Wilhelm von Humboldt an Franz Bopp, 06.01.1834

|1*| Ich danke Ihnen herzlich, liebster Freund, für Ihre gütigen neulichen Zeilen, und für die Auskunft über shah und padishah. Die Herleitung aus dem Zend in das Persische ist unleugbar richtig. Allein glauben Sie nicht, daß das Zendwort wieder aus dem Sanskrit stammt? Pott in seinen Wurzeln leitet das Persische Wort vom Sanskritischen  shus <|Humboldt| s̓ûs> |Schreiber| ab und bringt dieses als eine reduplicirte Wurzel auch mit is <|Humboldt| îs> |Schreiber| in Verbindung. Wie steht es aber mit dem k des Zend-Wortes, das eher auf den Nahmen der Kriegerkaste hindeutet?

Noch bitte ich Sie, meiner Unwissenheit in einem andern Punkte, an dem mir gerade viel liegt, zu Hülfe zu kommen. Im Chinesischen, Barmanischen und Siamesischen, ebenso im Mexicanischen, werden Zahlen nicht anders mit concreten Substantiven verbunden als indem man noch ein vermittelndes Gattungs-Substantivum hinzusetzt. Eine Spur davon ist in einigen Sanskritischen Sprachen, wie wenn wir: vier Stück Pferde, die Römer tria capita bosum <|Humboldt| boum> |Schreiber| sagen. Ich wünschte aber zu wissen, ob im Sanskrit selbst dergleichen vorkommt? Es liegt in der Natur der Sache, daß in allen Sprachen diese Art zu reden vorkommt, nicht gerade nothwendiger aber natürlicherweise. Die Eigenheit der oben genannten Sprachen ist nur das Durchführen dieser Idee durch zahllose Klassen auf eine Art, die auf die Wort-|2*|bildung zurück wirkt.

Ich habe seit meinem letzten Schreiben an Sie trotz des engen Drucks das ganze Capitel über die Wurzeln (nämlich die Einleitung zu dem Verzeichniß) in Pott gelesen, und zu meiner sehr großen Befriedigung. Daß man unter einer solchen großen Menge von Ableitungen nicht in jede einstimmen kann, versteht sich freilich von selbst.

Mit der hochachtungsvollsten Freundschaft
|Humboldt| der Ihrige,
Humboldt
|Schreiber| Berlin den 6t. Januar 1834.
An
Herrn Professor Bopp Wohlgeboren in allhier

|3* vacat|

|4*; Adressierung|
An
Herrn Professor Bopp
Wohlgeboren
allhier