Franz Bopp an Wilhelm von Humboldt, 05.05.1823 (?)
Ew. Excellenzhabe ich die Ehre hierbey das Heft der I. Bibl., welches durch Ihre verdienstvolle Abhandlung[1] so herrlich ausgestattet ist, mit vielem Danke zurückzuschicken. Ich habe den abgedruckten Theil der Abhandlung nochmals mit dem größten Interessen gelesen und nehme mir die Freiheit, mit Ew. Excellenz gnädiger Erlaubniß über Schlegels Anmerkungen, wie überhaupt über die Auslegung einiger Stellen meine Ansicht auszusprechen. – Ich bin noch immer der Meinung, wie ich früher Ew. Excellenz zu schreiben die Ehre hatte, daß in dem Beispiel 8 der Instrum. têna zu bhavitavyam͂ gezogen werden müsse, denn ich finde gewöhnlich bey ähnlichen Construktionen einen Instrum. bey den unpersönlich gebrauchten Partic. pass., und jedes verbum neutr. kann auf diese Weise passivisch gebraucht werden, wie gam͂tavyam͂ têna, es ist zu gehen durch ihn.
Ich würde den Satz aktivisch so übertragen: „Und morgen wird dieser, nach Gehung, in des K. Teiches Nähe seyn“, und passivisch: „Morgen ist durch diesen, nach Gehung, in des K-T. Nähe zu seyn.“ – Ew. Excellenz geben auch selbst die Möglichkeit dieser Construction zu.
Zu Beispiel 17: – Ich sehe nicht ein warum, nach Schlegel, die Serampurer Leseart nicht zu rechtfertigen seyn soll, ich finde im Gegentheil diese Lesart ganz befriedigend, da sie vollkommen die Construktion des vorhergehenden Beispiels darbietet. Nach dieser Lesart muß aber das Sehen, wie auch Ew. Excellenz ganz richtig gethan haben, auf den Ochsen bezogen werden. Und warum sollte es nicht? Sagt doch, einige Zeilen vorher, Damanaka zum Löwen, daß der Ochse ihn zu sehen wünsche: mahân êvâsâu dêvam͂ drashṭumicchati. Das Gewünschte wird ihm nun zu Theil. – Die Pariser Lesart[a] gefällt mir weniger, die Causal-Form erscheint hier nicht so gut an ihrer Stelle; ich würde wörtlich so übersetzen: „Hierauf wurde durch beide, nach Herbeyführung Sanjivaka’s, des König Ansehen veranstaltet (zu machen veranstaltet)“, man könnte im Englischen sagen: the sight of the king was procured (to the bull); der Genitiv râjńô scheint mir hier erklärend für den Gegenstand der gesehen werden soll, doch bleibt in der London. und Pariser Lesart die Auslegung zweideutig, und ich läugne keineswegs die Möglichkeit der Schlegel. Auslegung. Doch würde ich auch in diesem Falle râjńô für einen ganz gewöhnlichen Genitiv nehmen – das Sehen des König wurde veranlaßt (in Ausübung gesetzt). Die Serampurer Lesart scheint mir darum die vorzüglichere, weil sie die einzige ist, welche keinen Doppelsinn zuläßt.
Beisp. 18 – Ich halte mich gern an dem, was Ew. Excellenz in der letzten Hälfte von S. 448 gesagt haben, mit Schlegel würde ich indessen gern vimukta: lesen, wenn eine Handschrift dazu berechtigte, denn âkâçadêçam͂ und vimuktam͂ etc. ist eine Art von Tautologie, da das erste schon die vom Feuer freye Gegend ausdrückt.
Beisp. 20 – Die Uebersetzung Schlegels scheint mir nicht zu verwerfen, doch sehe ich auch gerade keine Nothwendigkeit, sie anzunehmen, ein. Ich erinnere mich schwach auch ohne iti Gedanken oder Reden eingeflochten gefunden zu haben.
Beisp. 21. Die Schlegelische Uebersetzung finde ich von der Ew. Excellenz weniger in der That abweichend als sie mir anfänglich schien. Denn mit Gerundial-Construktion würden Ew. Excellenz die Stelle ungefähr so gegeben haben. „Nach (oder durch) Erkennung des die Schuld tragenden Buhlen wurde“ etc., und Schlegels Uebersetzung ließe sich gerundialisch geben durch: Nach Bemerkung durch die Kupplerin, daß der Liebhaber die Ursache der Umarmung (des Gatten) sey.
22. Ich halte mit Schlegel mê für den Genitiv, wie Nal. 9, sl. 8.
In 23 und 25 theile ich Schlegels Zweifel gegen die Richtigkeit der Londoner Lesarten. – Beisp. 31 „Die von Schlegel vorgeschlagene Versetzung ist allerdings sinnreich und macht die Construction leicht und fließend; so lange sie nicht durch eine Handschr. bestättigt |sic| wird, muß man sich aber mit der Serampurer Lesart behelfen, die sich übrigens sehr gut vertheidigen läßt. Die Stelle hat Aehnlichkeit mit Beisp. 16, vijńâya steht, wie âhûya ohne Subjekt, man kann sich râmêna hinzudenken, wie bei âhûya pushharêṇa. – Ueber den absoluten Nomin. bin ich noch nicht mit mir einig, ich habe bis jetzt die von Ew. Excellenz bezeichneten Stellen des Ramay. noch nicht betrachten können, weil es mir an einem Exempl. fehlt.
In tiefster EhrerbietungEw. Excellenz
Unterthänigster
Bopp.
Den 5. Mai[2].
Fußnoten
- 1 |Lef| Schlegel, Ind. Bibl. I. 433 ff.
- 2 |Lef| 1823
- a |Editor| Hiermit könnte eventuell die Ausgabe von Louis Langlès (1790): Fables et Contes Indiens nouvellement traduits avec un discours préliminaire et des notes sur la religion, la litterature, les mœurs & des Hindoux, Paris: Royez, gemeint sein.