Wilhelm von Humboldt an Christian Karl Josias Bunsen, nach 2. Juli und vor 28. September 1826 (Mattson)
Ew. Hochwohlgebornen sehen schon aus dem, was ich mit den erbetenen Abschriften beabsichtige, daß mir bei denselben Alles auf die pünktliche Genauigkeit derselben, in den Amerikanischen Wörtern, auch in Absicht der Accente, ankommt.[a] Hierfür möglichst Sorge zu tragen, so wie eine recht deutliche Handschrift zu suchen, würde ich daher vorzüglich bitten. Auch müßte man ja nicht enge oder klein schreiben, da meine Augen dies nicht mehr ertragen. Die Kosten werde ich mit Vergnügen, auf Ew. Hochwohlgebornen Anzeige, ersetzen. Die Uebersendung müßte nur gelegentlich, oder durch Fuhrmannsgelegenheit geschehen.
Auf der Bibliothek des Collegii Romani war zu meiner und Hervas Zeit noch die in Mexico 1684. gedruckte Mayische oder Yucatanische Grammatik des Franciscaner Mönchs Gabriel de S. Bonaventura. Da diese Eigenthum des Collegii war, so müßte sie noch dort seyn. Doch habe ich schon Herrn Niebuhr einmal vergeblich um Nachricht von derselben ersucht.[b] Wären Ew. Hochwohlgebornen in Auffindung derselben glücklicher, so würde ich Sie um Abschrift von dieser Grammatik bitten, und Hervas nur aus ihr genommener Aufsatz über diese Sprache … bliebe dann unabgeschrieben.
Ueberhaupt darf ich mir wohl erlauben, Ew. Hochwohlgebornen mein Amerikanisches Studium zu empfehlen. In Rom findet sich bisweilen unerwartet etwas. Vielleicht enthielte selbst das Jesuiten Collegium noch mehr an handschriftlichen Aufsätzen, da vorzüglich Jesuiten diese Sprachen bearbeitet haben. Hervas hat sich wirklich ein nicht geringes Verdienst um dieselben erworben. Denn in allen den Sprachen, von deren Grammatiken ich neue Abschriften wünsche, wüßte man wirklich nicht das Mindeste, wenn er nicht die damals schon sehr betagten ExMissionnaire vermocht hätte niederzuschreiben, was ihnen noch davon im Gedächtniß geblieben war.
Dies wären denn meine wirklich unbescheidnen, aber ganz auf Ew. Hochwohlgebornen freundschaftliche Güte berechneten Bitten. Ich gehe von ihnen zu dem übrigen Inhalt Ihres interessanten Schreibens über.
Die Erzählung von Champollions und Seyffarths Zusammenkunft hat mich ungemein belustigt. Ich bin vollkommen vom ersten Augenblick an überzeugt gewesen, daß alle Erklärungen S. falsch sind. Eitelkeit und Ruhmsucht vertreten leider bei diesem Manne die Stelle der Gelehrsamkeit und des Scharfsinns. Ein gründlicher Untersucher hätte mit unpartheiischer Prüfung des Champollionschen Systems angefangen, und hätte dies angenommen oder widerlegt. Leider war indeß schon Spohn (glücklicherweise aber nicht in gedruckten Schriften, sondern nur in Briefen) seinem nachherigen Herausgeber in Verachtung Champollions, ohne alle Prüfung, vorangegangen. Ich bin begierig, wie S. es bei seiner Rückkunft nun anfangen wird. Sein Beschützer, Böttiger, der ihm auch Unterstützung zur Reise verschaft hat, geräth schon jetzt in nicht geringes Gedränge. Er hat, ob wir gleich sonst gar nicht in Briefwechsel mit einander stehen, mir neulich geschrieben, und mich förmlich um meine Meinung befragt. Ich habe ihm ehrlich gesagt, daß mir auch nicht das Mindeste in S’s Buch im geringsten erwiesen scheine. Champollions Brief habe ich erhalten und werde ihn bei dem Abdruck einer kleinen Abhandlung über ein Paar Aegyptische Statuen, die wir besitzen, benutzen. Ich habe übrigens die Beschäftigung mit diesen Entzifferungen ganz aufgegeben. Sie interessirten mich nur in Beziehung auf die allgemeinen Resultate auf Sprache und Schrift, Entdeckungen darin zu machen habe ich mir nie geschmeichelt, da es mir sehr an Entzifferungs- und Combinationstalent gebricht. Aber ich erhalte mir soviel Kenntniß der Zeichen und vorzüglich des Koptischen (auf das ich mich mehr gelegt, und das eine interessante Sprache ist), um den fremden Entdeckungen folgen zu können. Mit den Abbildungen der Obelisken werden mich Ew. Hochwohlgebornen sehr erfreuen.
Fußnoten
- a |Editor| Der Brief ist aufgrund seines Inhalts nach Mattson a.O. nach dem Brief vom 2. Juli 1826 und vor dem vom 28. September 1826 zu datieren. [FZ]
- b |Editor| Siehe den Brief an Barthold Georg Niebuhr vom 8. Juli 1820. [FZ]