Wilhelm von Humboldt an Franz Bopp, 27.12.1833
|1*| Ich danke Ihnen sehr, liebster Freund, daß Sie mich auf Potts Recension und Burnoufs Artikel aufmerksam gemacht haben. Ich habe beide mit großem Vergnügen gelesen. Beide Aufsätze sind sich auch darin ähnlich, daß sie das Bestreben haben, den Tadel, den sie aussprechen müssen, mit soviel Lob als nur immer gehen will zu umwickeln. Indeß ist darin Burnouf gegen Johnston glücklicher gewesen, als Pott gegen Becker. Wirklich thut es mir leid, daß Pott bei so vielem Vortrefflichen in den Gedanken und in der Materie zu wenig Gewandtheit im Styl besitzt. Einige Perioden der Recension habe ich wohl dreimal lesen müssen, ehe ich sie verstanden habe. Er hat viel zu viel Lebhaftigkeit gegen sein Maaß von Geschick im Ausdruck. Besonders sollte er sich des scherzhaften Tons enthalten, und ernst und einfach bei der Sache bleiben. Ich kann nicht gerade finden, daß er die Beckersche Schrift zu scharf getadelt hat. Er hat es nur in einem zu beißenden und aufreitzenden Tone gethan, und dies hat denn wieder seine natürliche Gutmüthigkeit zu übertriebenem Lobe des Verfassers überhaupt und seines ganzen Sprachwesens verleitet. Ich gestehe offenherzig, daß ich mich damit nie habe befreunden können, und ich glaube auch Ihnen geht es ebenso. Ich habe mich sogar sehr gewundert, daß Hartung, den ich sehr schätze, so unbedingt diesem System zu folgen scheint. Becker muß schon aus einem Briefe von mir vor meiner Reise ins Seebad gesehen haben, daß mich sein Wort nicht |2*| nicht |sic| anspricht. Sein Bemühen, die Wörter nach Begriffs-Etymologien zu ordnen, ist eigentlich ein Bestreben sich außerhalb aller Sprache zu stellen, und dies ist noch unmöglicher als mit Archimedes einen Punkt außerhalb der Erde zu fordern. Es giebt ohne Wort gar keinen vollendeten Begriff. Dies hätte Pott noch mehr ausführen können.
Burnouf ist wie immer gründlich und belehrend, und man läßt sich darum gern eine gewisse Trockenheit gefallen, die einem oft bei ihm anweht. Wenn er aber so fortfährt kann er noch viele Artikel über den ganz ungenauen Upham machen. Ueber eine Kleinigkeit muß ich Sie doch, lieber Freund, befragen. Er schreibt beständig, das zweite Ceylonische Geschichtsbuch in der zweiten Silbe mit langem a, Râjâratnâkari. Ich habe schon ein par |sic| mal den Vokalen <Vokal> an derselben Stelle kurz d drucken lassen, da es ja hier nur das Grundwort mit wegfallendem Endconsonanten, nicht der Nominativ sein kann. Es ist wie Dhyâni-Buddha, Brahmalôka u. s. w. Doch wundert mich die Schreibung bei Burnouf, der sonst sehr genau ist.
Hierbei fällt mir aber mit Bedauern ein, daß in meiner Schrift S. 132, Anm. 1. vorletzte Zeile ein Fehler begangen und stehen geblieben ist, nämlich Ayustêjâ für Ayustêjâs, was gar nichts ist, da hier nothwendig der Nominativ stehen muß. Ich habe leider ohne eigenes Nachden <Nachdenken> Wilsons[a] (Asiat. Res. XVI 447) nachgeschrieben, der sogar den Nahmen nebeneinander in Sanskrit und Römischen Lettern und auch bei den ersteren ohne Visarga setzt. Sie haben keine Bemerkung dabei gemacht; wahrscheinlich |3*| weil Sie glaubten, daß ich das Visarga in Romischen |sic| Lettern nicht bezeichnet steht <bezeichnet.> Wo ich aber den Nominativ brauche und dieser ein Visarga hat, thue ich es nimmer, und ich sehe nicht ab, wie man diesen Nahmen mit langem End a für ein Grundwort nehmen könnte. Diese Nahmen sind doch nur Composita wo das endende Neutrum in ein Masculinum verwandelt wird. <Das s ist überdies hier stammhaft und der Vokal bloß verlängert.> Ich werde also die Stelle unter den Druckfehlern aufzählen, an denen der Setzer unschuldig ist.
Ich kann Ihnen nicht genug sagen, wie dankbar ich Ihnen für die Güte bin, mit welcher Sie meine Bogen durchlesen. Sie sehen aber zugleich, liebster Freund, aus dem obigen Beispiel <|Humboldt| Obigen,> |Schreiber| mit wie viel Mißtrauen ich gelesen werden muß.
|Humboldt| Mit herzlicher Freundschaft IhrH.
|Schreiber| Tegel d 27t. December 1833.
|4* vacat|