![]() |
Tavernier (1681) | ![]() |
Tavernier, Jean Baptiste (1681):
Vierzig-Jährige
Reise-Beschreibung. Worinnen dessen durch Türkey / Persien / Indien /
und noch mehr andere Oerter / höchst-löblichst-vollbrachte
sechsmalige Länder-Reise/ [...] In Dreyen Theilen / vorgestellet /
Auch noch über diß / statt eines höchst-nützliches Anhangs /
beygefüget wird Jacob Spons / MED. DOCTORIS, Curieuse Reise / durch
Italien / Dalmatien / Griechenland und Levante [...] [288, 232, 200,
120 S., Register und Inhalt] (Nürnberg)
/QTxt:
Tl. 1, S. 270:
Die Gastereyen und Panqueten der Persianer werden folgender Gestalt
gehalten. Die Eingeladene kommen gleich früh Morgens zu dem der sie
zu sich hat bitten lassen der ganze Tag aber wird zugebracht mit
Schmauchen und historischer Erzehlung. Von Zeit zu Zeit setzt man
ihnen vor den Caffe Zucker-Sachen Confect und Obst nachdem es im Jahr
ist. Gegen Abend wird der Sofra auf schon anderwertig beschriebene
Manier aufgebreitet und gekochte samt den gebratenen Speisen
aufgesetzt wie ich allbereit davon gemeldet. Wann der Tractirende
eine Stands-Person ist so hat er einen Hofmeister der auf den Fersen
sitzend einen grossen Löffel in der Hand hält. Sodann schlägt der
Haus-Herr an und macht lange und breite Complimenten gegen seinem
vornehmsten Gast ihn versicherend daß die Mahlzeit nur ihm allein zu
Ehren angestellt sey wofern er es aber befehle sollten die andere
Anwesende deren auch theilhafftig werden. Wenn nun die Ceremonien
beederseits abgelegt sind füllet der Hofmeister etliche kleine von
den Aufwärtern dargereichte Schüssele mit Reiß und Fleisch voll an
doch jedem gleich viel und werden alle jeglichem nach der Reyhe
zugetragen. Sodan essen sie den Reiß Hand voll das Fleisch aber mit
Fingern fassende. Zu Zeiten thun sie auch gestandene Milch darunter
machen aus allem Klöße einer halben Faust groß und verschluckens auf
einmal weßwegen sie nit lang sitzen sondern einander Platz räumen
massen wann einer satt ist und aufstehet setzet sich der andere an
seine Stelle ohne einzige Complimenten. Es werden ihnen auch wie ich
in der Beschreibung deß Serails erwehnet unterschiedliche annehmliche
Säffte vorgesetzt in kleinen Procellanen Schälichen die alle in einer
gar fein gearbeiteten gemahlenen grossen Schüssel stehen. Sie nehmen
jezuweilen zwey oder drey Löffel voll davon den Pilau desto besser
hinabzubringen und dem Durst vorzukommen; Massen sie unter währender
warmer Mahlzeit nicht trinken. Nach geendigter Gasterey wird ein
Becken nebst einem Handfaß voll warmen Wassers aufgesetzt die Hände
und das Angesicht zu waschen end lich bedankt sich der Wirth gegen
seine Gäste und gehet jedweder nach Hause. Die Diener hingegen sind
stracks mit denen vorm Gemach stehenden Schuhen bereit um ein wenig
Trankgeld so man ihnen zuwirft zu erschnappen. Die Armenier tractiren
ihre Gäste eben auf solche Weise nur daß sie den Anfang mit dem
Brandwein und Confect machen und hernach jedem ein paar hart
gesottene Eyer vortragen. Der Unterscheid zwischen der Mahometisten
und Armenianer Gastereyen ist dieser daß jene schleunig abspeisen
diese aber auch geschwind doch lang ohne Trinken essen welches erst
zu Ende der Mahlzeit geschihet. Nach verrichtetem Dank-Gebet werden
die Speisen ab- und das Confect aufgetragen sodann fangen sie erst an
recht übermässig zu trinken. Der Tractirende hält es ihm vor eine
grosse Ehre wann seine Gäste die Thür nicht mehr finden können
welches gar oft geschehen sollte wann ihre Diener auch so trunken
wären als ihre Herren die sie führen und jeweilen nicht stark gnug
sind sie vorm Fall und auch aufm Weege zu halten welchem dem
Haus-Herrn eine treffliche Freude ist; Dann wann einer allein obschon
hin und wieder torklend gehen kan und noch ein wenig bey Verstand
bleibt so ist dem Gast-Herrn recht leid daß er seine Unkosten so übel
angelegt habe. Zum Beschluß dieses Capitels muß ich noch melden daß
die Armenianer gar ehrliche Leute sind und einem jedweden herzlich
gern das Essen gönnen der auch nur zufälliger Weise bey ihnen zur
Mahlzeit ankommt sich über die Christen verwunderende daß sie unter
währendem Abends- oder Mittags-Mahl die Thüre verschliessen.<=
Datum: 14.01.2008