|B_Doenhoff_(1782 ?)_
Privatbesitz: Gräfliche Familie Dönhoff
Geographie Doenhoff / Familienarchiv, Nr. 189

Transkript: Ende: 17.02.2008
Check: Schoenstein: 28. Mai 2009 / W-St und AL
Nachcheck: W-St: Maerz / April 2012

Knopf

|F_169

/≥ Dritter Theil
/der
/Physischen Geographie. ≤

/Dieser Theil enthält physische und politische Merkwürdigkeiten
nach der Ordnung der Länder. %.Vorzüglich weitläuftig wird
die Beschreibung der Länder seyn, wovon die Nachrichten
zerstreuet und selten sind, unter diesen nehmen wir zuerst
die Völker, die sich des höchsten Alterthums ihrer Verfaßung
rühmen. Diese sind China und Indostan, beyde Völker
die in ihrem Staat nicht die mindeste Veränderung seit den
ältesten Zeiten erlitten. Der Name China ist von uns dadurch
verderbt, daß wir das frantzösische Chine, teutsch ausge-
sProchen haben. Die Indianer nennen es Tschin. Die
Chineser selbst aber haben keinen Namen für ihr Land, und
nennen es bald das herrliche Land, bald das Land unter
der Sonne. Sie haben wenig Kentniße von der Welt, und
glauben, daß die Vorsehung ihr Land unter besondern Schutz
genommen habe, hinter dem nördlichen China glauben sie,
sind Menschen ohne Köpfe. u. s. f. doch fangen sie jetzt an
einige kümmerliche Kentniße zu erlernen.

/China ist das größte Land, daß irgend ein Monarch hat, wenn
man die Grade der Breite in Erwägung ziehet, so sieht
mann daß das ganze rußische Reich nicht soviel ausmacht.
Dazu komt noch, daß die Länder von China allerwärts be-
wohnbar sind, und sind sie gleich an einigen Orthen sandig,
so ist es doch ein gelinderes Clima, dahingegen die rußische
Gegenden aus gefrohrnen steppen bestehen, wo Nomadische
Völker darin wohnen. - Es wird von einem Souverain

/   bescherscht

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/beherscht, deßen Gebieth sich in die Mungaley erstreket. Erst
kürzlich hat man Anno 1757 die Sengovische, die die kleine
Bucharey bewohnten, ausgerottet. Der letzte reterirte sich
nach Russland, wo er auch starb. - Er hat sich Tibet und die
Tartarey unterworfen und es scheint, daß sich auch einmal
die große Bucharey unterwerfen möchte. Für die Rußen
möchte sie wegen der vielen Steppen nicht viel nützen,
für die Chineser aber als nomadische Völker, würden sie wohl
nützlich seyn. Das Reich ist mit einer Mauer umschloßen.
Es war eine Grille der alten Völker ihre Reiche mit einem
Wall zu umschließen. So findet man auch noch eine alte
Mauer aufm Caucasus, wodurch man andere Volker ab-
halten wolte. So fängt eine alte Mauer von Temesvar an,
und geht über den Dniester, von diesem bis zum Bog
hin. Aber ein Land läßt sich nicht wie eine Stadt mit Wällen
umschließen und es hat auch nie das Eindringen der Völker
verhindert. Die Mauer der Chineser geht nicht in einem
fort, sondern eine Streke lang ist eine würkliche Mauer
denn komt wieder ein Wall mit Pfälen, und die Besatzung
dieser mit Soldaten, möchte viele 1.000 Menschen erfordern.
Der jetzige Chinesische Kayser ist aus dem Stamm der Tar-
tarn Mansur, die sich im vorigen %.Seculo das Kayserthum un-
terworfen haben und sein Name ist Kian-Long. Die
Einwohner von China so wie alle Tartarn haben die Ge-
wohnheit, ihre Haare zu bescheren und oben einen Zopf wie
eine Qvaste stehen zu laßen. Die Canadische Wilde in
America scheren sich den Zopf auch alle so, aber ihr Qvast
ist nicht so groß, als der tartarische. Wenn die Canadische
Wilde einen Gefangenen bekommen, so schneiden sie ihm
mit ihrem Scalp_Meßer rund um den Zopf die HirnHaut
ein, reißen denn die Haut mit dem Zopf fort, wovon denn

/   der

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/der Mensch sterben muß. Die Haut gerben sie sodann, und hängen
sie sodann als ein Sieges_Zeichen auf. Im Anfang der Regierung
der Tartern, wolten sich lieber die Chineser den Kopf als die
Haare abschneiden laßen, weils bey ihnen alte Gewohnheit
war, die Haare zu behalten. Jetzt aber haben es die Tartarn
eingeführt, daß man den Mißethätern die Haare ansetze, des-
halb die, die eine Glatze haben, man welche ankleben muß.
Nach der Zeit schneiden sie ihre Haare gerne ab.

/In China laufen alle Flüße von Westen nach Osten. Der vor-
nehmste unter ihnen ist der Safran_Fluß. - Pecking die
Hauptstadt liegt in Norden, nicht weit von der Chinesischen
Mauer. Es ist was besonderes, daß die Hauptstädte aller
großen Reiche in Norden liegen. Delly, die Hauptstadt in
Indostan liegt in Norden. Constantinopel in der Türkey
liegt in Norden. Die Flüße sind durch einen großen Canal
verbunden, so daß sie alle Waaren nach Canton dem einzigen
freyen Hafen bringen können. Dies ist auch der einzige
Hafen, an den die Europaeer landen können, und von dem
sie sich nicht ins Land hinein entfernen dürfen. Die ange-
gebene Bevölkerung in China ist sehr übertrieben, nach
den neuesten Zehlungen kann man nicht über 5.000.000
Menschen rechnen, welches schon sehr viel ist, aber das aller-
volkreichste Land ist es darum doch noch nicht, denn wenn
es so bevölkert als Deutschland wäre, so würde es doch
noch mehr Einwohner haben, denn es ist noch 4 mal so groß,
als Deutschland. Deutschland aber hat 25.000.000. Einwohner,
%.folglich müßte es 1.000.000.000. Einwohner haben. Jetzt darf
kein Fremder in China reisen, darum geht man immer den
Canal hinab, weil es inwendig unsicher zu reisen ist.
Miaolse ist ein Land, welches auf Deutsch soviel als Wald-
rappe
heißt, die Chineser nennen es so, weil die Einwohner

/   immer

|F_170'

/immer im Walde liegen. Dies ist ein räuberisches Volk, daß
die Chineser noch nicht einmal in Ordnung haben bringen
können, und man sieht daraus, wie wenig China bevölkert
seyn müste. Indeßen sind große Städte da_rinnen und es ist
noch nicht ausgemacht, ob Pecking, Paris oder London das
größte sey. Indeßen ist es nicht glaublich, daß Pecking voll-
kommen so groß sey, da ungemein viel dazu gehört, einer
so volkreichen Stadt Narungs_Mittel zu verschaffen.

/London hingegen hat die Gelegenheit durch den großen Strom
und großen Handel. Von Nanking läßt sich nicht einmal
sagen, weil jetzt keine Communication statt findet.
Die Rußen sind durch die Chinesische Tartarey von China
abgesondert. Die nächste Stadt der Rußen ist Irkutz.
von da die Caravannen in der Chinesischen Tartarey
bis an die Chinesische Mauer kommen, wo ihnen Kauf-
leuthe entgegen kommen, die mit ihnen handeln. Dies
ist bey der Stadt Kianchta.

/Die Lebensart der Chineser ist sehr reinlich. Alle die nicht
zum geringsten Stande gehörn, halten sehr auf laquirte
Geräthe, gemahlte Tapeten und andere reinliche seidene
Kleidung. Wißenschafft und Geschiklichkeit aber haben
sie sehr wenig.

/Die Chinesische Nation hat etwas calmukisches in ihrem
Ansehen. Sie haben etwas flaches im Gesichte und die %.Nördlichen
sind ohne Bart. Der Keyser der jetzt Kian-long heißt, hat
etwas Bart, weil er ein Tartar ist; die mehreste haben
kleine Bart_Büschel, die der sParsame Auswuchß des
Barts macht. Sie halten es aber für etwas mannhaftes,
eine grobe Stimme, einen diken Bauch und starken Bart
zu haben. Man sagt der untere Kinnbaken rage bey

/   ihnen

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/ihnen unter den obern hervor, wie das auch bey uns bey %einigen
Menschen angetroffen wird, und daher sind ihre Zähne so
gestalten, daß sie viele Buchstaben der Europäer nicht
aussPrechen können.

/Alle Chineser haben den wunderbaren Gebrauch, daß man
den jungen Mädchen von Stande den Fuß in Bandagen
zwingt, so daß ihnen die Füße unten am Leibe vertroknen
wenn sie nun wachßen, der Fuß ihnen erstaunlich klein
bleibt. Die Männer sind sehr eifersüchtig, und da haben sich
die Weiber einbilden laßen, daß es schön sey.

/≥ Character der Chineser. ≤

/Die übeln Character sind fast immer nur in großen Städten
und %.vorzüglich in Handelsstädten. Nationen, die, wenn man
sie aufm Lande kennen lernt, sich in einem guten Lichte
zeigen, zeigen sich in Handelsstädten schlecht. so sind Z. E.
die Araber wegen ihrer Ehrlichkeit sehr berühmt, in den
Städten aber sind sie die größte Betrüger, die man finden
kann. Unter allen Nationen findet man daß, und %.vorzüglich
unter den Chinesern. Seiden_Zeuge können sie so geschikt
zusammen nähen, daß sie wie neu aussehen, aber man
wird beym tragen bald gewahr, daß man betrogen ist.
Sie haben in ihrem Character einen Schein der Selbst_Be-
herrschung, den auch alle übrige Indianer haben. Sie haben
auch nicht die auffahrende Hitze der Europäer, sondern
sehen alle wie Philosophen aus, und hören anderer
Poltern mit der größten Gelaßenheit an. Der andere
mag immer schimpfen sie halten es für die größte Unge-
zogenheit, es jemals zu erwiedern. Dies ist die rechte Fa-
ßung eines Menschen, der immer auf seinen Fortheil
bedacht ist.

/   Disciplin

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/≥ Disciplin der Chineser. ≤

/Diese verdient Bewunderung. Die gantze Nation ist unter
der schärfsten Disciplin. Die Eltern in China haben eine
absolute Gewalt über ihre Kinder, daher werfen sie sie offt
weg, wenn sie zu viel bekommen, andere die etwas mehr
väterlich gesinnt sind, legen sie lebendig hin, oder binden
sie auf einen holen Kürbis und laßen sie so fort schwimmen,
da sie denn bis_weilen von andern aufgefischt werden.
Viele werden auch von den Schweinen auf der Straße auf-
gefreßen, dahero auch diese große Gewalt bei den @Griechen@
gewöhnlich war. Der Gehorsam der Kinder gegen ihre
«Kinder» Eltern ist ihr erstes Gesetz und wird ihnen in der
Schule beygebracht. Denn bey ihnen lernt ein Kind in der
Schule nicht den Catechismus, denn sie haben im Grunde
gar keine Religion, sondern einige abergläubische Be-
griffe. Ihr jetziger Keyser ist von der Lamaschen Re-
ligion, daß macht aber, weil er ein Tartar ist. Die
gemeine Chineser haben einige Insekten, die sie anbeten,
ihre Gelehrte sind wahre Deisten, denn sie reden von
einem obersten Regenten der Welt, weiter wißen sie
nichts. Ihr erstes Gesetz ist also Gehorsam gegen die
Eltern. 2tens lernen sie in der Schule Gehorsam gegen
die Obrigkeit; 3tens Complimente machen und 4tens
lesen und schreiben. Aber das letzte ist schon was gro-
ßes, wiewohl das lesen und schreiben, auch bey der
wunderbaren Schrifft schon genug ist.

/Was die Complimente betrifft, so ist auf den Landstraßen und
in den Wirths_Häusern, wo bey uns so viele Händel vorfallen,
nichts als lauter Höflichkeiten bey ihnen und dies erstrekt
sich bis auf die gemeinste Bauren, aber das geht auch alles
nach ausgelernten Formeln, die sie in der Schule gelernt

/   haben

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/haben. Wenn einer den andern besucht, so nöthigt ihn der
Wirth hinein zu gehen, er aber sagt, er würde nicht voran
gehen, der Wirth aber betheuert, er würde gewiß nicht zu-
erst gehn, darauf geht dieser gleichsam gezwungen.
Darauf sitzt der Gast eine Zeitlang still, um zu warten,
ob der Wirth zuerst anfangen werde, wenn er aber sieht,
daß dieser still schweigt, so fängt er endlich an. Denn
machen sie ihre Sachen ab und werden offt %.ziemlich hitzig
und so gar nicht höfflich. Ist die Sache vorbey, so begleitet
der Wirth den Gast, bis an die Thüre, dieser aber sagt, er
werde nicht eher zu Pferde steigen, als bis sich der Wirth
entfernt habe. Aber der Wirth betheuert %.desgleichen er werde
nicht ehr weg Gehen, als bis er ihn habe glüklich zu Pferde
steigen gesehen. Endlich begiebt er sich doch ein wenig bey
Seite, sPringt aber sogleich wieder hervor und wünscht
glüklich nach Hause zu kommen. An der Eke der Straße
schikt er noch einmal einen nach und läßt glükliche
Nach_Hausekunfft wünschen und nach «h»diesem Schema
sind alle ihre Complimente eingerichtet, einer beobachtet
sie wie der andere, denn sie sind schon in den Schulen gelernt.
An ihren Tafeln zeigen sie, daß sie nicht sehr gesellig sind, denn
soviel ihrer sPeisen, soviel kleine laquirte Tische sind da, wo-
vor ein jeder sitzt.

/Wißenschafft der Chineser. Ihre Sprache ist eine einsylbige
Sprache, %.dergleichen nur wenige Völker haben, als die Chineser,
die Hälffte der Tibetaner und die von Agan. Der Chineser
Sprache besteht aus 330 einsylbigen Wörtern, aus dem sie
einige apart zusammen setzen müßen, um andere
hervor zu bringen. Der geringste Mann muß 5.000 Charactere
lesen und schreiben können.

/   Der

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/Der Chinesische Kayser wirft in allen Patenten mit Sittensprüche
um sich und doch ist er so grausam, daß er den gantzen Stamm
der Tartaren von Siphum ausgerottet und nur ein eintziges
Mädchen zum Andenken übrig ließ. Er ist also ein grausamer
Fürst, ob er gleich in den Schrifften der Missionarier sehr ge-
rühmt wird, aber diese thun es aus Absichten, damit er ihnen
nachsehen soll, wenn sie Proselyten machen.

/Der Schucking ist ein berühmtes Buch und enthält eine Arth
von Kriegs_Unterweisungen und von Staats_Unterweisungen
in sich. Alle Gelehrte in China heißen Mandarins, daß ist soviel
als wenn sie Doctores geworden sind. Die Astronomie wird
bis dato von den Europäischen Missionarien dort gelehrt, in
Pecking haben sie ein Observatorium, die Instrumente aber
die einst ein Türke bey ihnen überbracht hat, wißen sie nicht
zu gebrauchen. Ihre Calender machen sie nach gewißen Ta-
feln, worin sie sehr unsicher die Finsterniße bestimmen.
Sie scheinen ihre größte Cultur erreicht zu haben, %und werden
vermuthlich nicht weiter bringen. In allen ihren Gebäuden
ist keine Architectur, sondern sehen wie große Zelte aus.
Ihr Körper ist zu subtilen Arbeiten gewöhnt. Philosophie ist
im gantzen Orient nicht anzutreffen, die wenigen Araber
ausgenommen, allein das sind schon Weise. Die Missionarien
haben ihnen keine Religion beygebracht, sondern blos die
Herrschafft des Pabstes und die äußerliche Gebräuche der Religion
unter ihnen auszubreiten gesucht, übrigens ließen sie sie
noch immer den Confucius anbeten und verehren.

/Die Chineser können keinen langwierigern Discours hören
als wenn man ihnen von Belohnungen für ihren frommen
Wandel vorredet, deshalb haben ihnen die Missionarien bey
der Ausbreitung der Christlichen Religion auf blos guten

/   Handel

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/Handel gute Erndte versProchen. Ihre academische Doctores
sind Kriegs und Staats Mandarinen, die sie 3 oder 4 stellen
müßen in Pecking, um sich examiniren zu laßen. Die
gantze Gelehrsamkeit derselben bestehet in lesen und
schreiben, wozu sie viel 1.000 Charactere schreiben und ler-
nen müßen. Deshalb kan eine andere Nation der Chineser
Schrifft verstehen, ohne ein Wort chinesisch zu verstehen.
Denn wir schreiben die Sprache, sie aber die Sachen selbst,
deshalb kan die Buchdrukerkunst in Arabien unter den Türken
nicht eingeführt werden, weil sie sagen die Europäische Buch-
staben sehen so übel aus. Doch haben die Türken mehr Geist
als die Chineser. Alle Orientalische Nationen haben etwas
in ihrer Race, daß den Europäern fehlt. Z. E. die Hände sind
ihnen bey der brennenden Hitze immer kalt, und diese
Eigenschafft erbt auch der, der nur ein Halbschlag von einem
Indianer ist, dies zeigt einen Unterschied in der Organisa-
tion
an, ja ihre Natur und Geist ist gantz anders ausge-
faltet, als bey uns. Sie sind nicht im Stande ihren Geist zu
einer höhern Abstraction zu erheben, wie Z. E. die Griechen.
denen hernach die Nordische Völker gefolgt sind.

/Die dortige Policey, die uns unerhört lästig seyn würde,
indem sie auf jedes Menschen Schritte Achtung giebt,
macht, daß man von keinen Gewalthätigkeiten und Schlä-
gereyen hört. Sie sind auch lobenswürdig, wegen ihres
großen Fleißes, Reinlichkeit und Zierlichkeit und haben
folglich doch manches Gute an sich.

/Die Chineser saugen große Schätze aus dem Occident
in sich. Denn das meiste Gold und Silber aus America
geht nach Ostindien, wo nicht wieder zurük komt, we-
nigstens bleibt 9/10tel da, und 1/10 geht wieder zu uns für

/   Waaren

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/Waaren zurük. Denn diese Nationen brauchen von uns
sehr wenig und sind auch zu geitzig um Gold zurükzugeben.
Die Waaren, die die Chineser an die Europäer verkaufen,
sind die verschiedene Sorten des Thees. ferner Porcellain,
rohe und verarbeitete Seide, ferner die China Wurtzel, ist
eine Schweißtreibende Wurtzel und muß von der China
Rinde wohl unterschieden werden. Rhabarber aus der
großen Tartarey, ferner Terra catscha, welches keine Erde
sondern ein eingedikter Safft von einem Gewächße ist,
denn Tusch, welcher verdikter Lampen_Rauch mit Bisam
zugerichtet ist, ferner laquirte Sachen, papierne Tapeten
boran, Soja
u. s. f.

/Die Länder die sich China unterworfen hat, sind; die große
Tartarey, die Mungaley worin die Calmuken wohnen.
Durch ein klein Gebürge ist das Land der Chineser von der
großen Bucharey abgesondert. Alle diese Nationen
die um Tibet liegen, sind von der lamaschen Religion,
die Mansurischen Tartarn, die jetzt China beherscht, sind auch
von der Religion. Die Chineser selbst aber, sind von gar
keiner Religion, sondern jeder hat einen aparten Aber-
glauben, ihr Catechismus enthält keine Religion,
sondern Anweisung zu Sitten und Höflichkeit.

/Tibet ist die höchste Gegend von Asien. Die Europäer
nennen es Butan. Die Engländer aber nennen
%.eigentlich den Theil Butan, der zu nächsten an Indostan
stößt. Die lamasche Religion ist eine der seltsamsten
Erscheinungen auf den Erdboden. Man sieht daraus,
daß die Menschen in der Religion alle Ungereimtheiten
versucht haben, die man sich nur denken, und die der

/   Mensch

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/Mensch sich nur träumen kann. Diese Religion hat den
Namen von der Person, die Lamas genandt werden,
der oberste geistliche Regent von Tibet ist der Dalai
Lama
, unter dem die übrige Lamas stehen. Außer dem
Dalai Lama ist südwärts nach Indien zu, der Bagda Lama
dieser ist dem Dalai Lama so nahe im Range verwandt
daß man sogar glaubt, dieser übertreffe den andern noch
an Heiligkeit. Ohnerachtet dieser Herrschafft, ist das Land
dennoch unter Chinesischer Herrschafft und sie haben in der
Hauptstadt ihre Garnison. Tibet ist wohl bewohnt und die Stadt
Lassa ist eine der volkreichsten. Es ist aber schwer zu glau-
ben daß diese Hauptstadt Lassa 6 teutsche Meilen im
Umfange habe und daß die Mauer 6 Klafter hoch sey,
und so breit, daß 5 Reuter gemächlich neben einander
reiten können. Die Einwohner von Tibet sind sehr gesittet,
sanft und milde, in ihren Geschäfften ist große Ordnung,
im Staat ist ein jeder vor Gewaltthätigkeiten sicher.

/Was die Person des Dalai-Lama betrifft, er logirt ei-
gentlich in Buda-Leilon welches dicht bey Lassa liegt
und wo er sein Schloß hat. Man erzählt folgendes von der
Entstehung der lamaischen Religion. Ohngefehr 300 Jahr
vor Christi Geburth, erschien ein Mann in Indien, den die
Tartaren Foo, die von Ceylon Buddon und die von Siam
Somonatolon nannten. Dieser habe eine besondere
Religions_Veränderung vorgenommen, und davon sey die
Lamasche Religion entstanden.

/Das Wesentliche dieser Religion ist Dalai-lama, ist
eine Person, deßen Seele in einem vorigen Lama
schon gelebt hat. Jeder Dalai-Lama ist also der wieder-
gebohrne Dalai-Lama seines Vorgängers, welcher,

/   sobald

|F_174'

/sobald er gestorben ist, in einem andern Kinde auflebt, und
dies wird die Lamasche WiederGeburth genandt.

/Ehe der vorige Dalai Lama stirbt, weißsaget er, wie
das Kind aussehen wird und wo manns findet, in dem
seine Seele seyn würde. Nach einem Jahre des Todes des
Dalai Lama suchen sie unter den Kindern, die beym
Tode des Dalai Lama gebohren sind und fragen vor-
züglich nach denen, die die beste Bildung und Fähig-
keiten haben. Der wird in Jahres_Frist ausgefunden
und denn wird gesagt; dieser hat alle Merkmale
des Dalai Lama an sich. Denn wird er mit allen
Feyerlichkeiten nach Lassa hingebracht und einige
Zeit darauf, wenn er sPrechen kann, wird seine Wie-
derGeburth ausgeruffen, wobey große Feyerlichkeiten
vorgehen. Wenn er stirbt wird sein Cörper verbrannt,
etwas Asche aber davon zu bekommen, wird für
erstaunlich hoch gehalten. Außer diesem Dalai Lama
sind noch verschiedene andere Lamas.

/In seinen weitläuftigen geistlichen Reiche, hat der Dalai
Lama
7 Kutupta oder Cardinaele, die eben so einmal
wiedergebohren sind, diese können aber ihre WiederGe-
burth nicht voraus sagen, sondern der Dalai Lama
sagt voraus, wo die Seele des vorigen Kutuptu
anzutreffen seyn werde. Als Kind gewöhnt man
den Wiedergebohrnen an, die Stellung eines Lebenden
zu haben und sein gantzes Leben bringt er in dieser
Pantomime zu.

/Die natürliche Excretionen des Dalai Lama sind große
Heiligthümer und man geht sehr delicat damit um.

/   Der

|F_175

/Der Dalai Lama speißt so sehr wenig, daß es nur
immer eine kleine Quantitaet ausmacht, man streuts
auf Eßen und riecht daran. Die Sache ist gantz gegrün-
det, obgleich ehedem daran gezweifelt worden.

/Unter ihre merkwürdigste Heiligthümer gehört das Gebet¥
Rad
, sie haben %.nehmlich die Meinung, daß es einerley sey,
ein Gebeth mag geschrieben seyn, oder ausgesProchen wer-
den, oder obs durch eine Zunge oder durch ein Rad bewegt
werde. Deshalb haben sie ein Rad mit einer Walze, daß
sich an einem geschriebenen Gebeth continuirlich dreht.
Es ist merkwürdig, daß der gantzen Religion eine große
Crisis bevorsteht: Denn der verstorbene Lama hat in
seinem Testament bekandt gemacht, er würde nach
einmal gebohren werden, denn würde er nicht mehr
auf der Erde bleiben, sondern als ein Burchan in den
Himmel gehen, und Pallas versichert, daß alle Lamas
deshalb in der größten Verlegenheit wären. Man
glaubt aber, daß der Chinesische Kayser dies ange-
stellt habe und daß er den Burchan an einen an-
dern Orth entstehen laßen würde, wo er durch ihn über
die Tartarn beßer wird regieren können.

/Was die Calmukische Nation betrifft, ihr Gesicht ist flach
ohne Nase und wo sie rechter Arth sind, ohne Bart. Sie
haben sehr lang geschlitzte und geöfnete Augen, können
aber damit erstaunlich scharf sehen. Sie sind immer
von aufgewektem Geist, und man führet von den
Einwohnern des Landes Hami an, daß man sie immer
vergnügt findet, so daß, wo man ein paar sPrechen
sieht, so findet man sie immer lachen. Das sagen die Rußen

/   auch

|F_175'

/auch von den Calmuckischen Horden. Die Weiber singen be-
ständig, die Männer reiten in größter Lust und Munterkeit
herum. Sie sind aber sehr unreinlich und können an sich
den größten Unrath ohne Empfindung ertragen. Es ist
sonderbar, daß in der Cultur der Nationen, sich die Reinlich-
keit immer zuletzt einfindet.

/Weil ihr Hang zum nomadischen Leben es ihnen unmöglich
macht, Herrschafft zu ertragen, so sind sie zu dieser Schwäche
herab gekommen. Sie hatten einmal Rußland unter-
jocht, aber, da sie wegen ihres Hirten Lebens keine freye
Plätze leiden konnten, so konnten sie sich nicht fest setzen
und wurden von denen Völkern verjagt.

/Alle diese angeführte Völker stehen unter China, die sich
auch Anno 1758 ein Theil der großen Tartarey unterworfen
haben. Noch stehet unter chinesischer Bothmäßigkeit Tunquin.
Tunquin ist ein Land, wobei eine erstaunliche Menge
Menschen wohnt. Es ist von einem feuchten und dabey
heißen Clima, wo also der Reiß gut geräth. Die Nation
ist den Chinesern ähnlich, aber noch beynahe schwächer als jene,
sie haben schöne Seiden_Manufacturen, und selbst die Segel
auf ihren Schiffen machen sie manchmal von Seide. Die
Holländer haben die besondere Gewohnheit, daß, wenn sie
gleich zu Hause verheurathet sind, sie sich in Tunquin
auf 2 oder 3 Jahre eine Frau nehmen, hernach wenn
die Holländer wegreisen, machen sie ihnen etwas aus,
wieviel sie %.jährlich haben sollen. Denn nimt er diese Frau
wenn er wegreißt, zu seiner dortigen Factorey an, läßt
durch sie unter den dortigen Fabricanten Stoffe bestellen
berechnet sich mit ihr jährlich und erhält denn wieder von
ihr Provision, wobey er sich auch auf ihre Ehrlichkeit ver-

/   laßen

|F_176

/laßen kann. - Das beste Product von Tunquin ist der
Reiß und starke Fischerey. Die Nation ist überaus mä-
ßig und sie haltens sich für eine Ehre in solcher Ehe mit
den Holländern zu leben.

/Indostan oder die Halb_Insel disseit des Ganges. Vom
Indus an bis den Ganges, dies ist vielleicht unter allen
Ländern in der Welt das volkreichste, reichste und frucht-
barste Land. Es ist von der Natur in allen Stüken ver-
sorgt und was die Natur in allen Climaten vertheilt hat,
ist hier alles beysammen.

/Die Hindos sind die Einwohner des Landes. Die Mungalen
haben das Land für 300 Jahr eingenommen, sie haben
ihren Namen von Mungalen, es sind aber keine Mungalen
«s»denn diese laßen sich nirgends nieder, sondern ziehen
immer mit Vieh_Heerden herum. Daher komt auch der
Name des Landes Mogulistan und der Name des obristen
Regenten des großen Moguls, welches soviel heißt, als
der oberste Mungalische Feld_Herr, der aber kein Mungal,
sondern ein Tartar ist, wie seine Natur_Beschaffenheit zeigt.
Im vorigen %.Seculo hat der Mogul Orang-Zethu ganz Mogu-
listan
beherscht, aber nach dem Einfall des Nadir Schach
von %.Anno 39 der den Mogul vom Thron entsetzte und Delly
ausplünderte und den Mogul zeigte, wie er regieren solte,
und daß Er den Omraths nicht viel Freyheit laßen solte,
sind alle von ihm abgefallen und er hat sich keine rechte
Authoritaet geben können.

/Der Mogul residirt nicht mehr in Delly, sondern in Elbord
am Indus, und hat Länder die ihm ohngefehr 4.000.000 %.Reichsthaler

/   eintragen

|F_176'

/eintragen, er ist also so arm, als einer der schlechtesten
deutschen Fürsten und steht unter der Vormundschafft der
Ostindischen Compagnie. - Unter den Fürsten von Indostan
ist eine Verfaßung, wie im römischen Reiche; es giebt hier
auch Zabachs, die gleichsam Churfürsten sind. Die %.Englische
Compagnie hat den Titel eines ReichsEinnehmers, weil
sie die Einnahmen der dortigen Einkünffte hat. Aber das
meiste bleibt an ihren Fingern kleben und der Mogul
kriegt nur eine jährliche Pension. Es ist ihnen daher daran
gelegen, daß sie ein Oberhaupt haben, denn da es viele
Indianische Fürsten giebt, so könnten sich diese vereinigen
und die gantze Compagnie hinausjagen.

/Außer diesen indianischen Printzen von großer Macht, für
die sich die ostindische Compagnie fürchtet, ist das mäch-
tigste Volk der Nation die Maratten.

/Die indianische Printzen heißen alle Rajas, die ersten
Reichs_Fürsten sind die oben genanndte Zabachs, Gouverneurs
heißen Nabobs. Noch ist in Indien ein sehr mächtiges Volk
%.nehmlich an der Seite von Persien liegt Awganistan, wo-
rin die hauptsächlichste Provintz Candahar ist.

/Also für die Mungalische Zabachs, für die Awganische Nation,
auch für die Maratten hat die ostindische holländische, fran-
zösische und englische Compagnie sich zu fürchten. Die
Holländer haben aber sehr unbeträchtliche Factoreyen in
Indien, die französische können sich auch nicht recht empor
heben und auch %.endlich die Englische Compagnie ist immer auf
der Wippe banquerott zu werden. So auch die Holländische
weil es soviel kostet, ihre dortigen Etablissements zu unter-
halten, obgleich ihre Einkünffte 15.000.000 %.Reichsthaler austragen, sie
nicht einmal ihre Vestungen unterhalten können.

/   Sie

|F_177

/Sie geben es nicht auf, weil sie gerne, weil sie gerne die Cattune,
Baum_Wolle und Muslins der Indianer haben wollen.
Die Kaufleuthe, die dort sind, sind erstaunlich geitzig und
ein jeder sucht nur Geld zu schneiden. Ein jeder der von da
komt, hat mit Ungerechtigkeit eine erstaunliche Summe
Geldes zusammen geschafft, wobey sie sich auch gar nicht
scheuen, weil in Europa keiner davon weis. Sie haben so-
gar das SPrüchwort, 20 %.pro Cent. sey zu wenig, 50 sey
etwas zu viel, aber 30 %.pro Cent. sey zwischen beyde und
ginge an. Sie kaufen allen Reiß auf und machen dadurch
eine Theurung und verkaufen denn den Reiß um
soviel theurer. Anno 70 machten sie dadurch eine solche
Theurung, daß daher eine Pest entstand, die anderthalb
Millionen Menschen wegrafte, und ob diese Ungeheuer
selbst von den Contagionen angegriffen wurden, so ließen
sie doch den Reiß eher in ihren Magazinen verderben,
als daß sie diesen armen Leuthen welchen gegeben hätten
Mann kann sich ihre unerhörte Grausamkeit nicht vor-
stellen, so daß es wahrscheinlich ist, sie möchten bald von
da vertrieben werden. - 10.000 Engländer würden
im Stande seyn, sich das gantze Land zu unterwerfen,
und was würden denn die Leuthe glüklicher seyn,
wenn sie unter den Schutz eines Königs lebten, als da
sie unter der Bothmäßigkeit der geizigen ostindischen
Compagnie stehen.

/Diese Völker sind in Kasten eingetheilt, welches soviel
als Stämme bedeutet. Die Leuthe von jedem Kasten
haben eine aparte Beschäftigung, und die von dem einen
Kasten vermischen und heurathen sich nie mit dem von

/   einem

|F_177'

/einem andern Kasten. Diese 4 Kasten sind folgende:
die Kasten der Braminen, oder der Geistlichen. Der
Kasten der Boniamen oder der Kaufleuthe. Der
Kasten der Raschbus oder Soldaten. Der Kasten
der Parecer, das sind die gemeinen Leuthe und Hand-
werker, hernach giebts noch einen Auswurf von Leuthe
die wie die Thiere leben und sich in den Wäldern auf-
halten, die aus einem Kasten ausgestoßen und Vogel-
frey erklärt sind. Die kann ein Indianer tödten, wie
sie ihm nur zu nahe kommen, ja ein Ausgestoßener
muß so gehen, daß nicht einmal der Wind von ihm zu
den Indianer streicht, weil er sich dadurch schon entweiht
glaubt und ihn todt schlägt. Mittleidige Indianer tragen
offt Reiß an den Wäldern in Schüßeln, und setzen sie an dem
Wald hin, wo diese Elende, wie Wölfe vor Hunger heulen.
Sie müßen aber den Reiß nicht eher abholen, bis jene
weg gegangen sind, denn sonst werden sie todtgeschlagen.
Auch würde kein Indianer aus einer Schüßel eßen,
woraus ein solcher Ausgestoßener gegeßen hat.

/In ihrer Religion ist der Gebrauch nichts lebendes zu
eßen, oder zu tödten, die Rababs aber binden sich we-
nig an dies Gesetz. Sie glauben die Wanderung der
Menschen_Seele in die Thiere und dann könnten sie sich
%.vermuthlich einmal an die Seele ihre Anverwandten
vergreifen, dies ist die Ursache, warum ihnen alle Thiere
heilig sind. Sie haben HosPitäler für Fliegen und Wantzen.
Die Kuh ist ihnen das heiligste Thier und eine Kuh zu tödten
wäre ein unvergebliches Verbrechen.

/Sie haben eine 3fache Gottheit. Brama, der die Welt er-
schaffen, Wistnu, den güttigen Regierer und Erhalter der

/   Welt,

|F_178

/Welt und Radir den rächenden und strafenden Gott.
Sie sagen: Die Welt ist dreymal in Waßer untergegangen,
das 4te mal «ist»wird sie mit Feuer untergehen. Es giebt bey
ihnen einige büßende Mönche, die sie Faquiers nennen, die
Büßungen derselben sind erschreklich und übertreffen
alle Büßungen in andern Religionen. So thut Z. E. einer
das Gelübde mit aufgehobenen Armen sein Lebenlang zu
keinen und wenn er nicht mehr kann, so halten ihm an-
dere den Arm in die Höhe und dann bleibt er Jahre lang in
der Stellung, so daß ihm endlich die Knöchel verwachßen.
Andere legen sich in einen Kasten und sterben darin.
Das Ganges_Waßer ist ihnen sehr heilig und sie schleppen
sich Meilen weit damit.

/Die banianische Kaufleuthe sind wohl ziemlich interessirt
aber doch dabey sehr ehrlich und haben dabey solchen Credit
nicht, daß man große Summen durch diese Banianen
remitti
rt, ohne einmal einen Wechsel schreiben zu dürfen,
weil, was sie in ihre Bücher aufgezeichnet haben, so sicher
als irgend etwas ist. Ihre Lebensart ist sehr ordentlich
und sehr vortreflich in Ansehung des Gebrauchs ihres
Vergnügens.

/So werden auch die Todten in Indien verbranndt, aber et-
was besonderes ists, daß sie sich öffters lebendig verbren-
nen. So verbrennt sich Z. E. die Frau beym Leichen_Be-
gängniß ihres Mannes lebendig. Hingegen das ver-
brennen lebendiger Sklaven ist bey diesen Völkern
nicht gewöhnlich.

/Diese Völker verdienen ein beßeres Looß, als ihr gegen-
wärtiges, denn es ist ein sehr lenksames und leicht zu
regierendes Volk! Das jetzige Schiksal von Indien

/   dependirt

|F_178'

/dependirt so wenig von den Franzosen, als von den Engländern,
soviel aber ist gewiß, daß wenn sie unter der Herrschafft
eines Europäischen Souverains stehen möchten, so würde
die Nation glüklicher werden.

/In der nordischen Gegen von Indostan ist eine Region, die man
vor eine Seltenheit in diesem Reiche ansehen kann. Seicks
heißen sie. Diese Nation giebt ein BeysPiel von einem Volk,
daß keine Fürsten erkennt; denn alle, die von ihm aufge-
nommen werden, müßen das beschwören und sich vereiden,
fürs 2te keine geschriebene Religion, die auf Sazzungen
braucht anzunehmen, sondern nur blos Naturbegriffe vor
ihren Glauben zu halten. Dies Volk hat viel Verfolgung
erlitten, durch die Amsganen von Candahar und durch
die mogulische Nabobs, hat sich aber doch bisher erhalten.
Es ist kostbar in Indien eine Armee zu unterhalten, man
rechnet, daß, soviel Mann ein Fürst hält, soviel 10.000.000 %Reichsthaler
muß er Jährlich ausgeben, daß kostet aber nicht der Soldat
allein, sondern die Unterhaltung des gantze Etats. Ein
Indischer Soldat kriegt %.täglich 3 %.französische Livres, davon muß
er sich beköstigen, kleiden und sein Pferd schaffen und halten.
Sie führen auch keine Magazine auf, sondern da das Land so
volkreich und fruchtbar ist, so ist allerwärts Markt für
ihnen. Da finden sich denn Entrepreneurs die LebensMittel
herbey schaffen, aber jeder Soldat muß sich doch selbst ver-
sorgen, daher brauchen sie soviel Geld.

/Die Mohren in Indien sind Abkömlinge von den Arabern
und sind nicht schwarze Negers, sondern weiße, wie alle
Araber weiß sind und das indianische Gelbe nicht an sich
haben, denn man muß das gelbe der Race nicht nach der
Farbe beurtheilen, die ihnen die Sonne gegeben hat.

/   Die

|F_179

/Die Parsis sind ein Ueberrest der alten Perser und beten das
Feuer an. Sie sind weiß und von der Religion des Zoroasters
von dem das Buch Zent avesta handelt und der zur Zeit
Darii gelebt haben mag. Das Feuer ist ihnen das Sinnbild
der Gottheit, daher haben sie %.gemeiniglich einen Platz, wo sie
immer Feuer der Vestalischen Jungfrauen halten, scheint daher
zu rühren, weil man vor Alters nicht die Leichtigkeit hatte,
das Feuer durch Stein und Stahl anzuschlagen, sondern
durchs Reiben eines Holtzes aufs andere, welches weit-
läufftig war und nicht immer gelang. Deshalb muste man
hin und wieder einen Brand Feuer unterhalten und mit
der Zeit ist ein Heiligthum daraus geworden. Die
Parsis sind schlechte Handels_Leuthe, aber desto beßere
Cultivateur. Ihr Begräbniß ist besonders. Sie haben
einen gewißen Thurm, auf den man auf einer Leiter steigen
muß, auf der man auf einer Leiter steigen muß, oben
auf demselben ist ein Platz, worauf ein Roß stehet, darauf
wird die Leiche gelegt, um von den Vögeln aufgefreßen
zu werden, welches sie vor das vornehmste Begräbniß
halten.

/Wissenschafft und Künste von Indien. Es ist viel Grund zu ver-
muthen, daß alle Künste in Indien angefangen haben,
davon alte Schrifften zeigen: daß man schon von Länder
gewust habe, die sich weit erstreken, komt Indien immer
als der Sitz aller Wißenschafften und Künste vor. Viele
unserer jetzigen Erfindungen sind in Indien geschehen.
Man findet bey ihnen Ueberreste von Astronomie, die
sehr accurat ist. Le Gentil war nach Pondichery gegangen,
und machte sich mit dem Brama bekandt und redete

/   mit

|F_179'

/mit einem, ob sie wolten beyde eine Mond_Finsterniß calcu-
li
ren. Der Europäer nam seine Bücher zur Hand, der Indianer
aber setzte sich und hatte nur ein kleines Büchelchen und
Palmblätter bey sich, sang beständig, indem jener aufschlagen
und ausrechnen muste. Er sann bloß etwas und wurde
eher fertig, als le Gentil selber und seine Rechnung war
richtig. Das zeiget ein erstaunliches Alterthum an.

/Der Chineser hat dem Indianer den Seidenbau zu ver-
danken, die Bearbeitung des Cattun und aller Baumwolle-
nen Zeuge hat ihren Anfang in Indien genommen. Das
Land ist immer sehr reich gewesen, hat aber nie ein Berg-
werk gehabt. - Das Volk selbst ist sanft und duldend,
friedsam und arbeitsam, und fruchtbar, das populirt
das Land. Die Natur ist hier sehr reich und gleichsam mit
allem ausgestattet, was sie andern Ländern nur theilweise
gegeben hat. Das Land hat eine unvergleichliche Lage,
das schönste Clima und die beste Provinzen. - 

/Cachemer liegt in der Breite von 30 bis 40 Grad und also
in der schönsten Temperatur, denn da ist eine ansehnliche
Wärme und alle Particuln der Natur kommen da fort,
der Boden ist hoch und es laufen viele Flüße durch, dadurch
wird das Land gekühlt und fähig alles deßen, was ein
temperirter und warmer Boden zusammen tragen kann.
Man hat in Indien Büffel und Elephanten gezähmt, ob man
sich gleich in Africa nicht rühmen kann, einen Elephanten
gezähmt zu haben. Da sie also eine alte Nazion zu seyn
scheinen, so solte man glauben, ihre Religion werde auch
alt seyn. Die Religions_Schrifft ist eine todte Sprache,
so wie alle Religions_SPrachen in Europa. Z. E. das Ebraeische,

/   todt

|F_180

/todt ist auch der Coran, denn das Arabische des Corans, ver-
hält sich zu dem jetzigen Arabischen, wie lateinisch zum
Italienischen. - Sie sieht geschrieben sehr @zierlich@ aus und in
dieser Sprache haben sie ihre heilige Bücher. Die Brami-
nen
haben durch die Religion einen fürchterlichen Einfluß
auf den gemeinen Mann und beherschen ihn ganz. Die
Missionairen können unter den Indianern keinen
Proselyten machen, denn sie sagen, ihre Religion sey an
ihren Stamm gebunden und der Indianer sey durch die
Geburth der Religion unterworfen und nehmen daher
keine andere Religion an. Sie haßen die von anderer
Religion auch nicht, sondern glauben, daß sie ebenfals
auch Recht haben, nur glauben sie, daß sie die Auser¥
wählten Gottes sind. Eben so wenig können die %.Missionairen
Mahomedaner
und Juden bekehren. Denn was heilige
Bücher und Schrifften hat, kann nicht bekehrt werden.
Wenn die Missionairii Leute bekehren, so sinds entweder
Buliats, d. i. ausgestoßene, die zu keinem Stamm ge-
hören, oder Borayer, weil diese arm sind. Denn wenn
Reiß_Noth ist, und die Leuthe ihre Kinder nicht füttern
können, so laßen sie sie bey den Missionairen in die
Schule gehen. Wenn sie aber groß werden, so gehn die
Leuthe wieder zu den Ihrigen ab, ob sie gleich in der
Tauf_Liste der %.Missionairen stehen. Man muß gestehen, daß die
dortige Missionairen sich sehr viele Mühe geben, und brin-
gens auch manchmal dahin, daß viele der Bekehrten selbst
Lehrer der Indianer werden. Indeßen solten die %.Missionairen
wieder aus dem Lande wegziehen, so würde gewiß nach
20 Jahren alles wieder vergeßen, oder wenigstens mit

/   Aber-

|F_180'

/Aberglauben vermischt seyn.

/Die Küste von Malabar ist die reichste von Indostan, hat
keinen Hafen und alle Schiffe müßen dort auf der Rheede
liegen.

/Auf der Halb_Insel jenseit des Ganges sind die Königreiche.
Aga, Pegu, Aracan. Bongo, Siam, welches letztere Anno
20 aufgehört hat ein Königreich zu seyn, weil es von Pegu
unterworfen ist, auch noch Cochinchina. - In allen diesen
Ländern herscht die indianische Religion, mit dem Unterschie-
de, daß sie verschiedene Namen haben, ausgebreitet sey, deßen
Seele so lange auf Erden herum geirrt, bis sie gen Himmel
gegangen.

/In allen diesen Königreichen ist die Gewohnheit mit den
Faquirs, sowohl in Mönchs als auch in NonnenKlöstern.
Talpoiis heißen die Mönche und Talpoinen die Nonnen
Sie sagen der Unterschied in der Religion mache keinen
erheblichen Unterschied aus und dies ist ein Articul ihrer
Religion. Daß Gott die Verschiedenheit der Religion liebe,
daher sind sie auch sehr wohlthätig gegen jeden Religions¥
Verwandten, indem die Talpoiis im Lande herum gehen
vor die Armen anderer Religions_Partheyen betteln
und es ihnen mittheilen. - An den See_Küsten bringt das
Land den meisten Pfeffer hervor. Aus Pegu kommen
farbigte Edelgesteinen, Seide aus Cochinchina, ferner
Drogenen und Spezereyen. - Die Malayer auf Malacca
sind ein Volk an der südlichen Spitze des Landes, die wohl
jetzo nicht ein einem großen Ansehen sind, aber doch von einem
wichtigen Volk abstammen müßen, weil ihre Sprache
unter allen Sandanischen Inseln fortgeht. Denn Ostwärts

/   von

|F_181

/von Malacca haben alle Inseln die Maleyische Sprache.

/Die Maleyische Sprache ist nicht gemischt, sondern eine eigen-
thümliche Sprache. Auf Macassar, Borneo, Java sind lauter
Maleyen und auf allen diesen Inseln findet man inwendig
andere Einwohner, die von anderem Stamme als von
Maleyischen sind. Die in dem In«d»nern des Landes in den
Gebürgen wohnen und Caffern sind, die haben krause Haare
wie die Caffern, die sich aufkämmen laßen und ihr Brodt
ist auch so wie bey den Caffern. Die auf Sumatra heißen
Keits, diese Keits haben allenthalben die Mahomedanische
Religion angenommen; als die Portugiesen diese Inseln
entdekten, hätten sie leicht alle Einwohner zum Christlichen
Glauben bringen können, weil sie gar keine Religion
hatten. Xaver ein Bischof von Goo zauderte zu lange ihnen
Missionairs zu schiken, und Achem auf Sumatra ein
Mahomedanischer König, schikte geschwind mahomedanische
Priester, und als sie nach 3 Jahren kamen, war alles
vorbey und zu spätt.

/Die Maleyer sind ein böser Schlag und sehr zu fürchten.
Wenn er mit einem Europäischen Schiffs_Capitain handelt,
hat er immer die Pistole auf dem Schiff liegen. Sie sind
meuchelmörderisch, daß einige mit ihren gewundenen
Dolchen in der Geschwindigkeit eine Menge Menschen
verwunden können, so, daß wenige Mann eine gantze
Schiffs_Equipage geschwinde ermorden können. Man
muß also ihrentwegen sehr auf seiner Hut seyn.

/Java bestehet aus Maleyen, inwendig sind aber auch
andere Völker.

/Auf Sumatra sind an den Küsten Maleyer, inwendig
aber Baltos. Die Rohigkeit ihrer Sitten zeigen ein gar

/   hohes

|F_181'

/hohes Alterthum dieses Volks an. Ihre Sprache ist auch gantz
verschieden, von der Sprache der Indianer, es sind gastfreye
und treue Leuthe. - eßen ihre Feinde, ist man aber mit
ihnen bekandt, so kann man sich auf ihnen verlaßen.

/Borneo ist die größte Insel auf der gantzen Welt. Denn da
sie rund ist, ist sie größer als Britanien und Madagascar
An den Küsten ist sie von Maleyen besetzt, inwendig sind
aber Wald_Menschen, die Ourang-Outang heißen. Der
Kayser von Java, der von lauter Weibern bedient wird, hat
eine Holländischen Leibwache, die ihm, wie sie sagen, zur
Parade gegeben wird, im Grund aber, um auf ihm ein
Auge zu haben. Mann sagt: Java soll so viel Einwohner
als Franckreich haben, ob es gleich nur so groß, als der
3te Theil von Franckreich ist. Es mag von der mäßigen
Lebens_Arth der Einwohner herkommen. An den Küsten sind
Mahomedaner, inwendig aber Caffern.

/Viele moluccische Inseln werden von Maleyischen Printzen
beherscht, dem die Holländer eine %.jährliche Pension geben,
um die dortigen Gewürtz_Bäume auszurotten, wobey
sie Jährlich mit einer Flotte Parade machen, um sie in
Furcht zu setzen.

/Es hat sich jetzt eine neue Macht hervorgethan, nehmlich auf der
Insel Xalo herscht ein Maleyischer Printz, der eine Eigenschafft
Peters des Großen zeigt und man hoft, daß er einst eine
große Rolle sPielen werde. Er ist einmal im Kriege
von den Spaniern gefangen und nach Manilla gebracht,
daraus ihn nachhero ein Engländer loßgekaufft. Er hat in
seinen jungen Jahren unter den Holländern als Matrose
gedient und dadurch ihre Krieges_Arth abgelernt und alles
bey sich eingeführt, indeßen kan das wohl nicht recht viel

/   zu

|F_182

/zu bedeuten haben.

/Celebes oder Macassar wird von Printzen beherrscht, die
aber wohl unter der Macht der Holländer stehn. Viele
von den Einwohnern dienen unter der Holländischen
Armeé; wenn der Macassar eine Pfeiffe Tobak raucht,
mischt er pium darin, wovon er gantz besoffen und toll
wird und Leute ermordet. Man kan ihnen das gleich ansehen,
daher haben die Holländer das Gesetz gegeben, daß man
ihn, wo man ihn in solchen Zustande findet, tödten kann,
oder noch beßer, lebendig liefert, damit er zum Exempel
auf den Markt hingerichtet werde. - Auf Celebes selbst
ist der Pico de Adam. Die Hauptstadt der Cingulesen ist
Cardi, die Holländer aber haben die Küsten rund um
mit Vestungen besetzt, so, daß sie mit keiner andern
Nation handeln können. Zimmet ist der haupsächlichste
Artikel dieser Insel, andere Producte sind die Palm¥
Bäume, der Talipat.

/Die Maldivische machen einen Archipelagus aus, der
sehr lang ist und verschiedene werden von Türken be-
wohnt. Die Inseln haben keine Höhen, manche sind so flach,
daß zur Zeit der Fluth die Insel unter Waßer steht. Es
ist auf den Inseln braun Waßer, daß man nicht gut
trinken kann. Die Einwohner sind größtentheils Wilde.
Die Europäer handeln nichts anders mit ihnen, als daß
sie die Kauris von ihnen kaufen, kleine Muscheln die in
Ostindien für Geld gelten und wovon 8 auf einen
hiesigen Schilling gehen. In Indien gelten also so große
und so sehr kleine Species von Geld, welches einen
großen Verkehr anzeiget. - 

/   Bourbon

|F_182'

/Bourbon und Isle de france nach Africa zu, gehören den
Franzosen, sie haben nichts auf den Inseln. In Isle de
france
sind einige Vorraths_Häuser von Bourbon, wo
einige Städte sind. Auf Bourbon wird Caffe von
Sklaven gebaut.

/Persien ist ein hoch berühmtes Land, daß vor Alters eine
sehr große Rolle sPielte und ist jetzt in dem jämmerlichsten
Zustande. Nach dem Tode des Nadir Schach herrschte eine
Anarchie, darin der %.westliche Theil, darin Candahar die Haupt-
stadt ist, hat sich getrennt. Ispahan ist die Hauptstadt in
Persien. Es haben sich verschiedene Usurpateurs aufgeworfen
Z. E. vor einigen Jahren Kiring-Kang in Ispahan, der
eine erstaunliche Bravour zeigte. Dieser nante sich der
Vekeli von Persien. d. i. der Vormund des königlichen
Printzen, weil ein Enkel des Nadir Schach noch lebte,
Ein anderer warf sich in Schiras, ein dritter in Casenduren
auf p. p. Die persische Nation hat etwas sehr unterschei-
dendes und beliebtes und ist eine Nation, aus der alles
gebildet werden könnte. Sie haben sehr viel Cultur und
mehr Wißenschafft als die Türken. Ihre Sprache ist mehr
beliebter, denn die Persischen Wörter klingen sehr gut.
In ihrer Religion leben sie nicht so pedantisch als die Türken
und sind nicht so voller Ceremonien. Sie haben einen gantz
andern Begriff von dem was die Türken Paradies
nennen, und haben sehr witzige Fabeln dabey erdacht.
Die Perser sind aufgewekt und artig, alle ihre Sachen
sind so fein, als bey den Indianern, sie sind auch nicht so
grob als die Türken, deren Grobheit daher komt, weil
es lauter Tartarn sind. Die Perser sind ein tüchtiges,

/   ehrliches

|F_183

/ehrliches Volk, sind aber von der Natur_Bestimmung von so
niedriger Denkungs_Arth, daß sie keinen andern Lohn
kennen, als der durch Reichthümer entsPringt, so wie
aller orientalischer Eigenschafft der Geitz ist. Die
ältesten Parther müßen Deutsche gewesen seyn, denn
sie haben viel Wörter der Deutschen. Z. E. Gott, Mutter,
heißt auch bey ihnen Gott. Mutter. Das Wort Parther
komt her von von dem alten deutschen Wort Barda.

/Mumia Mineralis ist eine Arth von ErdOehl, daß aus Felsen
qvilt. Mumia hat im Persischen die Bedeutung von
Saltz. Es wird nicht nach Europa gebracht, in Cairo, aber
hat mans. Es hat die wundersame Eigenschafft, daß es
%.erstaunlich geschwinde Wunden und gar zerbrochene
Knochen heilt.

/Arabien wird in das steinigte, wüste und glüklichste Arabien
eingetheilt. Die 2 erste Arabien sind beyde wüst, ausge-
nommen das steinigte, an der See_Küste liegen Toor
und einige andere Städte. In beyde nennen sich die
Araber Beduinen und ziehen mit Heerden herum. Denn
es giebt in den SandWüsten bergigte Gegenden, wo-
rin Erd und Gras wächßt, wo sie Plätze und Futter
für ihr Vieh finden. Die Reise von einer dieser Gegenden
bis zur andern, möchten sie ohne Cameele nichts
machen können, die das Waßer 3 bis 4 Tage in
Schläuchen tragen können und selber nicht in 2
oder 3 Tage zu saufen brauchen. Sie haben aller-
ley Gewerbe. An den Küsten von Persien sind es
Fischer, bis Balsora sinds Akerleuthe und leben
zum Theil als Nomaden, zum Theil in Dörfern. Die

/   gantze

|F_183'

/gantze Wüste wird von Hirten bewohnt, so zieht sichs immer
weiter fort an die große Sara bis zum Senegal.

/Das glükliche Arabien ist eigentlich das Arabien, die in
Städten wohnen und wo es cultivirt wird. An der See
Küste von Arabien süd-wärts und westwärts komt man
nach Medina und Mecca. Ehe man nach Medina hinkomt
muß man bey einem Lande vorbey, hier giebts Juden,
die sich selbst regieren und einen eigenen Staat aus-
machen. sie sind gefährliche Nachbahren und werden
sehr gefürchtet, es muß ihnen doch schwer beyzukommen
seyn. Dann komt man nach Irna von Gemen und so nach
Medina, das Inwendige von Arabien ist uns unbekandt.
Die Araber sind eine ehrliche polirte Nation von guter
Arth, und selbst wo sie räuberisch sind, thun sie nicht so
leicht Gewalt an, sondern laßen sich abfinden. Dies
trifft %.vorzüglich die, die in Staaten leben, als in Medina
und Mecca. Mecca ist die Gräntz_Vestung und Anfang
der mahomedanischen Religion. Ihr heiliges Gebäude
Kianbe ist ein 4_ekigtes Gebäude, wo man, wenn man
zur Thür hinein will, eine Leiter ansetzen muß und das
nur ein Fenster hat. Das soll die Wohnung Abrahams,
wie Mahomed sagt: Rund herum ist eine große Gallerie
die auf Marmorne Säulen steht. Hier sind 4 Cantzeln
für die 4 Secten der Religion. In der Mitte ist der
Brunnen Zemzem, wo Ismael von Durst sterben wollte.
Wenn sie ihr Gebeth verrichten, richten sie, sie mögen in
einer Welt_Gegend seyn, wo sie wollen, ihr Gesicht immer
nach der Cava hin, so wie die Juden immer ihr Gesicht nach

/   Kabla

|F_184

/Kabla hinkehren. In Medina Alnabi. d. i. in der %Propheten¥
Stadt ist der Sarg Mahomets. Es ist aber mit einem
Gitterwerk umgeben, weil die Leuthe ihre Kleider nur
darauf geworfen hatten, um sie dadurch zu heiligen.
Neben dem Sarge des Mahomets steht noch ein lediger,
von dem sie sagen, daß er für Christum aufbehalten
werde, der gen Himmel gefahren sey, aber er werde
wieder auf Erden kommen, um alle Ungläubige zu
bekehren, denn werde er sterben und in diesem Sarg
gelegt werden.

/Die Nation hat wenige Wißenschafften. Auf Caffe-
Häuser geht der Araber, raucht seine Pfeiffe und zeigt
dabey einen sehr aufgewekten und gesPrächigen
Schlag.

/Die Türkische Nation ist von tartarischem Stamm,
sie sind ein wakeres Volk. Das schönste im Orient
nächst ihnen, sind die Perser am besten gebildet. Die
Türken wären an sich selbst ein gutes Volk, und so
große Länder sie unter sich haben, so sind sie doch immer
die beste Völker in allen den Ländern, die sie be-
wohnen, denn sie übertreffen bey weitem die Griechen,
Wallachen, Bulgaren und Amerikaner, überhaupt
sind alle die dortigen christlichen Völker, den Türken
nicht gleich zu schätzen. Betrug und Niederträchtigkeit
ist bey den Christen häufiger. Die Türken sind ehrlich
und wenn sie nur nicht die Empörung liebten und
mehr Gerechtigkeit hätten, so wären sie ein vorzügliches
Volk. Doch besitzen sie auch einen niederträchtigen Eigen-
nutz, wo Ieder Gewinst machen muß.

/   Sie

|F_184'

/Sie haben wohl mechanische Cultur, aber keine ingenieuse.
Daher ist ein großer Mann in Indien, der sich durch Meuchel-
mord und Verrath so hoch hinauf geschwungen hat, daß er
sich auf den Platz seines Herren gesetzt hat. Ein solcher
steht nicht in Verdacht, sondern man bewundert seine
Geschiklichkeit. - Die Türken haben eine Neigung zu Re-
volten
und Empörung, und solche entstehen, wo man nicht
Achtung vor Gesetze hat. Gesetzlosigkeit findet sich also auch
im Orient. Die Chineser und Indianer laßen sich zwar
nicht discipliniren, aber dort ist bey ihnen der Mangel
des Muths, Hochachtung vor Gesetze aber setzt höhere Ideen
voraus. Der Zustand ihres Regiments ist: Alle Printzen wer-
den durch Bassas regiert, welche für ihre Posten große
Summen geben müßen, die aber alle zur Absicht haben,
sich zu bereichern, der Sultan will sich wieder durch sie
bereichern; deshalb ist ihr Ende immer jämmerlich, so daß
sie kaum mit dem Exilio abkommen und gemeiniglich
der Strik ihr Leben endigt. Diese Regierung durch Bassas
ist die abscheulichste, die nur kan gefunden werden. Der
Bassa unterdrukt viele Menschen, ihn selbst aber läßt
am Ende der Sultan stranguliren, bisweilen aber komt
einer dem andern zuvor, und bringt den um, der ihn
erwürgen sollte.

/Obgleich der große Sultan das kann, so kann er doch
keine Gesetze in seinem Staate geben, weil das Empörung
veranlaßen würde. Denn den immerwährenden Druk
der Gesetze können sie nicht vertragen, aber ein solcher
Sturm, wo manchmal vielen die Köpfe herunter gehau-
en und das Ihrige genommen wird.

/   Wieder

|F_185

/Wieder die Vorschrifft des Corans kan der Sultan nichts
thun. Es steht unter andern darin, man soll keinem
sein Eigenthum nehmen, aber einem andern ausplün-
dern, der das Guth nicht angeerbt hat, sondern es sich
erworben hat, kann er ohne Process thun, unter dem
Vorwande, er hat es unrechtmäßig.

/Es ist ein Unglük, daß diese brave Nation, so in der
Barbarey liegt, und daß bey ihnen, ihrer Religion wegen
keine Wißenschafft eingeführt werden könne, daß ist
immer, wenn ein Volk ganz blind den Satzungen der
Religion folgen muß, so kann keine Vernunfft aufkommen.
Anno 1730 solte eine Buchdrukerey angelegt werden,.
aber da der Mufti sagte: es sey im Coran verbothen,
so unterbliebs und so ist bey ihnen eine rechte Cultur
fast nicht möglich. Ihre Gesetze sind theils der Koran, theils
ein Anhang zum Coran, der einen Auszug aus dem
Justinianischen Codex enthält. Die Verwaltung der
Gerechtigkeit aber ist sehr erbärmlich und geschieht
durch die Cadis. - Cadi ist der oberste Richter, ist zu
Romelian. Das Oberhaupt in der Religion ist der
Mufti. Es ist kein eintziger Fall, wo ein Cadi uneigen-
nützig handeln sollte. Man erzählt wohl Geschichten
von ähnlichen Cadis, aber diese beweisen eben, wie vor
dem Fall seyn muß.

/Der Bassa von Constantinopel sagt: wenn er ehrlich seyn
wolte, so müste er für sich die Tugend lieben, weil er
deshalb nicht einmal würde gerühmt werden, weil
die Türken nur den schätzen, der sich viele Gütter er-
worben hätte. Dieser Verfall der Gerechtigkeit macht,

/   daß

|F_185'

/daß der Staat nicht aufkommen kann. Die Vielweiberey
ist ein Verderben im Staat und daß das weibliche Geschlecht
bey ihnen so abgesondert und immer verschleuert ist,
hindert alle Cultur bey ihnen; doch muß man sich die Viel-
Weiberey nicht zu groß vorstellen, denn die wenigsten
Männer haben mehr als ein Weib und wenn sie mehrere
haben, so haben sie doch %.eigentlich nur eine Frau, die übrige
sind nur Sklavinnen, weil die Frau sie nicht neben sich
leidet, diese Sklawinnen hält er zum Staat.

/Wenn man von ihrem Despotismus redet, so muß man sagen:
daß der große Sultan ein Despot ist, der ohne alle
Gesetze durch bloße Befehle commandiret, wenn er will.
Seine Macht aber ist sehr eingeschränkt, er kan nicht ein-
mal das, was ein kleiner Monarch thut. Auflagen
kan er nicht machen, und überhaupt, wo eine Gesetzlose
Regierung ist, da ists so gut, wie eine Anarchie. Das
Volk ist immer ein Wiederstand, den HauptWiederstand
machen die Janitscharen, eine stehende Garde, die der
Petersburgschen ähnlich sind, in denen immer etwas liegt
daß dem keinen wiedersteht, und die Türkische Regie-
rung müßte es auch mit sehr klugen geheimen Mitteln
anfangen, allmählich Truppen auf preußischen Fuß
zu werben und zu unterhalten. - Manchmal wirfft
sich ein Janitschar irgendwo zum Bassa auf, regieret
denn einige Zeit, bis dann einige Soldaten oder auch
nur einer geschikt wird, ihn zu stranguliren.

/Egypten steht unter den Türken. Die Türken können
aber in Egypten nicht alles was sie wollen. Alles
was der große Sultan thut, ist: er schikt einen Bassa

/   hin

|F_186

/hin, und diese Truppen, die unter dem Bassa stehen,
machen einen Divan aus. Egypten steht aber auch unter
verschiedenen Beys und der Divan des Beys, ist
immer mit dem Divan des Bassa im Streit und wenn
der große Sultan einen Bassa hinschikt, so schiken
sie ihn manchmal zurük, damit er aber durch seinen
Tribut erhält, so versetzt er die Beys unter einander
wobey er auf seinen Profit sieht indem er auf sie Einfluß
hat. Die Folgen davon sind die erbärmlichste Verwü-
stungen des Landes, indem immer einer über den andern
die Oberhand haben will. Der denn die Oberhand hat,
läßt die Köpfe der andern springen. Diesen Zustand
kan der Sultan nicht ändern, weil es das einzige Mittel
ist, Tribut erhalten. Er unterstützt einen Bey gegen den
andern, der ihm dann Tribut davor giebt, diesen stürtzt
er aber hernach wieder durch einen andern, weil dieser,
wenn er sich fühlen möchte, den Tribut verweigern
möchte. Dieser Zustandt ist bey einem wakern Volke
sehr zu bedauren. - Die meisten Türken sind von %.Christlicher
Geburth und aus den Ländern von Griechenland, Georgien,
Polen in der Jugend als Kinder weggenommen, und in der
Religion Mahomeds unterrichtet. Die Sclaven unter den
Türken muß man sich nicht so fürchterlich vorstellen,
und wer sich nur in seinen HErrn zu schiken weis,
kann sich von ihm alles gewärtigen, so daß Sklaven
offt in Stelle ihrer Herren succediren. Sklave ist bey
ihnen kein verachteter Mann, ein solcher wird, als ein
an Kindes statt angenommener, betrachtet, sie werden
offt entlaßen und kommen zu Ehrenstellen.

/Die Regierung der Mamelucken in der Türkey, war recht

/   sonderbar

|F_186'

/sonderbar, es waren Christen Sklaven, die vor 200 Jahr
mit großer Macht regiert haben. Die gantze Regierung
war immer in Händen, nicht der Eingebohrnen, sondern
solcher Sklawen, so, daß wenn ein Mameluck einen
Sohn und folglich einen Rechtgläubigen zeugte, so konte
er ihm nicht succediren, sondern er nam einen andern
Christen_Sklaven an Kindes statt an.

/Die große Bucharey besteht aus dem %.eigentlichen Bucharien.
2. Einem Lande das jetzt China heißt und 3 aus Turcomannien.
Diese Länder sind sehr schön. Der größte Welt_Eroberer
Tamerlan und Kirgischan haben sie immer als sehr
schön gepriesen. Es ist große Cultur in denselben
große Reichthümer erwerben sich die Einwohner durch
den Handel mit Indien.

/Rußische Länder in Asien. Dahin gehört das Gouvernement
von Astrachan, von Tobolsk, Irkuzs und der Jenesey
welches das %.eigentliche Sibirien ausmacht. Hier giebts
große Steppen, als die Kirgisser Steppe, die Steppe
Barraba und andere wo Steppen_Völker und Hirten
darin sind. Die Rußen haben Unterthanen, davon
einige Tartarn sind. - Diese sind ein Nachlaß von den
Tartern, die das alte Königreich Kipha errichtet hatten,
daß sich von Oby bis nach Astracan erstrekt und deren
König ein Nachlaß von Kirgistan war. Diese Leuthe
haben platte Nasen und sind die besten unter allen
dortigen Völkern. Sie kleiden sich sehr schön und ein
solches Weib trägt offt eine Kleidung die 1.000 Rubel
werth ist. Sie sind reinliche und verträgliche Leuthe.

/Die Baschkiren sind ein Mischmasch von Tartarn und
Finnen

/   Die

|F_187

/Die Kirgisen sind eine böse und fatale Nation, man kann
sich kein ärgeres Volk denken. Sie sind ein Schlag
von Tartarn, aber so mit andern vermischt, daß sie
ein fatales Gesicht haben. In der größten Sommers
Hitze ziehn sie in ihren Steppen an den Flüßen herum,
wenn der Herbst komt, ziehen sie an die rußische
Grentzen und fallen denn %.vorzüglich in das rußische
Gebieth ein und plündern und verbrennen da.

/Die Tungusen wohnen an den Lehnastrom, haben
keine Bärte, sind ein munteres wakeres Volk und
sind vielleicht ausgeartete Mungalen, sie sind so
munter, daß, anstatt worüber zu schreiten, sie dar-
über springen; sie haben in allen Näthen ihrer Klei-
dung Renhaare gemacht, welches daran flattert,
und ihr Ansehen noch windiger macht. Ihre Hütten
machen sie von Baum_Rinde. Die Tungusen bauen
ihre Hütten aber so wie die Calmuken, nur daß sie solche
nicht mit Filz wie jene sondern mit Baum_Rinde ver-
kleidet werden, in der Mitte machen sie Feuer, oben ist
eine Oeffnung und so sitzen sie warm. Sie sind keine
Hirten_Völker, es giebt wohl Steppen_Tungusen, aber die
Wald_Tungusen sind die Aechten und leben von der
Jagd. Mit ihren Zelten ziehen sie so, daß sie fast nicht 3
Tage an einer Stelle bleiben, denn sie sind sehr unruhig.
Von diesem Stamm kommen die Tartarn_Mansart, die jetzt
China beherrschen, die Jakuten und andere nordische
Völker, als die Samojeden, Tschaukschij, Kamschadalen.
alle diese sind am Eis_Meer. Ihre Lebensart ist erbärm-
lich. Die Samojeden leben von Rennthiere, auch leben
sie von Seethieren. Die Kamschadalen sind ein Volk, daß

/   nicht

|F_187'

/nicht so waker ist, als die Tungusen, leben von Fischen, haben
keine andere Thiere, als eine Arth von Schaafen.

/Die Einkünffte der Rußen aus diesen Ländern, sind Pel-
tereyen, Gold und Silber, Stahl und Kupfer und dann der
Handel mit China, da aber alle Flüße nach dem Eis_Meer
zu laufen, so können die Rußen keinen großen Handel
mit ihnen haben, sondern alles muß auf der Axe ver-
fahren werden.

/Japan liegt hinter den Kurilischen Inseln, die den Rußen
Tribut geben. Aber mit Japan stehen sie in keinen Handel,
denn die Japaneser haben den Handel mit allen Nationen
verbothen und mit %.großen Kriegs_Schiffen können sie durchs Eis¥
Meer nicht hinkommen, %.folglich können sie die Japaneser
zum Handel nicht zwingen. Japan ist ein Land, daß
sich von aller Welt so abgesondert, als wenns ein anderer
Planet wäre, sie sind sehr gesittet, cultivirt, fein und
gelehrt und in allen Künsten beßer polirt, als die Chineser,
wie sie denn mit ihnen zum Theil einerley Künste haben.
Sie laquiren sogar ihre Häuser. Zwey Holländische Schiffe
dürfen jährlich in den Hafen von Nangesaku kommen,
diese kommen denn gleichsam in eine Arth von Gefange-
schafft, denn sobald sie ankommen, werden ihnen ihre
Ruder weggenommen. Alle, bis auf die Hunde werden
aufgezeichnet, und sobald etwas stirbt, muß es zerrißen
werden, damit ja nicht etwas im Lande zurükbleibt.
Außer diesen 2 Schiffen darf kein Europäer hinkommen.
Japan hat 2 Oberhäupter, ein %.geistliches und ein %.weltliches
Oberhaupt. Das %.geistliche Oberhaupt heißt der Dairi, der
%.Weltliche ist der Cubo. Der Dairi residirt zu Meaco. Der
Cubo zu Yeddo.

/   Die

|F_188

/Die Religion der Japaneser heißt Sinto, eine neuere
heißt Budsdo, die neueste, die aber geheim ist, heißt
Sinto. Die erste Religion ist die Religion der Kamer,
oder der abgeschiedenen Seelen. Was die 2te betrifft
so muß sich einmal die Religion des Budsdo herüber
gefunden haben. Die 3te ist eine natürliche Religion,
die alle Satzungen und Traditionen verwirfft.

/Die Japaneser sind braver als die Chineser, haben aber
etwas nachtheiliges in ihrem Character. Ein Sklawe
um einen andern zu zeigen, wie gehorsam er seinen
Herren ist, reißt sich auf seinen Befehl den Bauch
mit einem Meßer auf. Sie sind nicht dumm, sondern
ziemlich aufgewekt. Ihre Häuser sind auch von draußen
laquirt. Sie theilen ihre Häuser in soviel Zimmer sie
wollen, indem sie die Schirme bald weit voneinander,
bald dichter stellen. Sie können auch in ihrem Hause
eine ganze Etage weniger machen und durch Schrau-
ben herunter ziehn. Sie eßen kein Rind- aber Schaaf-
Fleisch. Der Rinder bedienen sie sich bei der Feldarbeit,
und höchstens ihrer Milch. Die Schaafe haben sie wegen
ihrer Wolle. Gewächße und Wurtzeln sind ihre Narung.

/Africa. Was die Mohren, Türken und Araber in Afrika
betrifft, so ist bey ihnen eben das, was bei den Völkern
gleichen Namens anzutreffen ist.

/Das Land der Caffern und Zanguebar sind mit Caffern
besetzt. Diese sind von den Negers unterschieden, sie
haben lange gekrauste Haare, etwas Bart und sind
also weiß, scheinen aber mit dem Negerstamm vermischt
zu seyn. Auf Madagascar sind Caffern, aber auch würkliche

/   Araber

|F_188'

/Araber. - Das Vorgebürge der guten Hoffnung enthält
Caffern, sie heißen hier Hottentotten, und diese Leute
sind ein Volk, daß keine Cultur des Bodens hat. Sonst
haben sie alle thierische Vollkommenheiten, als Dauer-
hafftigkeit, Stärke. p. p. und sind, wenn sie in die Hände
der Europäer kommen, gut zu gebrauchen und die
Holländer haben immer welche in ihrem Dienst.

/Die Nation hat viel originelles an sich, %.vorzüglich in ihren
Gebräuchen. Wenige oder keine SPuren von Religion sind
hier. - Gott nennen sie den großen Capitain, weil sie
keinen vornehmern Mann als einen Capitain kennen.
Wenn sie über einen Fluß geschwommen sind, so tantzen
sie. Wenn man sie um die Ursache frägt, sagen sie: es
ist Hottentotten Gebrauch, das ist ihre generalAntwort.
Das Land ist sehr sandigt, ihre Dörfer sind 6 Meilen
weit von einander gebaut, und es erlauben die Hol-
länder keinen ihrer Leuthe, daß eine Familie näher
als eine Meile zusammen wohnen. Beym Capo
haben sie den Cap_Wein, wovon der rothe oder der
Castanzer_Wein der beste in der Welt ist, er ist kostbar
und wird nur in Europa an Höfen gefunden. - 
Eine Wittwe muß, wenn sie ihren Mann verliehrt, ein
Glied von einem Finger an der linken Hand abschneiden,
stirbt der 2te so muß sie vom 2ten Finger abschneiden
und so giebts dort Weiber, denen an alle 5 Finger ein
Glied fehlt. Sie kochen ihre Speise in Töpfe, die sie sehr
schön zu brennen wißen, ihre meiste SPeise aber wird
gebraten. Sie haben die Gewohnheit, sich mit Schaaf_Fett

/   und

|F_189

/und Butter zu beschmieren. Zwillinge können sie nicht
leiden, sobald einer gebohren wird, wird er wieder
begraben. - Die Alten sind bey ihnen in großem
Ansehen und ein Jüngling wird an einem besonderen
Tage unter die Männer aufgenommen, indem er
alsdenn den Weibern entnommen wird. Sie huken sich
alsdenn alle in einen Creyß nieder, wobey sie der
Aelteste des Dorfs mit seinem %.natürlichen WeyhWaßer
besPrengt. - Sie leben von Wurtzelwerk und dem was
ihre Heerden geben. Wenn sie keine andre Speise haben
können, braten sie sich offt ihre Schu_Sohlen und ver-
zehren sie. Sie scheuen die Gefangenschafft.

/Die Busch_Hottentotten haben kein Vieh und nähren sich
indem sie die Heerden anderer überfallen.

/Vom Capo negro bis zum Senegal sind die rechten Negers
oder Schwarze, dahin gehört Senegambia, Guinea und
Congo.

/Senegambia. Der Senegal macht die Grentze, zwischen
den Negern und dem Volke der Mohren und Araber.
Diesseits des Senegals findet man noch keine Schwarzte.
Die Negers müßen unterschieden werden; ein Theil sind
nicht wahre Schwartzen, sondern zwischen Mohren und
Negers, der andere Theil aber sind ganz schwarz und so
schwarz als Eben_Holtz, daß sind zugleich die schönsten
Negers, denn sie haben nicht die aufgeworfene dike
Lippen und die platt_gedrükte Nasen der übrigen.
sondern haben eine regelmäßige Bildung und ein
gutes relif des Gesichts. Sind gut von Geist, munter,
witzig und aufgewekt, werden regiert durch Könige.

/   Die

|F_189'

/Die Mandique sind unter allen Negern bis zum Gambia¥
strom die allerbeliebtesten, weil sie die arbeitsamsten
sind. Diese sucht man vorzüglich zu Sklaven, weil diese
in der größte Hitze Arbeit vertragen, die kein Mensch aus-
halten kann. Von dieser NegerNation müßen jährlich
20.000 gekaufft werden, um den Abgang derselben in
America zu ersetzen, wo sie zur Bearbeitung der Gewürz¥
Bäume und überhaupt des gantzen Etablissements ge-
braucht werden. Man kriegt die Neger indem sie sich einan-
der greifen müßen, und man muß sich ihrer mit Macht
bemächtigen. Um sie zu encouragiren, giebt man ihnen
Brandwein, den die Neger gern saufen, so daß sie sich
Himmel dik besaufen und tolle Streiche angeben. Ein %.kleiner
NegerKönig wenn er Brandwein saufen will, läßt in
der Nacht ein feindliches Dorf ansteken und wenn denn die
Leute nakt heraus laufen, so läßt er sie greifen und ver-
kaufen. Wenn ein Vater Brandwein saufen will, so sucht
er seinen Sohn aufs Schiff zu loken und ihn zu verkaufen.
Bisweilen ist der Sohn stärker und verkaufft den Vater.
Die Negers machen ihre Gefangene zu Sklaven und verkaufen
sie an die Europäer. Ihr Transport sieht abscheulich aus,
er hat ein Stük von einem Klammer am Halse, woran
hinten ein Stok ist, so daß er den Kopf nicht drehen kann,
er trägt die Stange des, der vor ihm geht auf dem Rüken,
und der hinter ihm geht, hat wieder seine Stange auf dem
Rüken und der hinter ihm geht hat wieder seine Stange
auf der Schulter. In den Händen haben sie ihr Eßen und
Waßer und so geht ein langer Zug fort. Wenn sie zu Schiffe
gebracht werden sollen, sind sie gantz desperat, und

/   müßen

|F_190

/müßen denn sehr in Acht genommen werden, daß sie sich
nicht umbringen, denn diese glauben, sie werden von
den Europäern gegeßen werden. Eine volle Schiffs_Ladung
ist 400 Negers, wovon viele unterwegens sterben. Wenn
sie ans Land gebracht werden, werden sie in einen
großen Hoffraum gebracht, wenn denn ein Europäer
hinein komt, so fangen sie alle an zu glauben und zu
schreyen, daß sie schon umgebracht werden sollen, und
selbst wenn man ihnen zu eßen giebt, glauben sie, man
mäste sie nur um sie zu schlachten. Wenn einer auf einen
bietet, so muß dieser auf «diesen» <einen> Tisch treten, damit sie ihn
besehen. Ist der Neger genug besehen, so wird er nach
seiner Stärke und Gelenksamkeit bezahlt; denn geht das
Heulen und WehKlagen an, indem Bruder und Schwester
getrennt werden. Zuweilen kaufft einer noch aus Barm-
herzigkeit das Kind mit, wenn er die Mutter gekaufft
hat, weil die Negers soviel Liebe für ihre Kinder haben.
Die Negers sind aufgewekt und können allerley lernen,
freylich Dinge des Geistes sind über ihren Horizont,
aber SPrache und Künste die zum Handel gehören
lernen sie, und allen Witz, der zum Kaufen gehört. - 
Die Negers werden am häufigsten vom Gambiostrom
und von der Sclaven_Küste gebracht. Da Africa an der
Küste von Negers ziemlich entblößt ist, so holt man,
wenn man nicht gnug Negers hat, sich welche aus dem
Inwendigen des Landes.

/Vom Gambia bis Sierra liona erstrekt sich die Mahomeda-
ni
sche Religion unter den Negern, sie ist aber unter ihnen
sehr abergläubisch und schlecht. Sie können nicht lesen
und haben bloß einige Gebräuche von Religion. Endlich

/   läufft

|F_190'

/läuft doch bey den Negern alle Religion auf Zauberey
hinaus, nehmlich auf ein Mittel sich Vortheile des Lebens
zu verschaffen und sich vor Uebel zu sichern, wobey einer
dieser, der andere jene Methode hat.

/Von Caponegro an bis ins Innere von Africa herrscht
eine besondere Religion, die Fetische, der viele 100.000
zugethan sind. Ihr Inhalt ist: der höchste Gott sey zu er-
haben, als daß er sich mit dem Menschen bemenge.
Daher habe er <in> die Priester eine Kraft gelegt, nach
welcher sie, wenn sie eine Sache besPrechen, dieser Sache
eine solche Krafft mittheilen, daß diese Sache das Böse
abhalten kann. Ein jeder macht sich einen Fetisch, welchen
er will; es hat Ehnlichkeit mit der Anbetung der Thiere
in Egypten. Hier waren soviele Thiere heilig, daß fast
jede große Stadt ein apartes hatte und diese sind alle
für fetische anzusehen. Davon hatten die Städte %.ordentlich
ihre Namen. Z. E. die CrocodillStadt. So giebts in Nord¥
America Völker, wovon einige die Füchße oder
Bieber heißen u. s. f. nach dem Thier daß sie in ihrem
Wappen führen. So ist auch der GoldKäffer der Hotten-
totten, um welche sie, sobald er sich auf eine Person
setzt, tantzen, und diese Person für heilig halten,
nichts anders als ein solcher Fetisch. Das Meer nennen
sie das allergrößte Fetisch, daher bringen sie offt Opfer
und wollen es hinein werfen, aber das leiden die
Priester nicht, weil es ihnen denn nicht zufallen
würde, und sagen deshalb: dieser Fetisch sey allzu
erhaben und würde ihre Geschenke sehr übel
annehmen. Den Senegal ist man 200 Meilen ins

/   Land

|F_191

/Land hinauf gekommen. In Gambia wird noch mit Gold
und Sklaven gehandelt. Weiter ins Land über laßen
die Neger bis jetzt keinen Europäer kommen.

/Aus den Nachrichten aus Marocco siehet man, daß
alle 2 Jahr eine Caravanne von da nach Tamput
geht, die Goldstaub und Sklaven bringt. Der Handel
wird beynahe stum geführt. Zwar sollen sie entsetzliche
Wüsten finden, wo sie wohl 20 Tage ohne Waßer
bleiben müßen, da müßen sie also vermuthlich
die Cameele schlachten, damit sie ihnen nicht das
Waßer aussaufen, denn ein Cameel kann nicht
so lange dursten. Der Strom Sallum geht tief ins
Land hinein und führt Goldstaub, aber an der Küste
von Guinea ist mehr Goldstaub und Sklaven.

/Berin wird für ein ziemlich Land gehalten. Bey
Congo fangen die Besitzungen der Portugiesen
an, im Lande aber selbst sind NegerPrintzen, die
ziemlich gesittet sind, so, daß sogar einige von ihnen
nach Portugall gehen, und studieren, und wohl
Aertzte und Advocaten werden. Mann hat erfahren,
daß die Portugiesen jetzt jährlich eine Reise über
Land von Congo nach Mosambique thun und es
wäre zu wünschen, daß man von der Reise Nachricht
hätte.

/Abyssinien ist ein Land, daß mit Caffern bewohnt ist,
man könnte sie aber ehr für weiße halten, denn
sie haben Bärte und übrigens ein krauses Haar.
Der König von Abyßinien wohnt gewöhnlich im Lager,

/   indem

|F_191'

/indem er mit kriegerischen Negern, den Gallobs umgeben
ist. Abyssinien ist Christlich, sie haben eine complette Bibel¥
Uebersetzung, eine gute zierliche Schrifft, und es ist zu
bewundern, daß man in Africa ein Christliches Land
findet. Den FrauenZimmer schneiden sie ein Theil von ihrem
Geschlechts_Gliede ab und nennen diese Nymphen,
welches vermuthlich ein Opfer der Gottheit war und ein
Sinnbild der Fruchtbarkeit seyn sollte. Die Abyssinier
wohnen in einem gebürgigten Lande, und dabey kühle
Lufft hat, und ein sehr fruchtbares Land ist, und wenn
es mit Europa im Commercio käme, so würde gewiß
ein cultivirtes Land und Volk daraus werden.

/Auf der Küste der Barbarey sind die Einwohner der
Küste Mohren, die mit Barbarn vermischt sind. In
der Wüste giebts Beduinen, oder herum ziehende
Araber. - Marocco wird nicht mehr zu den Küsten
der Barbarey gerechnet, sondern Algier, Tunis und
Tripoli. Dies sind Republiquen, die aber von einem
Dey beynahe souverain beherscht werden. Der
Dey regiert das gantze Land. Ehedem wurde das
Land von Mohren beherrscht, bis sich Barbarossa
ein Freybeuter unter den Türken zum Souverain
aufwarf. - Die Producte der Länder von Africa
sind mit denen von Asien einerley, Dattelbäume,
Schaafe mit einem fette«t»n breiten Schwantz, Cameele,
schöne und außerordentlich leichte und behende Pferde,
wie die Pferde in Steppen auf trokenen Boden immer
den größten Vorzug haben.

/Bey Amerika betrachten wir zuerst die Grönländer.

/   Die

|F_192

/Die OstKüste von Grönland ist verlohren, man
kan nehmlich nicht hin kommen, weils mit bestän-
digen Eis bedekt ist und ist seit 200 Jahren nicht
mehr zu entdeken, obgleich es ehedem mit dänischen
Colonien besetzt war. Was wir jetzt befahren, ist die
Westliche Küste, wohin man durch die Straße Davies
fährt, wo auch der Wallfischfang ist. Diese Grönländer
geben SPuren, daß sie Abkömlinge von Europäern
sind und es müßen in den ältesten Zeiten Norweger
hinübergegangen seyn; denn sowohl diese, als die
Esquimos, haben Bärte und zeigen weit mehr Ge-
schiklichkeit als die übrige Americaner. Der Bau
ihrer Cajaks ist künstlicher, als der, der andern
americanischen Bauten. Cajack ist ein Booth, daß
von einem Holtz, daß die See auswirfft, wie ein
Gerippe gemacht ist, denn wird es mit Seehunds
Felle überzogen, mit den Zähnen dieser Thiere
genagelt und mit den Sehnen gemacht, daß es
Waßer hält. In der Mitte ist ein Loch, dahin ein setzt
er sich und strekt die Füße aus, weil es lang
und schmall ist. Denn bindet er sich fest und sitzet
so und balancirt, daß sein Schiff nicht umfällt. Ob
er gleich in der See immer balancirt, so ist doch das
Booth so leicht, daß er es im Arm tragen kann.
Daher gehts nicht tief im Waßer und der Wind wirfts
beym kleinsten Stoß um, so geschikt er auch mit seinem
Ruder umzugehen weiß. Offt wenn er auf den See-
Hunds_Fang ausgeht und die Harpune wirft, so geht

/   der

|F_192'

/der Seehund in die Tiefe, da trägt es sich offt zu, daß sich
sein Riemen verschlängelt und fest sitzt, da wirft er also
um und geht mit zu Grunde, denn er hängt fest im
Kahn, weil er sich fest gebunden hat, da sieht man denn
wie er unter dem Waßer arbeitet und sich mit seinen
2 Schaufeln herum zu kantern sucht. Die andern
sehens zu und lachen, und laßen ihn glüklich ersaufen.
Viele Menschen können es nicht lernen, sich herum
zu kantern, wenn sie so in den Kahn eingeschnürt
umgeworfen worden und ein solcher kann nicht auf
Fischerey ausgehen. Aber er ist sehr unglüklich und
kann sich kaum ernähren. Diese Gronländer sind
in ihrem Zustande nicht so sehr zu beklagen, und
befinden sich immer noch in einer Arth des Wohlbe-
findens; sie sind übrigens eine gelinde, sittsame
Nation, haben nicht viel Wurtzeln, sondern leben von
Seehund und trokenen Fischen. Vom Einsaltzen des
Fisches wißen sie und alle Americaner nicht, und
man darf also nicht glauben, daß das Saltz ein
unentbehrliches Bedürfniß des Lebens sey, weil
man daran gewöhnt ist. Die Gronländer trinken
nicht den Thran, sondern brauchen ihn, ihre Lampen
zu unterhalten. Ihre Lampen sind von Topfstein, sie
sollen Feuerfest seyn und sehr lange halten. Diese
Steine finden die Gronländer in ihren Gegenden,
höhlen sie mit sPitzen Steinen aus, denn sieht er wie
ein Keßel aus. Diese füllen sie mit Thran, legen
Docht von Moos hinein und steken es an, und

/   laßen

|F_193

/laßen es brennen. Ueber diese wird wieder eine
andere Lampe in der Cubane aufgehangen, so daß
durch die Menge die gantze Cabane warm wird.
Darin kochen sie denn auch ihre SPeisen, nehmlich
das Fleisch der Seehunde. Ihre Kleidung sind See-
hunds_Häute, die sehr gut und sauber mit den Sehnen
des Thiers genäht sind, die Nadeln sind von Knochen.

/Die Esquimos auf dem Lande Laborador sind die-
selbe Nation, haben eben die Geschiklichkeit, auch Bärte,
sind aber nicht zahlreich. Außer dieser Nation, die
man für Abkömlinge von Europäern hält, sind süd-
wärts dem LorenzoStrom andere Esquimos, die
von der Jagd leben, und nichts anders zur Narung
als das Jagdleben haben. Wenn ihre Eltern anfangen
der Jugend beschwerlich zu fallen, so verlangen
sie von den Jungen lebendig begraben zu werden,
da macht man denn mit der größten Ehrerbietigkeit
ein Grab, schnürt den Vater den Hals zu und
verschaart ihn. Die Europäer haben an ihnen
keine bösartige Nation gefunden. Es ist eine Noth-
wendigkeit und komt von dem jämmerlichen Zustand
her, darin sie versetzt sind.

/Südwärts vom Lorenzo_Strom sind Leuthe, die einen
milden Strich bewohnen. Die an die vielen Lacks
oder Seen wohnen, stehen sich am besten, wovon
manche Lacks größer als die Ostsee sind. Auf diese
sind vortreffliche Fischereyen, unvergleichliche Vieh-

/   Weiden

|F_193'

/Weiden an ihren Ufern, sie haben auch schön Vieh von den
Europäern, denn sie selbst haben kein zahmes Thier. Sie
haben den Mais oder Türkischen Weitzen, der beßer
Brod giebt als die Cartoffeln. Uebrigens eßen sie Wur-
tzeln; die aber schon näher an die Colonien der Engländer
und Franzosen wohnen, haben schon Garten_Gewächße
cultivirt. Hier ist der Bison eine Arth wilder ausgear-
teter <Auer>_Ochßen, der mit einer wolligten Haut so verdekt ist,
so daß man seine Hörner nicht sehen kann, von welcher
Wolle man Zeuge macht. Der Bisam_Ochß, der auch in die-
sen Gegenden ist, hat so lange Wolle, die ihn bis auf die
Erde abhängt, er riecht so nach Bisam, daß sein Fleisch
nicht gegeßen werden kann. Der Caracan ist ein rei-
ßendes Thier, ferner ist der Wolf der virginische Bär, die
Füchße, der Bieber ist das nutzbarste Thier in America.
Das Ansehen aller Americaner ist einerley, sie haben
keinen Bart, Kupferrothe Farbe, erhabenes Gesicht, durch-
gängig schwartzes Haar. Die Gewohnheit bringt es mit
sich, daß die Nord_Americaner sich alle Haare wegschneiden,
und nur einen kleinen Schopf stehen laßen. Sie putzen sich
mit Einschnitten in der Haut und mit Schminke. Der Mann
und nicht die Frau schminkt sich. Der Indianer wenn er
nach Qvebeck komt, kaufft sich Spiegel und Schminke,
womit er sich bemahlt. Er kaufft sich auch Hemde, zieht sie
aber nicht eher aus, als bis sie entzwey sind, denn vom
Auswaschen wißen sie nichts. - Diese Indianer leben
in Dörfer und machen Völkerschafften aus. Eine

/   Völker-

|F_194

/Völkerschafft hat ihre Sacher, der sein Ansehn nicht durch
die Geburth hat, sondern er ist ein bloßer Rathgeber und
unterscheidet sich durch Geburth und Tapferkeit. Wenn
die Indianer Krieg führen, freßen sie ihre Gefangene
auf und so sind einige Nationen aufgefreßen. Wenn ein
Krieg beschloßen ist, so tantzen sie um einen Baum herum
und der Anführer hakt sein Beil in den Baum hinein, und
läßt es steken. Alle die nun Lust haben mitzugehen, hauen
ihre Beile hinein und laßen sie steken, dazu drängen sie
sich sehr, es steht aber in eines jeden Belieben, ob er
gehen will. Sie vertheidigen sich mit Flinten, die sie von
den Europäern erhalten haben und Pfeile, d. i. lange
Stöke, die vorne zugespitzt sind. Sie überfallen ihre
Feinde gerne zur NachtZeit in rangirter SchlachtOrdnung
Wenn der Indianer Meister über den Feind ist, so geht er
nach Hause und bringt die Gefangenen Indianer in
die Dörfer, da werden denn welche voran geschikt, die
da melden müßen, daß sie einen Sieg erlangt hätten.
Dann kommen ihnen die Weiber mit großem Frohloken
entgegen. Zuerst bedauren sie den Verlust der Ihrigen
die im Treffen geblieben sind, mit großem Geheule,
wenn sie aber die Gefangenen sehen, komt der Ausbruch
der Freude hinterher. Diese Gefangenen nun, werden
zuerst zur Ergäntzung der verlohrnen Indianer ge-
bracht. Der Anführer lößt einem solchen Indianer den
Gürtel ab und praesentirt ihn der Frau eines Indianers
die ihren Mann verlohren hat, nimt sie ihn an, so ist
dieser ihr Mann und zugleich in die Völkerschafft

/   einge-

|F_194'

/eingenommen, aber wirft sie ihn weg, so kan ihn nichts
das Leben retten. Nun begegnet man ihn gantz gelin-
de, bewahrt ihn auf und füttert ihn an 3 Wochen. Denn
kommen die Dorfschafften zusammen um die Gefan-
genen zu freßen. Wenn der Gefangene ausgeführt
wird, bietet er alle Kräffte auf, recht hertzhafft zu
erscheinen. Diese ersinnen alle Martern, ihn zu
qvälen, doch nicht die Krieges_Leute, diese sitzen da-
bey und rauchen Tobak, sondern die Weiber und Kinder.
Sie binden den Gefangenen zuerst an einen Pfahl,
denn singt der Gefangene seinen Todes_Gesang,
denn sie haben einen Todes_Gesang und einen
Krieges_Gesang, darauf qvälen und martern
sie ihn, würde er nun seufzen, so würde es den
andern nur zu lachen machen: Daher nimt er alle
seine Herzhaftigkeit zusammen. Sie reißen ihm
mit Zangen die Nägel von den Fingern ab, sie
käuen seine Finger kurz und klein und steken sie
in die Tobaks_Pfeiffe und rauchen, denn schneiden
sie ihm Nase und Ohren ab, schneiden ihm Stüke
heraus und verzehren sie in seiner Gegenwart,
bisweilen schläft er aus Ermattung bey der Marter
ein, denn laßen sie ihn zufrieden, wenn er sich denn
wieder ein bischen erhohlt hat, so binden sie ihn loß
und setzen ihn unter die Krieges_Leuthe, denn raucht
er seine Pfeiffe Tobak und redet von gleichgültigen
Dingen mit ihnen. Darauf binden sie ihn an und

/   martern

|F_195

/martern ihn von neuem. Denn sagt er wohl gar,
sie verstehen die Martern nicht recht und er würde
sie wohl anders martern. Wenn sie ihm nun die
Augen ausgegraben und ihn so zerstükt haben, daß
sein Cörper nur eine eintzige Wunde ist, so pakt er
wohl offt blindlings nach dem Feuerbrand und
wirft ihn unter die Leuthe, darnach zerhakt man ihr
Fleisch, kocht und ißt es. - Sie eßen also nur bloß
die Gefangenen und nicht die Gestorbenen; Diesen
dagegen erzeigen sie viele Ehrerbietigkeit, graben
sie jährlich aus und hängen sie in den Wind, daß sie
troknen «bl»und bekleiden sie mit einer neuen Bieber¥
Haut. - Die Freundschafften sind bei den Indianern
sehr groß, ein jeder Indianer hat seinen Freund,
aber den müßen sie auch haben, damit er jemand hat,
der ihn auf der Jagd den Rüken frey hält, weil sie
niemals einen rechten Frieden haben, sondern
sich hinterlistig überfallen und sich mit einem Scalp_Meßer
scalpiren. Tobak zu rauchen ist im gantzen America
Gebrauch. Ihre Begriffe vom Menschen sind besonders;
sie erziehen die Kinder gantz ohne Zwang, die Kinder
thun was sie wollen. Die Töchter thun den Müttern
blos aus Gefälligkeit, was sie verlangen, weil sie
durch die Thränen der Mutter gerührt werden.

/Im %.südlichen America ist das größte Land Guinea. Dieses
enthält Gallibis, die von Caraiben abstammen, die die
Antillischen Inseln bewohnt haben. Die Caraiben sind

/   ehedem

|F_195'

/ehedem eine berühmte Nation gewesen und hatten die
Gewohnheit ihre Gefangene zu freßen. Sie sind aber
von den Europaeer so ausgerottet, daß nur einige
wenige auf Dominique übrig sind. Einige dieser
Nationen haben ein gefährliches Gifft. Sie tauchen
einen Splitter hinein und Pusten ihn durch ein Pustrohr
auf ein Thier. je jünger das Thier ist, desto eher falt es,
Ein junger Hirsch fält in 2 ein alter in 5 Minuten.
Das gantze Brasilien ist mit Wäldern besetzt. Wenn
sie ihre Gefangene freßen, binden sie ihn mit einem
langen Strik an ein Pferd und legen Steine bey ihm hin.
Da hat er die Steine alle diese «Leuthe» <Steine> auf die Leute zu
werfen, darauf schlägt man ihn todt, und das Weib
daß ihm Gesellschafft geleistet, frißt das erste Stük
von ihm

/Die Tapugas sind sehr roh, haben aber doch mit den
Portugiesen ein Verkehr, wegen des Fernambuk¥
Holtzes. Der de_la_Plata_Strom macht die Grentzen
von Brasilien und Paraguay. in Paraguay ist die
Hauptstadt bones Ayres, diese Stadt hat den meisten
Handel mit Ochßen_Häuten, denn die Spanier brachten
im Anfang Rinder und Pferde hieher und ließen sie
laufen, die sich jetzt in der Patagonischen Wüste zu
vielen 1.000 vermehrt haben, wodurch diese Leuthe
gute Narung bekommen haben.

/   Die

|F_196

/Die Einwohner von Terra_del_Fuego geben das BeysPiel
von den erbärmlichsten Menschen, sie sind weit armsee-
liger als die Gronländer, ihr Land nährt sie bloß an
der See_Küste. Die Missionarien können nicht einmal
viel gutes stiften, denn ihre Lebens_Arth ist zu einge-
schränkt, als daß sie sich mit Religions_Sachen beschäftigen
könnten. Ihre Häuser stehen offen, wie die LustHäuser, und
doch ists in ihrem Sommer so kalt als bey uns im Winter.
Ihr Körper ist mit Seehunds_Fellen nicht einmal gantz
bedekt und sie zittern am gantzen Leibe. Sie sind so
hungrig, daß sie den Holländern für ein Stük Fleisch
ihre Kinder angebothen haben, daß ist gewiß ein
Zeichen der größten Dürftigkeit, wenn sogar der Trieb
der Natur verläugnet wird.

/Die Spanische Besitzungen, sind auf Chili, Peru, Terra
firma, Mexico. Die Spanier suchen aus diesen Pro-
vintzen hauptsächlich Gold und Silber. Das meiste Gold
aus Chili und das meiste Silber aus Mexico.

/Die Peruaner sind die einfältigsten Menschen in gantz
America, sie können nichts denken, sie sind weder
durch Geld noch durch Schläge zu etwas zu bewegen.
Das Geld können sie nirgends, als im Munde verwahren,
weil sie keine Taschen haben. Wenn der Herr seinen
Diener etwas zu thun giebt, so kan er sicher drauf rech-
nen, daß wenn er wieder komt, dieser nichts verrichtet

/   wird.

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/haben wird, dieser sitzt denn und raucht eine Pfeiffe
Tobak. Wenn er Schläge kriegt, so thut ers, hat er aber
die Schläge weg, so thut ers wieder nicht. Denn er denkt
nicht, daß die Schläge ihm zu so was anhalten. Alle
Americaner zeigen diese Unempfindlichkeit und die
Aertzte sagen, daß sie auch bey der schwersten Operation
weniger Gefühl, als alle andern Menschen zeigen.

/Einige von ihnen verstehen noch das mauren, doch haben
ihre Häuser kein Dach. - Im Spanischen America stekt
noch ein Volk, diese sind eine Gattung von Patagonen
und heißen Araukas, an den Grentzen von Chili, diese
drohen den Spaniern große Gefahr, weil ihre Caziken
sehr mächtig sind. Schon Anson sagt: Die Araukas
sind eine tapfere Nation, von denen die Spanier
immer besorgen müßen, daß wenn noch eine
Europäische Nation mit ihnen sich vereinigen möchte,
sie die Spanier herausjagen dürften.

/≥ Ende der Physischen Geographie.

/δ_Schnörkel ≤


Datum: 29.05.2009 / 06.03.2012