Salon Sophie Charlotte

Einstein-Saal

... die Dialektik der Aufklärung nicht übersehen

 

5. OG

„Habe Mut, Dich Deines eigenen Verstandes zu bedienen“ – dieses zentrale Postulat der Aufklärung kann sehr unterschiedlich verwendet werden. Wir erleben derzeit, dass unter Verweis auf den „gesunden Menschenverstand“ jede wissenschaftliche Evidenz geleugnet und Verschwörungsangst verbreitet wird. Doch schon die Aufklärungsbewegung des 18. Jahrhunderts war in ihren Erscheinungsformen und Wirkungen durchaus ambivalent; was „wahre Aufklärung“ ausmacht, war schon damals umstritten. Umso wichtiger erscheint es heute, die Begriffe zu schärfen und zu fragen, wer sich in welcher Absicht und mit welchem Recht auf die Aufklärung beruft.

Gastgeberin: Barbara Stollberg-Rilinger (Historikerin und Rektorin des Wissenschaftskollegs zu Berlin, Akademiemitglied)

19:00

„Die Dialektik der Aufklärung“ neu gelesen

Wie kam es trotz der aufklärerischen Hinwendung zu Vernunft und Toleranz zum Faschismus des 20. Jahrhunderts? Diese Frage stellten sich die Philosophen und Sozialforscher Theodor W. Adorno und Max Horkheimer 1944 in ihrer „Dialektik der Aufklärung“. Sie kamen zu dem immer noch überraschenden Ergebnis: Nicht trotz, sondern wegen ihrer Betonung der Vernunft hatte die Aufklärung Entwicklungen begünstigt, die ihren eigentlichen Zielen entgegen­standen. Was Adornos und Horkheimers Überlegungen für die Gegenwart bedeuten, darüber sprechen die Philosoph:innen Rainer Forst (Goethe-Universität Frankfurt a. M., Akademiemitglied), Rahel Jaeggi (HU zu Berlin) und Historiker Jörg Später (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg) mit der Journalistin Hannah Bethke (WELT).

20:00

Querdenker oder Selbstdenker: Demagogie und Populismus

Eigenständiges Denken gehört zu den grundlegenden Forderungen der Aufklärung. Aktuell rufen selbsternannte Querdenker dazu auf, unabhängig von etablierten Autoritäten über „alternative“ Erklärungen und Fakten nachzu­denken. Wie lassen sich diese Positionen klar voneinander unterscheiden? Wo liegt die Grenze zwischen einer produktiven Selbständigkeit im Denken und einem generellen Skeptizismus mit Verweis auf den „gesunden Menschen­verstand“? Und welche medialen Rahmungen erweisen sich jeweils als wirkungsvolle Echoräume? In ihrem Gespräch untersuchen die Historiker:inen Birgit Emich (Goethe-Universität Frankfurt a.M.), Christian Mann (Universität Mannheim),  Magdalena Waligórska (HU zu Berlin) und der Soziologe Steffen Mau (HU zu Berlin, Akademiemitglied) aus historischer Perspektive, wie die Querdenker und ähnliche Gruppierungen entstehen und wie sie über populistische und demagogische Strategien versuchen, politischen Einfluss zu gewinnen.

21:00

Gekränkte Freiheit

Ein neuer Typus von Akteuren hat den öffentlichen Diskurs betreten: Menschen, die sich selbst als aufgeklärt beschreiben, stellen autoritäre Forderungen, die sie mit dem Verlangen nach individueller Freiheit begründen. Dieser Wunsch nach einer Unabhängigkeit von gesellschaftlichen Zwängen und Solidarität ist einerseits die Reaktion auf ein oftmals nicht eingelöstes Versprechen der Moderne auf Selbstverwirklichung. Andererseits haben diese Forderungen in ihrer Kompromisslosigkeit einen autoritären Kern, der nicht auf Dialog oder Kompromisse, sondern auf eine individuelle Selbstermächtigung ausgerichtet ist. Die Entstehung dieses libertären Autoritarismus und seine Beziehung zu den Medien zeichnet der Soziologe Oliver Nachtwey (Universität Basel) im Gespräch mit der Journalistin Stephanie Rohde nach.

22:00

Bilder der Aufklärung

Die Aufklärung gilt auch als Epoche einer Medienrevolution: Zeitschriften, Veröffentlichungen in den Volkssprachen und vor allem Bilder spielten eine zunehmend wichtige Rolle. Auch heute sind die Medien noch eng mit dem Gedanken der Aufklärung assoziiert und verlassen sich mehr denn je auf das Visuelle. Wie sehr sie unser Verständnis von Wirklichkeit prägen, wird deutlich, wenn sie uns Unvorstellbares zeigen: Der Angriffskrieg auf die Ukraine markiert nicht nur einen politischen Bruch, sondern wirft auch Fragen hinsichtlich der Art und Weise der Berichterstattung auf. Über diese Problematik spricht der Kunsthistoriker Peter Geimer (Deutsches Forum für Kunstgeschichte Paris) mit dem Schriftsteller Marcel Beyer.