|B_Bergk_(1791)_
Immanuel Kant's vorzügliche kleine Schriften und Aufsätze.
/ Mit Anmerkungen herausgegeben von Fr. Ch. Starke.
/ Nebst Betrachtungen über die Erde [...] In zwey Bänden. (Leipzig 1833)

Knopf

Erster Band.

Seite ix der ›Vorrede des Herausgebers‹
Die Betrachtungen über die Erde und den Menschen, welche im zweyten und letzten Bande nachfolgen, sind aus Kant's nachgeschriebenen Vorlesungen entlehnt, die er den 11. May 1791 angefangen hatte und die manches Lehrreiche enthalten, das man in diesen gesammelten Schriften ungern vermissen würde.

Zweiter Band.

Seite v der ›Vorrede‹
Der Aufsatz über die Erde und den Menschen ist aus einer Handschrift entlehnt, die noch nicht gedruckt und die seinen Vorlesungen über physische Geographie nachgeschrieben ist.


[Sprung zu Teil II ›Die Menschen‹]

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/ ≥ Betrachtungen über die Erde und den Menschen.*) ≤


/Die Welt kann betrachtet werden, wie sie jetzt ist oder wie sie gewesen ist; jenes ist Kosmographie, dieses Geschichte der Welt. Die Kosmographie ist entweder Beschreibung der Welt als Gegenstand unserer Sinne oder der Inbegriff der Gegenstände, mit denen wir in Gemeinschaft kommen können, aber unter allen übrigen Weltkörpern ist dies nur die Erde, welche wir allein nach unsern Absichten brauchen und verändern können. Die Erdbeschreibung (Geographie) ist Kenntniß desjenigen, was jetzt auf der Erde angetroffen wird, und kann entweder als Natur- oder als politische Beschreibung betrachtet werden.

/Die Gestalt der Erde ist beynahe kugelförmig; denn die Berge und Thäler auf derselben können als Kleinigkeiten gegen die ganze Erde gar nicht in Betracht kommen und ist nach beyden Enden zu etwas eingedrückt.

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/*) Sie sind aus nachgeschriebenen Vorlesungen über die physische Geographie entlehnt, welche Kant im Sommerhalbenjahre 1791. vom 11. May an in Königsberg gehalten hat. Wir wählen nur Einiges aus, was von allgemeinem Interesse ist.
/ D. Herausg. ┤

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/Das Eingedrückte rührt daher, daß die Erde, da sie sich schon um die Axe bewegte, noch flüssig war und die meisten festen Theile sich dahin zogen, wo die stärkste Bewegung war, d. h. nach dem Aequator.

/Das Meer. Vom Meere läßt sich nicht mit Gewißheit vermuthen, daß es ehedem Land, wie vom Lande, daß es vorher Meer gewesen sey. Wo es viel Meerbußen und Inseln giebt, da giebt es natürlich auch viel Küsten. Durch eine solche Lage der Länder wird der Handel, der Gewerbfleiß und die Schiffarth sehr befördert und früher als in andern Gegenden ein schon hoher Grad von Bildung bewirkt; dies geschah in Griechenland, Ostindien. -- Der Meeresboden ist so uneben als das Land, da wir alle Inseln als Berge ansehen können. Dadurch, daß das Land das Wasser ablaufen ließ, entstanden die tiefen Thäler und Schluchten auf und in der Erde, durch welche das Wasser durchströmte. Im Meere dagegen scheint es nicht so zu seyn, wenn auch ein ähnliches Ablaufen des Wassers statt haben könnte; denn man findet z. B. ganze Strecken Sandes auf der Erde, rund herum von großen Bergen eingeschlossen; im Meere dagegen ist es nicht so und alle großen Sandstrecken in demselben sind ganz flach und eben, wie die große Sandbank bei Terreneuve.

/Die Tiefe des Meeres an den Küsten steht immer mit dem Boden im Verhältnisse; ist die Küste flach, so ist auch das Meer an derselben seicht; ist dagegen die Küste steil, so ist auch das Meer an derselben sehr tief. Die größte Tiefe des Meeres ist unbestimmt; denn man hat es an mehrern Stellen 1.000 Faden tief gefunden und dies nennt man schon unergründlich. Annehmen läßt sich wohl, daß es nirgends über eine kleine teutsche Meile tief sey. In der heißen Jahreszeit hat das Meer einen sehr starken Geruch, der eigentlich nicht von dem Seewasser, sondern von den in demselben in Fäulniß übergegangenen Thieren herkommt. In einem Glase ist das Meerwasser ganz klar; in großen Quanti-

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/täten, wenn man über die Meeresfläche hinsieht, hat es eine grüne Farbe. Das Seewasser ist sogar in einem Glase durchsichtiger als das Flußwasser; denn je salziger jenes ist, desto durchsichtiger ist es. So kann man z. B. bey den antillischen Inseln alles auf dem Meeresgrunde ganz deutlich sehen; eben dies ist der Fall bey Novazembla. Wird aber die Oberfläche des Meeres auch nur in die geringste Bewegung gesetzt, so wird das ganze Seewasser bis auf den Grund undurchsichtig; denn die Oberfläche wird runzelich und jede Runzel wirft das Licht zurück, welches bey der Meeresstille in die Tiefe hinuntergegangen seyn würde; daher nehmen die Taucher gewöhnlich etwas Oel mit, damit sie, falls das Wasser trübe würde, es sogleich ins Wasser lassen und sich dadurch Licht verschaffen können; denn das Oel steigt sogleich in die Höhe und macht auf der Oberfläche gleichsam ein Fenster.

/Eine vollkommene Salzigkeit des Meeres ist die, wenn das Salz über 1/3 des Gewichts des Wassers ausmacht, z. B. wenn in 14 Loth Wasser etwa 5 Loth Salz sind. Im Ozeane giebt es verschiedene Grade der Salzigkeit: bey Maltha ist der 16te Theil des Wassers Salz, in der Nordsee aber nur der 60ste. Das Salzige des Meerwassers ist zugleich mit einer ekelhaften Bitterkeit verbunden, so daß es weder zum Kochen, Backen, noch weniger zum Trinken gebraucht werden kann. Das Seesalz aber ist deshalb nicht etwa nur Bittersalz; denn Bergmann (in Stockholm) führt an, daß das ekelhafte Bittere sich bloß auf der Oberfläche des Wassers befinde und nur von den vielen im Meere verfaulten Thieren herkomme, in einer gewissen Tiefe geschöpft aber, sey es reines Salzwasser.

/Das Meersalz hat seinen Grund in dem Stein- und Quellsalze, welches letztere ein aufgelöstes Steinsalz ist. Die Gruben des Steinsalzes scheinen ehedem flache Theile des Ozeans gewesen zu seyn, von denen nach und

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/nach mehr Salz von der Sonne destillirt, das darüber stehende Meerwasser aber immer wieder abgedampft wird.

/Wenn man sich eine Welle dem Ufer nähern sieht, so rührt dies bloß vom Winde her, welcher eine Grube ins Wasser drückt und das Wasser immer weiter zu treiben scheint; es rückt aber bloß die Krümmung weiter, das Wasser aber bleibt immer an derselben Stelle; die Welle stürzt sich über, so bald sie etwas an ihrem Fortrücken stört oder aufhält; höher als 30 Fuß steigen die Wellen wohl niemals. In einem Archipelagus sind die Winde am heftigsten, daher auch die Wellen am höchsten. Wo das Meer sehr tief ist, da sind, vom Ufer weit entfernt, die Wellen sehr lang, z. B. an den spanischen Küsten. Kurze Wellen finden sich in eingeschlossenen Seen z. B. im schwarzen Meere, in dem caspischen See. Diese kurzen Wellen sind sehr beschwerlich, theils weil die Schiffsmasten auf kurzen Wellen bald vor- bald rückwärts schwanken, so daß sie bey heftiger Bewegung leicht brechen können, theils weil auch die Ladung durch allzugroße Erschütterung leiden kann. Der Wellenschlag ist bloß auf der Oberfläche des Meeres, stößt nie bis auf dessen Grund und die Bewegung verliert sich bald. Ist das Meer hingegen nicht tief, so schlagen die Wellen bis auf den Grund, prallen von da wieder zurück und bilden auf diese Art die kurzen Wellen. Ist die Brandung an einer Küste so stark, daß man sich ihr auf keine Art und zu keiner Zeit würde nähern und anlanden können, welches Letztere jedoch höchst nothwendig ist, so gießt man ein Fäßchen Oel ins Meer, welches wenigstens so viel ebnet, daß man mit einem Boote landen kann.

/"Die See geht hohl," dies ist der Wellenschlag, der noch fortdauert, wenn der Wind schon nachgelassen hat. Dies ist für Schiffe der gefährlichste Zustand, da sich der Wind nun gelegt hat, der das Schiff allein noch aufrecht erhielt, und nun allem Schwanken der Wellen überlassen ist. Die Brandung ist eine Stelle im Meere, entweder eine Küste oder eine Bank, woran sich die Wel- 

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/len brechen. Es bricht sich aber nicht jede Welle; denn die Eine treibt immer die Andere höher ans Ufer, bis es nicht mehr weiter geht und da bricht sich oft die höchste, die sechste, siebente, ja wohl die zehnte erst; ist dies vorbey, so geht das Aufhäufen der Wellen immer wieder von neuem an.

/Aus der Oberfläche des Meeres kann man sehr oft auf die Tiefe desselben schließen; denn sind in demselben Bänke und Untiefen, so sind die Wellen kurz; ist es hingegen tief, so sind die Wellen lang. Auch pflegt es gewöhnlich an Küsten und Bänken sehr kalt zu seyn, weil durch den Wind das untere kalte Wasser nach oben gebracht wird.

/Ein Strom im Meere entsteht entweder durch den Wind (der Wind treibt aber eigentlich das Wasser nicht vor sich her, sondern der Strom entsteht nur dadurch, wenn der Wind sehr lange aus einer und derselben Richtung gewehet hat; dieser Meeresstrom dauert auch wohl noch eine Zeitlang fort, obschon der Wind zu wehen aufgehört hat) oder durch die Ebbe und Fluth oder durch den Unterschied der Höhen des Meeres, indem ein Theil des Ozeans mehr ausdünstet und deshalb niedriger steht als der andere, z. B. das mittelländische Meer. In der offenen See kann man nicht wissen, ob man in einem Meeresstrome ist oder nicht, das Meer müßte denn seicht genug seyn, um mit dem Senkblei den Grund erreichen zu können, wo man es denn freylich leicht bemerken kann; ist hingegen das Meer sehr tief, so kann man es gar nicht merken.

/Das Meer leidet nichts Lebloses in sich, sondern wirft es ans Land aus: dies kommt daher, daß etwas Lebloses nicht die Bewegung des Wassers hat; dieses wirft daher dasselbe dahin, wo es ruhig liegen kann.

/Die Straße bey den Bahama-Inseln oder der sogenannte Golfstrom streicht so scharf, daß Sachen, die in ihn fallen, von ihm weit weggeführt werden, z. B. Holz bis Island; hier fand man auch einmal ein Boot,

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/das von Madagascar bis Island getrieben worden war.

/Alle Meere, welche mit dem Ozeane durch eine weite Oeffnung in Verbindung stehen, haben Ebbe und Fluth; dagegen haben die Ostsee, das mittelländische Meer und andere Meere, die nur durch kleine Oeffnungen mit dem Ozeane zusammenhängen, nur sehr wenig davon.*) In zwölf Stunden ist einmal Fluth und einmal Ebbe; beyde sind also von einander 6 Stunden entfernt und an dem Orte, wo vor 6 Stunden die größte Ebbe war, ist nun die größte Fluth. Daß hierauf der Mond Einfluß hat, ist beynahe außer allem Zweifel.

/Es giebt zwey Arten von Fluth, die gemeine, welche 12 Fuß hoch steigt und die Springfluth. Die Letztere tritt ein, wenn Sonne, Erde und Mond in gerader Linie stehen, d. h. wenn Neulicht ist. Ist hingegen eine Quadratur d. i. der Meridian der Sonne von dem Meridiane des Mondes 90 %Grad entfernt, so ist todte Fluth und sie geht nicht höher als 8 Fuß. In den Meerbußen, welche der Ozean ins Land hineingemacht hat, steigt das Meer bey der Fluth auf 30 bis 60 Fuß hoch, z. B. bey Bristol. Die Erscheinungen des Maelstromes haben ihren Grund in der Ebbe und Fluth; derselbe steigt eine Zeitlang von Westen nach Osten sodann von Süden nach Norden, ferner von Westen nach Osten und so weiter im Kreise herum, so daß er innerhalb 12 Stunden um den ganzen Compaß läuft. Große Strudel giebt es gar nicht und ein Strudel ist bloß ein in der Richtung veränderter Strom, z. B. bey Messina. Der Letztere ist bloß merkbar, wenn der Wind lange aus Süden gewehet hat. Oft begegnen sich zwey einander entgegengesetzte Winde, welche einen Strudel verursachen. In manche Häfen kann man nur zur Zeit der Fluth kommen, woran die davorliegenden Barren d. i. Sandbänke Schuld sind. Die Fluth geht von Morgen gegen Abend

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/*) O dira dies. d. 1-6 Dec. 1832. ┤

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/besonders stark unter den Wendekreisen. Um zu sehen, was Ebbe und Fluth ausrichtet, muß man besonders bey den Sundainseln z. B. bey Sumatra, aufmerken, wo die Ströme bloß nach der Ebbe und Fluth, aber bis auf den Grund des Meeres ziehen; die Ströme aber, welche vom Winde entstehen, ziehen bloß auf der Oberfläche des Meeres hin. Die sonderbare Gestalt der Erdoberfläche kann wohl von dem Zuge der alten Ebbe und Fluth entstanden seyn, als noch der Ozean auf dem jetzigen festen Lande stand.

/Es giebt Meereswallungen z. B. an der Küste von Sumatra, wo die See bey der größten Windstille mit ungeheuerm Ungestüme an die Küste stürmt, welches von der Ebbe und Fluth herzurühren scheint; jedoch kann es auch von der allgemeinen Bewegung des Meeres herkommen.

/Die Verdunstung der Meere kann nicht größer seyn, als der Ausfluß der Flüsse in dieselben, der Regen und Schnee, welcher ins Meer fällt. Im mittelländischen Meere ist jedoch die Ausdünstung stärker als die Menge Wasser, welche die Flüsse hineinführen; es ist deshalb immer niedriger als der Ozean. Am caspischen Meere bemerkt man, daß es in 6 bis 7 Jahren merklich zu-, aber auch eben so merklich wieder abnimmt.

/Die Merkwürdigkeiten des nördlichen Eismeeres bestehen 1) in dem ewigen Eise; 2) im Treibholze und 3) in den großen Seethieren. Das Eis ist süßes Wasser, wenn man es aufthauet; das Eis ist aber leichter als süßes Wasser, dieses leichter als salziges. Man hat berechnet, daß das Eis um den zehnten Theil leichter ist, als Meerwasser, und daß es also eben so viel aus dem Wasser hervorragt. Nun hat man Eisstücke gesehen, welche über 200 Fuß über das Meer hervorragten, wo also die ganze Eismasse 2.000 Fuß dick war. Alles Treibeis geht von Norden nach Süden. Das Treibeis ist entweder ein Eisfeld, ein großes Stück Eis, welches nicht durch den Wind, sondern bloß durch die See- 

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/strömung fortbewegt werden kann, oder Packeis, ein Stück Eis, welches durch Wind und Ströme bewegt werden kann. Durch Eisfelder läßt sich oft so sicher fahren als durch die Straße bey Gibraltar; nicht so sicher aber fährt man durchs Packeis. Die Eisfelder haben oft Teiche von süßem Wasser, welche durch das Schmelzen des Eises von der Sonne entstehen. Die Eisfelder platzen endlich von selbst, entweder von der Luft oder von der besondern Zusammensetzung der ganzen Masse. Oft hat man schon ein solches Eisfeld für eine Insel angesehen, weil, da die Luft durch dasselbe sehr erkältet wird, es in beständige Nebel gehüllt ist, welcher oft die Gestalt von Bäumen, Bergen u. s. w. annimmt. Wer aufgethauetes Seewasser trinkt, dem laufen davon die Drüsen an; dies kommt von der fixen Luft her. Alle Gegenden am Eismeere sind meist ohne Holz, selbst ohne alles Gesträuche. An den Küsten von Nordamerika geht ein Strom von Süden nach Norden, weshalb es sehr wahrscheinlich ist, daß das Treibholz aus dem Missisippi und andern Strömen Amerikas kommt. Daß dies Holz wirklich aus wärmern Ländern kommt, sieht man daraus, daß sich unter dem Treibholze oft von Würmern angefressenes findet, was bey dem Holze, das in kalten Ländern wächst, niemals der Fall ist. Zwischen dem Eise ist oft Treibholz, welches vom Eise so gedrückt und gerieben wird, daß es lichterlohe brennt. Alle Thiere im Eismeere sind übermäßig fett. So nähren sich die Wallfische von einem Seeinsekte, das, wenn man es zwischen den Fingern zerreibt, aus lauter Speck zu bestehen scheint.

/Das feste Land. Uiber den Umriß dieses lassen sich wichtige Betrachtungen anstellen: so sind z. B. die Landspitzen alle nach Süden gekehrt, woraus man schließen kann, daß sich der südliche Ozean einmal über das Land nach Norden ergossen hat. Aus der mittlern Barometerhöhe kann man finden, wie hoch ein Ort über der Meeresfläche liegt. Das Innere von Afrika ist uns am

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/wenigsten bekannt, ob es schon an Thieren, Menschen und Gewächsen höchst anziehend ist.

/Der Lauf der Flüsse verräth vieles von dem Profile der Länder. Ein Landrücken ist eine in die Länge sich erstreckende Landeserhöhung, von welcher nach beyden Seiten Flüsse hinablaufen. Nothwendig ist es nicht, daß ein Landrücken ein Gebirge sey, aber gewöhnlich ist es. Solche Landrücken sind die besten und natürlichsten Grenzen der Länder; denn sie unterscheiden nicht allein sehr gut das Mein und Dein, sondern auch die Erzeugnisse der zu beyden Seiten liegenden Länder. Es giebt Theile der Erde, welche zu keinem Flußgebiete gehören; sie liegen höher als andere Länder, sind aber oben flach, so daß von ihnen kein Wasser herablaufen kann, sondern sich in die Erde hineinziehen muß. Dergleichen flache Ebenen giebt es in Afrika und Asien, besonders in Sibirien; man nennt sie Steppen, in deren Manchen weder ein Fluß fließt noch entspringt. Aus diesem Grunde giebt es auch keine Wälder daselbst, sondern bloß Graß. In andern Steppen giebt es Berge und Flüsse, welche ihr eigenes Flußgebiet haben, nie aber bis ins Meer gehen, sondern wenn sie eine Strecke schnell gelaufen sind, sich endlich im Sande oder in kleinen Seen verlieren. Andere Steppen sind wiederum ganz von Bergen umgeben, so daß weder ein Fluß in dieselben hinein-, noch aus denselben herausfließen kann. Alle diese Steppen sind Sand- und Salzländer; es ist anzunehmen, daß es ehedem Seen gewesen, die nachher ausgetrocknet sind. In Europa giebt es eigentlich gar keine Steppenflüsse, außer in Bessarabien. Auf allen diesen Steppen können bloß Hirtenvölker wohnen, welche, wenn die dürre Jahreszeit kommt, von da hinweg an Ströme ziehen.

/In allen trocknen Ländern haben Menschen und Thiere sowohl viel innerliche Stärke als auch eine vorzügliche Leichtigkeit. So ist z. B. das Rindfleisch in Castilien (in Spanien) nicht fett, aber demohngeachtet sehr nahr-

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/haft, hieraus läßt sich abnehmen, daß alle Nahrungsmittel in trocknen Ländern stärkender sind als in feuchten.

/Auf hohen Bergen sieht man Wolken unter sich und blauen Himmel über sich. Dem Menschen schlägt auf hohen Bergen der Puls viel schneller; er empfindet ein gewisses Unvermögen, etwas anhaltend vorzunehmen. Dies rührt von dem geringern Luftdrucke her, welcher dem Herzen weniger Gegendruck als sonst leistet, es schlägt daher viel schneller. Auf hohen Bergen, so wie in Sandländern, bemerkt man ein helles und ruhiges Licht der Sterne, indem das Blinkern der Sterne bloß von der Bewegung der Dünste herrührt. Sternschnuppen sieht man dagegen auf hohen Bergen eben so tief herabfallen als auf der Erde.

/Die große Kälte auf hohen Bergen rührt entweder davon her, daß die der Erde eigenthümliche Wärme sich nicht bis in die Gipfel der Berge erstreckt oder daß die Wärme bloß in der dichtern Luft anzutreffen ist; denn ein Körper in der Luft bleibt immer länger warm als in einem luftleeren Raume.

/In der heißen Zone schmilzt der Schnee in einer Höhe von 18.000 und in der Schweitz bey 10.000 Fuß nicht mehr. Mancher Schnee ist trocken, jedoch bloß in den höchsten Gegenden; anderer in niedrigen feucht. Der Schnee dünstet in der trocknen Luft oft so aus, daß er sich ganz verliert. In niedrigern Gebirgsgegenden schmilzt der Schnee am Tage von oben und gefriert in der Nacht wieder. Daher entstehen ordentliche Schichten von Schnee, aus denen man oft schließen kann, wie viele Jahre der Schnee schon dagelegen hat, wenn er nemlich, wie das oft geschieht, in größern Stücken herabfällt; denn da der Schnee auf Gebirgen gewöhnlich auf einer abschüssigen Fläche liegt und der obere Schnee immer nach unten drückt, so muß er endlich herabstürzen; daraus entstehen die Staublavinen, welches Klumpen von vertrocknetem Schnee sind, die auf einmal herunterfallen, die ganze Luft mit Schnee erfüllen und alles unter sich begraben.

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/Die hohen Berge sind Ursache, daß auch im heißesten Himmelsstriche Menschen in ganz gemäßigter Luft leben können, z. B. in Habesch und Quito. Sie halten die Wolken auf, daß sie nicht vorüberziehen, sondern sich abregnen. Schneegebirge behalten immer eine Menge Wasser für das künftige Jahr. Ehemals glaubte man, gebirgige Länder könnten mehr Menschen ernähren, weil sie mehr Oberfläche hätten, jetzt aber ist man anderer Meynung; denn alles Getraide, auch Bäume, wachsen aus dem Mittelpunkte der Erde und nehmen also mehr Raum ein, als wenn sie auf ebenem Boden stünden.

/Es scheint nicht, daß die Erde durch und durch einerley Wärme habe; in Torneä hat man noch brauchbare Keller in der Erde, dagegen in Jakutschkoi in Sibirien, welches nicht nördlicher, sondern südlicher liegt, hat man 70 Fuß tief nach einem Brunnen gegraben und die Erde noch immer gefroren, aber kein Wasser, gefunden.

/Flüsse kommen theils aus Quellen, theils aus dem Abflusse des Regenwassers. Alles Wasser ist entweder hart oder weich. Alle harten Wasser enthalten Eisen und fixe Luft; daher kocht in ihnen das Fleisch roth und die Seife schäumt nicht. Das weiche Wasser ist in Flüssen, Gräben und salzigen Landseen enthalten; denn alle Seen, welche Flüsse aufnehmen und wieder ausgeben, sind nicht salzig und haben weiches Wasser. Alle stehenden weichen Wasser sind faulig und mit Insekten angefüllt; will man es davon reinigen, so kann man es entweder mit Alaun vermischen oder kochen, jedoch ist gekochtes Wasser nicht so gut als rohes und Alaun ist auch schädlich, oder man kann es auch filtriren.

/In Ländern, welche aus Erdschichten bestehen, sind die Quellen am häufigsten. Bey den Flüssen kann man ihre Länge und ihren Fall betrachten. Der Fall ist die Höhe des Flusses über der Meeresfläche; man kann das Gefälle berechnen, wenn man die Länge seines Laufs mit der Höhe, die er herabfällt, vergleicht. Nahe an der See ist das Gefälle der Flüsse immer sehr gering; so z. B. hat die

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/Seine bey Paris auf 6.000 Fuß Länge nur @1@ Fuß Fall und fließt dennoch ziemlich schnell. Von Königsberg bis Pillau wird der Fall des Pregels kaum drey Fuß betragen. Wo die Flüsse in die See laufen, gehen sie gerade; mitten im Lande aber schlängeln sie sich. Die Ufer laufen gewöhnlich mit einander parallel Figur. Das Ufer, wo der Aussprung ist, ist allemal niedrig, z. B. bey a; das Ufer aber, wo der Einbruch ist, ist immer noch wie bey b. Der Strom geht allemal dem hohen Ufer näher als dem niedrigen; denn bey diesem ist jederzeit das Bett seicht. Die niedrigen Ufer sind die Ablagen für die Unreinigkeiten des Stroms. Oft reißt der Strom etwas von dem hohen Ufer ab und setzt es am niedrigen an; so wird hernach dieses das hohe und jenes das niedrige.

/Alle Thäler schlängeln sich, wie die Betten der Ströme, wie denn überhaupt alles Land durchs Wasser erzeugt zu seyn scheint.

/Viele Ströme theilen sich bey ihrem Einflusse in die See, z. B. der Rhein, die Donau, der Nil u. s. w. Oft gehen Ströme zwischen zwey steilen Ufern; wahrscheinlich ist daselbst ehemals ein Wasserfall gewesen, an welchem der Fluß so lange gespielt hat, bis derselbe dem Bette des Flusses gleich wurde. Oft gehen Flüsse durch Seen, ohne, wie es scheint, ihr Wasser mit dem Wasser des Sees zu vermischen. Dies wird jedoch durch die Rhone und den Rhein widerlegt. Jene kommt schlammig in den Genfersee und geht wieder klar heraus; dies ist mit diesem beym Bodensee der Fall; der Schlamm fällt im See zu Boden und der reine Sand des Sees schimmert allein durch, so daß der Fluß ganz hell durchgeht.

/In kleinern Strömen ist das Wasser schwerer als in größern@;@ jene haben keinen langen Lauf und kommen näher aus dem Gebirge, was bey den größern nicht der Fall ist. Ströme führen sonst keine metallischen Theile bey sich als Goldstaub. Gold ist eine Materie, welche von Luft und Wasser nicht angegriffen wird; dagegen ro-

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/sten alle übrigen Metalle im Wasser; daher kann man diese auch nicht waschen.

/Die Länder, welche am Meere liegen, sind nicht die feuchtesten, sondern die waldigsten; Gewächse dunsten mehr aus als Wasser. In Ländern von außerordentlicher Trockenheit, z. B. in Persien, schwitzt der Mensch vor Hitze nicht, ungeachtet er beynahe von derselben verbrennt. Die Trockenheit der Luft scheint den Gemüthskräften vortheilhaft zu seyn. In Chaldäa hat man von alten Zeiten her die Sternkunde betrieben; dies ist kein Wunder, da man daselbst die Sterne wegen der geringen Feuchtigkeit der Luft viel besser sieht als bey uns. Sehr hoch liegende Gegenden, die nicht von Wäldern umgeben sind, sind sehr trocken.

/Die Ursachen der unreinen Luft sind 1) Gewächse und Thiere; 2) Sümpfe die zugleich Gewächse in sich enthalten und 3) Menschen. Die Gewächse dünsten nicht bloß Feuchtigkeiten, sondern auch Phlogiston (brennbare Luft) aus. Abends hauchen die Bäume die schädlichste Materie aus. Auf hohen Bergen, die neben sich tiefe mit starken Wäldern besetzte Thäler haben, welche die Sonne nicht sehr bescheint, ist die Luft äußerst ungesund. Ungesunde Luft bey Städten rührt gewöhnlich von einem sumpfigen Boden her. Uiberschwemmt man einen Sumpf mit Wasser, so ist er unschädlich; denn eigentlich sind es nur die Gewächse in den Sümpfen, welche den schädlichen Dunst aushauchen.

/Die Qualität (Beschaffenheit) der Winde besteht in der Feuchtigkeit und Trockenheit, in der Gesundheit oder Ungesundheit; ihre Quantität (Stärke) in dem Grade der Schnelligkeit. Ein Wind, der über das Meer herkommt, ist feucht; jene, welche über festes Land hingehen, können nicht feucht seyn, weil sie ihre Feuchtigkeit schon abgesetzt haben. Die Westwinde sind unter gleichen Umständen feuchter als die Ostwinde; man sieht dies besonders auf den philippinischen Inseln, wo die Ostwinde über ein großes Meer herkommen und dennoch sehr tro- 

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/cken sind; dagegen die Westwinde, die über ein kleines Meer und über ein großes Land herkommen, immer feucht sind. So ist es auch bey den antillischen und andern Inseln.

/Damit ein Wind Nässe bringe, ist es gar nicht nöthig, daß er dergleichen habe, sondern nur, daß er sie präcipitire (niederschlage) Wo viele Wälder und Moräste sind, da regnet es öfterer als da, wo keine sind; denn sie scheinen den Regen ordentlich an sich zu ziehen.

/Die Winde sind heiß, die über Sandwüsten kommen; dagegen die, welche über hohe Berge gegangen sind, die höhere Luft herabbringen und also kalt sind.

/Warmes Wasser, in Zugluft gestellt, wird in kurzer Zeit sehr kalt.

/Je weniger der Mensch warme Speisen genießt, desto wärmer wird sein Blut. Der Magensaft löset alle Speisen auf und ist der Mensch todt, so löset derselbe den Magen selbst auf.

/Die Heftigkeit und Stärke der Winde besteht in ihrer Schnelligkeit. Ein Wind ist bey weitem nicht so geschwind als ein rasches Pferd. Ein Sturm, der 24 Fuß in einer Secunde zurücklegt, ist schon so stark, daß er Wälder umwirft. Die Nordwinde sind nicht darum kalt, weil sie aus Norden kommen, sondern weil sie die obere Luft herabbringen; dagegen bringen die Südwinde die untere Luft herauf.

/Der gewöhnliche Wechsel der Luftdichtigkeit ist in heißen Ländern nur 3 Striche; bey uns aber oft 2_1/2 Zoll; woher dies kommt, läßt sich nicht erklären. In der alten und neuen Welt sind alle östlichen Küsten kälter als die westlichen. Die nördliche Halbkugel ist wärmer als die südliche.

/Die Menschen. Abstammung kann durch Generation oder Fortpflanzung seiner Art geschehen und dies nennt man die organische Erzeugung. Organisirte Wesen unterscheiden sich durch das Wachsen von Innem, Mi- 

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/neralien aber wachsen bloß von außem, indem sich etwas daran setzt. Thiere dagegen wachsen nach allen Seiten und in allen Theilen. Das Wachsen und die Erzeugung seines Gleichen ist das Kennzeichen der organisirten Wesen, die man in Gattungen und Raçen theilen kann.

/Verschiedene Menschenarten giebt es nicht; denn sonst könnten sie nicht einen Stamm haben. Unter der Gattung von Wesen lassen sich wieder Raçen oder Abartungen und Spielraçen unterscheiden. Ausartung wäre eine solche Verschiedenheit der Arten, wozu der Keim im Stamme nicht anzutreffen ist.

/Wenn Thiere fruchtbare Junge mit einander zeugen, so sind sie von einem Stamme.

/Der Charakter der Raçe besteht in der Verschiedenheit von den andern Wesen seiner Art, welche nothwendig halbschlächtig anarten. Spielarten bestehen in der Verschiedenheit, welche nicht nothwendig anartet.

/Blond und Brünet zeigen oft schon eine Verschiedenheit des Temperaments. Wenn der Vater blond, die Mutter aber brünett ist, so zeugen sie einige Kinder blond, andere brünett. Der Unterschied zwischen blond und brünett ist also bloß Spielart. Halbschlächtig wird die Farbe der Haare der Kinder nicht werden; denn sonst müßte es aschgrau seyn; es wird durchaus blond oder brünett.

/Wenn ein Schwarzer sich mit einer Schwarzen begattet, so zeugen sie Schwarze; begattet sich ein Weißer mit einer Weißen, so zeugen sie Weiße. Begattet sich aber ein Weißer mit einer Schwarzen, so zeugen sie allemal Mulatten, welche sehr gut sowohl von den Schwarzen als von den Weißen zu unterscheiden sind.

/In Afrika ist ein Menschenschlag, welcher der Farbe nach schwarz, der Haut nach sandartig und so eingerichtet ist, dast er eine Menge Materie ausdunsten kann und diese ist so stark, daß sie beständig stinkt, aber dies ist auch höchst nothwendig, weil diese Menschen in

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/äußerst ungesunden Gegenden leben, wo die Luft mit den gefährlichsten Dünsten angefüllt ist.

/Wenn man das menschliche Blut genau untersucht, ehe es in die Lunge kommt und es hernach wieder vergleicht, wenn es durch die Lunge gegangen ist, so findet man, daß Ersteres schwarz, Letzteres aber blutroth ist. Da sich aber beym Neger schon das Blut unter der Haut dephlogisticirt hat, so ist die Haut deshalb schwarz.

/Die Beschaffenheit der Haut ist immer erblich. -- Der Neger hat keine Haare, sondern bloß Wolle; eben so besitzt er eine außerordentliche Gelenkigkeit und Behendigkeit, die sich schon bey Kindern zeigt. Keine Negerraçe verschwindet, wo sie auch seyn mag, durch noch so viele Generationen, wenn sie sich nur nicht mit andern Raçen vermischt.

/Der Neger hat eine doppelte Hautfarbe; die Eine ist die veränderliche, wenn er z. B. lange in der Sonne gewesen ist und diese ihm nun eine solche Schwärze eingebrannt hat; die Andere aber liegt in der Organisation der Haut, welche sich fortpflanzt.

/Wenn ein Negerkind auf die Welt kommt, so sieht es roth, wie andere Kinder, aus; nur hat es um die Nase und die Zeugungstheile einen schwarzen Fleck, welcher sich innerhalb drey Wochen über den ganzen Körper verbreitet.

/Die Neger sind nirgends anders als in Afrika einheimisch, in Amerika ist es zwar eben so heiß, aber es giebt daselbst dennoch keine ursprünglicheingebornen Schwarzen. Der Amerikaner hält es nicht so gut aus, in der Sonne zu arbeiten, als der Neger. Auch giebt es keine Neger auf Sumatra, Ceylon und in Hindostan, welches deutlich zeigt, daß die Sonnenhitze allein zur Schwärze nichts beytragen kann.

/Die Neuholländer und Kaffern haben viel Aehnliches mit den Negern; ja die Kaffern sind sogar ein Halbschlag von ihnen; schwer ist es dagegen zu behaupten, daß die Neuholländer von den Kaffern und

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/Madagasken abstammen und doch muß dies der Fall seyn.

/Unter den Negern findet sich eine Krankheit oder Ausartung, nämlich die Erzeugung eines kreideweißen Kindes, welches aber nicht etwa von einem Weißen erzeugt ist; man nennt dergleichen Albinos oder Kakerlaken. Diese Albinos haben rothe Wolle und im Auge eine rothe Pupille; denn sie haben den schwarzen Schleim im Auge nicht; daher sehen sie nur bey Nacht und nicht bey Tage. Solche Kakerlaken findet man auch in Amerika zwischen Banama und Portobello.

/Die Hinduraçe ist mit den Zigeunern ganz einerley; ihre Sprache und ihre Farbe (grünlichgelb) sind ganz dieselben.

/Den Halbschlag zwischen einem Schwarzen und einem Amerikaner nennen die Franzosen den schwarzen Caraiben.

/Ein Mulatte und eine Weiße zeugen einen Terzeron; dieser zeugt mit einer Weißen einen Quarteron; dieser mit einer Weißen einen Quinteron; weiter sind sie nicht zu erkennen.

/Die Amerikaner und Neger sind gutmüthig und duldsam; die Mulatten aber taugen in Ansehung ihres Charakters gewöhnlich nichts.

/Die Hindus haben bey der größten Hitze gewöhnlich kalte Hände. Das Nasenbein und die Nasenwurzel der Neger ist breiter als bey den Europäern; auch ist der Bau der Kinnbacken ganz anders. Die Gollofs, ein Negervolk, sind schön und regelmäßig gebildet und haben mit den andern Negern kaum eine Aehnlichkeit.

/Alle Südamerikaner haben schwarzes Haar und sind sich sehr ähnlich; sie haben nämlich alle etwas Zurückhaltendes, Verholnes; sie sehen kupferfarbig oder näher bestimmt, wie Eisenrost, mit Oehl vermischt, aus.

/Fast alle Reisende behaupten, alle Völker hätten zwar Bärte, aber Viele unter ihnen rupften die Barthaare aus; allein dies ist nicht richtig. Viele Völker

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/haben gar keinen Bart; denn die einzelnen sporadischstehenden Haare, welche sich manche Völker ausrupfen, sind für keinen Bart zu rechnen. In ganz Amerika hat kein Eingeborner einen ordentlichen Bart und es ist doch nicht zu glauben, daß sich alle Völker daselbst ihn ausrupfen werden. Der berühmte Pallas behauptet geradezu, daß die Mongolen keinen Bart haben und von der Natur auch keinen bekommen. Georgi sagt in seiner Nachricht von Thibet, daß die Einwohner daselbst keinen Bart haben.

/Die ursprünglichen Eingeborenen Amerikas haben sehr wenig Gefühl; selbst der Geschlechtstrieb ist bey ihnen so schwach, daß Mann und Frau oft einander in drey Jahren nicht beywohnen. Die Furcht vor dem Tode kennen sie gar nicht; das Letztere kommt wahrscheinlich von ihrer großen Liebe zur Freyheit her. In Mexico haben die Spanier sehr wohl daran gethan, daß sie sich nicht mit den Amerikanern vermischt haben, sonst würden sie ihre eigene Race ganz degradirt haben. Die Amerikaner aber sind darum ganz degradirt, weil sie keinem Himmelsstriche angeartet und immer aus dem einen in den andern gekommen sind.

/Die Kalmücken, ein Abstamm der Mongolen oder vielmehr ein Ueberrest der alten Hunnen, haben keine Bärte; in ihrer Gesichtsbildung stehen die Backenknochen sehr hervor und die Augen sind schräg gestellt. Sie sehen dabey sehr scharf und haben alle schwarzes Haar, eine sehr flache Nase, welche beynahe gar nicht hervorragt. Sie sind sehr leicht; ihre Muskeln und Knochen sind nicht so compakt als bey andern Menschen: dies rührt nun wohl daher, daß sie größtentheils bloß von Fleisch leben. Ihre Gemüthsart ist sehr lebhaft und ihr Charakter gut. Bey ihren Arbeiten singen sie beständig und sie sind sehr ämsig; daher stehlen auch die Kirgisen sehr gern kalmückische Weiber. Wahrscheinlich sind sie ein Stamm von den uralten nordischen Völkern,

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/welches ihre ganze Bildung zu bestätigen scheint. Die Amerikaner scheinen von ihnen abzustammen.

/Wir wissen nicht gewiß, ob wir für die verschiedenen Menschenraçen einen oder mehrere Menschenstämme annehmen sollen, aber hiervon ist die Frage sehr verschieden: ob sie von einem Paare abstammen. Wären sie nicht aus einem Stamme gekommen, so wären es nicht Raçen, sondern Arten. Am Besten thut man, daß man ein Paar annimmt; denn man hat gar keinen Grund, voraus zu setzen, daß sie von mehrern Menschenpaaren abstammen. Wenn Thiere nicht für einander gemacht sind, so können die Zeugungskräft nicht zusammenpassen.

/Heut zu Tage entstehen keine Menschenraçen mehr; sie können also nichts anderes seyn, als eine Entwickelung der Anlagen, welche schon in den ersten Eltern gelegen haben, um jedesmal ihrem Himmelsstriche angemessen zu seyn. In einer langen Reihe von Zeugungen wurden diese Keime in den verschiedenen Himmelsstrichen erst entwickelt.

/Zur Raçe der Weißen kann man ganz Europa, die Nordküste von Afrika, Arabien, alle Türken und Tartaren zählen. In Asien sind nur die gelben Hindus einheimisch. Die Negerraçe ist zwischen den 12 Graden der Nord- und Südbreite in Afrika eigentlich zu Hause und zwar auf einem Boden, der waldig und sumpfig ist, wo jeder Europäer, der dahin kommt und verweilt, wegen der schädlichen Ausdünstung leicht eine Beute des Todes wird.

/Die ersten Völker hatten eine solche Leibesbeschaffenheit, daß sie für jeden Himmelsstrich paßten. Jetzt aber haben sich alle Menschenraçen entwickelt, zu welchen die Keime in den ersten Menschen lagen; es ist nun weiter keine Raçe mehr möglich.

/Die Samojeden wohnen am Eismeere und scheinen da Fremdlinge zu seyn; denn sie sind dem Himmelsstriche gar nicht angemessen. -- Die Samojeden und

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/Lappländer erschrecken sehr; denn wenn man Einen von ihnen unvermuthet auf den Rücken schlägt, so stürzt er sogleich vor Schrecken zu Boden.

/Wahrscheinlich sind die Esquimos auch nach Amerika eingewandert. In Ansehung der Sprache haben sie viel Aehnliches mit den Samojeden.

/Unbekleidet kann der Mensch wenig oder gar keinen Anspruch auf Schönheit machen. Um diesen Zweck zu erreichen, liebt er künstliche Verschönerungen. 1) Die Beschneidung bey den Juden, Mahomedanern und Negern. Zuerst mag dieselbe ein Opfer gewesen seyn, das man dem Gotte der Fruchtbarkeit brachte. 2) Das Ausrupfen des Bartes. 3) Die Karaiben auf St_Vincent binden ihren Kindern Holzplatten auf die Stirn, damit diese nicht wächst, welches sehr übel aussieht, weil die Augen fürchterlich hervorstehen. 4) In Amerika giebt es Spitzköpfe, wie Zuckerhüte, welche durch Schnüren so geformt werden. 5) Kugelrunde Köpfe, welches man durch irdene Formen bewirkt, in die man den Kopf beständig einpreßt. 6) Bey den Chinesen schnürt man den Weibern die Füße zusammen, damit sie nicht wachsen können. 7) Manche Völker, z. B. die Malayen ziehen sich die Ohrlappen sehr lang, an die sie alsdann Muscheln und andere Sachen anhängen. 8) Die Neger in Congo und die Neuholländer stecken sich einen hölzernen Zapfen durch die Nase. 9) In Ostindien diesseits des Ganges giebt es viele Freudenmädchen, die durch wollüstige Tänze die Leidenschaften entflammen und in einem Nasenknorpel einen goldenen Ring tragen. 10) Die Hottentotten schneiden ihren Knaben einen Testikel ab, wodurch sie zu verhindern glauben, daß er nicht Zwillinge zeuge. 11) Einige Völker belegen ihre Zähne mit Gold, andere bestreichen sie mit einer schwarzen Farbe; noch andere feilen sie: dies erzählt Oldendorp von den Negern auf St. Croiz und St. Thomas, wo man auch gefunden hat, daß diese Neger ehedem Menschenfleisch gegessen haben. 12) Man- 

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/che Völker machen unvertilgbare Zierathen in ihre Haut, worunter das Tätowiren der Südländer gehört. 13) Die Tungusen nähen ihren Kindern, wenn sie etwa 5 Jahre alt sind, mit schwarzem Zwirne die Haut aus und überschmieren sie hernach mit Fett. 14) Völker in Südamerika theilen die Unterlippe und legen in diese Oeffnung einen Stein; fällt dieser heraus, so hat es das Ansehen, als ob sie zwey Mäuler hätten. Andere Völker daselbst stecken Holz zwischen diese getheilten Lippen. 15) In Malicolo, Einer der neuen Hebriden in der Südsee, binden sich die Insulaner, deren Kopf schon eine wunderliche Bildung hat, einen Strick um den Leib so fest, daß das Fleisch über den Strick weg steht. 16) Die Völker von mongolischem Stamme scheeren sich alle Haare bis auf einen Schopf ab, den sie in der Mitte stehen lassen. In Amerika findet sich die Gewohnheit des tartarischen Schopfs ebenfalls auch. 17) Die arabischen Frauen färben ihre Nägel roth und ihre Lippen blau. -- Durch alle diese Künsteleyen kann in die Zeugungskraft nichts hineingebracht werden.

/Die Spanier und die Italiener sind im Essen sehr mäßig. Die Teutschen essen destomehr. Die Engländer essen viel Fleisch und haben viel Blut.

/Die Menschen leben entweder von Thier- oder von Pflanzenkost oder von beyden zugleich; jedoch ißt man auch eine gewisse Art Erde als Leckerbissen. Diejenigen, welche bloß vom Fleische leben, d. h., welche entweder Jäger- oder ein Nomadenleben führen, sind sehr leicht an Gewicht, gegen andere, welche auch Vegetabilien genießen.

/Alle Völker lieben den Rausch mehr oder weniger: dies rührt von der Last des menschlichen Lebens her, an welche sie dann der Rausch gar nicht denken läßt.

/Sachen, welche den Appetit befördern, sind Salz und Gewürze. Die Europäer fanden bey keiner Nation in Amerika den Gebrauch des Salzes eingeführt.

/Werkzeuge der Menschen waren ehedem Steine,

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/nachher Metalle und zwar zuerst Kupfer. Das Eisen ist am spätesten erfunden worden. Salz und Eisen sind wahrscheinlich die ersten Handelsartikel gewesen.

/Der Mensch ist von Natur nicht gutartig, sondern hat einen Hang zum Bösen; er thut es, ohne einen Vortheil davon zu haben, wie der immerwährende Krieg sowohl bey gebildeten als ungebildeten Völkern zeigt. Mehrere Indianerstämme in Südamerika bekriegen einander stets und haben dabey weiter keine andere Absicht als das Todschlagen. Die höchste Tugend der Wilden ist ihrer Meynung nach die Kriegstapferkeit. Ein jeder Staat strebt, so lange er einen andern neben sich hat, den er zu bezwingen hoffen darf, sich durch die Unterwerfung dieses zu vergrößern, um sich der Universalmonarchie zu bemächtigen und keine Spur von Freyheit übrig zu lassen. Schon ein Alter macht daher mit Recht die Bemerkung vom Kriege: "er macht mehr böse Menschen als er deren wegrafft." Aber so soll es nicht immer seyn und die Freyheit und die Gerechtigkeit sollen auf den Weltthron erhoben und aller Despotie ein Ende gemacht werden; so will es die Vernunft und die Bestimmung des Menschen, der drey Anlagen hat, welche ausgebildet werden sollen. Diese drey Anlagen sind 1) für die Thierheit als eines lebenden; 2) für die Menschheit als eines lebenden und zugleich vernünftigen und 3) für die Persönlichkeit als eines vernünftigen und zugleich der Zurechnung fähigen Wesens. Alle diese Anlagen sind ursprünglich, befördern die Befolgung des Guten und ihre Ausbildung sichert in der Welt die Herrschaft der Gerechtigkeit, Freyheit und Wahrheit.

/ ≥ Ende ≤


Datum: 06.02.2006 / ... / 13.01.2010 / 29.01.2020 / 11.03.2020