Wilhelm von Humboldt an Friedrich August Rosen, 01.12.1830
Ich kann Ew: Wohlgeboren nicht genug ausdrücken, welche große Freude Sie mir durch die Uebersendung Ihres Veda-Stückes gemacht haben. Es war mein sehnlichster Wunsch, die Vedas zugänglicher gemacht zu sehen, und es ist mir daneben eine besondere Freude, daß dies gerade durch Sie geschieht. Ihre Ausgabe trifft auch so schön mit Lassens Abhandlung zusammen. Die meisten der Dinge, welche diese berührt, kommen in Ihrem Stück vor, und würden also durch Sie bekannt geworden sein, wenn auch Lassen geschwiegen hätte. Das ist Bopps bestimmte Meinung, und auch Lassen gesteht es mir in einem Briefe zu. Fahren Sie so auf diesem Wege fort, liebster Freund. Sie können Ihren Londoner Aufenthalt durch nichts auf eine gleich rühmliche Weise bezeichnen, und ich würde Ihnen besonders rathen, mit dem Studio der Vedas selbst |Humboldt| auch |Schreiber| das der vorhandenen Grammatik über die Veda-Sprache zu verbinden. Daß eine solche in London unter den Indischen Handschriften vorhanden ist, glaube ich gewiß von Colebrooke gehört zu haben. Daß bey diesen Arbeiten über die Vedas Dinge vorkommen müssen, welche man in einer zweiten Auflage verbeßert, lassen Sie sich nicht irren. Bey Ihrer so ungemeinen Anspruchlosigkeit kann Ihnen das noch weniger als andern schaden. Man sieht beim ersten Anblick, daß es Ihnen bloß um die Sache zu thun ist, und es macht Ihnen daher Ehre, daß Sie eine nützliche Mittheilung an das Publikum nicht aus kleinlichen Rücksichten auf sich selbst aufschieben und zurückhalten.
Jetzt bin ich so frey Sie um ein paar, meine Arbeiten betreffende Besorgungen zu bitten
Ich habe endlich nun genaue Auskunft über die Handschriften der Wittwe des ehemaligen Missionars in Madagascar und es ist möglich daß, wenn die Wittwe die handschriftliche Grammatik, welche ich wünsche, mir nicht im Original schicken wollte, Herr Alexander Johnston Ihnen dieselbe übergiebt.[a] In diesem Fall haben Sie wohl die Güte, mir eine Abschrift davon auf meine Kosten anfertigen zu lassen, nur bitte ich, ja eine recht deutliche Handschrift zu wählen und recht groß und weitläuftig schreiben zu lassen. Um alles aber ersuche ich, Sie nicht darauf zu denken, Ihre kostbare Zeit dazu herzugeben, selbst die Abschrift zu machen. Dagegen werden Sie mich außerordentlich verbinden, wenn Sie die angefertigte Abschrift selbst collationiren wollen, da ich nur unter dieser Voraussetzung dieselbe mit Vertrauen brauchen würde. Wenn die Abschrift fertig ist, schicken Sie mir dieselbe wohl durch meinen Schwiegersohn und geben das Original Herrn Johnston zurück.
Ich glaube mich nicht zu irren, wenn ich annehme, daß alle Sammlungen Handschriften und Papiere des verstorbenen Raffles in den Besitz der Londoner Asiatischen Gesellschaft gekommen sind. Wenn ein Katalog davon vorhanden ist, so hätte ich sehr gerne einen Auszug aus demselben, welcher das Verzeichniß der Handschriften in Javanischer, Kavi und andern Malayischen Sprachen und eine Anzeige der Papiere, welche diese Sprachen betreffen, alles dies nur insofern als man es aus dem Catalog sehen kann, enthielte. Am meisten intereßirt mich jetzt dasjenige Kavi Gedicht, aus welchem große Stücke in Raffles history of Java th: 1. S. 415–468 abgedruckt sind. Ich wünschete zuvörderst zu wissen, ob dies Gedicht sich unter den Handschriften in Kavi Schrift befindet? In diesem Falle hätte ich gerne ein sauber gemachtes facsimile der drey ersten Stanzen, also nur von 12 Versen. Zugleich erführe ich gern, ob unter Raffles Papieren sich bloß über dieses Gedicht das befindet, was in seinem Werke abgedruckt ist, oder auch Text und Uebersetzung oder doch die Letztere von denjenigen Stellen, welche er im Werke nur mit zwey Worten anzeigt? Er hat nemlich alle obscuren Stellen unterdrückt. Fordern indessen die Antworten auf diese Fragen große Nachsuchungen, so unterlassen Sie dieselben ja. Die Sache intereßirt mich sonst, weil ich in kurzem in der Akademie lesen will, wo gerade jenes Gedicht fast die einzige Quelle ist.[b] Ich werde bey dieser Gelegenheit zugleich einige meiner Entdeckungen über den Malayischen Sprachstamm mittheilen und ich glaube, die Engländer werden sich wundern, daß Sie |sic|, trotz aller ihrer schätzenswürdigen Arbeiten, dennoch eine mangelhafte Ansicht des Ganzen erhielten, eben weil sie diesen Arbeiten willkürliche Grenzen setzten
Für die mir überschickten Bücher sage ich Ihnen meinen herzlichen Danck. Sie sind mir sehr erwünscht gewesen, und ich bitte Sie fortzufahren, mir alles zuzuschicken was in dieser Art in London erscheint. Das Bengalische Lexicon habe ich Herrn von Bohlen geschickt.
Ich bitte Sie, theuerster Freund die Versicherung meiner unveränderlichen und hochachtungsvollsten Anhänglichkeit anzunehmen.|Humboldt|Humboldt
|Schreiber| Tegel den 1.t December 1830.
An Herrn Dr. Rosen Wohlgeboren
in London.
|Rosen| 2. März. 1831.
Fußnoten
- a |Editor| Vergleiche den wohl vom selben Tag stammenden Brief an Sir Alexander Johnston. [FZ]
- b |Editor| Am 20. und 27. Januar 1831 las Humboldt an der Akademie "Über die Kavi-Sprache auf der Insel Java" (siehe die Sitzungsprotokolle, BBAW, Archiv, II-V, 12, 12; II-V, 182, 61r). [FZ]