Franz Bopp an Wilhelm von Humboldt, Juli 1826 (Datierung unklar)

|151r| Ew Excellenz

habe ich die Ehre mit Zurücksendung der Beilage, die folgenden Bemerkungen, zu geneigter A Prüfung zu unterwerfen. Den Sprachgebrauch von {ūrdhvaṃ} glaube ich müssen wir noch durch Aufsuchung anderer Stellen fester und sicherer zu begründen suchen. Bis jetz kann ich mich noch nicht mit der Ansicht Ew Excellenz dahin vereinigen, daß ich in {ūrdhvaṃ} den Begriff oben und hiermit eigentlich die zukünftige Welt angedeutet fände|.| Man müßte auf diese Weise immer {ataḥ} und {ūrdhvaṃ} als unabhängig von einander auffassen und zugeben daß diese Wörter auch durch Zwischenworte getrennt stehen könnten, daß etwa der Vers so lauten dürfte: {nivasiṣyasyato+}  < {nivasiṣyasyatomayi} >   {ūrdhvaṃ}   {ūrdhvameva} {na} {saṃśayaḥ} Du wirst wohnen von da o (oder von dem Zustand an) in mir, oben ( <,> fürwahr ohne Zweifel. Wenn diese Wortstellung und diese Uebersetzung anginge so würde ich Ihrer Ansicht, welche Ew Excellenz so gut vertheidigen als es ohne Parallelstellen nur immer möglich ist, beitreten. |151v| Ich bezweifle aber daß man {ataḥ} von {ūrdhvaṃ} trennen könne weil ich es bis jetzt nur im Sinne von „als dies“ nach Comparativen gefunden habe, oder von anderen wesentlichen Zusätzen unterstützt, besonders von {paraṃ}. z.B. Nalus. IX. 23 {ataḥ} {paraṃ} {ca} {deśo} {’yaṃ} {dakṣiṇaḥ} Auch hier könnte man {ataḥ} durch als dies übersetzen, weil auch Comparativa <Positiva> mit Ablativen comparativisch gebraucht werden, von da weiter oder * weiter als dies, über diesen Ort hinaus ist das südliche Land. Der Commentar zieht auch {ata} {ūrdhvaṃ} <zusammen> denn sonst würde er blos {ūrdhvaṃ} durch {dehānte}, und {ataḥ} für sich allein oder gar nicht erklärt haben. {ūrdhvaṃ} oben würde ich nur, wenn gar kein anderer Ausweg übrig bliebe, aus den früher angegebenen Gründen, für die zukünftige Welt gelten lassen. Ich will jedoch nicht läugnen daß es vielleicht gelingen könnte das {ūrdhvaṃ} durch klarer sprechende Stellen als eine Bezeichnung der zukünftigen Welt darstellen zu darzustellen.

Ihrer gelehrten Bemerkung über {prapadye}, daß man ihm eine praegnante Bedeutung geben könne, stimme ich vollkommen bei.

Für {jīvabhūta} würde ich die Uebersetzung Lebenathmend vorziehen.

|152r| III 22–24 Ich finde die von Ew Excellenz auseinandergesetzten Gründe sehr gewichtvoll, ich glaube aber daß noch weite <weitere> syntaxische Beobachtungen nöthig sind. Bis jetzt möchte ich noch nicht zugeben daß man im Sanskrit zwischen Vordersatz und Nachsatz, <Nachsatz> eine Behauptung von der Länge eines ganzen Verses als Zwischensatz einschieben könne, wenn gleich dieser Zwischensatz die Begründung des Nachsatzes ist. Für mich hat eine solche Construktion im Sanskrit etwas äußerst ungewöhnliches, und ich erinnere mich nicht eine ähnliche jemals gefunden zu haben

So zeigt eben zeigt mir Hr Dr Rosen  {ata} {ūdhvaṃ} in einer Stelle des Nalus, welche Ew Excellenz gewiß zu Gunsten meiner Ansicht stimmen wird. Im Nalus steht S. 184 sl. 14–15 {pūrvaṃ} {hyapi} {sakhā} {me} {’si} {saṃbadhī} {ca} {janādhipa} | {ata} {ūrdhvaṃ} {tu} {bhūyastvaṃ} {prītimāhartumarhasi} Ich habe übersetzt ab hoc (tempore) in posterum quoque rursus tu gaudium afferre velis.

Mit tiefster Ehrerbietung
Ew Excellenz
Ganz gehorsamster
Bopp
|152v vacat|