Wilhelm von Humboldt an Heinrich Julius Klaproth, 04.07.1825
Ich sage Ew. Hochwohlgebornen meinen lebhaftesten Dank für Ihr gütiges Schreiben vom 13. v. M.[a] und für das Geschenk, das Sie mir mit Salt’s Essai gemacht haben. Es ist mir überaus angenehm gewesen. Es freut mich, aus Ihrem Briefe zu sehen, daß ich mich über Champollion nicht geirrt habe. Auch mir scheinen seine Erklärungen und Entzifferungen richtig, aber nicht von der Art, daß man hoffen darf, leicht ganze Texte damit zu lesen. Ueber die Schwierigkeiten dies zu thun, hat sich auch schon Herr Gazzera in Turin, der es offenbar von Champollion selbst hat, gedrukt ohne Hehl ausgelassen. Ich glaube, daß man jetzt von den Spohnschen Entzifferungen eine Art Revolution in diesem System der Entzifferung zu erwarten hat. Da er vom Alphabetischen ausgegangen ist, so tritt er der Sprache näher, u. man muß auf diesem Wege tiefer in sie eindringen. Dies eben bleibt dann doch die Hauptsache. In den Hieroglyphen, wie Champollion sie erklärt, bleibt einem Vieles, wenn man nur den Sinn, nicht eben das AltAegyptische Wort erfährt, das, wenn man es kennte, wieder zum Verständniß von Andrem dienen würde. Der Professor Seyffarth, welcher der Herausgeber des Spohnischen Nachlasses ist[b], scheint sich mit Glück mit diesen Unter-suchungen zu beschäftigen. Er wird in Kurzem eigne Entzifferungen einiger Papyrus unsrer Bibliothek herausgeben.
Es hat mich sehr gefreut zu sehen, daß Ew. Hochwohlgebornen mit Ihrem Aufenthalt in London zufrieden gewesen sind. Mit lebhaftem Interesse sehe ich den Früchten Ihrer neuen Untersuchungen entgegen. Das neue Werk, von dem Sie mir reden[c], ist ein wahres Bedürfniß der Wissenschaft, da es eine Menge von Dingen zur allgemeinen Kenntniß bringen wird, die fast so gut als verborgen bleiben.
Daß der Kronprinz Ew. Hochwohlgeboren nicht geantwortet hat, thut mir leid, aber Sie müssen nicht die mindeste Folge daraus ziehen. Es ist eine bloße Nachlässigkeit, oder Vergessenheit. Ich habe den Kronprinzen, seitdem ich Ihren Brief empfangen habe, nicht gesehen u. jetzt ist er verreist. Ich bin indeß gewiß, daß wenn ich, wie ich gewiß thun werde, ihm von Ew. Hochwohlgeboren Werk rede, er gewiß sich selbst anklagen wird, Ihnen noch nicht geantwortet zu haben. Es ist mir schon mit andren so gegangen, und auch mir hat er bei solchen Gelegenheiten nicht geantwortet. Ich erzähle das Ew. Hochwohlgeboren ausdrücklich, weil es scheint, als glaubten Sie, daß diesem Stillschweigen ungünstige Meinungen zum Grunde liegen, die man dem Kronprinzen von Ihnen beigebracht haben könnte. Das ist aber gewiß durchaus nicht der Fall.
Ew. Hochwohlgeboren werden im Journal Asiatique eine Recension der Schlegelschen Bhagavad-Gita von Langlois gefunden haben. Der Name war mir bisher unbekannt. Sie würden mich sehr verbinden, wenn Sie mir gelegentlich sagten, was man von den Kenntnissen u. der Arbeit dieses Mannes urtheilt. Auch wüßte ich gern ob man ihn Langlais (wie Anglais) oder Langlois, (wie François, Franz) ausspricht.
Empfangen Ew. Hochwohlgeboren die erneute Versicherung meiner ausgezeichneten Hochachtung.Humboldt.
den 4. Julius, 1825.
An
Herrn Professor v. Klaproth,
Hochwohlgeboren,
in
Paris.
Fußnoten
- a |Editor| Der Brief scheint nicht erhalten zu sein.
- b |Editor| Der erste Teil des von Seyffarth herausgebenen Nachlasses von Spohn erschien noch 1825; der zweite Teil folgte erst 1831.[FZ]
- c |Editor| Meint Humboldt damit Klaproths Plan, den Mithridates neu herauszugeben, oder etwa die von Klaproth herausgegebene Zeitschrift Magasin asiatique, die 1825 und 1826 erschien, danach aber eingestellt wurde? [FZ]