Wilhelm von Humboldt an Heinrich Julius von Klaproth, 22.12.1812

Ew. Hochwohlgebohrnen[a]

Brief vom 6. huj. ist mir mit seiner gedruckten Beilage[b] richtig zugekommen, und ich habe beide mit lebhaftem Interesse gelesen. Ich wünsche recht sehr, dass der Druck des Katalogs unserer Chinesischen Handschriften veranstaltet werde[c], und auch Ew. Hochwohlgebh: Ihre übrigen Absichten erreichen mögen, und ich glaube Ihnen meinen Antheil an Ihrem Schicksal und Ihren Studien bewiesen zu haben. Indeß gestehe ich, scheint mir die bloße Aufnahme als Mitglied in die Akademie nicht dasjenige, was für Ihren Zweck u. den der Wissenschaft das Erwünschteste blieb, da ich nicht absehe, dass Ihnen dadurch die Mittel gesichert werden, Ihre Zeit auf die Ausarbeitung Ihrer Materialien ungetheilt zu wenden, und Ihre Arbeiten zum Druck zu befördern. Vielmehr hätte mir die Ausweisung|?| einer Summe auf einige Jahre, die den Druckkosten u. der Entschädigung für Ihren Zeitaufwand angemessen gewesen wäre, zweckmäßiger geschienen. Selbst die nachher sich von selbst ergebende Auf-nahme zum Mitgliede der Akademie wäre alsdann von jedem Nebenzweck unabhängiger und mithin für Ew. Hochwohlgebh. insofern schmeichelhafter gewesen. Die gedruckte Beilage[d] Ihres Briefes hat mich sehr interessirt, und sie muß nothwendig die gerechtesten Erwartungen erregen. Nur hätte ich gewünscht, sie hätten den Inhalt derselben lieber zum Gegenstand eines Aufsatzes in einem Journal, etwa unter dem Titel: über die zur Aufklärung der Asiatischen Geschichte noch mangelnden Arbeiten gemacht, und wären dann über die wissenschaftlichen Ansichten, die Sie jetzt bloß andeuten, ausführlicher gewesen. Der Aufsatz wäre dadurch objectiver geworden, und hätte schon dadurch mehr Eindruck gemacht, wodurch dann auch von selbst Alles, was Sie von Sich sagen, eine bessere Stellung bekommen, und unabhängiger von subjectiven Zwecken geschienen hätte. Uebrigens haben Sie an sich sehr gut gethan, den Gang Ihrer wissenschaftlichen Bemühungen durch diese Blätter allgemeiner bekannt zu machen, und bestimmter anzugeben.

Indem ich mich herzlich freuen werde, von Ew. Hochwohlgebh. das baldige Gelingen Ihrer Ideen zu vernehmen, habe ich die Ehre mit lebhafter Hochachtung zu verharren
Ew. Hochwohlgebh.
ergebenster,
Humboldt.
Wien, 22. Dec. 1812.
V. s. pl.

NS. So eben empfange ich Ew. Hochwohlgebh. Schreiben vom 16. XII. und danke Ihnen herzlich für die Uebersetzung der Inschriften, die ich H. v. Hammer mittheilen werde[e]. – Für die Beförderung Ihrer Plane würde ich gern ferner thätig seyn; allein ich stehe nicht mit H. StR. Niebuhr in Briefwechsel, und ich habe ihn mündlich am letzten Tage meiner Anwesenheit in Berlin so ausführlich über Sie, Ihre Arbeiten u. meine Meynung, dass es nothwendig sey, dieselben zu befördern, gesprochen, dass, wenn er es nicht thut, er Gegengründe haben muß, die ein Brief unmöglich aus dem Wege räumen würde. – Die neue umgearbeitete Ausgabe Ihrer Abhandlung über die Uiguren sehe ich mit um so g|rößerem|[f] Verlangen entgegen, als mir schon der erste Druck äußerst |inter|essant geschienen hat. – Leben Sie recht wohl! H.

Fußnoten

    1. a |Editor| Unten links die Anschrift: An H: Hofrath von Klaproth, Hochwohlgebh. | in Berlin, unter d. Linden, nr. 20.
    2. b |Editor| Damit ist wohl eine der Polemiken Klaproths gegen Joseph Hager gemeint: Leichenstein auf dem Grabe der Chinesischen Gelehrsamkeit des Herrn Joseph Hager oder Quid non audebis perfida lingua loqui! [FZ]
    3. c |Editor| Das Verzeichniß sollte 1822, d.h. zehn Jahre später, erscheinen. [FZ]
    4. d |Editor| Siehe oben.
    5. e |Editor| Vgl. den Brief Humboldts an Klaproth vom 5. Dezember 1812. [FZ]
    6. f |Editor| An dieser und der folgenden Stelle ist das Papier durch das Brechen des Siegels ausgerissen.