Wilhelm von Humboldt an Franz Bopp, 20.03.1824 (Mattson)
|1*| Ich sage Ew. Wohlgeboren meinen wärmsten Dank für die mir gütigst mitgetheilte, anliegend zurückerfolgende Abhandlung. Ich habe sie mit dem größesten Vergnügen gelesen, u. mich eben so sehr des Scharfsinns der Herleitungen, als der darin sich beweisenden ausgedehnten Sprachkunde gefreut. Ihre Untersuchungen führen also im Griechischen auf einen Stamm ὑ zurück, u. ich läugne nicht, daß Ihre Gründe sehr viel Ueberzeugendes für mich gehabt haben. Dagegen zeugen einige Griechische Grammatiker (Dion u. Apollonius) nicht bloß hypothetisch, sondern geschichtlich, auf ἵ als Nom. von ἔ ἕ. Wie ist nun dies zu vereinigen? Ich wünschte, Ew. Wohlgeboren hätten diesen Widerspruch mit aufgeführt. Es ist das Einzige, was ich, wenn es mir erlaubt ist, zu sagen, in Ihrer sonst so vollständigen Abhandlung vermißt habe.
Die Bogen der Grammatik[a] habe ich mit fortgesetztem Vergnügen gelesen u. bin jetzt auf die Fortsetzung der S. 24 nicht beendigten Anmerkung vorzüglich begierig.
Mit der freundschaftlichsten Hochachtungder Ihrige,
Humboldt
20.[b]
|2*–4* vacat|
Fußnoten
- a |Editor| Bopp arbeitete seit Juli 1823 an seiner deutschen Sanskritgrammatik, die 1827 unter dem Titel Ausführliches Lehrgebäude der Sanskrita-Sprache in Berlin erschien. Vgl. Salomon Lefmann (1891): Franz Bopp, sein Leben und seine Wissenschaft, 1. Hälfte, Berlin: Reimer, S. 102 mit Anm. 10.
- b |Editor| Lefmann 1897: Juli 1824; Mattson datiert den Brief auf den 20. März 1824, da er sich auf Bopps am 18. März gehaltene Abhandlung über das Reflexiv bezieht.