Wilhelm von Humboldt an Franz Bopp, 16.11.1825
Berlin, den 16. November, 1825.Ich antworte Ihnen, liebster Freund, so schnell, als es die Schritte erlaubten,
                    die ich in Folge Ihres Briefes zu thun hatte, und befördere den Brief durch die
                    Post, damit er Ihnen auch schneller zukomme. Ich freue mich sehr, daß Sie eine
                    so wichtige Handschrift des 
                        Maha Bharata gefunden haben, u. so ungern
                    ich Sie hier entbehre, was mir wirklich recht schmerzlich ist, so halte ich es
                    doch für sehr wichtig, daß Sie dieselbe nicht allzu kurz benutzen. Ich habe mit
                    dem Minister Altenstein gesprochen, u. auch sonst die geeigneten
                    Schritte gethan. Der Minister ist der
                    Sache u. Ihrer Person so günstig, als wir es nur immer wünschen können, er
                    befindet sich aber wegen Geldverleihungen allerdings in Verlegenheit. Das
                    Resultat meiner Besprechung mit ihm ist, daß er Ihnen, wie ich glaube versichern
                    zu können, 300 Th., wenn Sie ihm schreiben, wird auszahlen lassen können. Diese
                    Summe ist sehr klein, da Sie, mein bester Freund, doch aber Ihren Aufenthalt auf
                    keine Weise scheinen über den April hin ausdehnen zu wollen, u. ohne Zuschuß bis
                    Februar auskommen, so ist doch im Grunde für kaum 3 Monate zu sorgen, u. dazu
                    sind 45 Pfund (die sogar zu 7 Th. jene Summe macht) doch vielleicht ausreichend.
                    Haben Sie nur die Güte ohne allen Verzug dem Minister zu schreiben u. ihn um einen Zuschuß
                    aus königlicher Casse zu bitten. Sagen Sie, wieviel Monate Sie wohl über den
                    Februar hinaus bleiben möchten, u. bestimmen Sie entweder die Summe gar nicht,
                    oder schreiben Sie, daß Ihre Zwecke mit 500 Th. erfüllt werden könnten. Meiner
                    bitte ich Sie nicht zu erwähnen. Sagen Sie in dem Schreiben ausdrücklich, daß
                    Sie aus eignen Mitteln keinen Zuschuß weder jetzt machen, noch etwa, wenn Sie
                    auch dazu Geld aufnehmen wollten, künftig ersetzen könnten. Dieß sage ich
                    deshalb, weil der Minister vielleicht,
                    um leichter das Geld bewilligen zu können, den Namen Vorschuß brauchen wird. Eine solche
                    allgemeine Weise Ihrer Eingabe ist dann gut, damit Sie Sich auf dieselbe
                    beziehen können, wenn man einmal zurückfordern wollte, was übrigens nicht
                    geschehen wird. Wenn Sie schreiben, geben Sie mir zugleich Nachricht, liebster
                    Freund. Ich thue dann, auch in Absicht der Summe, noch das Mögliche. – Ich habe
                    den ganzen Sommer hindurch sehr viel Sanskrit getrieben,
                    u. doch hoffentlich wieder einen bedeutenden Theil meiner Unwissenheit
                    zerstreut. Ich habe alle metaphysischen Stellen des 
                        Manus, das ganze 1. u. 12. Buch u. mehrere
                    andere gelesen, übersetzt u. abgeschrieben nach meiner Manier, die ich gewiß
                    keiner Presse aufbürden will, die aber zum Privatgebrauch für Anfänger
                    unvergleichlich ist. Ich habe viel im Schol. gelesen, u.
                    verstehe doch nun auch in ihm viel mehr. Haben Sie doch die Güte mir 
                        Haughtons Manus nebst Uebersetzung zu kaufen
                    u. durch die Gesandtschaft, die mir öfter Bücher schickt, zu schicken. – Ihre Gram-
                    matik habe ich nicht nur immer zum
                    Nachschlagen gebraucht, sondern sie vom ersten Buchstaben an bis in die 2. Conjugation (so weit bin ich bis jetzt, also fast am
                    Ende) Wort für Wort durchgelesen, alle Citate
                    nachgesehen, u. Alles aufgeschrieben, was mir der Bemerkung werth schien. Ich
                    kann Ihnen nicht sagen, in welchem hohen Grade mich Ihre
                        Grammatik befriedigt hat. Sie ist in der That meisterhaft. Es ist
                    nicht bloß die methodische, klare u. einfache Zusammenstellung dessen, was schon
                    vorhanden war, so ein großes Verdienst auch diese allein schon seyn würde,
                    sondern es ist die so schön durchgeführte Herleitung der Formen aus den
                    Wohllautsgesetzen. Wo es nur immer angieng, haben Sie diese auf eine Weise
                    verfolgt, die wirklich zu tiefer u. klarer Einsicht des Sprachbaus führt. Ihre
                    Vorgänger, besonders 
                        Wilkins, haben Sie vielfältig berichtigt, u.
                    es ist nichts mehr zu wünschen, als daß Sie nun den Ueberrest ebenso bearbeiten,
                    um ein Werk hingestellt zu haben, daß |sic| eine dauernde feste Grundlage
                    des 
                        Sanscritsstudiums |sic| bleiben wird. Meine
                    Bemerkungen sind dreifacher Art: 1, Druckfehler. Die meisten sind in den Citaten, doch auch einige in den Sachen, u. da ein Paar
                    für den Anfänger wirklich schlimme, von denen es nicht gut ist, daß sie nicht
                    haben angezeigt werden können. So ist in der Declinationstafel  {śivayai} für 
 {śivāyai}, in §. 299. der die
                    Personalendungen angiebt, für pers. 2. dual. imperat. âtmanêp. 
 {ātaṃ} statt 
 {āthāṃ} gedruckt. In der Conjugationstafel steht indeß 
 {āthāṃ}, nur daß einmal dafür 
 {ātāṃ}
                    gesetzt ist. Die 3. praes. sing. von 
 {duh} ist §. 103. b. 
 {dogdhi}, §. 343 aber
                        
 {dhokti} gedruckt. Doch kann
                    nur das Erstere richtig sein. Das zu Grunde liegende 
 {h}
                    theilt seine Aspiration, der Intention nach, immer gleich den tönenden Aspiraten, dem folgenden Buchstaben mit, u. nur, wo dieß wie bei
                        
 {dh}, 
 {bh} u. 
 {s} nicht angeht, wirft
                    dasselbe sie auf den Anfangsbuchstaben zurück. Solche Druckfehler sind aber
                    selten, u. ich wundre mich mehr über die wirklich große Korrektheit bei einer
                    dem Setzer so fremden Sprache. 2. habe ich alle Stellen angemerkt, wo mir die
                    Regel nicht ganz bestimmt, oder deutlich ausgedrückt schien. Auch dieser Fälle
                    sind aber sehr wenige. 3. verschiedene Ansicht habe ich nur bei sehr wenigen
                    Punkten gehabt. Ein solcher ist indeß das 
                        anuswara. Auch über die Personalkennzeichen ließe sich dünkt mich mehr allgemein leitendes
                    sagen. Aber ich wiederhole es Ihnen, Ihre Grammatik ist ein trefliches Werk, an dem sich nicht
                    einmal viel bekritteln läßt. Es ist mir nur leid, daß die Engländer sie nicht
                    lesen werden. Es wäre aber doch die Frage, ob nicht ein Englischer Buchhändler sie gern Englisch
                    übernähme, im Lateinischen sind die, welche Sanscrit in
                        England treiben, nicht immer gleich geübt. Einen
                    Uebersetzer, dessen Uebersetzung Sie aber noch nachsehen müßten, fänden Sie ja
                    wohl. – Sollte es ganz unmöglich seyn, daß Sie 
                        Colebrookes Mscpt. des 
                        Maha Bharata hierher geliehen erhielten? Es
                    wäre doch ganz anders, wenn Sie es ein Jahr hier benutzen könnten, als wenn Sie
                    dort schnell vergleichen müssen, u. die Seereise ist so kurz. – Noch möchte ich
                    Sie bitten, Sich doch zu erkundigen, ob über Afrikanische oder SudSee |sic|
                    Sprachen etwas erschienen ist, u. es mir zu  kaufen. Was ich besitze
                    ist Folgendes: die  
                        Nyländerschen Schriften über die Bullom Sprache[a]. 
                        A grammar and Vocabulary of the language of
                            New-Zealand. London. Wates. 1820. 8. 
                        A spelling Book for the Susoos. 
                        Edinburg
                     |sic|. Ritchis. 1802. 8. Die ersten 7.
                        Kapitel des Evangel. Matthaei, übersetzt von
                        
                        Wilhelm. 1816. 8. Finden Sie außer diesen
                    etwas, brächten Sie es mir wohl mit. – Endlich giebt es eine Beschreibung der Tonga Inseln von 
                        Mariner, und ich denke von 
                        Davy[b] einen
                        
                        Chinesischen Roman
                    in Text u. Uebersetzung herausgegeben. Von diesen
                    Büchern wüßte ich vorläufig gern den Preis. – Verzeihen Sie die vielen
                    Bemühungen. Und nun leben Sie herzlich wohl, und arbeiten Sie in ungestörter
                    Gesundheit u. heitrem Muth.
Humboldt
A Monsieur,
Monsieur Bopp,
Professeur
<au> Service de S. M. le Roi de Prusse.
à
Londres.
Fußnoten
- a |Editor| Gemeint sind hier A spelling-book of the Bullom language: with a dialogue and scripture exercises (London 1814) und Grammar and vocabulary of the Bullom language (London 1814).
 - b |Editor| Mit "Davy" ist wohl der Diplomat und Sinologe John Francis Davis (1795–1890) gemeint; von ihm erschienen diverse englische Übersetzungen aus dem Chinesischen, allerdings ohne den chinesischen Originaltext. Darauf bezieht sich die Bemerkung Humboldts in seinem Brief an Bopp vom 13. Januar 1826: "Daß es von Davy |sic| nicht Chinesischen Text giebt, ist mir leid. Die Uebersetzung allein kann mir [nicht] helfen."
 

