Wilhelm von Humboldt an Georg Heinrich August Ewald, 18.01.1828
|2r||Schreiber| An Herrn Professor G. H. A. Ewald
Wohlgeboren in Göttingen
Berlin, den 18ten Januar 1828.
|WvH| Was müssen Ew, denken, daß ich Ihren gütigen, von so interessanten Geschenken begleiteten Brief vom 28. Oct. v. J. erst heute beantworte, und Ihnen erst heute meinen lebhaftesten Dank dafür abstatte? Ich würde mich gewiß dieser Versäumniß nicht schuldig gemacht haben, wenn ich nicht beim ersten Durchblättern Ihrer Grammatik einen zu großen Reiz in mir gefühlt hätte, ehe ich Ihnen schreibe, wenigstens in einige Abschnitte tiefer einzudringen.
Dies habe ich nun gethan, und ich kann Ihnen nicht genug sagen, wieviel Freude und Belehrung ich aus dieser Beschäftigung geschöpft habe. Ich habe zugleich Gesenius Lehrgebäude verglichen, und habe das Arabische über dieselben Abschnitte hinzugenommen.[a]
Ew, haben die Sprache, wie es mir scheint, ganz in ihrer wahren Eigenthümlichkeit aufgefaßt, und sie in dem Geiste der neueren Sprachforschung, welche der Sprachbildung in ihrem wah lebendigen Fortschreiten nachzugehen strebt, bearbeitet. Sie haben das hohe Alter des Hebräischen berücksichtigt, das, was neuerer Bildung ist, davon geschieden, und überall den wichtigen Einfluß verfolgt, den das eigenthümliche Lautsystem auf die Formen ausübt.
Ganz diesem philosophischen Geiste entsprechend habe ich es gefunden, daß Sie in dem etymologischen Theil nur die Bildung der beiden angeblichen Tempora des Verbum ausführen, und erst im Syn in der Syntax sich über Gebrauch und Bedeutung auslassen. Anfangs erreg blieb mir diese Behandlung zweier bloß mit Zahlen unterschiedener Modi etwas dunkel, nachher aber habe ich gesehen, wie richtig und aus dem Innersten der Sprache geschöpft sie ist.
Ebensosehr hat mich die Bearbei-|2v|tung des Pronomen befriedigt. Ich gestehe freimüthig, daß ich in allen Punkten, in welchen Sie darin von Gesenius abweichen, ganz Ihrer Meinung beitrete.
Indeß hätte ich gewünscht, daß Ew, Sich bestimmter über das erklärt hätten, was sie |sic| nun in den verschiednen Personen des Pronomen für denselben charakteristisch halten. Bei der zweiten Person kann man nicht fehlgreifen. Aber die erste läßt mich ganz ungewiß.
Der charakteristische Laut der Pronomina scheint mir in allen Sprachen, welche diese Einrichtung haben, leichter aus den Affixen herausgefunden werden zu können, als aus den selbständigen Wörtern. Daß die Affixa sich bis zu ihrer geringen Tonlosigkeit abgeschliffen hät haben, ist zwar wahr, aber doch mit Unterschied zu verstehen, und dagegen nicht zu vergessen, daß die selbständigen Pronomina Vorschläge und Endungen bekommen haben. <Das Sanskrit. ahan beweist dies offenbar. Ew,> Wer könnte anochi für [<vom>] das Hebräische [Urich] Ur-Ich halten? <haben, wie das Sanskritische ahan beweist. <Das hindert nicht, daß die längeren Formen doch die älteren seyn können, wie Ew, von anoki beweisen. Aber die Abkürzung erhält doch in der Regel wohl den wesentlichen Laut, wenigstens solange er erkannt wird. In anoki deutet doch wohl nicht Alles das Pronomen an.>>
Mir kommt doch immer vor, als sey im Hebraeischen n der cha charakteristische Laut der 1. Person, nur freilich mit i verbunden. Denn der Vocal scheint gleich wesentlich.
Es läßt sich zwar sehr viel dagegen sagen:
das bloße i als Suffix der Nomina,
das a als Praefix des modus 2.
das n in dem Pronomen der 2. Person im Arabischen, das, nach Gesenius, noch im Dagesch forte sichtbar ist.
Diesen letzten Grund halte ich für den wichtigsten <Diese letzte Einwendung halte ich für die wichtigste.> Denn im Prae- u. Suffix konnte die Eil über das n hinweggehen. Und daß die Auslassung |3r| im Suffix nicht absichtlich war, beweist das Verbalsuffix ni. <Hier h leiten Ew. das n sehr richtig aus dem Pronomen ab. Die Lehre der Arabischen Grammatiker vom non cavendi ist so sonderbar, daß man sich nicht genug wundern kann, daß auch ein Mann, wie Sacy, sie noch beibehält.>
Dieses und der Plural scheinen mir ganz entscheidend. Daß Sie diesen als eine Verdoppelung ansehen, scheint mir <ist> sehr scharfsinnig.
Möchte nicht im ki von anoki wieder eine Verwechslung des כ k weichen k mit t seyn, so daß dies ki eins wäre mit der Verbalendung ti? so wie die Verbalendung ta dieselbe ist mit ka.
Man könnte wohl auch das n als dem Plural wesentlich ansehen, wie es ihn im 2. mod. wirklich charakteristisch bezeichnet, und wie im Sanskrit und mehreren Sprachen die 1. Pers. nur im Plural n hat. Allein Im Singular wäre dann an bloßer Vorschlag. Aber wenn der Plur. verdoppelter Singular ist, so fällt das hinweg.
Das einzige Praefixum des 2. modus ausgenommen, ist i immer da, wo die 1. Pers. bezeichnet wird. Es scheint also dieser Laut das Wesentlichste derselben. Es scheint mir jedoch nicht, daß das jod, was hier immer concurrirt, im geringsten hier mit seiner Consonantennatur einwirke, und ein bloßer Vocal ist doch wohl nicht der wesentliche Laut eines Pronomen?
Im Sanskrit. ah-an liegt das Charakteristische, wie es mir vorkommt, in dem Hauch, das Wort ist gleichsam die Andeutung des Athmens. So unser ich u. ego. Sollte davon doch auch das -oki herkommen, und doch eine alte eigne Pronominalform mit bloßem Vorschlag von an seyn?
Wüßten Ew. mir diese Zweifel zu lösen, so würde ich Ihnen ausnehmend dafür verbunden seyn. <verpflichtet seyn.>
Daß die Verbindung der Semitischen Studien mit den Sanskritischen <in Ew,> von den ersteren ausgeht, ist, da es bei |3v| Bopp und andren gewissermaßen umgekehrt ist, ein günstiger Fall, der zu neuen Aufklärungen führen w wird. Auch in dieser Beziehung wünsche ich Ihrer Universität Glück, Sie nunmehr durch eine feste Anstellung zu besitzen.
Ich bitte Ew. die Ausführlichkeit dieses Briefs und die fremde Hand, die ich brauche, weil sie leserlicher, als die meinige ist, gütigst zu entschuldigen. Erhalten Sie mir Ihr gütiges Wohlwollen und genehmigen Sie die Versicherung meiner ausgezeichneten Hochachtung und aufrichtigen Ergebenheit.