Wilhelm von Humboldt an Christian Karl Josias Bunsen, 02.07.1826

[…] Der verstorbene Abate Lorenzo Hervas besaß mehrere gedruckte und handschriftliche Grammatiken und Wörterbücher Amerikanischer Sprachen, und eine solche Grammatik, obgleich ich nicht anzugeben weiß, welche, befand sich auch in der Bibliothek des Collegii Romani. Ich bat schon einmal unsren gemeinschaftlichen Freund Niebuhr mir über diesen doppelten Gegenstand einige Nachricht zu verschaffen. Er antwortete mir, daß er nichts habe auffinden können, schien aber selbst zu meinen, daß er seine Nachforschungen eigentlich nicht für geschlossen ansehe. Ew. Hochwohlgebornen würden mich nun sehr verpflichten, wenn Sie die Gewogenheit haben könnten, mir zu sagen, ob im Collegio Romano noch jene Grammatik vorhanden, und welche es ist, auch aus wieviel Seiten sie besteht, da es vielleicht thunlich wäre, sie abschreiben zu lassen, und wenn Sie herauszubringen suchten, wo der Nachlaß des freilich sehr unordentlichen Hervas geblieben ist? Seine handschriftlichen Notizen über Amerikanische Sprachen besitze ich in Abschriften, die ich mir in Rom habe machen lassen, da ich ihn viel sah, und er äußerst gefällig war.[a] Auch werden diese Papiere schwerlich erhalten seyn. Allein die gedruckten Bücher, die er hatte, könnten doch an Römische Besitzer gekommen oder zu Römischen Antiquaren gewandert seyn. Da ich jetzt sehr ernstlich mit meinem Werk über die Sprachen Amerikas beschäftigt bin, so hat dieser Gegenstand eine sehr große Wichtigkeit für mich.

Ferner hat mir Champollion der jüngere, der wohl noch in Livorno ist, sagen lassen, daß er einen 15 Seiten langen Brief an mich geschrieben habe, den er unsrem Consul[b] zur Beförderung übergeben wolle. Da dieser Brief eine Abhandlung betrift, die für die Akademischen Sammlungen bestimmt ist, so läge mir sehr viel daran, ihn bald zu erhalten, und Ew. Hochwohlgebornen würden mich ungemein verpflichten, wenn Sie Sich erkundigen wollten, ob man schon eine Gelegenheit der Uebersendung (da die Post freilich zu kostbar ist) gefunden hat, und wenn Sie im entgegengesetzten Fall Sich der Sache auf eine oder andre Weise anzunehmen die Güte hätten.[c]

Von Seyffarth höre ich nichts. Vermuthlich sind die Kampflustigen noch nicht zusammen gekommen. […]

Fußnoten

    1. a |Editor| Für die Abschriften der amerikanischen Grammatiken siehe Coll. ling. fol. 24, 51, 78–89 (Biblioteka Jagiellońska, Krakau).
    2. b |Editor| Im Handbuch über den Königlich Preußischen Hof und Staat: Für das Jahr 1824 wird Franz Guebhard Bonhôte als Consul in Livorno angeführt.
    3. c |Editor| Bei diesem Brief muss es sich um den heute verschollenen Brief von Champollion vom 12. Juni 1826 aus Livorno handeln, in dem er eine Liste mit Fragen Humboldts (Brief aus Berlin vom 8. März 1826) zu seiner 1825 gehaltenen Abhandlung über die löwenköpfigen Bildsäulen beantwortete; siehe Markus Messling (2008): Pariser Orientlektüren. Zu Wilhelm von Humboldts Theorie der Schrift, Paderborn: Schöningh, S. 315 Nr. 2B. Humboldt bezieht sich in den Anmerkungen der 1828 gedruckten Fassung der Abhandlung mehrmals auf diesen Antwortbrief Champollions.