Wilhelm von Humboldt an Franz Bopp, 21.02.1834
Ich hoffte Ihnen, theuerster Freund, neulich mündlich meinen herzlichsten Dank für Ihre gütige Uebersendung Ihrer Pottischen Recension abstatten zu können, habe aber sehr bedauert, Sie nicht zu Hause zu finden.
Ihre freundschaftliche Belehrung über das sechssilbige Gebet[1] habe ich sogleich benutzt, den Ausdruck in zwei Wörter getheilt und auch die Uebersetzung, wie Sie bei der Correctur sehen werden, nur wenig verändert.
Die Recension ist, wie alle von Ihnen herrührende, eine
                    wahre Bereicherung des durch Sie in der That erst geschaffenen Studiums. Sie
                    besitzen die Kunst Ihre Anzeigen, ohne daß die Beurtheilung der recensirten
                    Schriften dadurch leidet, immer zugleich mit neuen eigenen Ausführungen
                    auszustatten. Auch, abgesehen von der zusammenhängenden Theorie, liegt in Ihren
                    Arbeiten ein Schatz von einzelnen Bemerkungen über Wörter und Formen, von dem es
                    höchst wünschenswerth wäre, daß man ihn alphabetisch gesammelt besäße.
                    Vielleicht könnten Sie einer erweiterten
                    Ausgabe
                    Ihres Glossars dies, ohne zu
                    große Mühe, beigeben. In Ihr Lob der Pottischen Schrift stimme ich
                    vollkommen ein, und ich suche darin immer mehr, und soviel mir meine Augen
                    irgend erlauben, zu lesen. Die Episoden Ihrer Recension
                    über Städler, der
                    mir bisher ganz unbekannt geblieben war, und Jäkel haben mich sehr unterhalten. Es
                    bleibt aber eine traurige Er-scheinung wie man die Zeit lieber mit
                    dem eigensinnigen Beharren auf unsinnigen Meinungen verderbt, als sie der
                    Erlernung des Unbekannten zuwendet. Dagegen gestehe ich Ihnen, liebster Freund,
                    daß ich gewünscht hätte, daß Sie den Angriff auf Passow, und sein wirklich höchst
                    verdienstvolles Wörterbuch, nicht herausgehoben, oder
                    doch die ungerechte Härte des Pottischen Angriffs durch einige versöhnende Worte
                    gemildert hätten. Ich lobe allerdings nicht, daß Passow die ganz unnütze Bemerkung über
                    die gleiche Verschiedenheit des Geschlechts von Pfeil
                    und Veilchen in beiden Sprachen gemacht hat. Er ist aber
                    offenbar dazu nur gekommen, um seine Kenntniß des alten Veil anzubringen. Weiter aber scheint mir sein Verbrechen nicht zu
                    gehen. Ich würde sogar nicht abgeneigt sein, auch |
Humboldt| ἰός |
Schreiber|, Gift von demselben Verbum, auf welches Sie ganz richtig das Griechische Pfeil verweisen, abzuleiten. In sehr vielen Sprachen
                    wird Gift durch eine Art Euphemismus metaphorisch
                    bezeichnet, und man kann es wohl als etwas in den Körper Geschicktes Geworfenes
                    ansehen; unser deutsches Gift unser vergeben sind ganz ähnlich, und das Französische
                        poison ist bloß
                    Trank, potio. Mit dem
                    Pfeil steht aber Gift im bildlichen Begriff sehr nahe
                    zusammen. Wie ein Pfeil dringt es in das Blut und bewirkt unvermeidlichen Tod
                    oder Krankheit. Ich würde nichts dagegen haben auch das Veilchen
                    hierherzuziehen, was aber Passow nicht thut. Denn das Griechische Stammverbum
                    kann sehr gut auf das Sprießen der Pflanzen gehen, und es ist ganz gewöhnlich
                    einzelne Thiere und Pflanzen nach so allgemeinen Begriffen zu benennen.
Schleiermachers Tod macht die Wahl eines neuen Sekretairs bei der der Akademie nothwendig. Ich weiß nicht, ob Sie, theuerster Freund, auf diese Stelle denken. In diesem Falle bäte ich Sie, es mir recht freundschaftlich zu sagen. Unter den übrigen Mitgliedern der Klasse schien mir Boeckh am meisten geeignet zu sein.
Ich hoffe, daß Sie die mir von Burnouf für Sie zugesandte Beurtheilung Ihrer vergleichenden Grammatik erhalten haben werden. Ich lege neue Bogen meiner Schrift bei, und empfehle mich Ihrem gütigen und freundschaftlichen Andenken.
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