Wilhelm von Humboldt an Christian Karl Josias Bunsen, 31.03.1827

Die Güte, die Ew. Hochwohlgebornen für kleine Abschriften haben, verpflichtet mich zu der lebhaftesten Dankbarkeit. Ich habe neuerlich aus Madrid und München vier wichtige Bücher über die Amerikanische Sprachkunde erhalten, von denen zwei bisher auch nicht einmal dem Namen nach bekannt waren.[a] Man hat sie mir zwar nur geliehen, ich lasse sie aber abschreiben, und mache sie mir so zu eigen. Ich glaube nicht, daß sich jetzt an Einem Ort über Amerikanische Sprachen soviel gedruckte und handschriftliche Hülfsmittel befinden, als ich durch nunmehr 25 jähriges Sammeln zusammengebracht habe, indeß fehlt mir noch viel, und am meisten von den NordAmerikanischen Sprachen. Mit desto größerem Verlangen hat mich das erfüllt, was mir Ew. Hochwohlgebornen von dem P. Roux sagen. Ich bitte Sie sehr den Mann ja nicht aus den Augen zu verlieren. In den Vereinigten NordAmerikanischen Staaten ist zwar unläugbar Mehreres für diese Sprachen geschehen, man hat ältere Werke von Eliot[b], Edwards[c] u. a. m. neu herausgegeben. Allein große Handschriften, besonders Wörterbücher, die man dort besitzt, sind noch gar nicht weder benutzt, noch öffentlich bekannt gemacht. Das Wichtigste wäre eine Grammatik der Lenni Lenape (oder Delaware) Sprache, die ein Deutscher Missionar Zeisberger verfaßt hat, herauszugeben. Man verspricht es seit langer Zeit, allein bis jetzt ist sie nicht erschienen. Die Algonkins gehören zu demselben Stamm, und machte man nun eine Grammatik ihrer Sprachen bekannt, so ließe sich über diesen über ungeheure Landstriche ausgedehnten Sprachstamm nach den ausführlichen Beschreibungen zweier Hauptmundarten urtheilen. Diese Sprachen haben auch eine innere Merkwürdigkeit und Wichtigkeit. In keiner andren ist das Verbum so mannigfach und künstlich zusammengesetzt. Wenn Ew. Hochwohlgebornen Gelegenheit finden, mir die Abschriften zu überschicken, so bitte ich Sie, Vassalli’s Maltesische Grammatik beizulegen. Sein Wörterbuch besitze ich. Es scheint mir kaum zweifelhaft, daß die Grammatik nicht sollte leicht zu finden seyn. Die Auslagen werde ich mit der für die Abschriften erstatten. […] Die Schrift, die Herr Seyffarth herausgegeben haben soll, ist noch nicht bis hierher gedrungen. Nur einige vielversprechende Notizen in Zeitungen haben wir hier gelesen, so wie die große angebliche Entdeckung, daß das ganze Aegyptische Alterthum im Mexikanischen steckt. Er scheint vor seiner Reise nach Italien von Mexikanischen Hieroglyphen nichts gekannt zu haben. Ich habe eine kleine Abhandlung über einige löwenköpfige Statuen, die wir hier besitzen, drucken lassen. Ich habe dazu vorzüglich Champollions Brief, den ich durch Ihre gütige Vermittlung erhielt, benutzt.[d] […]

Fußnoten

    1. a |Editor| Vgl. den Brief von Liebermann an Wilhelm von Humboldt vom 23. November 1826 sowie den Brief von Knobelsdorff an Humboldt vom 23. März 1827. [FZ]
    2. b |Editor| Siehe John Eliots The Indian Grammar begun: or, An essay to bring the Indian language into rules, for the help of such as desire to learn the same, for the furtherance of the Gospel among them (1666), die 1822 von John Pickering, Peter Stephen Du Ponceau u.a. neu herausgegeben wurde: John Eliot / John Pickering / Peter Stephen Du Ponceau / John Davis: A Grammar of the Massachusetts Indian Language (Boston: Phelps and Farnham 1822).
    3. c |Editor| Siehe Jonathan Edwards Observations on the language of the Muhhekaneew Indians (1789), die 1823 erneut von John Pickering publiziert wurde: Jonathan Edwards / John Pickering: Observations on the Language of the Muhhekaneew Indians (Boston: Phelps and Farnham 1823).
    4. d |Editor| Siehe dazu den Brief Humboldts an Bunsen vom 2. Juli 1826.