantze Reich mehrentheils
Christlich ist %und solches von vielen Iahrhun-
derten her gewesen, gleichfals dieser Reli-
gion anhänget, wird aber sehr von den
Mahomedanern, welche von Egypten her Un-
terstützung finden, eingeschrenket.
/ ≥ §. 119. ≤
/Egypten liegt zwischen der Sandwüste Sa-
ra %und der großen Steinwüste. Die Merk-
würdigkeiten dieses Landes machen die
großen Pyramiden mehrentheils aus, wel-
/ che
/|P_508
/che eine vierekkichte Bassin haben, %und aus
großen Felsenstükken, die aus der Steinwüste
gebrochen werden, bestehen, dabey es dennoch
wunderbar ist, wie sie so hoch dieselbe herauf-
bringen können. Es liegt darinnen vermuthlich
ein König begraben %und ist wahrscheinlicher Weise
der Zugang zu ihm verboten gewesen; da man
findet, daß der Zugang zu der einen Pyramide
so gekrümt %und jederzeit mit großen Steinen
vermauert worden, dabey bald aufwärts
bald niederwärts gebeugt ist, daß einer von
den Califen mit der grösten Mühe nur eine
von ihnen eröfnen können, da man denn
gefunden, daß in der Mitte der Piramide ein
marmornes Gewölbe, in welchem vermuthlich
vorhero das Sarg gewesen, denn oben zwey
Löcher und unten gleichfals eines. Dieser letz-
tere Umstand führet eine fürchterliche Idee
mit sich, denn allem Schein nach werden vor-
mals der königlichen Leiche zur Geselschaft zween
Menschen mit eingesperret seyn, denen die
/ Löcher
/|P_509
/Löcher zum Athemhohlen und das Eßen herunter
zu laßen, das untere aber die Excremente
von sich zu geben, dienen muste, wo sie ohne
alle m«¿¿»enschliche Geselschaft %und ohne Trost je-
mals mehr das Tages_licht zu sehen verbleiben
musten. Ferner ist auch das Laberinth zu
merken, von welchem auch bis 10 Stuben zu
sehen sind, ist aber von dem auf der Insel
Creta weit unterschieden, obgleich sich
die Türken sehr bemühen es gantz %und gar
auszurotten, so gehet solches doch nicht an.
Weil man nun von Babel %und Ninive nicht ei-
nen Stein mehr siehet, so müßens wohl nicht
so große Städte gewesen seyn, als man ge-
meinhin glaubet. Es herschet unter man-
chen Leuten ein Kunststük, Schlangen, die ihre
Zähne %und Gift noch bey sich führen, dabey recht
böse sind, dergestallt, daß wenn sie nahe an
einen Hund oder ander Thier gebracht werden
sie sogleich von dem Gift schwellen %und ster-
ben, in der bloßen Hand frey %und ohnbeschä-
/ digt
/|P_510
/digt zu halten. Ob sie nun gleich vorgeben
daß solches von der Einweyhung ihrer Prieste@r@
herrühre, so liegt dennoch wohl noch eine
andere Ursache darunter, nemlich ein natür-
liches Mittel, wodurch die giftigen Thiere einen
gewißen Ekel %und Abscheu vor den Menschen be-
kommen, wie das arabische Kraut Assat für je-
des giftige Thier sichern soll.
/ ≥ §. 120. ≤
/Was die barbarische Küste anbetrift, so kommt
sie von dem Worte«r» Berberes oder die auf dem
Berge wohnen her. Die Regierung wird
daselbst von einem Dey %und verschiedenen
Beys geführt, welches erstere Wort so-
viel als König, das letztere aber soviel
als Gouverneur bedeutet, bestehet nur aus
Soldaten und ist ohngefehr zu den Zeiten
Caroli_V von einem Umstreicher fundiret,
welcher den Maltheser_Rittern zum Torte
Räubereyen auf den Meeren anfieng, wel-
/ che
/|P_511
/seine Nachfolger auch fortsetzten. In die
Gegenden weiter Land einwerts müßen
noch viele Merkwürdigkeiten anzutreffen
seyn, maaßen die Einwohner vorgeben, als
wäre daselbst eine Stadt mit Einwohnern,
Viehe %und allem, was darinnen ist, versteinert
worden, %und obgleich der englische Consul die
Falschheit davon entdekte, indem auf sein in-
ständiges Verlangen einen versteinerten
Menschen zu sehen, ihm ein Cupido mit abge-
schlagenen Flügeln praesentirt wurde, so muß
doch diese Stadt wenigstens von vielen Bildern
%und antiquarischen Seltenheiten voll seyn.
/ ≥ §. 121. ≤
/Die Insel Bourbon auf welcher der häufige
Caffée wächst, welcher dem Martiniquischen
weit vorzuziehen ist. Man hat bey ihrer
Entdekkung zwar keine Menschen gefun-
den, aber so viele Obiliscas %und runde von
/ Thon
/|P_512
/Thon verfertigte Säulen, die so hoch als die
Kuppeln an der Pfarrkirche in Paris, daß
man leicht unter ihnen verirren könnte,
welches also von der Menge der vorigen
Einwohner anzeigen kann. Man findet auch
an einigen Orten unter diesen Inseln, daß
sie vormals Bernstein gehabt haben, wel-
ches sie nothwendig aus Preußen müßen
bekommen haben, und daß es unbegreiflich
ist, wie die Alten ohne Compass solche er-
staunende Reisen mit eben derselben Ge-
schwindigkeit als jetzo verrichten könnten,
so müßen selbige vermuthlich unter an-
dern sich der Portage da sie nemlich das Kahn
%und Fahrzeug von einem Fluße zum andern
trugen wie es jetzo noch stark in Siberien
gebräuchlich ist, bedient haben.
/ ≥ §. 122. ≤
/Die Insel Ascension ist eine der glüklichsten
Inseln, welche vor den Anfällen der Feinde
/ gesichert
/|P_513
/gesichert seyn kann. Sie liegt nemlich auf
einem großen Felsen von welchem man den
Feind bey Tage weiter übersehen, als er
des Nachts mit der grösten Geschwindigkeit
segeln kann, mithin sie nicht überrumpelt
zu werden vermag. Man kann übrigens den
Zugang zu ihr, da ohnedem nur ein eintziger
ist, sehr leicht mit einer Canone oder gros-
sen Steinen jedem Feinde verhemmen, %und da
überdem diese Insel an allem Nothdürftigen
einen reichen Unterhalt besitzt, so dürfte leicht
die Lust mit etlichen redlichgesinnten, auf die-
ses Adarsonche Klion transportirt zu werden,
bey einem %und dem andern entstehen.
/ ≥ §. 123. ≤
/America ist von den übrigen Welttheilen gantz
%und gar selbst durch seine Producte, die unter
demselben Climate verschieden sind zu un-
terscheiden und wird in das Süd und NordAme-
/ rica
/|P_514
/rica, die durch die Straße Panoma verei-
nigt werden, eingetheilet.
/ ≥ §. 124. ≤
/In Süd_America sind folgende Länder merk-
würdig:
/1. Terra_del_Fuego Sie bestehen aus einer Men-
ge von Inseln, die von herumstreichenden Na-
tionen bewohnt werden, die sich von nichts
als den Seevögeln %und Fischen nähren können.
/2. Chili. Ihre Einwohner sind die tapfersten
%und im höchsten Grade unempfindlich; diese
Nation ist sehr zu Aufrühren geneigt, und
besitzt eine besondere Gabe ihre Desseins
geheim zu halten, wodurch sie äußerst ge-
fährlich wird; sie haben die Gewohnheit un-
ter der Lippe ein Loch zu schneiden, in wel-
ches sie einen grünen Stein einsetzen, wel-
cher von keinem andern Dinge in der Natur
als den Diamanten angegriffen werden
/ kann
/|P_515
/kann; «b» man bemerkt von ihm, daß die Einwoh-
ner allerhand Figuren zE von einem Rindkopf
demselben geben können, woraus manche ge-
schloßen haben, daß er aus dem Schlamm der in
ihrer Gegend ist, wenn er erhärtet wird er-
zeugt werde.
/3. Peru wird in den gebürgichten Theil %und den
niedrigen eingetheilet in welchem erstern
Lima %und dem andern Quitto angetroffen
wird, welches letztere sehr kläglich aus sieht,
so daß dieses Land nie von den Europaeern
besucht wäre, wenn sie es von der Seite en-
trirt hätten (Von den Chilianischen Einwoh-
nern ist die besondere Art, sich der Pferde,
die in die Wildniße verlaufen, bey der
Iagd zu bedienen, welchen sie den gantz
freyen Lauf laßen, nebst dem Gebrauche
ihrer Schlingen, vermittelst welchen sie je-
den erhabenen Theil eines Menschen oder
Thieres mit einer besondern Geschwin-
/ digkeit.
/|P_516
/digkeit zusammen schnüren %und nach sich ziehen
können, zu merken) Es ist auch in diesen Ge-
genden ein großes Silberbergwerk, woraus
seit 200 Iahren jährlich auf 20.000.000 Piaster
nach Europa transportiret werden.
/4. Paraguey, in welchem besonders die Cor-
dileren große Gießbäche %und beständigen Re-
gen verursachen, %und daher schlimm ist, Rei-
sen in ihnen anzustellen, maaßen man bey
den steilen %und scharfen Felsen, die von dem
häufigen Waßer ausgewaschen sind, sein
Vertrauen eintzig %und allein auf die Maulesel,
welche«¿» herunter glitschen, setzen muß.
/5. Brasilien ist sehr wegen der gesunden Luft
berühmt, weil daselbst ein immerwährender
Frühling %und Sommer herschet, %und wird beson-
ders zu den Zukker, Caffée %und Tobak_Plantagen,
wozu sie die Ne«¿¿»gers gebrauchen %und sehr grau-
sam halten, ohngefehr 15 Meilen Landeinwärts
/ employ
/|P_517
/employret. Die Ursache, wozu sie Negers mit
so großen Unkosten hohlen %und nicht vielmehr
die americanische Unempfindlichkeit, nach
welcher sie so zu sagen sich durch nichts bän-
digen laßen, %und welche durchgängig bey
ihnen an dem gantzen Amazonen_Strom an-
getroffen wird; ob nun gleich fast mehrere
Negers als Europaeer angetroffen werden,
%und wegen ihrer Leichtsinnigkeit zu Empörun-
gen sehr fähig sind, so werden sie dennoch durch
die Härte der Strafen (zE. Wenn ein Neger
einen Weißen nur schlägt, so wird er schon
lebendig verbrannt) sowohl als auch im Falle
sie verspielen würden, nirgends eine Zu-
flucht finden «s»möchten, weil die Americaner
viel lieber einen Weißen als Schwartzen
leiden mögen, %und dieselbe ohnfehlbar tödten
würden; dennoch schaffen sich sehr viele durch
den Selbstmord aus der Welt, indem sie glau-
/ ben
/|P_518
/ben, daß sobald sie an einem Orte sterben in
ihrem Vaterlande wieder auferstehen, wo-
von sie auch gar nicht abgebracht werden
können - Was die Gallibis anbetrifft, so ist noch
die Art ihren König zu wählen merkwürdig,
welcher bey seiner Wahl alle Arten von
Schmertzen, Hunger, Geißeln p mit der grö-
sten Unempfindlichkeit aushalten muß.
/6. Das Missionsland, in welchem die Jesui-
ten die Regierung führen, von den Wilden
anbauen laßen, wobey sie ihnen zwar Aus-
speisungen reichen «laßen» aber nichts von
ihrer Erndte zukommen laßen, %und überhaupt
mit ihnen als Kindern umgehen, %und obgleich
sie dieselbe mit der grösten Mühe zu unter-
richten suchen; so bleiben sie dennoch mehren-
theils so einfältig als vorhero, das Zehlen
aber selbst ist ihnen beynahe unmöglich, weil
sie vor die Zahl drey schon eine Bezeichnung
mit sechs Sylben haben, wie man denn
/ bey
/|P_519
/bey ihnen überhaupt eine sehr langsylbig-
te Sprache bemerket, welches alles doch zeigt,
daß bey ihnen eine würklich schlechtere Fä-
higkeit, als bey andern rohen Menschen an-
zutreffen sey.
/Was die Meerenge Panama anbetrifft, so be-
finden sich daselbst sehr viele Albinos %und in den
übrigen Provintzen Nationen, die Menschen
freßen, wie auch auf der Insel Lucia die Ca-
raiben, die jetzo bis auf eine sehr kleine Zahl
ausgerottet sind. In Lima wird besonders
ein sehr großer Aufwand %und mehr Staat als
in Europa getrieben, doch sind die Moden et-
was verändert zE. daß die Frauenzimmer
Tobak rauchen. Ravana ist das Ren_de_vouz
von allen Schiffen, die nach Europa gehen
wollen, und Barbados die den Hol-
ländern gehört unter den klei-
nen Inseln die beste.
/ §. 125
/|P_520
/ ≥ §. 125. ≤
/In Nordamerica sehen die Leute ziemlich
ähnlich aus, %und nennen sich im Frieden Brü-
der unter einander. Ihre gröste Tugend se-
tzen sie in der Tapferkeit %und Ausübung der
Rache, wenn sie beleidigt werden, woher
sie auch ihre Kinder gleich anfangs zur Unem-
pfindlichkeit gewöhnen, wobey sie dennoch
solches nur allein durch die Ehre und nicht durch
Gewalt erzwingen, sondern ihnen vielmehr
völlige Freyheit laßen, welches doch anzeigt,
daß Kinder bey der ihnen doch gelaßenen Frey-
heit beßer, als gezwungene gerathen. Ih-
re Art die Menschen zu eßen ist folgende: Sie
verzehren keine todte Menschen, auch nicht
mit großem Appetite, wie solches überhaupt
keine Nation thut, sondern nur ihre Fein-
de, welche mit gewißen Solennitaeten ge-
schlachtet werden. Wenn sie in den Krieg ge-
hen, so hauen sie ihre Äxte in den Baum
/ %und
/|P_521
/und tantzen um ihn herum, wodurch sie sich zu
Kriegen obligiren, überfallen ihren Feind,
welches sie beständig thun, indem sie dazu
in ihrer Iugend allerhand Künste erler-
net haben zE. an einem trokkenen Erdreich
die Fußstapfen eines Menschen zu erkennen,
ob es eine Frauens oder Mannsperson, %und
von welcher Nation er gewesen; %und sich
zu ordentlichen Treffen nicht bequemen
wollen, %und führen diejenigen, die sie leben-
dig gefangen haben, gebunden mit sich,
die sie nachgehends bey ihrer Rükkunft, den
Wittwen, die ihren Mann verlohren, dem
Vater, der seinen Sohn eingebüst, vorstellen
%und wenn sie ihnen gefallen, diese ihren
mit Wanpons besetzten Gürtel annehmen,
in ihre Nation aufgenommen, wo aber
solches nicht geschieht bis zu einem Tage,
an welchem die Execution vor sich gehet,
/ wohl
/|P_522
/wohl gehalten %und denn an einen Pfahl ge-
bunden werden, an welchem sie (die Gefan-
gene) den zwar melancholischen aber hochtra-
benden TodtenGesang anstimmen %und die
Freyheit haben sich zuletzt mit denen Stei-
nen die um sie herum gelegt werden, zu
wehren, hierauf quält man sie gantz lang-
sam (zE. schlagen ihnen Höltzer unter den
Nägeln hakken das Fleisch in Stükken %und eßens
auf) zu «t»Tode, wirft sie in die Krieges_Keßel
%und verzehret sie, blos um die Familie zu
rächen, wobey aber der Gefangene nicht
den geringsten Grad von Empfindlichkeit
bey Verlust seiner Ehre, welches er auch nicht
thut, äußern muß.
/Alle Nordamerikaner spielen zwar in ih-
rer Iugend, werden aber von ihrem 20sten
Iahre an sehr melancholisch, %und ob sie zwar
ihre Frauen als Hausthiere ansehen, so ist
/ ihnen
/|P_523
/ihnen dennoch, weil sie mit an dem Kriege
Antheil nehmen erlaubt unter sich Rath
zu halten, ob der Krieg vor sich gehen soll
oder nicht. Sie haben keinen Oberherrn, son-
dern sind alle untereinander gleich, wählen
sich aber dennoch einen Anführer. Der Mord
wird unter ihnen nicht bestraft, wird auch
selten begangen, weil alsdenn der erschla-
genen Familie solange machiniret bis der
Todtschläger gleichfals ins Reich der Todten
wandern muß. Die Negers verfallen jetzo auch
auf eine Art der Tapferkeit, wobey sie um
Sieges_Zeichen zu erlangen erschrekliche Ver-
wüstungen anrichten. Sonsten aber bemerkt
man überhaupt, daß die Wilden sich sehr einan-
der ähnlich seyn, welcher Umstand die Origi-
nal_Triebe des Menschen einigermaaßen
entdekken konnte. Ihre Freundschaft ist weit
enthusiastischer als die Europaeische %und hegen
/ besonders
/|P_524
/besonders gegen den Diebstall einen gros-
sen Abscheu, wobey man dennoch bemerket,
daß sie keinen am Leben strafen, sondern
nur nach der Größe dieses Verbrechens bald
mit Abnehmung eintzelner Finger bald
der gantzen Hand denselben bestrafen. Man
lebt unter ihnen, wie auch allen räuberi-
schen Nationen sehr sicher, weil sie ihre Raub-
begierde nur auswerts zu befriedigen
suchen, dabey die innere Ruhe doch erhalten
wird. Es äußern auch die Einwohner von
Nordamerika unter allen Americanischen
Völkern den grösten Verstand. Das Frie-
densZeichen ist bey ihnen eine mit Laub
umwundene Pfeiffe, welche in der gantzen
Gesellschaft herumgetragen wird %und das
Callunth genennet wird. Ihr gröster Reich-
thum bestehet in Thier %und Biberfellen, wovor
sie wiederum einen Keßel, ein Schießgewehr,
ein Meßer, ein Hemde, Brandtwein, Zin-
/ nober
/|P_525
/nober zu schminken, ein Spiegel %und ein
Brennglas umzutauschen suchen. Die Einwoh-
ner dieser Länder nähren sich von den Mays
oder Türkischen Weitzen %und denn von der
Iagd. Weil aber zur «G»Iägerey ein weit-
läuftiges Terrin erfordert wird, dieses
die Europaee«¿»r nach %und nach einnehmen %und
dadurch schmällern; ferner auch den dasi-
gen Einwohnern den Brandtwein kennen
gelernt, welchen sie so stark saufen, daß sie
sich beym völligen Ueberfluße den ohnfehl-
baren Tod«t» zuziehen würden, %und dadurch sie
zur Iägerey ungeschikt gemacht werden,
hiernächst die Kinderpokken eingeführet; so
kann man sicherlich behaupten, daß die Ein-
wohner in Europa denen Nordamerika-
nischen Nationen wenigstens zum Unglük
hingekommen, %und daß mit der Zeit diese
Nationen ausgehen werden, da die Frau-
/ enspers.
/|P_526
/enspersonen die Kinder wenn sie schon groß
sind noch säugen; in welcher Zeit sie gar kei-
ne Kinder gebähren können.
/ ≥ §. 126. ≤
/Nordwerts vom LaurentiusStrom wohnen
die Esquimaux, welche die Frantzosen als
eine grausame, trotzige %und halsstarrige, die
Engelländer aber als eine «m»sehr milde Nation
beschrieben. Es ist aber auch gantz natürlich,
daß das Betragen dieser Völker sich bestän-
dig nach der Aufführung der Ankömmlinge
richten werden. Ihr Unterhalt ist sehr küm-
merlich, weil sie von nichts als der Iagd leben
%und um sich vor dem Hunger zu «v»erwehren,
öfters etliche 100 Meilen in dem grösten
Froste reisen müßen, haben auch keine
Cabaren, weswegen sie ihre gantze Familie
mit auf die Iagd nehmen %und wenn eine
%und die andere Person von ihr nicht fortkommen
/ kann
/|P_527
/kann; so ist die Beraubung des Lebens ihr grö-
ster Tod. Die Art durch angestekten Schwefel
die Gesinnung des Frauenzimmers zu er-
fahren, ob sie die Mannsperson haben wolle
oder nicht, die dieses Mineral vor ihrem Bet-
te hält, ist bey ihnen zu merken, das Aus-
löschen dieses Schwefellichts wird für ein
Zeichen der Wohlgewogenheit gehalten.
/ ≥ §. 127. ≤
/Die Grönländer sind von kleiner Statur
%und haben schwartze Haare, worinnen sie
mit den Indianern übereinkommen. Sie
nähren sich von lauter Fischen %und besonders von
Seehundfleisch, %und man findet bey ihnen über-
haupt einen größern Grad der Hitze in ih-
rem Blut, dahero einige von ihnen in einer
Cabane beysammen bey dem grösten Frost
eine solche Hitze hervorbringen, daß der
Schweiß ausbricht, welches vielleicht von
der Fettigkeit des Seehundfleisches herkommen
/ mag
/|P_528
/mag, da nemlich das Oehl das Austroknen ver-
hindert, welches sonst die Kälte hervorbringt,
welches man daraus gesehet hat, daß ein Ba-
rometer in den Wind gesetzt, wenn es vorhero
befeuchtet worden %und inwendig mit Waßer
gefüllt, dieses Waßer gefallen. Diese Nation
hat vorhero ohne Saltz gelebt, haben kein
Gras, außer dem sehr wenigen, welches auf den
alten Mauren der Kirchen wächst (welches auf
die Vermuthung bringt, daß dieses Land vor-
hero sehr bewohnt gewesen seyn muß) %und ei-
nen sehr beträchtlichen Artikel ihres Handels
ausmacht. Ihre Cabanen haben kein schräges
Dach %und sind des wegen, weil sie nur mit
Rasen bedekt sind, dem Regen sehr ausge-
setzt. Ihre Mannsböthe heißen Cajacken, ha-
ben eine ziemlich große Länge, um diese
spannen die Einwohner ein Seehundfell, so
daß nur der Kopf hervorragen kann, damit
kein Waßer hineindringen möge, welches sie
zu regieren einen Riemen statt des Ru-
/ ders
/|P_529
/ders gebrauchen, %und weil es wegen der Stru-
ctur des Kahns nothwendig ist, daß die Caja-
ke zuweilen umschlägt, so werden bey ihnen
viele Kunstgriffe erfordert, sich vermittelst
dieses Riemens wiederum empor zu schwin-
gen, %und man bemerkt, daß das Zuschauen
einer solchen Noth bey den Einwohnern ein
Lachen erwekt, welches doch anzeigt, wie
die Menschen die beständig in Gefahr sind
kein Mitleiden haben. Sie empfinden kei-
nen Ekel vor dem Gestank, %und da das Frauen-
zimmer im wilden Zustande als ein Hausthier
angesehen, im verfeinerten %und gesitte-
ten Leben sehr hoch gehalten wird, so daß
es gar Befehle austheilen kann, da doch
die Natur_Fähigkeiten in ihnen schon lie-
gen, %und nur nach dem verfeinerten Ge-
schmak entwikkelt werden, so könnte die-
ses zum Nachdenken über den Unterschied
dieser beyden Gattungen von Zuständen an-
/ reitzen.
/|P_530
/reitzen. Die Weiber haben gleichfals Kähne,
die aber von den Mannsböthen gantz unter-
schieden seyn. Ihr Holtz, welches sie aus dem
Waßer bekommen, gebrauchen sie zu ihren
Cabanen, Cajakken, Ruder, zum Brennen a-
ber brauchen sie Seehundfett %und dürres Moos,
wovon sie eine Art Lampen machen, indem
sie die vorerwehnte Materien in den Topfstein
werfen, statt eines Keßels, welches ein sehr
weicher Stein ist.
/δRest_leer
/δEnde_Ms