Wilhelm von Humboldt an August Wilhelm von Schlegel, 04.09.1826
[a] Ich sage Ew. Hochwohlgebornen meinen lebhaftesten Dank für Ihren gütigen Brief vom 30. v. M. und für die Sorgfalt, die Sie meinem Aufsatz geschenkt haben. Ich werde mich sehr freuen, ihn in Ihrer Bibliothek abgedruckt zu wissen, und |?| fiebre den Heften mit wahrer Ungeduld entgegen, da zwei neue ja sehr Vieles von Ihnen enthalten müssen. Die Verzögerung des Abdrucks meiner Bemerkungen schadet durchaus nicht. Es konnte nie meine Absicht seyn, mit diesem Deutschen Machwerk in Paris zu wirken, und man mag es dort immerhin ignoriren. Mir war mehr um diejenigen zu thun, die in Deutschland sich mit Sanskrit beschäftigen, und um Entwicklung einiger Ideen, die mich damals gerade, wo ich ein sehr genaues Studium der Bhag. G. vorgenommen hatte, erfüllten. Vorzüglich angenehm ist es mir, daß Sie meinen Aufsatz mit Anmerkungen begleitet haben. Meine Abhandlung über die Gita wird jetzt gedruckt, vier Bogen, etwa die Hälfte, sind fertig und ich freue mich, sie Ihnen nun bald schicken zu können. Sie ist aus reiner Liebe zu dem Gedicht entstanden, und mir daher wirklich werth. Auch macht sie auf kein andres Verdienst Anspruch, als den Inhalt vollständig und treu darzustellen. Ich habe bei dieser Gelegenheit Guigniaut’s réligions nachgelesen. Der Artikel über Indien, der im Creuzer sehr mangelhaft war, hat aller-dings an Stoff und Umfang gewonnen, ich möchte aber sagen, auch nur daran. Denn sonst kann man keine buntere Zusammenstellung ganz verschiedenartiger Ansichten Deutscher Schriftsteller über Indische Religion und Mythe sehen. Was aber das Schlimmste ist, so gehören diese Ansichten lauter Leuten an, die selbst kein Sanskrit wissen, sondern nur aus Uebersetzungen geschöpft haben. Allein brauchbar bleibt diese Zusammentragung doch, u. dem Creuzerschen Werke scheint mir diese Uebersetzung doch zu schaden. Man wird sehr leicht künftig mehr sie, als das Original citiren.
Was Ew. Hochwohlgebornen mir von dem Schicksal Ihres Aufsatzes in Paris schreiben, hat mich sehr erlustigt. Chezy’s Benehmen ist aber wirklich unbegreiflich. Die Hofnung, die erste Lieferung des Ramayana schon zu Ostern zu erhalten, belebt mich ordentlich im Studium des Sanskrits. Ich kann mir die Schwierigkeiten der Arbeit sehr gut denken, allein soviel sie zu lösen sind, wird es Ihnen sicherlich gelungen seyn, und Sie werden Sich dadurch aufs neue ein dauerndes Denkmal des Ruhmes stiften. Von dem Haughtonschen Manus habe ich mehr erwartet. Auf der Stufe, auf der jetzt das Studium des Sanskrits steht, hätte sich doch viel mehr thun lassen. Und warum nicht gleich den Scholiasten mit abdrucken? Ob ich gleich nicht in die Lobsprüche der Engländer über diesen Commentar einstimmen kann, u. es noch mehr misbillige, daß Jones eigentlich mehr ihn, als den Dichter übersetzt hat, so gewährt es doch großen Nutzen, ihn nachzulesen.
Zu Ihrem Bau wünsche ich Ihnen von Herzen Glück. Es ist auch meine Liebhaberei, angenehm zu wohnen, und ich hätte sehr gewünscht, Ihnen mein hiesiges Haus zeigen zu können. Man hatte uns Hofnung gemacht, Sie diesen Herbst hier zu besitzen, es thut mir aber sehr leid zu sehen, daß eine Reise nach Berlin noch zu Ihren ganz unbestimmten Planen gehört. Die Familienverluste, von denen Sie mir schreiben, erwecken meine lebhafte Theilnahme. Auch ich bin in diesem Sommer zwar nicht durch so traurige Ereignisse, aber durch sehr bange Besorgnisse gestört gewesen. Meine Frau war außerordentlich leidend. Sie hat das Bad in Gastein besuchen müssen, und die Kur scheint, nach Ihren |sic| Briefen, doch Erfolg zu haben. Meinen Bruder erwarte ich am Ende des Monats, und wenn er Bonn berühren kann, versäumt er gewiß nicht, Sie dort aufzusuchen.
Ich empfehle mich Ew. Hochwohlgebohrnen gütigem Andenken u. verbleibe mit der ausgezeichnetesten Hochachtung[b]