Wilhelm von Humboldt an Franz Bopp, 30.12.1830
Ich muß Sie, theuerster Freund, recht sehr um Verzeihung bitten, daß ich so spät Ihren neulichen gütigen Brief beantworte und Ihnen erst jetzt meinen Danck für die mir mitgetheilte Auskunft abstatte. Ich erhielt spät das Monats Heft der Jahrbücher von dem Sie mir sprachen und so habe ich Ihre Recension erst vor wenigen Tagen lesen können. Sie hat mir die größeste Freude gemacht. Man hätte den Verfaßer des so anmaßenden Buches nicht gründlicher und bündiger nicht kürzer und nicht artiger abfertigen können, als Sie es gethan haben. Eine Menge einzelner Bemerkungen in der Recension sind außerdem vortrefflich und zeugen vom richtigsten und tiefsten Sprachsinn. Die Herleitung von homo hat mich durchaus befriedigt. Ich wäre von selbst nie darauf gerathen. Es erhöht aber |Humboldt| ihren |Schreiber| Werth, daß sie versteckt und schwer aufzufinden war. Mit der von mons kann ich aber nicht einig sein. Die Ableitung des Wortes für einen solchen Begriff aus einem Nahmen |sic| spricht mich schon nicht recht an. Mir hat immer mons dasselbe Wort geschienen als das Griechische bunos. Vorzüglich aber möchte ich Ihnen zur Entscheidung einen allgemeineren Zweifel vorlegen, der |Humboldt| auch |Schreiber| auf ein anderes von Ihnen angeführtes Wort paßt. Es wird mir sehr schwer, in |Humboldt| reinen |Schreiber| aus |Humboldt| Einem |Schreiber| Grundquell herfließenden Schwester-Sprachen, in welchen der Geist derselben Sprachanalogie herrscht, wahre und ganz sprachwidrige Verstümmelungen anzunehmen. Diese, dencke |sic| ich, finden sich nur bei so gewaltsamen Sprach-Umgestaltungen, wie im[a] Neu-Griechischen vorkommen, oder bei dem Uebergange von Wörtern in einen fremden Sprachstamm. Wenn das Griechische und Gothische sich in kumari theilen, so schließe ich daraus daß dies Indische Wort zusammengesetzt war, und jedes der Elemente schon in sich dem Begriff des Ganzen gewissermaßen entsprach. Ich habe jetzt nicht Zeit nachzuschlagen. Aber das Litthauische mergele und das Lateinische virgo möchte hier herbei zu ziehen sein. Zwei und dreysilbige Sanskrit Wörter sind wohl überhaupt als Zusammensetzungen aus einem früheren einsilbigen Zustande anzusehen. Vielleicht ließe sich noch heute in den einsilbigen Sprachen Asiens manches auffinden. Auf Ihre Etymologie von mons aber läßt sich das nicht anwenden, da dort von bloßen Bildungssilben die Rede ist.
Durch einen neuen Tausch werde ich am 20sten Januar endlich in der Akademie lesen und wünsche sehr Sie zum Zuhörer zu haben. Sie erzeigen mir auch wohl die Güte in der Sitzung vom 13ten daran zu erinnern, daß es bei meinem Lesen am 20sten bleibt.[b]
Leben Sie recht wohl, theuerster Freund, und nehmen Sie die Versicherung meiner ausgezeichneten Hochachtung an.|Humboldt| Humboldt
|Schreiber| Tegel den 30.t December 1830.