Wilhelm von Humboldt an Franz Bopp, 03.01.1832

Ich habe mit großem Vergnügen und mit nicht geringer Belehrung Ihre Recension gelesen liebster Freund. Die beiden Verfasser[a] können sehr mit Ihnen zufrieden sein, denn Sie haben wirklich an ihren Schriften gelobt, was nur irgend zu loben war. Denn man muß gestehen, daß besonders Rask in so langer Zeit nach seiner Rückkehr blutwenig geleistet hat. Sehr begierig bin ich auf Ihre vergleichende Grammatik niemand ist so im Stande sie zu schreiben, als Sie, und Sie haben jetzt soviel im einzelnen vorgearbeitet, daß es Ihnen auch nicht schwer werden muß dies nunmehr zusammenzustellen. Daß  |Humboldt| Sie |Schreiber| Schlegel zugleich bedacht haben, kann man Ihnen gewiß nicht verdenken, und Sie haben es noch sehr gelinde mit ihm gemacht. Jetzt erlauben Sie mir einige einzelne Bemerkungen.

Zuerst bin ich auf Ihre Ableitung unseres Wortes Mund gekommen, mit der ich nicht recht übereinstimmen kann; mir scheint in diesem Worte der Vokal vorzüglich bedeutsam, und ich würde daher auch nur nach einer Wurzel suchen, die denselben oder einen ähnlichen hätte. Mantra würde ich eher in Verbindung bringen mit man da zur Rede auch der Verstand gehört, auch ist wohl im Mund der Lippenbuchstabe sehr wichtig, da er auf die Weichheit der Lippen zu deuten scheint; im Begriff der Rede ist er müßig.

Eine höchst wichtige Bemerkung ist es daß Sprachen in ihrer Entartung einander zufällig nahe kommen können, ohne daß sie einander darum wirklich näher als jede von ihnen der scheinbar ferner liegenden Ursprache stehen.

Für äußerst glücklich halte ich die Ableitung von ahura aus asura; es könne dabei, dünkt mich, gar kein Zweifel stattfinden. Ebenso ist es mit dem Yama.

Dagegen will es mir nicht recht einleuchten, daß das vokalische r eine Entartung von ar sein soll. Ich halte es wirklich für eine Art Vocal, worin das r doch anders gelautet hat, als wenn es wie ein wahrer Consonant vor  |Humboldt| i |Schreiber| steht. Ebenso mag  |Humboldt| r |Schreiber| anders am Schlusse einer Silbe als am Anfang klingen, und darum in mehreren Alphabeten hiernach verschiedene Zeichen besitzen. In dem mit dem Sanskrit verwandten Sprachen erscheint es freilich immer gunisirt.

Die Gothische Wurzel bar halten Sie doch auch für dieselbe mit der Sanskritischen bhri. Im Javanischen ist babar also ganz wie peperit, gebähren.

Die Bestätigung Ihrer Vermuthung der genauen Verwandtschaft der Sanskritischen Endung mahe und der griechischen metha ist in der That sehr schön und ebenso was sich aus dem Zend über den Instrumentalis ergiebt. Durch  Durch |sic| Ihre ganze Abhandlung hin haben mich die Lautveränderungen, in welchen sich die Buchstaben nach Wahlverwandschaften anziehen und abstoßen, sehr intereßirt. Sie können nur in Sprachen häufig sein, die sehr auf den Wohllaut achten, und in ihrem Organismus fest genug sind, um nicht für das Verständniß besorgt zu sein, wenn sie die etymologische Gestalt der Wörter beeinträchtigen.

Mit der herzlichsten Freundschaft,
|Humboldt| der Ihrige,
Humboldt
|Schreiber| Tegel den 3.t Januar 1832.


An
Herrn Professor Bopp
Wohlgeboren
in
Berlin

Fußnoten

    1. a |Editor| Rasmus Christian Rask und Peter von Bohlen.