Franz Bopp an Wilhelm von Humboldt, 06.07.1826
|153r| Ew. Excellenzhabe ich die Ehre hiermit Ihre gelehrte Abhandlung über die Bhag. welche ich mit lebhaftestem Interessen und gespanntester Aufmerksamkeit durchlesen habe, zurückzusenden. In der lichtvollen Darlegung des philosophischen Systems dieses merkwürdigen Gedichtes, herrscht so viel Schärfe, Tiefe der Auffassung und gewissenhafte Treue, daß es mir nicht möglich wäre gegen irgendeinen Punkt etwas einzuwenden, oder etwas anderes als die gehaltvollste Belehrung darin zu finden. Die herausgehobenen Verse finde ich im Durchschnitt eben so treu übersetzt und mit einem feinen Takte für das Original-Metrum, als höchst glücklich und zweckmäßig ausgewählt. Nur einige Verse erlaube ich mir zu berühren, wobei ich die Uebersetzung Ew. Excellenz nicht billigen kann. – S. 11 übersetzen Sie XII. 8. b. durch v {ata} {ūddhvaṃ} durch „von da oben“ und Schl. durch deinde |153v| apud superos: Ich bezweifle die Richtigkeit dieser Uebersetzung und erkläre {ata} {ūdhvaṃ} durch von da an (von da auf) <auf,> ferner, von da ins Zukünftige) ganz ähnlich mit {ataḥ} {paraṃ}, was häufig vorkommt. {ataḥ} obwohl von gleicher Bildung wie {tataḥ} kann für sich alleine nicht deinde bedeuten, sondern ich finde es nur im Sinne von „von da“ räumlich, und im Sinne eines Ablativs nach Comparativen. Ich übersetze also das Sl. In mich versenke das Gemüth, in mich mache eingehen den Gei <in> Vernunft, du wirst wohnen in mir von da ferner/fortan ohne <Zweifel>. Der Commentar nimmt ebenfalls {ata} {ūrdhvaṃ} als zusammen die Zeit-Bestimmung gebend und erklärt es <erklärt:> {ata} {ūrdhvaṃ} {dehānte} {mayyeva} {nivasiṣyasi} {nivasyasi} {sadātmano} {vāsaṃ} {kariṣyasi} Der Commentar läßt also den Ardschunas beim Untergang des Körpers in Krischna wohnen, während der Text blos sagt „von da in Z fortan“ Wilkins, den ich nicht zur Hand habe, hat wahrscheinlich wie Schl. übersetzt, sonst würde Schl. seine Abweichung ver <zu> rechtfertigen gesucht haben. Ich finde nicht daß man im Sanskrit die zukünftige Welt durch oben ausgedrückt <ausdrückt,> man setzt {amutra} dort, oder {pretye} < {pretya} > (eigentlich ein Gerundium) dem {iha} entgegen|.| Daß man {ūrdhvaṃ} sagen könne wäre erst zu beweisen. – Auf der selben Seite übersetzen Ew. Excellenz ad XV. 4. b. {prapadye} durch hie geleit’ ich und Schl. durch deduco. Da {prapadye} keine Causal-|154r|Form ist, so übersetze ich: „Zu … gelange ich, gehe ich hin. Der Scholiast erklärt {prapadye} durch {śaraṇaṃ} {vrajāmi} ich gehe in Zuflucht, wende mich zu ihm. Man vergleiche VIII. 21.
S. 25 wü IV. <V.> 7. a wünschte ich {jīvabhūta} lieber durch Leben habend als Leben bildend übersetzt. Der Commentar erklärt {jīvabhūtaḥ} {sanātana} durch {sarvadā} {saṃsāritvena} {prasiddhaḥ}
S. 26. III. 22 Ich nehme mit dem Commentar die zweite Hälfte für den Nachsatz der ersten und übersetze, „so würden meinem Wege folgen die Menschen sämmtlich. Der Comm. erklärt {anuvartaṃte} durch {anuvarteran}. Ueber diese Stelle habe ich mich auch in den Göttinger g <Anzeigen> gegen Schl. ausgesprochen.
S. 33. XVIII <55> {tadanantaraṃ} ist ein Adverbium und heißt mittelbar <unmittelbar> darauf, ohne Zwischenraum, Schl. übersetzt es passend durch pretinus, ich übersetze: „hierauf in mich, aus dem Grund erkannt habend, geht er ein unverzüglich|"|
S. 12 XV. 6 Wenn ich diese Stelle mit I Ardschuna’s Himmel-Reise I 32 vergleiche, so möchte ich daraus nicht folgern, daß der Wohnsitz der Götter über alle Schöpfung hinaus und außerhalb derselben sey. Ew Excellenz übersetzen {śaśāṅko} durch Mondesauge; vielleicht verwechselten Sie {aṅka} mit {akṣa}. {śaśāṅka} ist eine Benennung des Mondes (Wilson).
|154v| Aus <Außer> diesen wenigen Stellen habe ich nichts gefunden wo ich gegen Ihre trefflich gelungenen Uebertragungen einen Einwand zu machen <hätte>, und ich unterwerfe die hier ausgesprochenen Bedenklichkeiten Ihrer nachsichtigen Prüfung, und verharre in tiefster Ehrerbietung
Ew ExcellenzGanz gehorsamster
Bopp
Den 6. Juli 26.